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1 (2002), Nr. 2: Inhalt
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Aurora von Königsmarck

Die Geschichte der Solane

Für diese Edition eingerichtet von Stephan Kraft

<602>
Es bliebe der krancke Printz überhoben/ dieses zu beantworten/ weilen Dorpaneus Anses mitdes eine Schrifft auf dem Nacht=Tisch liegen findend/ deren Titel überlaut herlase/ der also lautete: Geschichte der Solane. Antiochus Epiphanes hatte/ für ihrer Ankunfft/ die Zeit zu kürtzen/ sich dieses durch den Leib=Artzt wollen fürlesen lassen/ woran die ankommende ihn verhindert.

Als nun der Dacische Printz selbige durchblätterte und Callinicus vermeinete/ daß ein und anders darinnen wäre/ so zu vernehmen annehmlich seyn würde/ verlangete er/ daß der Leib=Artzt/ was er vor ihrer Ankunfft thun wollen/ nunmehr ins Werck stellen/ und seinem Bruder eine so angenehme Artzeney beybringen möchte/ die ihm gantz keine Wiedrigkeit verursachen würde können. Ehe und bevor hube Antiochus Epiphanes/ dieses hörend/ an/ solches geschiehet/ muß ich zur Nachricht melden/ daß ich ehmahlen diese Schrifft in der Diana Tempel in Dacien gefunden/ und selbige einer von den heiligen Jungfrauen aus ihrem Cabinet wieder ihren Willen entwendet/ die diese ihre Liebes=Geschicht unter verdeckten Nahmen dergestalt der Nach=Welt hat wollen kund machen/ wobey ich mir aber ausbedinge/ daß man von mir nicht begehren wolle den Schlüssel davon zu eröffnen/ massen/ ob selbiger mir gleich ziemlicher massen bekannt ist/ ich dennoch darinnen nicht werde willfahren können.

Hierauf nun setzten sich die beiden Printzen nahe an des Antiochus Epiphanes Bette/ und höreten mit grosser Aufmercksamkeit zu/ daß ihnen der Leib=Artzt folgendermassen fürlase:

<603>

Die Geschichte der Solane.

Solane aus einem berühmten Geschlechte gebohren/ wurde von ihren damahls sehr unterdrückten Verwandten für diejenige angesehen/ welche fähig wäre/ selbige gegen ihre Feinde zu schützen/ und durch ihre Geschicklichkeit der Ihrigen Untergang abzuwenden; denn es war solches Geschlechte damahls in eine harte Verfolgung gerathen/ durch einen sonderbahren Zufall des unvermeidlichen Geschicks/ wodurch es so verhasset bei dem Fürsten Bartoces worden/ daß auch nichts als Blut seine Rache versöhnen konte. Diesemnach wurde die Verwandschafft der Solane schlüßig/ ihr eine Reise nach dem Hofe des Fürsten Orondates aufzutragen/ und bey selbigen Schutz und Vermittelung zu suchen. Solane nahm zwar diese höchstnöthige Reise über sich/ doch mehr auf Gutfinden ihrer Anverwandten/ als aus eigenem Vertrauen in Ihr selbst.
Solane aus einem berühmten Geschlechte gebohren/ wurde von ihren damahls sehr unterdrückten Verwandten für diejenige angesehen/ welche fähig wäre/ selbige gegen ihre Feinde zu schützen/ und durch ihre Geschicklichkeit der Ihrigen Untergang abzuwenden; denn es war solches Geschlechte damahls in eine harte Verfolgung gerathen/ durch einen sonderbahren Zufall des unvermeidlichen Geschicks/ wodurch es so verhasset bei dem Fürsten Bartoces worden/ daß auch nichts als Blut seine Rache versöhnen konte. Diesemnach wurde die Verwandschafft der Solane schlüßig/ ihr eine Reise nach dem Hofe des Fürsten Orondates aufzutragen/ und bey selbigen Schutz und Vermittelung zu suchen. Solane nahm zwar diese höchstnöthige Reise über sich/ doch mehr auf Gutfinden ihrer Anverwandten/ als aus eigenem Vertrauen in Ihr selbst.

<604> Kaum aber war sie an dem Hofe des berühmten Fürsten Orondates angelanget/ als ihre Ankunfft bey dem wachsamen Feinden schon große Unruhe erweckte; jedoch konten sie nicht verhindern/ daß die Solane nicht allein wohl empfangen/ sondern ihr auch bey Hofe eigene Gemächer zur Bewohnung angewiesen wurden.

Es war ohnlängst der Fürst Orondates/ nach Ableben seines Brudern/ zur Regierung kommen/ deßen Frau=Mutter/ nahmens Roxana/ eine Printzeßin von Königlichem Hauße und Geblüthe/ der Solane allen Schutz und Gnade in ihrer Wiederwärtigkeit verhieße/ auch Olimpia/ die Gemahlin des Fürsten beflisse sich nicht minder/ ihr diese Versprechung zu thun/ und Orosmana/ des verstorbenen Fürsten Witwe hatte eine solche Gleichförmigkeit des betrübten Geschickes/ mit ihr/ daß sie sich gerne in ihrer Gesellschafft befunde.

Noch hatte Solane ihr Gesuch beym Fürsten selbst nicht anbringen können/ als einsten Olimpia sie abends zu sich fordern liesse/ mit Bitte/ ihr die Zeit zu verkürtzen/ und als eine der Music Erfahrne/ sie mit Singen zu unterhalten. Solane fande sich genöthiget/ dieses Begehren zu erfüllen/ liesse sich eine Harffe reichen/ auf welcher sie damals wol geübet war/ und sang in selbige folgende Worte/ mit welchen sie auf ihren Zustand zielete:

    Glücke stehe mir jetzt bey/
            Laß die Hoffnung mich nicht triegen/
            Hilff mir meine Quaal besiegen/
    Und der Liebe Tyranney/
    Glücke stehe mir jetzt bey.


Solane merckte nicht im Singen/ daß Orondates hinter dem Teppich der Thüre stund/ und den Gesang mit anhörete/ bis nach der eingenommenen Abend=Mahlzeit sie von Olimpia befragt wurde: Ob sie den Fürsten nicht wahrgenommen hätte? Sie beantwortete dieses mit Nein (wurde aber von einer unvermutheten Röthe so angefärbet/ <605> daß man die Bewegung ihres Gemüthes leicht daraus abnehmen konte; denn ob zwar damahls keine eigentliche Ursach sich hierzu fande/ so war doch der Ruff von Orondates/ Schönheit/ Tapfferkeit/ Jugend und Geschicklichkeit so groß/ absonderlich die verliebte Zuneigung des veränderlichen Gemüths/ so beschryen/ daß Solane sich von einer innerlichen Bestürtzung nicht frey nennen konte. Solche wurde noch vermehret/ wie andern Tages Tarßis/ des Fürsten vertrauter Aufwärter/ ein junger Ritter/ von Edelem Geschlechte/ seinem Herrn zur Besuchung bey ihr anmeldete. Solane ließe dieses alsofort der Fürstin Roxana wissen/ mit Bitte/ ihr eine von ihrem Frauenzimmer zuzueignen/ dieser hohen Zusprache mit beyzuwohnen/ welches auch von Roxanen bewilliget wurde.

In gleichem Augenblick/ als der Fürst sich zu ihrem Zimmer nahete/ eilte ihm Solane aus Schuldigkeit entgegen/ versahe sich aber nicht/ daß sie drey bis vier Stuffen niederzutreten hatte/ ihm zu begegnen/ und da sie aus Ubereilung solche nicht wahrgenommen/ stürtzte sie völlig hinab/ und fiel dem Fürsten zu Füssen/ mit dem Angesicht zur Erden gebeuget/ gleichsam als wäre es aus einer besondern Ehrerbietigkeit mit Fleiß also geschehen. Orondates bekam hierdurch Gelegenheit sie gar freundlich aufzuheben/ schiene wegen des gethanen Falles besorgt/ schätzte sich unglücklich/ selbst Ursach daran zu seyn/ und leithete sie/ mit Hülffe des Tarßis bis in ihr Zimmer.

Nachdem sie sich daselbst wieder erhohlet hatte/ fande sie die beste Gelegenheit den Zustand ihrer Bedrängnüß dem Fürsten vorzutragen/ welcher die gütigste Versicherung gab/ sich der Sachen nicht minder als seiner eigenen anzunehmen/ und solche Verfügung zu machen/ wovon sie die nachdrückliche Hülffe empfinden würde; Sie möchte sich nur an seinem Hofe so lange aufhalten/ bis er die nöthige Anstalt dazu machen könte/ und inzwischen nicht versagen/ denen Lustbarkeiten des Hofes mit beyzuwohnen.

Es erfolget eine angestellte Spatzier=Fahrt auf klei<606>nen vergüldeten Wägen/ Olimpia und Solane sassen neben einander/ von übrigem Frauenzimmer gefolget/ Orondates aber ritte bey her/ nebst allen Fürnehmsten des Hofs; Die Abend=Mahlzeit wurde in einem prächtigen Garten=Gebäude eingenommen/ und am Ende mit einem Tantz beschlossen.

Es hatte Solane nunmehr Ursach sich eines guten Ausgangs ihrer Sachen zu getrösten; Was aber ihr Gemüthe verunruhigen wolte/ war die Furcht/ sich in eine Liebes=Gefahr zu stürtzen/ weil Orondates durch seine Blicke/ die Neigung des Hertzens genungsam zu verstehen gabe; bald fürchtete sie sich für sich selbst/ indem sie bekennen muste/ daß/ des Orondates gleichen/ sie noch nie gesehen hätte: Es schreckte sie nicht minder sein unbeständiges Gemüth/ und muste auch der Fall/ den sie zu seinen Füssen gethan/ ihr eine Anthung des künfftigen Unglücks seyn. Sie suchte sich demnach durch die Ungewißheit solcher Deutungen wieder aufzurichten/ und hoffte auf ihre baldige Abfertigung.

Es unterliesse inzwischen Orondates nicht/ sich täglich mit einer neuen angestellten Lustbarkeit zu verändern/ wobey Solane stets zugegen seyn muste/ bey welcher Gelegenheit sie sich mit den Fürnehmsten zu Lido bekannt machte.

Statira eine Tochter des General Leonidas/ an Silvanus vermählet/ bemühete sich absonderlich unter der Zahl ihrer Freundinnen aufgenommen zuwerden/ welche von so angenehmen Verstand und Umgang war/ daß Solane sie mit gleichem Verlangen begegnete. Was ihren Ruhm vermehrete/ war die Treue so sie an ihrem Vater den Leonidas erwiesen hatte/ welchen sie aus einer harten Gefangenschafft/ davon keine Gewalt ihn befreyen konte/ durch ihre Geschicklichkeit erlöset; welche löbliche That mit der Solane ihren damahligen Geschäfften wol überein kam.

Mecenas des Fürsten vertrautester Rath/ ein Feind des Leonidas beflisse sich nicht minder bey der Solane wohl angeschrieben zu seyn/ welches aber Statira möglichst zuverhindern suchte.

<607> Pericles/ ein neuer Liebling des Fürsten säumte gleichfalls nicht/ bey der Solane seine Aufwartung zu machen/ und ihr viel angenehme Versicherungen von dem Fürsten zu thun/ wie selbiger sich so sehr von ihr eingenommen befande/ daß sie völlig über ihm zu gebiethen hätte/ es stünde jetzt in ihren Händen ein ungemeines Glück zu machen/ sie möchte sich entschliessen selbiges anzunehmen/ und den Orondates mit einer vergnüglichen Antwort erfreuen. Weil ihm aber Solane nicht viel gutes zutrauete/ gab sie ihm keine deutliche Antwort/ unter dem Vorwand/ es wäre dieser Schertz keiner Erklährung bedürfftig/ würde auch von Orondates vermuthlich nicht gebilliget werden/ dessen Gnade sie zwar suchte/ aber nicht seine Liebe. Worauf Pericles versetzte: des Menschen Geschicke sey denen Sternen eingeschrieben/ Sie imgleichen würde dem Ihrigen nicht entgehen können. Solane bemühete sich jetzt mehr als jemahls ihren Abschied zu beschleunigen/ wozu Mecenas ihr behülfflich seyn muste/ durch welchen sie endlich die versprochene Abfertigung erhielte/ und hiemit ungesäumet bey Hofe Abschied nahm/ als eben Orondates auf der Jagd begriffen war.

Ob nun gleich Orosamana auf Anstifften des Fürsten sie sehr gebeten hatte/ die Abreise einzustellen und bey ihr zu verbleiben/ ließ sie sich doch keines weges davon abhalten; zog also mit diesem eintzigen Trost von Lido/ sie hätte einen grossen Sieg über sich selbst erhalten/ und könnte sich danebst auf des Fürsten Gunst weiter keine Rechnung machen.

Kaum hatte sie die erste Post erreichet/ als sie von einem Stallmeister des Fürsten eingehohlet ward/ der in Befehl hatte. Ihr nicht allein den Abschieds=Gruß zu bringen/ sondern ihr auch die schleunige Abreise vorzurücken: Solane konte nicht in Abrede seyn/ sie hätte einen Fehler gegen den Fürsten begangen/ welchen sie bestens zu entschuldigen suchte/ vermittelst eines Schreibens ihrer Hand mit dem ersinnlichsten Versicherungen ihrer Danckbarkeit angefüllet/ womit sie den Stallmeister wieder abfertigte/ wel<608>ches aber den entfindlichen Orondates nicht versöhnen konte/ bis nach verfliessung einiger Zeit Lentulus der Solane Schwager sich genöthiget sahe/ seinen Feinden auszuweichen/ und sich gäntzlich unter den Schutz des Orondates zu begeben.

Solane die sich stets bey ihrer Schwester Dynamis aufgehalten hatte/ ward durch gleiche Ursachen gezwungen/ ihr nach Lido zu folgen und zwar in der Meinung/ Orondates hätte ihrer gäntzlich vergessen. Lentulus ward zu Lido mit ansehnlicher Bedienung bey Hofe versehen/ es schiene ihm der Fürst sehr gewogen zu seyn/ was aber Solane betraffe/ konte selbige wohl mercken/ daß er sich gegen ihr mit grosser Behutsamkeit aufführete. Statira/ hingegen hatte sich wol bey ihm gesetzt/ deren Umgang er zwar liebte/ doch dabey auch andern Damens mehr aufwartete/ welches Statira mit grössestem Verdrus der Solane entdeckete/ absonderlich aber über dem Mecenas klagete/ daß er ihren Vater den Leonidas so sehr verfolgte/ alle seine guten Vorschläge bey dem Orondates verhinderte/ und ihn zu nichts als zur Wollust und Unbeständigkeit anreitzte/ ja so weit es fast gebracht hätte/ daß auch Solane nebst den Ihrigen an Fürst Bartoces gäntzlich würde aufgeopffert werden/ weil bereits das gute Verständnüß zwischen beiden Fürsten so groß/ daß Orondates entschlossen wäre/ durch des Mecenas Anstifften zu dem Bartoces zu reisen/ um ein Verbündnüß mit ihm zu machen. Dieses schiene der Solane gar zu gefährlich zu seyn/ die sich zwar bis daher aller Empfindlichkeit selbst berauben wollen/ jetzt aber einen solchen Fallstrick merckte/ welchen sie bey Zeiten vorzubauen hatte. Entschloß sich also dieserwegen an Orondates zu schreiben/ ihm der vorigen Gunst zu erinnern/ und sich seinen Schutz weiter auszubitten. Orondates belustigte sich eben in seinem Weingarten/ und saß zur Taffel mit Mecenas und Pericles/ als ihm dieser Brief gebracht wurde; welchen er mit grössestem Vergnügen durchlase/ ohn zu sagen/ von wem er geschrieben/ nachgehends den Brief <609> in ein Glaß Wein tunckte/ und den Wein austranck/ worüber Mecenas und Pericles sich verwunderten/ und begierig waren/ zu wissen von wem der Brief möchte gekommen seyn/ konten es aber nicht erfahren.

Die Reise nach dem Bartoces wurde gäntzlich eingestellet/ Mecenas aber hielte Statira in Verdacht/ daß dieser Streich von ihr wäre gespielet worden. Orondates vergaßt nicht/ an Solane eine verbündliche Antwort zu schreiben/ suchte auch nach diesem Gelegenheit öffters in ihrer Gesellschafft zu seyn/ wessenthalben er ein Tantz=Fest bey Hofe gab/ welches bey allen Fürnehmsten des Hofes umgieng. Wie die Reihe den Leonidas traff/ fand Orondates öffters den Herennus bey der Solane/ welcher neulichs als Gesandter vom Kayser/ zu Lido angekommen war/ welches ihm so sehr verdroß/ daß er sich zu der Solane nahete/ wie er sie eben allein sahe/ um ihr mit den entfindlichsten Worten/ ihre Freundlichkeit gegen den Herennus vorzuwerffen/ da sie hingegen ihn zu meiden schiene/ und durch solche eifersüchtige Triebe entdeckete er ihr nicht undeutlich/ wie sehr er sie liebete. Weil aber Statira sich herzu machte/ verbückte er sich tief gegen Solane/ entfernte sich/ und sagte im weg gehen: Ich vergesse mich. Statira konte wol mercken/ daß etwas besonders unter ihnen vorgekommen war/ weil Solane aber nichts gestehen wolte/ war sie nicht mit ihr zufrieden. Ich merckte schon/ seith dem ersten Tage/ sagte sie/ daß Orondates der Solane nachtrachtete/ allein ich muß die Larve jetzt völlig abziehen/ und gestehen/ daß er vorlängst auch schon bey mir dergleichen Ansuchung gethan/ und noch stets thut/ weil es aber ein unbeständiger Herr ist/ trage ich billig Bedencken/ und will es keiner rathen/ sich mit ihm einzulassen. Statira hat recht/ antwortete Solane/ und wo sie meines Sinnes ist/ mag Orondates beiden vorsagen/ was ihm gefällt/ ohne daß die Freundschafft zwischen uns deswegen im geringsten Anstoß leide. Hiemit schiene Statira sich zu vergnügen/ Solane aber hatte dasmahl genung gehöret/ und bey so gestallten Sa<610>chen entschlosse sie sich viel behutsamer zu gehen/ um keinen den geringsten Vortheil über sich einzuräumen.

Des andern Tages ward eine Schlitten=Fahrt angestellet/ da sich die gantze Gesellschafft abermahls bei Leonidas einfinden muste/ um Zettuln zu ziehen/ wie sie miteinander fahren solten/ Solane wollte nicht beym Loosen zugegen seyn/ fuhr auch nicht eher hin/ bis solches vorbey. Es begegnete ihr aber Herennus an der Hauß=Thür des Leonidas/ denn er hatte das Glück gehabt/ ihren Zettul zu ziehen; noch weit glückseeliger aber schätzte sich Statira/ welche Orondates zum Führer bekommen hatte. Solane fande sich mit einem rothen Sammiten Schlitten=Kleide angethan/ mit Hermelinen aufgeschlagen und sahe einer Fürstin nicht unähnlich; denn ob sie zwar kein sonderliches schönes Gesicht hatte/ war sie doch wohl gewachsen von Leibe/ absonderlich durch die Natur mit einer schönen Brust wol versehen/ und was ein Fehler an ihr seyn solte/ gereichte zu ihrer grösten Annehmlichkeit; denn sie war von licht=weissen Haaren/ hatte aber dabey eine schwartze Locke/ welche auf der einen Seite des Angesichts gantz natürlich herab fiel. Elimar ein tapfferer berühmter Ritter konte sie ohne Entzückung nicht ansehen/ und weil der vermeinete/ Orondates wäre gleichermassen gegen ihr entzündet/ hörete er nicht auf sie zu rühmen/ nandte sie auch den gantzen Abend Fürstin/ womit aber Orondates wenig gedienet war/ weil er an Solane einen grossen Verdruß merckte/ deren Augen ihm sehr zornige Blicke gaben/ hingegen den Herennus mit grosser Freundlichkeit anschaueten/ welcher dieses mahl der allervergnügteste von allen war/ wuste sich auch der Schlitten=Fahrt wol zu Nutze zu machen/ um an die Solane seine Liebe zu offenbahren. Auf daß sie aber desto mehr seine Aufrichtigkeit spühren möchte/ both er ihr nebst dem Hertzen auch die Heurath an/ welches beides nicht zu verwerffen stund; denn Herennus war von hoher Ankunfft und von guten Vermögen.

Wie er sich nun einer geneigten Antwort versahe/ <611> ward er von jemand unvermuthlich mit der Hand auf die Achsel geschlagen; dieses thate Orondates/ welcher hinten auf den Schlitten gesprungen war/ und die gantze Unterredung mit angehöret hatte. Herennus ließe sich dieses wenig anfechten/ aus Ehrerbietigkeit gegen den Fürsten aber/ verließ er seinen Platz bey Solane/ und verfügte sich inzwischen zu einen andern Schlitten/ in welchen eine Dame ohne Führer saß/ Orondates wolte der Solane/ wegen Herennus/ viel Vorwürffe machen/ allein sie wuste ihm genung darauf zu antworten: Gehen Sie nur wieder hin/ sagte sie/ zu Ihrer Fürstin der Statira/ mit welcher Sie die gantze Schlitten=Fahrt also geredet haben/ und lassen den armen Herennus nur wieder zu mir kommen/ denn/ ob er gleich nicht so schön und angenehm/ als Fürst Orondates ist/ verdienet er dennoch meine Erkänntlichkeit/ durch seine Aufrichtigkeit. Der Fürst konnte solche Worte nicht vertragen/ sondern kehrte voller Verdruß wieder zur Statira/ und fande den Elimar bey ihr sitzen/ der ihm aber den Platz alsofort wieder räumete/ und zu seiner Gefährtin ging/ bey welcher sich Herennus eingefunden hatte.

Endlich kam ein jeder wieder an seine rechte Stelle/ und führte seine Gefährtin wieder zu Hauße/ weil es späth war/ auch Orondates nicht Lust hatte/ sich länger aufzuhalten. Es lagen ihm die entfindlichen Worte der Solane stets im Sinn/ weswegen er noch selbigen Abend sich mit ihr besprechen wolte. Wie er aber für ihr Hauß kam/ war die Thür schon verschlossen/ er liesse zwar hart anklopffen/ aber Solane wolte nicht aufmachen/ seine Leuthe rieffen: Es ist der Fürst/ liessen sich dabey einiger Dräu=Worte vernehmen/ und der Wirth vom Hauße/ welcher ein Bedienter des Fürsten war/ fiel Solane zu Füssen/ mit Bitte/ ihm zu erlauben/ die Thür aufzumachen/ weil er sich des Fürsten Ungnade sonst zu versehen hätte/ allein Solane war nicht zu bereden. Inzwischen muste Orodantes nach Hauße fahren/ welches ihn in den grösten Unmut setzte.

<612> Der junge Tarßis wurde folgenden Morgen gantz früh von dem Fürsten/ mit einem Brief an Solane gesand/ welche sich durch ihre Antwort bestens suchte zu entschuldigen/ vorgebende/ es wäre eine unbekandte vermummete Persohn unten an der Thür auf der Gassen gestanden/ vermuthlich um achtung zu geben/ dieserhalben sie das Hauß nicht hätte dürffen aufmachen lassen. Dieses befande sich auch also/ und die vermummete Persohn war Elimar welcher an der Thür auf der Gassen gestanden/ und achtung gegeben hatte/ ob auch etwan Statira mit Orondates selbigen Abends/ noch weiter herum fahren würde.

Orondates erdachte inzwischen eine Rache/ daß weder Thüren noch Schlösser ihm verhindern sollten zu seinem Zweck zu gelangen/ ließe aber noch einige Tage vorbey gehen/ und verreisete auf eine Bäären=Jagd/ nahm aber zuvor Abschied bey der Dynamis/ der Solane Schwester/ welche sich nebst Statira zugegen fand/ und beym beurlauben fragte er sie insgesamt: Ob sie ihm nichts zu befehlen hätten? Dynamis und Statira beantworteten dis Schertz=weise/ mit einigen Befehlen. Wie die Reihe an Solane kam/ sagte sie gleichfalls Schertz=weise: Orondates solte den grösten Bäären umbringen/ und niemand zu Hülffe nehmen.

Hierauf verreisete der Fürst/ und nach einigen Tagen/ wie die Jagd vorbey/ und sich die Hoffstadt wieder einfand/ nebst der Menge vieler Jäger/ hörete Solane unter dem Tumult der Leuthe/ den Nahmen Orondates öffters nennen/ mit grossem Jubel=Geschrey/ indem kam auch Lentulus von der Jagd zurück/ und berichtete: wie der Fürst einen grimmigen Bäären/ mit gröster Tapfferkeit gantz allein erleget hätte/ und zwar dergestalt/ daß er ihm erst zu Pferde/ durch einen Bogen=Schuß den Kampff angebothen/ nachgehends aber/ in geschwinder Eil vom Pferde gestiegen wäre/ mit blossem Säbel in der Hand/ als eben der Bäär mit gröster Wuth auf ihn loß gegangen/ er hätte aber alle die ihm zu Hülffe kommen wollen/ zurück ge<613>wiesen/ und zugleich dem Bäären solche gewisse Streiche mit seinem Säbel versetzet/ daß er bald zu seinen Füssen todt gelegen hätte/ zu jedes Menschen Erstaunen/ welche dieses Kampffs halber in grosser Furcht gestanden wären. Solane erröthete hierüber hefftig/ und Statira fiel in tieffe Gedancken; denn sie erinnerte sich des Befehls. Eben trat Tarßis ins Zimmer/ welcher diese Erzehlung wiederholte/ ja sprach er/ solche Tapfferkeit ist zwar gewöhnlich bey Orondates/ welcher gleichsam zum Beherrscher über alles gebohren ist/ so gar/ daß ihm auch kein grimmiges Thier etwas anhaben kan/ doch hat er mich gesand/ Solanen zu versichern/ daß er bloß ihren Befehl zu erfüllen/ dieses verrichtet. Statira schwieg hierzu gantz still/ Solane aber konte ihre Vergnügung nicht wol bergen. Gleich darauf ließ sich Orondates anmelden/ und weil er Solane sehr wohl aufgeräumet fand/ die ihm vielen angenehmen Ruhm beylegte/ blieb er selbigen Abends bey dem Lentulus zur Taffel/ welcher die Wirthschafft so bestellete/ daß der Fürst sich nach diesem öffters bey ihm zum Essen ansagen ließ/ wodurch sein Ansehn mercklich zunahm/ ihm aber mehr Neider als Glück zuwege brachte; denn weil er gar nicht eigennützig war/ gönnete er andern den Genuß/ und suchte die auf ihn geworffene Gnade niemahls zu mißbrauchen.

Mecenas sahe dieses zwar nicht gerne/ absonderlich da Lentulus sich mit Leonidas schiene gäntzlich zu vereinen/ dessen Tochter stets bey der Dynamis und Solane war/ dieserwegen man auch nicht unterscheiden konte/ ob Statira oder Solane am meisten beym Fürsten galt/ weil sie stets zusammen waren/ dessenthalben auch Roxana und die Gemahlin Olimpia/ noch keinen Argwohn schöpfften/ sondern der Solane/ nach wie vor gewogen blieben. Mecenas aber wurde bald aus dem Traum geholffen/ weil er Solanen Freundschafft suchte zu gewinnen/ und wo möglich sie von Statira zu trennen/ welches Orondates nicht vertragen konte/ sondern bath ihn im Vertrauen/ er möchte sich der Solanen entziehen/ weil er selbige für sich ausersehen hät<614>te; Auch wolte er nicht länger leiden/ daß Herennus sich ihren Liebhaber nandte/ welchen er ebenfals/ abzuhalten suchte.

Inzwischen fielen die Bachanalien ein/ welche Orondates mit sonderbahrer Pracht zu feyern gesonnen war/ liesse demnach mit Paucken= und Trompeten=Schall/ die gewöhnliche Ritter=Spiele verkündigen als Ringen/ Wette=Lauffen/ Götter=Aufzüge/ Kampff=Jagden/ Verkleidungen/ und dergleichen auch was zu bemercken war (wovon eine Beschreibung in alle Häuser geschicket wurde) Es solten die verkleideten Persohnen Freyheit haben/ ungehindert in alle Häuser zu gehen/ von dem Abend bis an den Morgen. Dynamis schüttelte hierzu den Kopff/ sagende: Dieses wird dem Fürsten in allen Häusern nicht angehen/ und Solane setzte hinzu/ so müssen keine Thüren noch Schlösser in der gantzen Stadt verbleiben. Statira kam eben zu ihnen mit einem dergleichen Zettel in der Hand. Nun müssen wir/ sagte sie/ wol alle unsere Häuser verwechseln/ oder selbsten stets verlarvet seyn/ ja ich glaube/ die gantze Stadt wird noch müssen närrisch werden. Weiß aber Dynmais eine neue Mummerey/ die uns Solane spielen wird/ fuhr sie fort/ welche in kurtzen eine Braut des Herennus heissen soll? Jetzt da ich eben von meinen Vater komme/ befindet sich Herennus bey ihm/ und hat ihm aufgetragen/ die Ansprache zu thun/ welches ich als eine gute Freundin der Solanen zuvor melden wollen/ damit sie sich auf eine gute Antwort gefast mache.

Es wurde weiter viel von dieser Sache unter ihnen geredet/ Statira wolte allerdings darzu rathen/ und Dynamis konte nicht entgegen seyn/ Solane liesse alles auf der Schickung gleichsam ankommen/ schiene aber hierbey/ als ob ihr alles gleich gültig wäre. Ihr Gespräche wurde verstöhret/ weil es eben Zeit war/ nach Hofe zu gehen/ um den angestellten Ringen zuzusehen/ womit die Bachanalien ihre Anfang nahmen.

Roxana/ Olimpia/ Orosmana/ nebst allen fürnehmen <615> Frauenzimmer/ waren vertheilet in unterschiedenen ausgebaueten Erckern/ mit reichen Teppichen behangen/ und die übrigen Zuschauer erfülleten zwey lang erhobene Bühnen zu beiden Seiten des Renn=Kreyses/ mit Schwibbogen gebauet; wie aber die Sonne alle angezündete Kertzen verdunckelt/ also übertraff Orondates alle übrige Ritter/ wessen Kleid von güldenen Stück mit Silber reich gesticket/ und mit kostbahren Edelsteinen versetzet/ nicht anderst als die helle Sonne anzusehen war. Der Huth war mit einem Busch/ von Feuer=Farbenen Federn/ bedecket/ auf dessen Schwärtze recht unschätzbare Diamanten funckelten; Hier sahe man einen Wett=Streit/ der Schönheit/ Pracht und Geschicklichkeit/ welche Orondates in sich vergliche/ und dadurch alle Preise gewann. Wie glücklich ist Olimpia/ sagte Statira/ einen solchen Herrn zum Gemahl zu besitzen/ da sich hingegen andere Frauens für ihre Männer heute schämen müssen. Mich ausgenommen/ antwortete ihr Mann/ welcher sich eben hinter sie gestellet hatte/ worauf sie aber wenig Acht gab/ ausser/ daß sie ihn frug/ wie die Preise wären ausgetheilet worden. Orondates hat sie allzusammen gewonnen/ gab er zur Antwort/ ist aber dabey unglücklich gewesen; indem er ein Arm=Band mit einem Gemählde verlohren hat/ welches ihm sehr nahe gehet/ ich habe es selbst an seinem Arm noch heute wahrgenommen/ und gesehen/ daß es eine schöne mit schwartzen Haaren war. Vermuthlich wirds Potentiana gewesen seyn/ sagte Statira/ welche dort auf der Seiten=Bühne sitzt. Solane hatte die Potentiana schon wahrgenommen/ und vermerckt/ daß sie gegen Orondates sehr bekannt thate/ weil man sie aber niemahls zu Hofe sahe/ vermeinte man auch/ daß die Liebe zwischen ihnen nunmehr zum Ende gieng/ weil sie von denen ersten Verliebungen des Orondates noch war.

Selbigen Abend solte noch eine Verkleidung seyn/ deshalben sich alles Frauenzimmer wieder nach Hause begab/ um sich hiezu bereit zu machen. Solane kleidete sich als eine Griechin/ welches ihr sehr wol anstunde; wie sie aber bey Ho<616>fe in dieser Tracht erschiene/ allwo in einem grossen Saal/ bey unzehlbaren angezündeten Lampen/ sich bereits eine grosse Menge der verkleideten Persohnen eingefunden hatte/ wurde sie bewillkommet von zweyen unbekannten verlarveten Gesichtern/ welche ihr den gantzen Abend folgeten/ und nicht zuliessen/ daß jemand mit ihr ins geheim etwan hätte sprechen können. Es trat aber ein verkleideter Grieche zu dieser Griechin/ welcher ihr den güldenen Apffel überreichte/ sich aber ohne ein Wort zu reden/ wieder unsichtbar machte. Es nahete sich auch Herennus zu ihr/ welcher aber nicht verkleidet war/ denn er gedachte solche rechtmäßige Forderung an Solane zu haben/ daß er öffentlich bey ihr seyn könte/ satzte sich auch bey ihr nieder/ ungeachtet die beide verkleidete Aufwärter fleißig aufmerckten/ wie er aber vermeinte/ von seiner Liebe und Heurath etwas zu reden/ fande sich eine verkleidete Klag=Fraue mit weissen Tüchern gantz verhüllet/ welche sich auf der andern Seite zu der Solane setzte/ und ihr den Kopff auf die Schulter legte/ Solane vermeinte/ es müste Statira seyn. Die Klag=Frau aber fieng an zu reden/ und mit beweglicher Stimme über sie zu klagen/ daß sie dem Herennus noch stetig ein geneigtes Gehör gäbe/ machte sich auch alsofort wieder davon/ ohne daß sie weiter gesehen ward.

Solane erkannte an der Sprache/ daß es Orondates gewesen/ welche Begebenheit dem Herennus hefftig zu Gemüthe gieng/ ich fürchte sehr/ sagte er/ Orondates wird eine grosse Verhinderung meiner Glückseeligkeit seyn/ weil es aber noch Zeit ist/ so bitte ich/ Solane wolle sich endlich erklähren/ mir die ehliche Hand zu geben/ und hierdurch allen Verdruß vorkommen/ ja vielleicht ihr eigenes Unglück verhüthen. Solane aber hatte mehr hierbey zu bedencken/ derohalben schlug sie vor/ Herennus solte dem Fürsten um seine Einwilligung bitten/ welches er aber durchaus nicht eingehen wolte/ sondern vorschützte/ Solane hätte hierinn alleine Macht über sich selbst zu gebiethen. Es ist wahr/ sagte Solane/ wenn ich meine übrigen Anverwandten nicht zu betrachten hätte/ wie aber wollen diese sich bey Orondates in <617> Gnade und Schutz erhalten/ im fall ich eine Heurath treffen würde/ die ihm zuwieder wäre. Sie konten aber hierüber nicht eins werden/ weswegen Solane die Unterredung aufhub/ um sich nach Hause zu begeben. Herennus begleitete sie bis an ihren Wagen/ imgleichen ihre beiden Hüther/ welche endlich von ihr schieden/ und sie fahren liessen/ bey Verkleidungen aber/ so lange die Bachanalien währeten/ sich wieder einstelleten/ und nicht von ihr wichen.

Wie sie aus dem Wagen für ihren Hause aussteigen wolte/ fand sich ein verkleideter Italiäner/ welcher ihr die Hand both/ und sie bis in ihr Zimmer führete/ Solane hätte gern die Hauß=Thür lassen verschliessen/ allein dismahl konte es nicht seyn/ ohne den Italiäner mit zu versperren/ welches niemand anderst als Orondates war/ sie muste sich verwundern über die Geschwindigkeit seiner vielen Verkleidungen/ und noch mehr über die Hefftigkeit seiner Reden/ alles war ihm diesen Abend zum Verdruß geschehen/ ja/ er liesse sich solcher Dräu=Worte vernehmen/ gegen Herennus/ daß Solane ihm das Obstat halten muste/ sie versprach aber dabey/ daß sie künfftig solche Verdrießlichkeiten gerne aus dem Wege räumen wolte/ hätte bishero nicht glauben können/ daß ihm diese vorgeschlagene Heurath zuwieder wäre/ Herennus meinet es nicht von Hertzen/ sagte Orondates/ er verhoffet nur grossen Reichthum mit Solanen zu bekommen/ seine vorgegebene Liebe ist nichts als Geitz/ ich aber fordere eine solche Freunschafft von Solane/ die aufrichtig und ohne Neben=Absicht ist/ sie mache sich keine Furcht/ daß etwan ein wollüstiger Trieb mich hierzu verleithet/ denn ob ich ihr gleich noch so wanckelmüthig bin beschrieben worden/ ist diese Freundschafft/ so ich für ihr hege/ gantz von einer andern Arth/ liebte ich nichts als Schönheit/ würden mich vielleicht andere Schönheiten genungsam vergnügen können/ denn ob gleich Solane an keiner Schönheit noch Anmuth einiges Gebrechen hat/ gestehe ich doch frey/ daß dieses nicht der Grund meiner Zuneigung ist/ sondern ich liebe ihren Verstandt/ ihre Unterredung/ und ihr Edeles Gemüht/ wel<618>ches ich ohn Eigennutz/ ohne Staat=Sucht/ und ohne Falschheit kenne/ ja ich schätze einen Regenten nicht eher glücklich/ bis er eine solche Freundin gefunden hat/ an der er sich ohne Bedencken bey seiner schwehren Last vertrauen kan: keine Männer sind hiezu nütze/ auch keine Frauens=Persohn/ als bloß Solane/ drum war dis alsofort meine Entschliessung bey=ihren ersten Anblick: Dieses soll meine Freundin seyn und bleiben/ so lang ich lebe. Solane hörte alles mit gröster Verwunderung an/ hätte nicht vermeinet/ daß Orondates bey so flüchtiger Jugend solcher reiffen Erwegung fähig wäre/ da sonsten aber sein Verstandt durchdringend und erleuchtet war/ bauete sie destomehr auf seine Worte/ dauchte ihr auch nicht unanständig/ eine solche Freundin zu seyn/ wann nur Olimpia hieraus keinen bösen Argwohn schöpffen möchte/ welche Furcht ihr aber Orondates gäntzlich suchte zu benehmen/ mit Versprechung der Olimpia alles selbst zu eröffnen/ welche sich hierüber gar nicht zu beklagen hätte/ und es lieber sehen würde/ daß sein Gemüth sich zu einer guten Freundin gewehnete/ die ihr keinen Verdruß zufügen würde/ als wann er mit vielen andern Verliebungen die Zeit hinbrächte/ und würde sie vielmehr dieserwegen von Olimpia geliebkoset werden. Sofern Orondates sich in den versprochenen Schrancken hält/ antwortete Solane/ trage ich kein Bedencken diesen Vorschlag einzugehen/ ich schätze mich vielmehr glücklich von solchen hohen Vertrauen gewürdigt zu seyn. Wenn Treue und Verschwiegenheit die genungsahme Versicherung geben kan/ soll Orondates eine aufrichtige Freundin an mir erwählet und gefunden haben; Ja liebste Solane sagte Orondates/ es ist noch nicht genung/ sie muß mir auch versprechen/ daß sie mit keinen andern Menschen Freundschafft halten will/ um mich nicht zu beunruhigen/ nicht mit Herennus/ nicht mit Mecenas/ und wann ich fordre/ daß sie jemands Umgang meide/ wird sie mir auch hierinn folgen mussen. Denn ich bekenne meine Schwachheit/ der Argwohn ist bey mir leicht erwecket. Für solche Gelegenheit aber/ gebe ich mich selbst/ mein Fürstli<619>ches Wort/ ja Leib und Leben/ daß ich niemahls in Ewigkeit meine Freundin verlassen werde. Hiemit zog er einen Ring vom Finger mit einem Orientalischen Rubin/ als ein Hertz gefasset/ in welches die Treue geschnitten und abgebildet war/ mit der Uberschrifft: So lange ich lebe. Diesen Ring schenckte er an Solane zur Bestätigung der gemachten Freundschafft/ welcher von ihr mit grosser Hochachtung angenommen und getragen ward. Solane vergaß nicht bey dieser Gelegenheit ihm zu beklagen/ wegen des verlohrnen Arm=Bandes mit den kleinen Gemählde/ vermeinte/ daß nach der festgestellten Vertraulichkeit er ihr nicht würde leugnen können/ es sey Potentiana ihr Bildnüß gewesen. Orondates erröthete hierüber/ und antwortete mit wenigen/ es hätte sich solches schon wieder gefunden/ weil sie aber mehr davon wissen wolte/ zeigte ers ihr am Arme/ es war aber nicht der Potentiana ihr Bildnüß/ sondern ihr eigenes/ welches er sich ins geheim hatte machen lassen/ wodurch sie abermahls in eine neue Verwirrung gerieth/ denn er wolte wissen/ wer ihr solches berichtet hätte! glaubte gäntzlich/ es sey niemand als Statira gewesen; nachdem es aber schon ziemlich späth war/ nahm er seinen Abschied/ fragte aber noch zuvor/ auf welche Arth sich Solane andern Tages verkleiden würde/ bath zugleich/ sie möchte ein weisses Kleid anziehen/ weil er sich ebenfalls von dieser Farbe ein Kleid hätte bestellen lassen. Wie er aus dem Zimmer treten wolte/ kam Statira gegangen in einen rothen Mantel eingeschlagen. Es hatte aber Solane selbst nach ihr geschicket/ sofort Orondates ins Hauß gekommen war/ weil ihre Schwester Dynamis verreiset/ und sie nicht gantz allein bey Orondates seyn wolte. Statira konte nicht eher ins Hauß kommen/ weil sie von zweyen Persohnen unten an der Thür war aufgehalten worden/ nemlich von Herennus und Elimar/ und ob sie gleich zu verbergen getrachtet/ war sie doch von Elimar erkannt worden. Der sie mit höhnischen Worten angeredet/ um sie aufzuhalten/ wäre nicht eine Bedientin der Solane ihr entgegen kommen/ hätte sie sich vielleicht gar müssen durchschlagen. Die<620>ses erzehlte sie mit so lächerlicher Arth/ daß beides Orondates und Solane zum Lachen bewogen wurden; Orondates nahm die Vorsorge auf sich/ diese Schildwachen zu verjagen/ selbige aber waren bereits von sich selbst gewichen/ und stunden von ferne/ wie er aus dem Hause gieng. Als nun Statira sich gleichfalls nach Hause begeben wolte/ ward sie unterwegens von Elimar abermahls angeredet/ der ihr mit den entfindlichsten Worten fürwarff/ sie wäre dem Fürsten nachgegangen/ um ihn bey Solane zu verstöhren. Herennus suchte in der Einsamkeit seinen Unmuth zu verbergen/ ließ sich in etlichen Tagen nicht wieder sehen/ verreisete endlich gar ohne Abschied zu nehmen/ weil er nunmehr an dem Verständnüß zwischen Solane und dem Fürsten nicht mehr zweiffeln konte/ kam auch nicht eher wieder/ bis er sich dieser Betrübnüß endlich begunte zu entschlagen/ suchte sich folgends gäntzlich zu überwinden/ doch nahm bey ihm der Haß die Stelle der vorigen Liebe ein/ und war er auf nichts bedacht/ als wie er sich einst an sie rächen möchte.

Solane war inzwischen bey ihrer neu=gestiffteten Freundschafft nicht ruhig/ die Neulichkeit dieser Verbündnüsse setzte sie bald in Angst und Schrecken/ bald aber getröstete sie sich der unschuldigen Absicht. Es ist ja keine Liebe/ sagte sie bey sich selbst/ sondern nur eine Freundschafft/ verspricht doch Orondates nichtes weiter von mir zu fordern/ als die Vertraulichkeit/ ja ich soll auch Wissenschaft von seinen anderwärtigen Liebes=Geschichten haben. Meine Schönheit/ sagt er/ bindet ihn nicht/ so liebt er mich nicht/ wer aber wolte eine solche Freundschafft ausschlagen? Hiemit richtete sie sich wieder auf/ und besänfftigte ihre Leydenschafft/ die sie im Hertzen verspühret/ ohne die Ursach recht zu unterscheiden. Man brachte ihr das bestellete Kleid/ womit sie sich ankleiden ließ/ als eine Sclavin in gantz weisse Seiden/ mit einer güldenen Kette geschlossen/ auf deren Arm=Bänder zwey doppelte O mit Diamanten versetzet waren/ an statt der Schlösser/ welche den Nahmen Orondates nicht undeutlich vorstelleten. Das Haupt war mit einer gülde<621>nen Haar=Binde gezieret/ und einige herab=hangende schwartze Haar=Locken/ auf Sclavische Art geflochten/ schienen noch mehr schwärtze zu erlangen/ durch das reine weisse Kleid/ welches gleichsam die unschuldige Freundschafft vorstellen solte. Kaum war diese Sclavin in den gewöhnlichen Saal eingetreten/ da erschiene Orondates in weisse Seide ebenfalls gekleidet/ als ein Bräutigam angethan; das gantze Kleid war mit dem allerzartesten kostbarsten weissen Kanten reichlich besetzt/ der Huth aber bedecket mit einem zweyreihigten weissen Feder=Busch/ welches den Orondates sowohl liesse/ daß auch kein Frauen=Zimmer diesen Abend ihn ohne Liebe ansehen konte; Ja/ eine jede wünschte sich insgeheim einen solchen Bräutigam zu haben. Solane wurde beschämet unter der Maske/ wol vorhersehend/ diese Gleichförmigkeit der Kleidung würde einen Argwohn nach sich ziehen/ absonderlich da Orondates sie zum Tantz aufforderte/ und denselben Abend beständig bey ihr blieb/ zuletzt aber ihr die Ketten ablösete/ welche er mit sich nach Hause nahm. Statira war nicht zufrieden/ daß man ihr ein Geheimnüß aus dieser Verkleidung gemacht/ vermeinend/ sie gehörete auch mit darzu/ hätte sich wollen ebenmäßig weiß ankleiden/ im Hertzen aber machte sie eine weit andere Auslegung/ als sie sich in Worten nicht merken ließ. Orondates war täglich bemühet/ der Solane neue Zeichen seiner Freundschafft zu geben/ und wann er nicht selbst konte bey ihr seyn/ schrieb er Briefe an ihr/ oder schickte Tarßis welcher Befehl hatte/ ihr stets zu folgen/ und von ihm mit ihr zu reden. Die Eifersucht nahm auch sehr überhand/ und durffte sich fast niemand mehr erkühnen/ mit Solane ein Gespräch zu halten/ oder sie zum Tantz auf zu fordern/ wann sie sich aber gedachte zu entziehen / oder einige Besuchung anzustellen/ war Orondates gemeiniglich ihr Begleiter/ stund entweder verkleidet an der Thür/ oder setzte sich an des Kutschers Stelle den Wagen zu führen. Es fande sich zwar Statira beständig in ihrer Gesellschafft/ welche <622> sich eine Lust aus solchen Dingen machte/ da hingegen Solane gerne behutsam gieng/ machte deswegen öffters eine Entschuldigung/ um sich abzusondern/ und ließ absonderlich Abends die Hauß=Thür wohl verschliessen/ so daß Orondates öffters zurück gehen muste/ wovon er ihr aber nichts vorrückte.

Einesmahlen als Solane sich zu Bette geleget/ und die Thüren sich alle wohl versperret fanden/ wurde sie vom Schlaff erwecket/ durch ein ungewöhnliches Geräusche/ da ihr vorkam/ als ob jemand zum Fenster herein brechen wolte/ weil aber das Zimmer im anderen Stockwerck/ konte Solane nicht leicht fürchten/ daß jemand so hoch hinan gestiegen wäre/ indem aber ward eine Scheibe im Fenster ausgestossen/ und sahe sie bey dem schimmernden Nacht=Lichte/ das im Zimmer brandte/ eine Hand durchs Fenster greiffen/ um selbiges völlig aufzumachen/ worüber sie so hefftig erschrack/ daß sie gleich aus dem Bette sprang/ ihren Nacht=Rock über sich warff/ und nach der Thür lieff/ konte aber selbige nicht aufmachen. Hilff Himmel! rieff sie/ es sind Mörder/ schlug sogleich mit aller Macht an der Thüre eines Cabinets/ in welchem eine von ihren Bedientinnen lag/ welche ihr zwar zu hülffe kam/ sie konte aber unmöglich einen Ausgang finden/ weil alle Thüren auswendig versperret waren/ mit solcher Gewalt/ als hätte man grosse Ketten und Klötze vorgeleget/ drum schlugen sie die Hände über den Kopff zusammen/ und schrien: Ach Bartoces! Bartoces! vermeinend Bartoces hätte jemand gesand sie zu entführen/ oder gar ums Leben zu bringen. Inzwischen sprang eine Mannes=Persohn durchs Fenster ins Schlaff=Gemach/ mit einem schwartzen sammten Jagd=Huth tieff in die Augen gedrücket/ welchen Solane nicht erkennen konte/ wie er aber näher zu ihr trat/ wäre sie fast in Ohnmacht gesuncken/ denn es war Orondates. Bin ich denn der Solanen so erschrecklich/ redete er sie an: Ach ungnädiger Orondates! sagte sie/ warum unterfangen Sie sich dieses? was wird die Welt hievon ur<623>theilen? was weiß die Welt hievon/ gab er zur Antwort/ ist es doch dunkle Nacht/ ja alle Sterne sind eingeschlaffen/ warum hat man mir die Thür versperret/ so/ daß ich gezwungen werde/ zum Fenster einzusteigen? was hilfft nun solch verschliessen? jetzt ist Solane selbst versperret/ und kan aus ihrem Schlaff=Zimmer nicht entkommen. Drum war dieses die rechte Straffe ihres Mißtrauens. Solane sahe wol/ daß sie gute Worte geben muste/ bath deswegen inständigst/ er möchte doch alsofort wieder von ihr gehen; So muß ich dann die Leiter wieder hinab steigen/ antwortete der Fürste/ dieses zwar schiene gefährlich/ allein die Leiter war schon weggenommen/ drum bath er/ Solane möchte die Thüren lassen aufmachen/ dieses aber stund nicht in ihrer Macht; hierüber lächelte der Fürst/ und sagte weiter zu ihr/ Sie wäre keine gute Freundin/ sie hätte zu viel Neben=Absichten/ bald wäre es Olimpia/ bald wäre es die Welt/ ob dann nicht Orondates mehr als alles dieses gölte? Solane wandte hingegen ein/ das geschlossene Verbündnüß wäre mit gantz anderer Bedingung geschehen/ Orondates sey vielmehr kein rechter Freund zu nennen/ weil er sie suchte dergestalt zu berücken. Bin ich kein Freund/ antwortete er/ muß ich nothwendig ihr Liebhaber seyn. Ja/ sprach er/ Solane hat recht/ ich bin vielmehr ihr Liebhaber zu nennen/ welcher mit der zärtlichsten Liebe und Treue sich auf ewig an ihr verbunden hat. Mit diesem küssete er ihr die Hände zu vielen mahlen/ und ob sie ihm gleich eines Betrugs beschuldigte/ ließ er sichs doch nicht anfechten/ sondern fuhr fort mit den schönsten Worten ihr die ersinnlichsten Versicherungen seiner Beständigkeit zu geben.

Solte auch wol/ fiele Antiochus Callinicus allhie dem Leser in das Wort/ es hiebey also reine abgegangen seyn/ oder solte wol nicht vielmehr diese Solane geleiches Geschicke wie die Königin Dido von Carthago gehabt haben/ von welcher der berühmte Virgilius Maro folgende Gedancken führet:

<624>

      Wie Dido in der Höhl nun dem Trojaner König
            Und Amors starcken Trieb sich viel zu schwach befand/
        Rief sie: O Vesta hilff! jedoch es nutzte wenig/
            Dann Amor ließ nicht ab bis daß er überwand.


Es gebühret uns nicht/ antwortete Antiochus Epiphanes/ hievon zu urtheilen/ zum wenigsten kan ich versichern/ daß diese Solane eine von den vernünfftigsten und geschicktesten Damen ist/ so die Welt gesehen. Er winckte damit den Leib=Artzt/ der dann also zu lesen fortfuhre:

Es waren inzwischen die Thüren wieder aufgemacht/ worauf er nach vilen bitten von Solane Abschied nahm/ in sich selbst erfreut/ daß dieser Streich ihm so wol gelungen war/ sie aber in einem Irr=Garten vieler Gedancken verliesse. Es konten nun ihre Leuthe wieder zu ihr ins Zimmer kommen/ welche ihr berichteten/ daß sie alle wären versperret gewesen/ und hatte Orondates mit Hülffe des Tarßis/ vom Hauß=Wirth eingelassen/ dieses alles selbst verrichtet. Es war ihm nicht genung gewesen/ daß die Thüren versperret worden/ sondern es waren auch alle Gänge und Vor=Gemächer mit Stühlen/ Tischen/ Bäncken/ und dergleichen so verbauet/ daß man unmöglich durchkommen können/ wann gleich die Schlösser und Stricke nicht gehalten hätten. Es muste Solane bey ihren Unmuth schier der Anstalt lachen. Gefährlicher Orondates! sagte sie bey sich selbst/ ist dieses deine Freundschafft? sind dieses deine vernünfftige Uberlegungen? ja/ listig genung/ um eine Leichtgläubige ins Garn zu führen.

Inzwischen war die Nacht fast verstrichen/ ohne/ daß Solane der Ruhe genossen/ die wenigen übrigen Stunden brachte sie mehr mit Gedancken als mit Schlaffen zu/ biß sie frühzeitig wieder erwecket ward/ durch Tarßis/ welcher einen Brief vom Fürsten brachte; weil sie in Furcht stund/ die Begebenheit der vorigen Nacht möchte kündbar worden seyn/ ließ sie ihn zu sich ins Zimmer kommen/ dieserwegen mit ihm zu reden/ er versicherte ihr aber/ daß Orondates gar zu grosse Sorge für ihren Ruhm und Nahmen trüge/ etwan solchen in Gefahr zu setzen/ es wä<625>re niemand der Wissenschafft von dieser Sache hätte/ als er blos und allein/ nebst noch einem vertrauten Diener/ welcher nebst ihm die Leiter gehalten/ und wären sie nicht in geringen Sorgen gestanden/ für Orondates/ weil die erstiegene Höhe recht entsetzlich anzusehen war/ dieses geriethe ihr zu einiger Beruhigung. Sie wolte sich jetzt niedersetzen/ den gebrachten Brief zu beantworten/ als Orondates eben gantz unvermuthlich ins Zimmer zu sie trat. Warum/ sagte er/ verweilet Tarßis so lange? es düncket mir schon eine geraume Zeit/ daß ich ihn anhero gesand/ Solane entschuldigte ihn/ weil sie ihn selbst aufgehalten/ sie merckte aber aus allen/ daß Orondates nicht mehr Meister über sich selbst war/ so sehr hatte die Liebe/ gegen ihr/ zugenommen. Solane hatte nicht Lust diesen Tag auszugehen/ noch sich zu verkleiden/ weil aber ein grosses Lust=Rennen bey Nacht seyn solte/ hörete Orondates mit Bitten nicht auf/ bis sie sich anderst entschlosse. Orondates war bey diesem Nacht=Rennen nicht glücklich/ konte keinen Preiß gewinnen/ weil ihm die Hand verwundet/ von der ausgestossenen Glaß=Scheibe/ weswegen sich Solane vornahm/ ihm/ unbekandter weise/ selbst einen Preiß zu überreichen. Dynamis war von ihrer Reise/ nebst Lentulus selbigen Abend wieder gekommen/ welche sie beredete/ eines von ihren Bachanalien=Kleidern anzuziehen: beide Schwestern waren fast von einer Länge/ weswegen sie von allen vor Solane angesehen wurde/ auch von Orondates; Solane aber hatte sich als eine Piramide verkleidet/ mit feinen weissen Spitzen gantz bedeckt/ so/ daß man weder Gesichte noch Gestalt des Leibes erkennen konte/ und in dieser Tracht brachte sie ihm eine sehr reiche von Gold gewirckte Feld=Binde/ von kostbahrer Arbeit/ wie er sich nach dem Lust=Rennen auf den gewöhnlichen Verkleidungs=Saal eingefunden hatte. Bey der geschenckten Feld=Binde überreichte sie ihm folgenden Brief.

<626>
Ist nicht das Glücke heute recht unbillig zu nennen/ welches an Orondates den gewöhnlichen Danck versaget! was mag doch die sonst sieghaffte Hand verbrochen haben/ daß sie mit einer Wunde gestraffet ist? weil aber seine übrigen Vollkommenheiten den Fehler der Hand nicht entgelten können/ so wird ihm hiemit dieser wohlverdiente Preiß überreichet/ zur Verbindung seiner Wunde.

Dieses Geschenck nahm Orondates mit gröster Ehrerbietigkeit an/ konte aber nicht ergründen/ von wem es war gebracht worden/ er eilete zu der vermeinten Solane/ ihr dieses zu weisen/ rühmte beides das Geschenck und die Erfindung/ sagend/ wann er nicht mit Solane redete/ müste er glauben/ sie sey es gewesen/ welche ihn hierdurch erfreuen wollen. Dynamis winckte mit dem Kopff/ und gab Zeichen mit der Hand/ welches Orondates für eine Antwort nahm. Olimpia kam auch dis Geschencke zu besehen/ inzwischen war die Piramide unsichtbar worden/ an statt derer sich Solane in einer andern Tracht sehen ließ/ Dynamis gab sich zu erkennen/ so/ daß Orondates aus einer Verwunderung in die andere gerieth. Endlich ward er schlüßig/ es wäre niemand anderst als Solane gewesen/ ließ sich durch seinen Waffen=Träger die geschenckte Feld=Binde um den Arm binden/ welche er nach diesen noch öffters zu tragen pflegte/ bis sie gantz verschlissen war. Andern Tages verreisete Orondates auf die Jagd/ und die übrigen Lustbarkeiten blieben bis zu seiner Rückkunfft aufgeschoben. In Abwesenheit der Solane/ konte er sich nicht enthalten/ öffters von ihr zu reden mit Tarßis/ welcher ihm sagte/ daß Solane eine Sclavin bey sich führte/ der sie ihren eigenen Nahmen gegeben/ und sie sehr werth hielte. Tarßis aber rühmte diese Sclavin sehr. Last sehen/ sagte Orondates/ wer am ersten von uns beiden zu seiner So<627>lane kommen wird/ der soll vom andern einen Gruß an sie bringen; indem gaben sie beide ihren Pferden die Sporn/ und eileten in vollem Lauf nach der Stadt. Tarßis ritte einen flüchtigen Tarter/ mit welchen er bald voraus kam/ welches Orondates so sehr erzürnete/ daß er seinen Bogen ergriff/ und einen Schuß nach ihm that/ ihn auch hinten am Kopff verwundete; dem ungeachtet ritte Tarßis fort/ bis zu Solane/ bey welcher er den befohlnen Gruß ausrichtete/ wie sie aber die rothen Bluts=Tropffen häuffig von Haubte rinnen sahe/ entsetzte sie sich hierüber nicht wenig/ und muste er ihr die gantze Sache entdecken. Er beklagte sich zugleich/ daß einige Zeithero sich Orondates in seine Gnade mercklich gegen ihn verändert/ und ob er ihm zwar selbst befohlen/ stets bey Solane zu seyn/ ließe er sich doch öffters einen Verdruß deswegen vermercken. Dieses schiene ihr nichtes Geringes zu seyn/ bath deshalben/ Tarßis möchte sie meiden/ und seines Herrn Befehl hierinn nicht mehr gehorchen. Sofort es auch Gelegenheit gab/ ersuchte sie den Orondates ihn nicht mehr zu ihr zu schicken/ aus Furcht/ sagte sie/ bey denen übelgesinneten einigen Verdacht zu erwecken. Es versprach der Fürst/ ihr hierinn zu wilfahren/ womit die Eiffersucht gehemmet wurde. Tarßis durffte hinfort sich nirgends mehr in ihrer Gegenwart finden lassen/ ja/ es wurde ihm auch verbothen/ sie anzuschauen/ worüber er sich öffters beklagen wolte/ allein Solane suchte durch solchen Zwang/ ihm in die vorige Gnade hinwieder zu bringen/ welches auch so wohl gelungen/ daß er nachgehends im grössesten Glück und Wohlstande sich bey Orondates sahe/ da hingegen/ unterschiedene andere/ bey Hofe sich durch Unvorsichtigkeit der Gnade gantz verlustig machten. So weit ging die Eiffersucht des Fürsten/ daß/ wie einst Solane beym Tantz zu trinken verlangete/ ihr auch dieses durch einen Ritter/ Nahmens Forgas/ eiligst gebracht wurde/ gegen welchen sie sich gar höfflich bedanckte/ Orondates deswegen so sehr eifferte/ daß Forgas augenblicklich von Hoff gewiesen/ und seiner Dienste beraubet wurde/ <628> woduch aber Orondates/ die Hefftigkeit seiner Liebe/ gar zu kundbar machte; dennoch suchte Statira/ einigen Zweiffel bey Solanen zu erwecken/ weil sie berichtete/ daß Orondates sich der Bachanalien Freyheit/ in seiner Unbeständigkeit wol zu Nutz machte/ hie und da verkleidet/ in denen Häusern verdächtige Zusammenkünfte hielte/ absonderlich aber/ bey der Potentiana/ öfters einspräche.

Dieserwegen beschloß Solane/ die Aufrichtigkeit des Fürsten/ besser zu ergründen/ und nahm sich vor/ ihm einen gantzen Tag verkleidet zu folgen/ vertrauete sich aber hierin niemanden/ als ihrer Sclavin/ um aber desto unkäntlicher zu seyn/ verkleideten sie sich beide/ wie zwey Berg=Leuthe/ mit Schurtz=Fellen/ und Knie=Ledern wohl versehen/ gingen zeitig aus/ und suchten Orondates allenthalben/ wo sie vermeineten/ da er anzutreffen wäre. Endlich begegneten sie ihm/ wie er nach dem Verkleidungs=Saal gieng/ dort fande sich eine unbekandte Frauens=Persohn/ mit welcher er sich unterhielte/ und mit ihr auf und nieder spatzirete. Nachdem sie dieses eine Weile angeschauet/ trat Solane näher/ und gab ihm einen gelinden Schlag/ mit ihrer Zitter auf den Rücken/ sprang aber zugleich aus dem Saale hinaus. Orondates eilete ihr nach/ Solane aber wolte sich nicht zu erkennen geben. Indem begegnete ihnen eine Mannes=Persohn im rothen Mantel eingeschlagen/ welche mit grossen Fürwitz den Bergmann beschauete. Solane gedachte auch diesen zu bezahlen/ und gab ihm einen wichtigen Schlag mit der Zitter. Dieses war zuviel/ für einen tapffern Ritter. Elimar/ welcher den Schlag bekommen hatte/ warff hiemit den Mantel zurück/ und wolte den Degen ziehen/ aber Orondates trat ins Mittel/ für welchen er sich tieff verbückte/ und seiner Wege ging. Noch war die Gefahr nicht vorbey/ sie begegneten abermahls einigen verkleideten/ unter welchen sich einer befande/ mit einer gantz vergüldeten Maske/ welche den Fürsten anredete und sagte: Ich kenne diesen Bergmann/ und auch ihren Führer/ es ist kein Bergmann/ sondern eine Frauens=Persohn. Orondates wurde hierüber ungeduldig/ und stieß ihn mit der Hand zurücke/ so/ <629> daß er gar übern hauffen fiel. Dieses verdroß dem vergüldeten Angesichte so sehr/ daß er einen Stock aufhub/ um mit solchen/ an Solanen/ einen gewaltigen Schlag übern Kopff zu geben/ welcher ihr hätte können/ die Scheitel zerschmettern; Orondates ergrimmete hierüber dergestalt/ daß er einen Dolch entblöste/ welchen er gewöhnlich in Verkleidungen bey sich trug/ mit selbigen auf ihn loß ging/ und Zweiffels ohne/ den unbesonnenen Menschen würde seinen Rest gegeben haben/ wenn nicht Solane sowol als ihre Sclavin/ ihn zurück gehalten/ welche mit Bitten und Flehen ihn suchten zu besänfftigen. Inzwischen kam die Wache zu gelauffen/ welche dort bestellet war/ alle Unordnung zu verhüthen/ Orondates aber entflohe/ vermuthlich um Solane einen Possen zu reissen; Denn sie wurde für den Uhrheber angesehen/ muste derhalben nebst ihrem Gefährten auf die Haubtwache in Verhafft gehen. Nichtes ärgers hätte ihr wiederfahren können/ es gereuete ihr nunmehro ihr Vorwitz/ sie wolte aber kein Wort reden/ noch weniger sich zu erkennen geben; Ob gleich ihr angedeutet wurde/ daß sie hier die Nacht über sitzen solte/ bis andern Tages/ da die Sache solte untersuchet werden. Solane muste sich dieses gefallen lassen/ hoffte aber dennoch auf den Orondates. Endlich kam ein Führnehmer Krieges=Bedienter/ welcher befahl/ man solte die Berg=Männer wieder auf freyen Fuß stellen. Solane danckte dem Himmel für ihre Erlösung/ mit beygefügtem Gelübde/ sich niemahlen in dergleichen Gefahr mehr zu begeben.

Nachdem nun alle angestellete Lustbarkeiten nebst den Bachanalien mit gröster Pracht vollendet waren/ fieng Orondates an/ seinen Regierungs=Geschäfften desto embsiger obzuliegen/ es wachte nun die Ehrsucht nach hohen Ruhm zu streben/ mit desto grösserer Gewalt bey ihm auf/ so/ daß er auch öffters zu Solanen pflegte zu sagen: Er begehre nicht zu leben/ woferne er seinen Standt nicht höher als seine Vorfahren bringen solte/ solche hohe Gedancken wurden von Solane niemahls wiedersprochen/ sie muthmassete vielmehr/ dieser Trieb würde ihn ohnfehlbar eine Krohne <630> zuwege bringen; Denn Orondates war damahls so berühmt/ daß unterschiedene Reiche ihm wünschten zum Regenten zu haben. Seine vertrautesten Räthe und Kriegs=Bediente ermangelten nicht grosse Vorschläge zu thun/ konten sich aber unter einander nicht vergleichen/ welches am ersten zu erwählen stünde; Denn Leonidas wolte/ er solte seine Waffen zu seinem eigenen Vortheil brauchen/ sich der verlohrnen Länder wieder zu bemächtigen/ und hiedurch so groß/ ja viel grösser als viel andere Könige werden; Mecenas hingegen rieth/ einen Feld=Zug selbiges Früh=Jahr gegen die Thracier zu thun/ und sich hiedurch bey gantz Rom höchst verdient zu machen; und Herennus/ welcher vom Kayser gesandt war/ diesen Rath zu unterstützen/ machte Hoffnung zu einem Heer von achzig tausend Mann/ von welchen Orondates das Haupt seyn solte; Was konte seiner Ehr=Sucht besser gefallen/ als durch diese Gelegenheit seine Tapfferkeit zu verewigen? Mecenas und Leonidas gerieten hierüber so hart an einander/ daß sie sich auf einen Kampff heraus forderten/ welches aber durch der vernünftigen Roxana Vermittelung wieder beygeleget ward. Leonidas vermeinte/ Solane könte diesen Feld=Zug wol hintertreiben/ und ließ ihr durch Statira alle Einschläge dazu geben; wozu aber Solane Zeit und Gelegenheit brauchte. Statira war stets ihre gute Freundin/ und hatte sich ihr Bildnüß ausgebeten/ welches auch für ihr verfertiget ward; Es hatte solches aber jemand vom Mahler in ihrem Nahmen abgeholet/ ohne daß es Statira empfangen/ worüber sie und Solane sehr mißvergnüget waren/ konten auch nicht erfahren/ ob es Herennus/ Mecenas/ oder sonst jemand entwand haben möchte/ weil sich niemand hiezu bekennen wolte; Ihr gröstes Anliegen aber war der nahe Feld=Zug/ welchen Statira auf alle Arth und Weise suchte abzuwenden. Einsten kam sie spät am Abend/ zu Solanen/ und hatte etwas besonders erdacht. Sie wolte nemlich als ein Gespenst den Orondates im Schlaff erscheinen/ und ihm seinen Untergang verkündigen/ sofern er nicht den Feld=Zug unterlassen würde. Hält er mich gleich vor kein Ge<631>spenst/ sagte sie/ will ich ihn schon so viel Ursachen alsdenn vorstellen/ daß er davon ablassen soll. Solane muste über den Einfall lachen/ Statira aber blieb beständig dabey/ hatte schon alle Zurüstung bey sich/ und fieng an sich mit weissen Tüchern als ein Gespenst zu verkleiden. Sie forderte aber/ Solane solte ihr Gesellschafft leisten/ welche diese mehr für einen Schertz als eine ernstliche Sache ansahe/ jedoch ließ sie sich/ ihr zu Gefallen/ bereden/ sich gleichfalls mit langen weissen Tüchern als ein Gespenst anzulegen/ desgleichen auch ihre Sclavin thun muste/ welche das dritte Gespenst war. Statira hatte bereits Abrede mit einem des Orondates Kämmerlinge genommen/ welcher ihren Vater gantz ergeben war/ von welchen die Gespenster in des Fürsten Gemächer eingelassen wurden. Es war aber noch nicht die rechte Zeit/ indem der Kämmerling sagte/ daß Orondates noch nicht eingeschlaffen wäre/ er ließe sie deswegen so lange in ein Seiten=Cabinet eintreten/ um allda so lange zu verziehen/ bis er sie würde abhohlen. Sie fanden hier das entwandte Bildnüß der Solane/ mit schönen Zierathen an der Wand fest gemachet/ und auf dem Tisch lagen ihre Ketten/ welche ihr Orondates als Sclavin abgenommen hatte. So wenig dieses Statira gefallen konte/ so angenehm muste es Solanen seyn. Sie wurden aber nun durch den Kämmerling abgefordert/ und ins Schlaff=Zimmer geführet/ allwo Orondates in einen kostbahren roth Sammiten Bette mit güldenen Borten reich besetzet/ und mit weisser Seide inwendig gefüttert/ gantz sanft zu schlaffen schiene/ die Vorhänge waren alle aufgezogen/ und zu den Füssen stunden auf silbernen Gestellen/ zwey brennende weisse Wachs=Kertzen. Statira schliche gantz leise hinter dem Bette hervor/ und rieff Orondates dreymahl bey seinem Nahmen/ mit diesem Zusatz/ sofern er nicht aus dem Feld=Zuge würde bleiben/ solte es sein Untergang seyn.

Orondates erwachte über diese schreckliche Worte/ und wie er die Gespenster auf allen Seiten des Bettes stehen sahe/ warff er die weisse seidene gestickte Decke von sich/ und <632> sprang auf einmahl aus dem Bette. Hier wolten die Gespenster schier selbsten erschrecken. War nicht Orondates in seinen Schlaff=Kleidern so zierlich angeputzet/ daß man glauben muste/ er habe etwas zuvor von der Sache gewust; denn das weisse seidene Unter=Kleid war allenthalben mit schönen Spitzen besetzet/ und der saubere weisse seidene Strumpff ließ die Form des wohlgestalten Fusses vollkommen sehen. Der Pantoffel aber war gleich des Schlaff=Rockes den er sich reichen ließ/ von einem goldenen Stück mit bunten Bluhmen beworffen/ welches sich alles so wohl schickte/ zu der Gestalt des Leibes/ daß Orondates fast niemahls schöner und angenehmer war anzusehen gewesen. Er umfaste Statira/ mit Bedrohung/ diese Gespenster solten nicht wieder aus seinem Zimmer kommen/ und ob zwar Statira anfangen wolte/ ihre wohl=ausgedachte Vorstellungen wegen des Feld=Zugs zu thun/ so war doch alles umsonst/ weil Orondates hiervon nichts hören wolte/ sondern ließ eine Tafel mit vielen Speisen angerichtet/ herein tragen/ wobey sich die Gespenster niedersetzen musten/ mit ihm zu essen und zu trinken. Wie sie aber im besten Vergnügen sassen/ entstande unvermuthlich ein Gepolter für der Thür/ als ob Olimpia sich anmelden ließe/ zu ihrem Gemahl zu kommen. Die Taffel ward in einem Augenblick aufgehoben/ und die Gespenster hätten sich gerne unsichtbar gemacht/ allein Orondates stellete sie zufrieden; denn es war nicht Olimpia/ sondern eine von ihren Bedientinnen von ihr abgeschickt/ welche ein Gewerbe an Orondates zu bestellen hatte/ solches aber für der Thür an den Kämmerling nur ausrichtete. Solane hielt nicht für rathsam/ sich länger hier aufzuhalten/ sondern nahm ihren Abschied. Statira hingegen vermeinte/ wenn gleich Olimpia gekommen wäre/ und die Ursach ihrer Anwesenheit erfahren hätte/ würde sie vielleicht selbst einen Gefallen daran gefunden haben. Es wurde aber der verlangte Zweck hiedurch gar nicht erreichet/ den/ als Solane mit Orondates von seinem Feld=Zug endlich zu reden kam/ von welchen sie durch Bitte und bewegende Ursachen ihn suchte <633> abzubringen/ antwortete Orondates: Sie möchte dawieder nichts reden/ es wäre sein Verhängnüß/ er hätte es bereits versprochen/ und wunderte es ihm/ daß Leonidas jetzt zuwieder wäre/ da er doch selbst den ersten Vorschlag dazu gethan hätte/ weil Herennus ihme grosse Vergeltungen vom Kayser versprochen hätte. Nun man ihn aber dieses alles nicht zu halten gedächte/ forderte er/ Orondates solte auch sein gegebenes Wort wieder zurück ziehen/ Leonidas setzte sich bey ihm hierdurch in schlechten Glauben/ doch wäre es nun nicht mehr zu ändern. Was mich kräncket sagte er mit grosser Beweglichkeit/ ist die Entfernung von Solane/ wie aber könte ich ihrer Hochachtung würdig seyn/ wenn ich die Zeit ohne Ruhm in der Zärtlichkeit der Liebe zubrächte? wie glücklich wäre ich zu nennen/ wenn sie mich begleiten wolte? da ich ihr aber solches nicht darff anmuthen/ wird dieses eine Scheidung seyn/ deren Leidenschafft ich bereits empfinde. Solane merckte genugsam die Empfindlichkeit seines Gemühtes/ und ist gewiß/ daß sie ihn vollkommen eingenommen hatte/ doch sahe man nicht/ daß diese Gnade sich bey ihr in Reichthum/ Ansehen/ oder unbilliger Gewalt im geringsten geäusert hätte/ vielmehr entzog sie sich alles dieses äuserlichen Ansehens/ weil ihre Hochachtung für Olimpia unverbrüchlich bliebe/ der sie keinen Verdruß zufügen wolte/ auch machte sie sich vielmehr einen Vorwurff/ als eine eitele Ehre aus dieser Liebe/ und was der Eigennutz betraff/ war sie gar nicht fähig/ ihre Freundschafft im geringsten damit zu beflecken; Denn als Orondates anfänglich sich öffters beklagte/ ein grosser Herr würde nur aus Eigennutz geliebet/ antwortete sie. Es würde den Orondates hierdurch gar zu grosses Unrecht geschehen/ welcher wohl verdiente ohn den geringsten Eigennutz geliebet zu werden. Was aber sagte sie/ wird denn Orondates thun/ wann er eine solche Persohn findet/ die gantz ohne Eigennutz/ nur bloß ihm selbsten schätzet? wenn ich so glückseelig wäre/ antwortete er/ müste ich ihr getreu verbleiben bis in mein Grab. Solane wolte demnach von <634> keinen Nutzen hören/ sondern schlug alles dieses aus/ warum andere der grossen Herren Gunst bloß und allein begehren/ doch gleichwohl unterliesse sie niemahls andern zu dienen und zu helffen/ worauf ihr meistes Sinnen gerichtet war/ wodurch sie die Gunst des gantzen Hofes an sich zog. Wie aber nun der Abschied heran nahete/ waren zwar die Versprechungen sehr groß/ bald nach vollbrachtem Feld=Zuge wieder zu kommen/ und ihrer niemahls zu vergessen. Es folgeten die vornehmsten des Hofes auch Leonidas/ Statira und Solane/ bis in ein warmes Badt/ Trento genandt/ wessen sich der Fürst vor seinem Feld=Zuge noch bedienen wolte. Roxana/ Olimpia und Orosmana waren in Lido verblieben.

Zu Trento fande sich eine grosse Menge vieler Fremden aus allen Ländern/ unter welchen Solane einen längst=bekannten Freund antraff/ nahmens Theodorus/ welcher sich vormahls sehr um ihre Gunst beworben hatte/ und ein Freund ihres gantzen Hauses war. Er gedachte nun auch/ wie sonst/ ihr seine Aufwartung zu machen. Orondates aber wolte dieses nicht zugeben/ forderte vielmehr Solane solte ihn nicht allein gäntzlich vermeiden/ sondern weil ihm bewust/ daß einige Briefe zwischen ihnen ohne bedencken waren gewechselt worden/ solte Solane diese lassen von ihm wieder abfordern. Weil aber Theodorus sich hierzu noch nicht verstehen wolte/ liesse er ihm einsten auf eine Spazier=Fahrt zu sich bitten/ gleichsam als wolte er sich in einige Vertraulichkeit mit ihm einlassen. Als sie nun gantz allein zusammen auf einem leichten Wagen fuhren/ und nahe an ein Gehöltze kamen/ trat Orondates ab/ mit Theodorus in den Wald zu gehen/ von welchen er auch dahin gefolget ward/ wie er sich von seinen Leuthen genungsam entfernet sahe/ sagte er mit ernstafften Wesen: Theodorus/ setzet jetzt allen Unterscheid zwischen uns beiden auf die Seite/ ihr wisset schon/ daß ich der Solanen Briefe von euch verlange/ nun müsset ihr euch entschliessen/ mir <635> solche wieder zu geben/ oder ich werde die äussersten Mittel dazu anwenden/ auf daß ihr euch aber nicht zu beklagen habet/ so stehet es euch frey/ selbige gutwillig herzugeben/ oder sie mit eurem Degen zu vertheidigen. Mit diesen zückte er den Degen/ und erwartete der Antwort. Orondates ist viel zu großmüthig/ versetzte Theodorus/ solchen Knechtschafftlichen Gehorsam von mir zu fordern/ auch weiß er gar zu wol/ was man einem Frauenzimmer in solchen Fällen schuldig ist/ sofern aber Solane selbst der beständigen Meinung ist/ ihre wenigen Briefe wieder zu fordern/ und mir dieses selbst befiehlet/ werde ich ohnfehlbar morgen um diese Stunde solche ihr einliefern/ doch in keine andere Hände als die ihrigen wieder geben. Orondates war hiemit zufrieden/ doch mit dem Bedinge/ daß er nicht selbst die Briefe an Solanen überliefern/ sondern durch jemanden anderst senden solte/ worauf Theodorus sein Wort gab/ und mit Orondates wieder nach Trento fuhr.

Andern Tages stellete sich der Fürst um die bestimte Zeit bey Solanen ein/ wolte dieser Ausliefferung ins geheim beywohnen/ deswegen er sich hinter einen Vorhang verbarg/ als eben des Theodorus Priester sich anmelden ließ/ welcher die Briefe überbrachte. Ehe er aber solche von sich stellete/ frug er nochmahls in Theodorus Nahmen/ ob es ihr Befehl also wäre? welches Solane mit ja beantwortete. Ob sie dann numehro entschlossen sey/ allen ihren vorigen getreuen Freunden/ abzusagen/ und sich Orondates zu ergeben/ der sie doch mit Untreu belohnen würde? Hier machte sich der Fürst hinter den Teppich hervor/ weswegen der Priester seine Briefe überreichte/ und eiligst Abschied nahm/ mit diesen wenigen Worten/ daß Theodorus ohne Verzweiffelung dieses nicht hätte vollenziehen können. Orondates spottete seiner Eilfertigkeit. Solane aber welche den Theodorus einige Erkäntlichkeit schuldig war/ konte ohne Gemüths=Bewegung solchen Handel nicht zu sehen/ welches ihr aber Orondates zu gute hielte/ in so weit wol zufrieden/ daß die Brieffe waren herbey geschaffet worden/ die er von Solanen als ein gäntz<636>liches Opffer verlangte/ in seine Verwahrung zu nehmen/ sie bezeigte aber/ daß sie lieber solche in seiner Gegenwart verbrennen wolte/ welches er sich gefallen ließ/ jedoch die Asche davon zu haben verlangte/ die ihn auch keinesweges versaget wurde. Sie thaten solche zusammen in ein Kästgen/ und Solane schrieb mit eigener Hand oben darauf.

    In diesem Grabe bleibt der Argwohn gantz verschlossen
    Ein Phönix neuer Treu ist aus der Asch entsprossen.

Theodorus hatte nach dieser Begebnüß alsofort Trento verlassen. Herennus war jetzt wol vergnügt/ weil er seine Gesandschafft mit so gutem Nachdruck verrichtet hatte; Es mangelte nun weiter nichts/ als seine Rache an Solanen zu sehen/ in dieser Hoffnung machte er schon unterschiedene Anschläge/ stellete inzwischen ein grosses Gast=Gebot an/ wozu er Sie und Orondates einladen liesse/ nebst Statira und allen vornehmen Bad=Gästen des Orths. Es mangelte an keinem Zeit=vertreib noch Lustbarkeiten/ es wurden auch Spiele gespielet/ da man Pfande geben muste/ und traff sich/ daß einem etwas einfältigen Menschen auferleget ward/ die Lichter auszublasen/ welches er auch alsofort als eine Nothwendigkeit werckstellig machte. Herennus gedachte bey dieser Gelegenheit sich einen Vortheil zu machen/ umarmete Solane mit den Worten/ nun hoffte er bald an ihr gerochen zu seyn/ womit sie übel zufrieden war/ und sich von ihm loß zu machen suchte/ wie eben ein Licht wieder herein gebracht wurde. Orondates welcher genaue Achtung gegeben hatte/ fande sich beleidiget/ wie auch das übrige Frauenzimmer/ wodurch die Gesellschafft augenblicklich aufgehoben ward. Solane setzte sich zu Statira in den Wagen/ um mit ihr nach Hause zu fahren/ sie begegnete den Fuß gehenden Orondates/ welcher zu ihnen an den Wagen trat/ und mit den ungeduldigsten Worten gegen Solane ausbrach/ die sich aber im geringsten nicht schuldig wuste. Es benahm ihm endlich der Eifer so sehr (welches erschrecklich von einen Liebhaber war) daß er sie mit seinem Handschuch/ der mit schwehren güldenen Fransen besetzet war/ einen unverant<637>wortlichen Schlag in die Augen gab/ worüber Statira zum höchsten sich entsetzte/ Orondates aber voller Unmuth wieder zum Wagen hinweg gieng. Solane hatte sich das Angesicht mit ihrem Sonnen=Wedel bedecket/ redete hierzu kein Wort/ Statira aber fuhr fort/ diese That sehr zu unbilligen/ und Solanen vorzuwerffen/ daß sie hierzu stillschweigen könte. Worauf sie endlich zur Antwort gab/ daß die Worte wenig zureichen würden/ ihre Empfindlichkeiten an den Tag zu geben/ Statira solte sicherlich glauben/ sie würde solches Verfahren zu ahnten wissen/ wovon sie selbst Zeugen seyn solte/ sie wolte auch diesen Abend nicht nach Hause gehen/ sondern blieb bey Statira. Beide Häuser waren gantz nahe an einander/ und oben durchgebrochen mit einem Durchgang. Orondates hatte sich inzwischen bey Solane schon eingefunden/ welche ihn aber nicht sprechen wolte; Alles Bitten/ alles Flehen war umsonst. Statira vermochte selbst so viel nicht/ ob gleich Orondates sie ersuchen liesse/ sich ins Mittel zu schlagen/ war doch alles vergebens/ bis er ihr zuentbiethen liesse/ er würde nicht eher von dannen gehen/ solte er auch bis in den lichten Morgen in ihren Zimmer verweilen/ sofern sie sich nicht wieder einfinden würde. Die Sclavin der Solane berichtete zugleich/ daß der hertzhafte Orondates gar einige Thränen der Reue hätte fliessen lassen/ wodurch sie endlich bewogen wurde sich zu ihm zu verfügen. Hier fiel er ihr zu Füssen/ wuste für grosser Betrübnüß nicht/ was er ihr solte für eine Abbitte thun/ alles dieses war vergebens/ denn Solane bedeutete ihn/ sie wäre deswegen nur erschienen/ von ihm einen ewigen Abschied zu nehmen. Diese Worte giengen dem Trost=losen Orondates so zu Hertzen/ daß er augenblicklich seinen Degen zog/ sich damit das Leben zu rauben. Wie Solane den entblösten Stahl in seiner Hand sahe/ und den aufgehobenen Arm/ sich damit zu verletzen/ erblaste sie für Schrecken; Ihre Lebens=Geister waren zugleich verschwunden/ so daß sie ohnmächtig zur Erden sanck. Durch ihr zuvor gemachtes Geschrey aber wurde Statira nebst einigen Bedientinnen bewogen/ zu ihr zu eilen. Orondates hat<638>te den Degen aus der Hand fallen lassen/ um der ohnmächtigen Solane zu Hülffe zu kommen. Wie sie sich endlich wieder erhohlete/ flossen ihre Thränen so häuffig/ daß sie nicht vermochte ein Wort zu reden/ denn es fiel ihr gar zu schmertzlich/ eines so tapffern Herrn Leben/ wegen einer Leibes=Schwachheit in Gefahr gesetzt zu haben; weil aber die Nacht hierüber schier verstrichen/ und sie der Ruhe bedürfftig war/ wurde die fernere Erklährung bis andern Tages ausgesetzet/ da sich ein jeder inzwischen zu seiner Wohnung verfügte.

Statira wuste sich nicht genungsam zu verwundern über die Hefftigkeit solcher Gemüths=Bewegungen/ und hatte nicht vermeinet/ daß Orondates an Solanen so sehr ergeben wäre/ welches Elimar wol zu statten kame/ weil Statira sich hinfort keine Rechnung mehr auf Orondates machte/ sondern ihn wol zu leiden begunte/ wodurch er in gröstes Vergnügen gesetzt ward. Orondates wurde völlig andern Tages mit Solanen ausgesöhnet. Es ist nun alles vergessen/ sagte sie/ jedennoch mag Orondates die Ungerechtigkeit seiner Eiffersucht künfftig besser bedencken; Denn war es nicht genung/ daß ich bereits des Herennus Heurath ausgeschlagen? muß es diesen nun so weit in seiner Rache gelingen/ daß er nicht allein solchen Eifer bey Orondates gegen mir erwecket/ sondern auch unter dem Vorwand des Ruhms und der Tapfferkeit gar Orondates von Solane scheidet/ welche Trennung ohnfehlbar ein mehrers nach sich ziehen dürffte/ und zweiffle ich sehr/ daß die unglückliche Solane sich bey Orondates in Andencken erhalten wird; Es wolte zwar der Fürst ihr diese Furcht gäntzlich ausreden; dann nachdem er ihr so viel Proben seiner Liebe schon gegeben hatte/ solte die Beständigkeit nicht in Zweiffel gezogen werden/ welche er mit den ersinnlichsten Betheuerungen ihr noch öffters versicherte/ und zur Erneuerung seines ersten Verbündnüsses/ ihr abermahls einen Ring gab/ mit einem Diamant/ von Greiffen=Klauen gehalten/ welchen er die Ausdeutung beyfügte: Daß gleich wie der Diamant von Greiffen=Klauen gehalten würde/ also feste hielte/ auch Solane sein Hertze. Weil er sich <639> auch zu keiner Abreise so geschwinde nicht entschliessen konte/ wurde selbige noch auf einige Tage ausgesetzet.

Um aber die übrige Zeit seiner Gegenwart mit den angenehmsten Ergötzlichkeiten hinzubringen/ ließ er ein Schloß auf einen erhabenen Berg von grünen Laub aufrichten/ welches als eine Festung anzusehen war; Oben war der grüne Pallast von allen Seiten offen/ unten aber die Zugänge alle mit Befestigungs=Wercken verwahret. Zu beiden Seiten des Berges flossen die durch Kunst=erhabenen Wasser=Güsse wieder hinunter. In der platten Wiese aber sahe man die schönsten Blumen/ Beete angeleget/ wozwischen die Wasser=Künste sehr häuffig sprungen/ welches zusammen nicht anderst als ein verwünschtes Schloß aussahe/ absonderlich wenn der Pallast des Abends oben durch tausend Lichter in seinen unterschiedenen Gemächern erleuchtet war/ wozu Orondates eine unzählige Menge Lampen=Spiegel und Cristallene Krohnen hatte zusammen bringen lassen; wenn auch die Abschnitte des Berges/ ja die Blumen=Beete in der Wiesen mit Lampen abgezeichnet/ und erleuchtet waren/ muste man gestehen/ daß man niemahls etwas prächtigers und anmuthigers gesehen hatte. Herennus nannte dieses Schloß den Pallast der Circe/ in welchen sie den tapffern Ulysses gefangen hielte/ konte auch ohne die gröste Ungeduld solches Gebäude nicht ansehen/ in welches Orondates einige kostbahre Gast=Mahle anstellete/ und täglich etwas neues erdachte/ die Gesellschafft zu ergetzen. Wie nun der Abschied endlich nahe war/ beredete sich Solane mit dem übrigen Frauenzimmer/ dem Fürsten zu Ehren/ eine Verkleidung nebst einem Tantz anzustellen (Potentiana aber ward hievon ausgeschlossen) sie verkleideten sich wie Jagd=Nymphen/ mit Pfeil und Bogen gewaffnet/ im Tantzen aber umringeten sie Orondates/ und eine jede Nymphe schoß ihren Pfeil ab/ an welchen ein Zettul gebunden war/ welche alle zu seinen Füssen beliegen blieben. Wie nun Orondates selbige auf hub/ und durchsahe/ fand er meistens Glück=Wünsche zum bevorstehenden Feld=Zuge/ so wie es eine jede zum besten hatte ausdrücken können. Un<640>ter diesen Zetteln/ waren vornehmlich drey/ so etwas besonders anzeigten.

    Der erste lautete also:
    Es folget Glück und Sieg auf deinen Feld=Zug nach/
    Cupido schickt zugleich dir ein verliebtes Ach!

    Der andere Zettul war folgendes Innhalts:
    Was Helden sieghafft macht/ das ist dir angebohren/
    Drum hat dich auch mein Hertz zum Sieger auserkohren.

    Im dritten fande sich dieser Reim:
    Wann deine Tapfferkeit nimmt Reich und Länder ein/
    So laß ein treues Hertz bey dir beschützet seyn.

Orondates merckte hieraus/ daß er mehr als eine Liebhaberin hatte/ welches ihm zwar nichts neues war/ weil damahlen keine zufinden/ so nicht seine Gegen=Liebe gewünschet hätte. Ob er nun zwar einen/ von diesen Zettuln der Solanen zueignete/ konte man doch eigentlich nichts davon erfahren/ weil auch die eine nicht wuste/ was die andere geschrieben hatte. Dieses war die letzte Zusammenkunfft an einem so schönen Orthe/ von welchem Orondates jetzt Abschied nehmen muste. Er getrauete sich nicht in so grosser Gesellschafft/ von Solane sich zu beuhrlauben/ deswegen ward dieses bis andern Morgens aufgeschoben. Die Traurigkeit hatte sein/ sonst munteres Wesen gantz benommen/ und wie es endlich an ein Scheiden ging/ waren der Worte sehr wenig. Es ist nicht erlaubet in den Geheimnüssen grosser Herren zu tieff einzusehen/ absonderlich was ihre Gemüths=Bewegungen betrifft/ weil man sonst gar zu grosse Schwachheiten öffters wahrnehmen möchte. Genung/ daß dieser Abschied einer von den allerbeweglichsten war. Orondates setzte sich endlich zu Pferde/ begleitet von Herennus/ Mecenas/ Elimar/ Tarßis/ und allen übrigen so befehligt waren/ sich in diesen Feldzug zu begeben; Man sahe ihm seine Betrübnüß mehr als zuviel an/ deswegen er den Huth tieff in die Augen drückte/ und also seine Abreise werckstellig machte. Leonidas weigerte sich in diesen Krieg zu folgen/ weil er selbigen wiederrathen hatte. Lentulus war an andere Oerther geschicket; <641> Statira und Solane kehrten wieder zuück nach Lido/ allwo sie alles traurig und verändert sahen. Solane fande nunmehro ihre grösseste Lust in der Einsamkeit/ in welcher sie zum öfftern durch Briefe/ von Orondates erfreuet ward; Statira leistete ihr zuweilen gesellschaft/ welche von Elimar gleichfalls fleißige Nachricht bekame.

Orondates war in diesem Feld=Zuge nicht zum vergnügtesten/ sondern es erfolgte alles was Leonidas prophezeyet hatte; indem er die versprochene Gewalt nicht völlig erhalten konte/ sondern/ es ward ihm ein alter verdrießlicher General/ Guastano genant/ zugeeignet/ welcher vielmehr seiner Tapfferkeit verhinderlich als beförderlich war. Dann/ wie es zwischen beiden Heeren/ zu einem Haubt=Treffen geriethe/ hatten sich die Feinde tieff vergraben und verschantzet. Orondates gedachte dieses Lager zu erobern/ und/ um den Seinigen ein Beyspiel zu geben/ sprang er mit seinem Pferde am ersten/ über die feindliche Brustwehr/ wurde aber von niemand/ als von Elimar und Tarßis gefolget/ massen der gantze Rest des Heers von Guastano zurücke gehalten ward/ wodurch Orondates unfehlbar in der Feinde Hände gerathen wäre/ wann ihm nicht seine Tapfferkeit/ mit Beystand einiger wenigen Getreuen/ davon errettet hätte. Die Schlacht wurde weder für verlohren noch gewonnen gehalten; dann ob gleich der Feind endlich das Feld geräumet/ und sein starckes Lager verlassen hatte/ schrieb dennoch Guastano an den Kayser/ es wäre gar kein Vortheil auf beiden Seiten befochten worden. Ob nun wohl Orondates dieserwegen ziemlich unzufrieden war/ so wuste dennoch der verschmitzte Herennus ihm neue Hoffnung zu geben/ daß in einem künftigen Feld=Zuge alles nach seinem Willen solte eingerichtet werden. Das verliebte Frauen=Zimmer am Kayserlichen Hof=Lager suchte auch nunmehro durch Herennus Anweisung/ sich bey ihm angenehm zu machen/ woran er aber noch bis daher keinen sonderlichen Gefallen hatte/ sondern bald hierauf wieder nach Lido kehrte/ allda er sich bey der Solane/ seiner Beständigkeit/ wohl zu rühmen wuste.

<642> Es wäre damahls fast ein harter Streit entstanden/ zwischen Statira und Solane: denn es solte dem Orondates zu Ehren/ bey Hofe ein grosses Schau=Spiel gehalten werden/ bey welchem alles vornehme Frauen=zimmer in verschiedenen Auftritten/ entweder zu singen/ oder zu tantzen hatte: Solane stellete die Minerva für/ welche auf einem Wagen zwischen den getheilten Spitzen des Parnassus gefahren kam/ mit der Fama/ des Fürsten Lob zu besingen. Statira aber befande sich unter den neun Musen/ von welchen sie die Eurato war. Jede Muse führte ein Gefolge bey sich/ mit welchem sie einen besondern Aufzug machte/ da dann Eurato insonderheit von Liebhabern und Liebhaberinnen begleitet wurde. Nun hatte Solane unter den Gedichten des Poeten/ ein Lied ins Geheim mit beytragen lassen/ welches ihre eigene Erfindung war/ und also lautete:

    1.
    Lange Stunden/ finstre Tage/
    Schmertzen der Abwesenheit/
    Endet einmahl eure Plage/
    Es ist nunmehr hohe Zeit.
    Soll mein Geist nicht von mir scheiden/
    So vergönnt und last geschehn/
    Daß ich nach so vielem Leiden/
    Möge das Geliebte sehn.

    2.
    Langes warten/ langes hoffen/
    Quählet das verliebte Hertz.
    Leid für Lust wird hie getroffen/
    Lieben ist ein steter Schmertz.
    Stets anbeten/ selten schauen/
    Ist ein Leben voller Noth;
    Und auf falschen Grunde bauen
    Heisset der Verliebten Tod.

<643> Dieses Lied/ ob zwar selbiges nicht für Eurato gehörete/ sondern vielmehr für eine von ihren Liebhaberinnen/ wolte Statira durchaus singen/ und erklährete sich/ sofern man ihr solches nicht erlauben würde/ wolte sie hiemit dem gantzen Schau=Spiel entsaget haben. Solane hingegen/ welche dieses Lied/ zweiffels ohne/ aus sonderlicher Absicht/ gemacht hatte/ konte nicht zugeben/ daß Statira sich dessen zu ihrem Nutzen suchte zu bedienen; wodurch sie ihre heimliche Begierde gar zu sehr zu erkennen gab/ stunden also miteinander nicht zu vergleichen/ sondern erwarteten hierüber von beiden Theilen des Fürsten Ausspruch: welcher aber nicht nach der Statira ihrem Wunsch ausschluge/ weil der Fürst Solanen Beyfall gab/ welches ihr ein grosser Verdruß war/ weswegen sie sich des singens auch gar begab/ und nur bloß unter denen Täntzerinnen sich finden liesse. Wornach das Schau=Spiel in grössester Vollkommenheit dem Fürsten fürgestellet wurde. Herennus und Mecenas verlohren inzwischen keine Zeit/ den zweyten Feld=Zug zu veranlassen/ welches ihnen auch gelunge/ indem Orondates/ nun noch begieriger als zuvor/ den Ruhm seiner Thaten suchte auszubreiten; Mecenas und Herennus eileten hiemit um desto mehr/ wohl vermerckend/ daß Orondates der Solane täglich gewogener schiene zu werden/ wodurch ihr Absehen leicht hätte können verrücket werden/ welches auch fast geschehen wäre/ weil Orondates sein Verbleiben in ihren Willen setzte/ jedoch dabey versicherte/ sie würde ihn niemahls vergnügt sehen/ soferne er ihr die Verkleinerung seines Ruhms würde beyzumessen haben/ welches Solane für zu gefährlich hielte.

Orondates trat also seinen zweyten Feldzug an/ muste aber beym Kayser sich dismahl länger wie zuvor/ verweilen. Das Gerüchte breitete hievon unterschiedene Ursachen aus/ und ob zwar der Solane hievon nicht viel zu Ohren kam/ konte sie doch solches fast errathen/ ja gar in den Augen ihrer Feinde lesen; Sie war aber viel zu gescheid/ als sich hiernach zu erkundigen/ schrieb dennoch an Orondates/ gleichsam als wäre ihr schon alles wissend/ und beklagte sich über seine Wanckelmuth.

<644> Orondates empfand diesen Vorwurff mit gewöhnlicher Hefftigkeit/ um sich aber des Verdachts desto eher zu entledigen/ nahm er eiligst die geschwinde reitende Post/ mit welcher er zu Lido anlangete/ ehe man sich dessen hätte vermuthen können. Es ward alsofort kundig in der Stadt/ Orondates wäre angekommen/ niemand aber wuste wo er abgetreten war; Solane selbst bekümmerte sich deshalben/ ließ zu Hofe Nachfrage halten/ wie sie aber gedachte mit ihrer Sclavin dieserwegen in ihrem Cabinet zu reden/ ward sie dort von dem Orondates empfangen/ welcher sie allhier verborgen hatte/ und durch die Hinter=Pforte des Hauses/ heimlich herauf kommen war; weil er aber von der geschwinden Reise sehr bestäubet/ und sich deshalben für Solanen entsahe/ schalt er sich selbst für thöricht/ rückte ihr in halben Schertze vor/ Sie würde ihm noch (wie er sagte) seiner Vernunfft berauben; denn er hätte nicht ruhen können/ bis er sich anhero begeben/ nur bloß sich wegen ihres gezeigten Verdachts zu verantworten; da sie aber ihre Macht genungsam versichert halten könte/ möchte sie seiner künfftig schonen/ oder gewärtig seyn/ daß er sich gantz und gar vergehen würde. Hiergegen musten nun alle Vorwürffe der Solane verstummen/ auch wolte sie keine Zeit hierauf wenden/ sondern beflisse sich vielmehr/ mit allen ersinnlichsten Freuden=Bezeugungen ihme zu bewillkommen. Orondates vermeinete/ er würde bey ihr auf einige Tage können verborgen bleiben/ weil aber Solane stets auf das Gerüchte sahe/ beredete sie ihn nacher Hofe in seinen Pallast sich zu verfügen/ und unter einigen Vorwand/ woran es ihm nicht fehlen könte/ diese Ankunfft zu beschönigen. Orondates liesse sich dieses gefallen/ begab sich durch die Hinter=Pforte wieder von da nach Hofe/ allwo er bey Roxana und Olimpia eine unvermuthete Freude erweckte. Beym Kayserlichen Hof=Lager aber war alles voller Verwirrung/ weil man nicht wuste/ wo Orondates hingekommen war. Man vermuthete zwar wol/ er sey nach Lido abgereiset/ über die Ursach <645> aber beunruhigte sich ein jeder. Es wurden viel Briefe nachgeschrieben/ auch besondere Abgeordnete gesandt/ seine Rückkunfft zu befördern/ welche nun nicht länger konte verschoben bleiben/ sondern Solane muste Orondates abermahls abreisen sehen.

Bey seinem Abschiede aber stellete er ihr einen versiegelten Brief zu/ mit bitte/ selbigen wol zu bewahren/ und nicht eher zu erbrechen/ bis sie hören würde/ wie es ihm in diesem Feld=Zuge ergangen wäre/ und im Fall etwas unglückliches über sein Leben solte beschlossen seyn/ würde sie hierinn finden/ daß er ihre Freundschafft hätte zu erkennen gewust. Solane aber behielte solche Schrifft nicht lange bey sich/ denn wie sie nach einiger Zeit aus seinen Briefen ersahe/ daß zu Ausführung einer Belagerung man die Mittel ermangeln liesse/ sandte sie alsofort diese versiegelte Schrifft wieder an ihn zurücke/ in Meynung/ es möchten vielleicht sich solche Mittel hiedurch finden/ wodurch seinen Ruhm könte gedienet werden. Wie aber Orondates wieder abgereiset war/ vereinigte sich die gantze Macht/ der Mißgunst und Verläumdung gegen Solane/ um Orondates abwendig zu machen. Man ersonne solche falsche Angebungen/ deren Gifft das innerste der Seelen anzugreifen vermochte/ wodurch nichts als Verdacht und Eiffersucht erwecket wurde. Mecenas und Herennus gründeten sich auf die allgemeine Regel: Daß wann zwey oder drey bey Hofe über einen Anschlag einig werden/ der vierthe dabey nothwendig untergehen muß. Weil sie nun eine Liebes=Veränderung schmiedeten/ muste zugleich Blanea/ des Herennus nahe Befreundtin sich euserst bemühen/ des Fürsten Gunst zu gewinnen.

Blanea war ihm stets vor Augen/ folgte ihm in allen Gesellschafften/ ließ sich gern von andern vorwerffen/ daß sie in Orondates verliebt sey; weil aber solche Bezeugungen auf den Eigennutz gegründet waren/ als den einigen Abgott des Frauen=Zimmers/ fanden sich unterschiedene Gehülffinnen/ welche ihren Vortheil zugleich von dem Orondates ziehen wolten/ bald wurden kostbahre Edelgesteine angebo<646>then/ sie zu beschencken/ bald that eine wichtige Summe Geldes nöthig; Alles unter erdichtetem Vorwand/ wodurch der freygiebige Orondates so weit hinein geführet ward/ daß er Blanea für seine Geliebte selbst ansehen muste/ auch nicht verhindern konte/ daß sie bey Hofe und überall davor gehalten wurde. Er hoffte zwar/ Solane würde nichts hiervon erfahren/ und dieses Spiel mit seiner Abreise vom Kayserlichen Hof=Lager sich endigen. Aber der arglistige Herennus säumte nicht/ durch unterschiedene Wege ihr alles kund zu thun; Zum Uberfluß ward ein Bekandter/ und wegen seiner Schönheit sehr beruffener/ Fabius/ nach Lido gesand/ sich/ wo möglich/ bey Solane beliebt zu machen/ welches ihm aber gantz mißlunge/ weil sie ihm gar keinen Zutritt erlauben wolte. Er muste deshalben Gelegenheit suchen/ sie auf einer Spatzierfahrt zu begegnen/ welche er endlich fand/ als sie mit Statira nach einem Garten fahren wolte. Er nahete sich zu ihr mit grosser Freyheit/ ohngeachtet Statira und noch eine von ihren guten Freundinnen zugegen war. Ich muß aus Mitleiden/ sagte er/ diese Dreistigkeit nehmen/ um Solane/ auch gegen ihren Willen/ ihren gefährlichen Zustand zu eröffnen; Alle Welt beklaget sie/ wann aber Orondates noch das geringste Andencken für ihre Persohn hegte/ oder einige Erkäntnüß ihrer Würde hätte/ müste es ihm unmöglich fallen/ ihr eine solche ungleiche Neben=Buhlerin als Blanea/ beyzufügen/ welche am wenigsten es würdig ist/ und weiß man sich nicht genugsam verwunderen/ über eine solche unbegreiffliche Veränderung/ so kan man auch ohne Aergernüß nicht ansehen/ welche Schätze Orondates an seine Blanea wendet/ die er vielleicht an Solanen mag erspahret haben. Statira fiel ihm hier in die Rede/ mit Bitte/ sein gar zu freyes Urtheil zu spahren/ weil er zubedencken hätte/ daß er jetzt in Orondates Ländern wäre. Fabius wolte hierüber gar ungeduldig werden/ und vermeinte/ Er/ als Fabius/ begehrte/ dem Gemüthe nach/ Orondates nicht zu weichen. Solane gab ihm auch zu erkennen/ er thäte ihr gar einen schlechten Gefallen sich ihrer Ungelegenheit so sehr anzunehmen/ wovon die rechten <647> Umstände ihm zu wenig bekant wären: Sie hielte sich auf seiner gegebenen Nachricht weder für glücklich noch für unglücklich/ und was Orondates beträffe/ trüge sie groß Bedencken sich hierüber zu erklähren.

Hiermit liesse sie ihren Waagen umwenden/ und fuhr mit Statira wieder nach Hause. Ob nun zwar ihre Gewohnheit nicht war/ sich einiges Verdrusses zu äusern/ konte sie doch gegen Statira selbigen dismahl nicht bergen/ welche sich erboth/ noch selbigen Abend mit Fabius zu sprechen/ um von ihm die genaueste Nachricht zu erfahren. Niemand konte selbige besser geben/ weil Fabius ein Aufwärter und Liebhaber der Adonacris/ der Obervermittlerin aller verliebten Händel am Kayserlichen Hof=Lager ware/ bey welcher Orondates zum öfftern mit Blanea seine heimliche Zusammenkünfte hielte. Statira erfuhr alles von ihm was sie nur verlangen konte/ das Verständnüß/ die Geschencke/ die Absicht und den gantzen Anschlag; er versicherte auch/ Blanea würde bald verheyrathet werden/ an Aquilius/ eine alten geitzigen Herrn/ doch nur zum Schein/ und vermittelst einer grossen Summe Geldes/ welche Orondates darzu herschiessen würde/ um dadurch gäntzlich Meister von Blanea zu werden. Statira erfuhr nicht minder/ daß auch Elimar sich eine andere Schönheit auserwählet hätte/ und selbige bediente; Solche grausame Nachrichten/ hätten schier die Standhaftigkeit der Solane gäntzlich zu Boden geschlagen/ welche nunmehr ihren verborgenen Schmertz ohne Scheu ausbrechen ließ/ weil Statira ihr hierinn getreue Gesellschaft leistete. Beide entschlossen sich hievon kein Wort sich mercken zu lassen/ um besser zu sehen/ wie weit die Falschheit ihrer beiden Ungetreuen gehen würde. Fabius inzwischen verließ Lido/ seinen Weg auf Bargos nehmend/ weil sein Verbleiben ihm doch keinen Nutzen geschaffet hätte. Orondates hatte so viel Auffmercker in Lido zurück gelassen/ daß ihme diese Geschichte nicht lange konte verborgen bleiben/ wovon er den umständlichen Bericht in seinem Feld=Lager erhielte. Niemahls war sein Zorn so sehr grimmig gewesen; Elimar muste Augenblicklich zu ihm ins Getzelt kommen/ welchen er nicht allein seine Beleidigung ent<648>deckete/ sondern auch die heimliche Unterredung der Statira mit Fabius unverhohlen ließ; Elimar erbothe sich alsofort die billige Straffe an Fabius auszuüben/ wozu seine eigene Rachgier ihn am meisten antrieb: Orondates hätte also hierzu niemand besser erwählen können/ und verließ Elimar noch selbigen Abend das Lager/ seinen Weg gerade auf Bargos nehmend/ allwo er den unglücklichen Fabius antraff/ wie er sich eben bey einem berühmten Mahler abschildern ließ/ welches noch seinen Unmuth vermehrete/ derhalben er ihn alsofort/ mit den schimpfflichsten Scheltworten anredete/ und seinen bey sich führenden Befehlshabern ein Zeichen gab/ die Rache ins Werck zu stellen. Selbe ergriffen den Fabius/ welcher nur umsonst den Degen gezogen hatte/ warffen ihn zu Boden/ und zerschnitten ihn das Angesicht/ welches für seine Schönheit also grausamlich büssen muste; Weil aber die Leuthe im Hause über Mord und Gewalt rieffen/ versamlete sich der gemeine Pövel in solcher Menge/ daß Elimar nicht entkommen konte/ sie schlepten ihn in ein hartes Gefängnüß/ kaum daß sein Leben aus ihren Händen errettet ward. Hier wurde über ihm ein ordentliches Gerichte gehalten/ und wäre nicht Lentulus von Orondates hingesand worden/ ihn zu erlösen/ würde man ein hartes Urtheil an ihn vollenzogen haben. Es hielte dennoch schwehr genung ihm heraus zu bringen/ weil der Pövel noch sehr erbost/ daß Lentulus ohne Gefahr seines Lebens dieses nicht verrichten konte/ der ihm aber mit gewaffneter Hand aus dem Gefängnüß führete/ ihn auch folglich mit gutem Glück zur Stadt hinaus brachte. Welches Entsetzen veruhrsachte nicht diese ausgeübte Rache/ bey Solane und Statira? die gantze Welt war gleichfalls hiervon erfüllet/ und Adonacris wüthete so sehr/ daß sich Eimar nicht getrauete/ so bald wieder dahin zu kehren. Orondates hatte sich hierdurch wieder versöhnen lassen/ welcher bey seiner Zurück kunft in Lido/ gegen Solane im geringsten nicht verändert schiene/ er verdoppelte vielmehr seine Liebes=Versicherungen/ fande aber bey ihr nicht mehr die vorige Freudigkeit des Gemüths; von Blanea und Fabius wurde zwischen ihnen <649> nicht geredet/ bis er sich eines Morgens bey Solane einfand/ da sie noch nicht völlig angekleidet war/ das Haubt aber sahe er mit einem seltsamen Putz geschmücket; denn Solane hatte sich alles Geschmeide/ so Orondates an Blanea geschenckt/ von Cristall nachmachen lassen. Hier sahe er den kostbahren Cypressen Baum/ die theur geschätzte Cleopatra/ den Pharos von grossem Werth/ und andere Stücke mehr/ welche wegen ihres grossen Preises unter dergleichen Nahmen bekant waren/ wovon das Haar überall gezieret; welcher falsche Schmuck mit grossem Gepränge in die Augen leuchtete/ und den beschämten Orondates eine unvermuthete Röthe veruhrsachte/ weil er gar wol erkante was sie vorstelleten. Er hielte sich aber nicht lange dabey auf/ sondern begab sich von da mit ziemlichen Unmuth. Nachdem er sich aber anderst bedacht/ kam er Nachmittags wieder/ und erwehnte Schertz=weise/ des gesehenen Aufputzes. Solane nahm diese Gelegenheit in acht/ um ihn seine neue Liebe zu Gemüthe zu führen/ erinnerte ihm die vormahls versprochene Aufrichtigkeit/ bey welcher sie ihn beschwur ihr ungescheut zu bekennen/ ob Blanea würcklich jetzt von ihm geliebet würde? Orondates bedachte sich eine Weile/ was er hierauff zu antworten hätte/ gestande endlich/ Blanea könte ihm nicht verhast seyn/ weil sie ihm zuerst geliebet/ wie sie aber deswegen wäre sehr verunglimpfet worden/ hätte er sich ihrer müssen annehmen/ daher auch geschehen/ daß er ihr einige Geschencke mitgetheilet/ doch aber konte diese Einfältige (also nannte er sie) nicht für seine Freundin gehalten werden/ weil solches etwas mehres zu bedeuten hätte. Es ist genung antwortete Solane und weil ich schliesse/ daß diese anwachsende Liebe ein mehres nach sich ziehen wird/ Blanea/ mich auch als ihre Feindin Zweiffels ohne ansiehet/ so ists nunmehr hohe Zeit sich zu besinnen/ und Orondates in Freyheit zu lassen. Hier fiel sie dem Fürsten zu Füssen/ und bath mit vielen Thränen/ er möchte ihr erlauben/ sich von seinem Hofe weg zu begeben/ damit sie seiner Veränderung und der daraus entstehenden Schmach/ bey Zeiten entgehen möchte/ welches Bitten den Fürsten solche Gemüths=Bewe<650>gung veruhrsachete/ daß ihm auch die Augen dabey übergingen; Er versprach andern Tages ihr seine Entschliessung wissen zu lassen/ es erfolgete aber hierauf nachgesetztes Schreiben von seiner Hand:

Nun erfahre ich in der That/ was man mir öffters von Solanen versichern wollen/ daß ihre Güte gegen mir nichts als eine verstellete Kunst sey/ weil sie um einer so geringen Ursach mich alsofort gedencket zu verlassen. Doch soll sie wissen/ daß alles/ was ich ihr gestern gesaget habe/ nur ebenfalls eine Verstellung gewesen ist/ ihre Freundschafft auf die Probe zu sehen. Was Orondates betrifft/ so schwere ich/ wie ich schon öffters geschworen/ daß er der Solanen treu verbleibet/ und nimmer in ihre Abreise willigen wird.

Um diesen Brieff desto grössern Glauben zu erwecken/ ließ er an die Solane wissen/ daß er sich aus Leyd=Wesen unpaß befände/ wie er denn auch in etzlichen Tagen nicht aus seinem Zimmer kam/ doch in selbiger Zeit zum öfftern an Solanen schrieb/ und ihren Schwager Lentulus stets um sich haben wolte/ welchen er zu den höchsten Ehren=Aemmtern erhube/ und hierdurch sich seiner mehr und mehr versicherte/ bis Solane endlich die Gedancken der Trennung nach und nach wieder fahren lassen muste. Blanea ward inzwischen an Aquilius verheyrathet/ ja es schiene/ als wäre sie von Orondates gäntzlich verlassen; Dieweil Solane dieserwegen einiger Ruhe genoß/ befand sich Statira in der allergrössesten Unruhe und Wiederwärtigkeit mit dem Elimar/ selbiger konte ihr nach seiner verübten That an Fabius/ nicht mehr wie zuvor gefallen/ welches seine Liebe in eine rasende Rache veränderte/ die er an ihr selbst jetzt suchte auszuüben. Nachdem er ihr solches durch ein Schreiben kund gethan/ machte er hierzu den Anfang/ <651> bey Silvanus/ an dem er ebenmäßig ein Schreiben abgehen ließ/ ihm seiner Frauen Untreu zu eröfnen/ wobey sich die Abschrifften einiger Briefe fanden/ so Statira an ihm geschrieben hatte. Hiebey ließ er es nicht bewenden/ sondern vefügte sich zu Thecla der Statira Mutter/ und entdeckte ihr alle verliebte Geheimnüsse/ welche er mit ihrer Tochter gepflogen hatte. Von da begab er sich nach Hofe zu Roxana und Olimpia/ an welcher er gleichfals die schmählichsten Dinge von Statira eröfnete/ woraus endlich der Statira ihr völliges Verderben erfolgen muste. Selbige befand sich zu der Zeit auf ihren Güthern/ nach erhaltenen Bericht aber kam sie voller Schrecken nach Lido/ wie sie aber vermeinete in ihres Gemahls Hause einzukehren/ fand sie solches verschlossen/ welches ihr zugleich verbothen ward. Sie wandte sich also voller Thränen zu der Thecla/ die aber ebenmäßig nichts von ihr hören noch wissen wolte/ bloß Solane nahm sich dieser Verlassenen an/ welche sie bey sich in ihren Zimmer beherbergte/ und ihr allen Trost mittheilte/ weil sie an den ungeheuren Verfahren des wüthenden Elimars einen rechten Abscheu hatte. Die sonst klug und witzige Statira konte diesmahl gar keinen rath für sich finden/ Solane nahm dieses über sich/ und nachdem sie Orondates gleichfals wegen dieser That gegen Elimar ungehalten fand/ redete sie ihm als einen Ubelthäter an. Dieses solte eine Warnung seyn/ antwortete der rachgierige Elimar; daß künfftig kein Frauen=Zimmer sich mehr unterstünde/ ihren Liebhaber ungetreu zu werden. Solane fuhre aber fort/ ihm sein unmenschliches Verfahren mit solchen Farben abzubilden/ daß ihm endlich die billige Reue ankam/ worauf er gerne Statira eine Abbitte gethan hätte/ Solane bestand aber auf eine öffentliche Ehren=Ersetzung/ brachte es auch dahin/ daß er sich von Statira für dem Gerichte anklagen ließ/ allwo er selbst erschiene/ und in Beyseyn des versammleten Adels seine Worte und Briefe wiederrieff/ mit der Bekäntnüß/ es wäre aus lauter Eiffersucht von ihm also erdichtet wor<562>den/ daferne auch jemand dieserwegen an Statira einigen Vorwurff zu thun sich erkühnen würde/ wolte er sie dagegen/ als einen Ritter gebührete/ mit dem Degen in der Faust zu vertheidigen wissen. Statira ward hierauf für unschuldig erkannt/ und vom Silvanus wieder angenommen. So viel Nachtheil Elimar hievon hatte/ so viel Danck verdienete hingegen Solane/ welche sich damahls in vergnügten Stande sahe. Das neidische Glück aber konte ihre Zufriedenheit nicht lange vertragen/ sondern brachte bald etwas grosses auf die Bahn/ wodurch alle Vergnügung auf einmahl gestöhret ward.

Es hatten die entlegenen Alaner ihre Abgesandten nach Rom gesand/ und den Orondates zu ihren König begehret; mit welcher Zeitung Herennus abermahls vom Kayser an den Fürsten Orondates abgeschicket ward. Dieser Vorschlag geschahe in möglichster Stille/ weil sich die zu Lido sonst würden wiedersetzet haben/ welchen Mecenas selbst hätte wiedersprechen müssen/ wann er nicht in kurtzer Zeit mit Tode abgegangen wäre. Auch Leonidas war nicht mehr im Leben/ und Lentulus ward hiezu nicht beruffen. Weil aber Orondates im Gemüthe sich deswegen sehr beunruhiget fande/ konte er sein Anliegen gegen die Solane nicht verbergen/ welche sich sehr beflisse/ der Alaner angebothene Krohne verwerfflich zu machen/ indem sie Orondates als Fürsten von Lido für weit glückseeliger schätzte; Allein sein ehrgeitziges Gemüthe achtete kein Wiederrathen/ die Entschliessung war alsofort/ entweder zu sterben oder diese Krohne zu behaupten/ wogegen Solane nichts vermochte/ welche das vertraute Geheimnüß mit unsäglicher Betrübnüß verbergen muste. Zwar dauchte ihr eine Krohne nichts unverächtliches zu seyn/ allein die weite Entfernung/ die allzusehr umschränckte Königliche Macht eines Alaner Königes/ und dieser abtrünnigen Völcker Arth schiene an Orondates nichts glücklichs zu verheissen/ welcher bereits nach den Kayser abgereiset war/ diese grosse Ver<653>änderung werckstellig zu machen/ die auch bald zu ihrer vorgesetzten Endschafft geriehte/ worauf die völlige Wahl ehestens erfolgen solte.

Als Orondates wieder nach Lido kehrete/ geschahe es nur bloß/ die Anstalt zu seiner Abreise nach Alanen zu machen/ und sich von Roxana und Olimpia zu beuhrlauben/ denen dieses wohl ein rechter Donnerschlag war; wie dann Olimpia deswegen in eine tödtliche Kranckheit verfiele/ und ein Gelübde thate/ den Orondates niemahls nach Alanen zufolgen; In welchen beweglichen Zustand aber ward Solane von ihm angetroffen! Es hatte der verborgene Gram sie dergestalt zugesetzt/ daß sie an einem verzehrenden Fieber Bettlägrig war/ und eben wie Orondates zu ihr ins Zimmer trat/ ward sie von einer solchen Schwachheit überfallen/ daß sie für halb todt von ihren Bedientinnen gehalten wurde. Orondates entsetzte sich/ sie in solcher Gefahr zu sehen/ denn die Hertzens=Angst hatte sie aus dem Bette getrieben/ und lag sie an der Erden in grössester Schwachheit und Ohnmacht; weil sie aber/ nachdem sie sich wieder aufgerichtet/ ihren Frauen=Zimmer ein Zeichen gab/ sie allein zu lassen/ redete sie Orondates folgends auf das allerbeweglichste an/ welchen sie bereits König nannte/ in auch Glück zu dieser hohen Würde wünschte/ und versicherte/ wie sie gerne ihre Lebens=Zeit jetzt beschliessen möchte/ weil sie Orondates vergnüget sähe/ dabey aber für sich keine Glückseeligkeit weiter zu hoffen hätte/ indem sie genungsam urtheilen könte/ daß diese grosse Veränderung sie am meisten betreffen/ und nunmehro Orondates/ bey steter Entfernung/ ihrer nicht mehr gedencken würde/ weilen er hingegen die beste Gelegenheit fünde/ Blanea in den allervergnügtesten Stand zu setzen/ welche den Verlaut nach schon die Versicherung erhalten/ mit ihrem Manne Aquilius/ in ansehnlicher Bedienung/ nach Alanen zu folgen. Orondates verwunderte sich/ wer ihr solche falsche Zeitung berichtet hätte? rückte ihr gleichsam ihre Leichtgläubigkeit <654> vor/ und daß sie sich von den Ubelgesinnten so leicht bereden liesse. Es wäre vielmehr die Zeit jetzt kommen/ alles zu erfüllen/ was er ihr jemahls versprochen hätte; Sie allein und nicht Blanea/ solte hinfort bey ihm in vergnügtem Stande leben/ ihre Glückseeligkeit/ Wohlfahrt und Sicherheit wolte er ihr hiemit nochmahls aufs beständigste versprochen haben. Weil auch Olimpia sich erklähret hätte/ niemahls nach Alanen zu folgen/ würde sie dennoch kein Bedencken tragen/ sich bey seiner künfftigen Kröhnung einzufinden/ dahin gleichfalls Dynamis und andere mehr nebst ihren Männern würden entbothen werden. Was kan ein Strahl der Hoffnung bey einer unglücklichen Persohn/ nicht für Veränderung machen? Solane empfand bald die Krafft solcher Worte/ gab aber zur Antwort/ sie könte selbigen nicht völligen Glauben beymessen/ sofern Orondates ihr nicht versichern würde/ bey seinem Königlichen Wort/ daß niemand/ weder Blanea noch Adonacris/ noch Herennus/ sie aus seiner Gnade künfftig stossen solten. Ja/ ich verspreche solches/ wiederhohlete Orondates/ und legte zugleich seine Hand in die ihrige/ daß nichts Sie hinführo von mir scheiden soll. Auf solches Wort versetzte Solane/ muß ich mehr als auf alle Eyd=Schwüre bauen: soferne aber Orondates will/ daß Solane leben soll/ so erinnere er sich/ daß er mir dieses als ein König bey seinem geheiligten Worte verspricht; Ja/ ich verspreche es/ sagte abermahls Orondates. Es verspreche dann auch Solane/ fuhr er fort/ daß sie künfftig ein bessers Vertrauen in mir setzen will. Hiermit wurden alle diese Zusagungen von neuem wieder bekräfftiget/ und Solane that ihr möglichstes/ bald zu der vorigen Gesundheit wieder zu gelangen.

Inzwischen geschahe die königliche Wahl in Alanen welche auf Orondates fiel/ und der Kröhnungs=Tag ward in der Stadt Castro angesetzet. Orondates hatte sich schon voraus nach Alanen mit seinem Krieges=Heer begeben/ welches Lentulus unter ihn führete. Dynamis aber und Solane kamen einige Tage für dem Königlichen prächtigen <655> Einzuge in Castro an. Es ging damahls die Rede/ Blanea wäre gleichfals heimlich angelanget/ als ein Edel=Knabe verkleidet/ und hielte sich würcklich in solcher Tracht beym Orondates auf/ ja man versicherte/ sie hätte sich am Tage des Königlichen Einzugs in dem Pallast zu Castro am Fenster sehen lassen/ auch Lentulus vermeinte selbst/ er hätte ihrer wahrgenommen. Solane ließ sich hierdurch nicht abschrecken/ das versprochene Vertrauen an Orondates unverbrüchlich zu bezeigen/ und wie der Kröhnungs=Tag erschiene/ welcher für allen andern an Pracht den Vorzug behielte/ hatte sich Solane auf das kostbarste dazu kleiden lassen. Es ward ihr im Tempel nebst dem übrigen Frauen=Zimmer aus Lido zur lincken Seite des Throns ein erhobener Stand angewiesen/ und zur rechten Seite gegen über/ war ein gleiche Standt für das Alanische Frauenzimmer zubereitet/ unter welchen Solane eine Frauens=Persohn wahrnahm/ sehr klein/ blaß und mager/ gantz unansehnlich/ dabey sehr übel gekleidet/ in einem unordentlichen Nacht=Zeuge/ welches sich wenig auf einer Kröhnung schickte/ welcher ungewöhnliche Aufputz sie so fürwitzig machte/ nach ihren Nahmen zu fragen. Man verwunderte sich sehr/ daß ihr selbiger noch nicht bekant war/ man sagte ihr endlich/ es sey Blanea. Blanea? antwortete Solane mit gröster Befremdung/ ist dieses nicht ein Irrthum? Es gefiel ihr aber Blanea so wenig/ daß sie ohne Verlachung selbige nicht ansehen konte. Wie aber Orondates in seiner Königlichen Kleidung zum Tempel eintrat/ und sich auf den Thron setzte/ Blanea zur rechten/ und Solane zur lincken Seite sehend/ waren seine Augen stets auf Blanea mit den freundlichsten Blicken gerichtet. Hingegen schienen sich solche in zwey Cometen zu verändern/ wann er sie zuweilen auf Solane verwendete/ gleichsam als wäre er nicht mehr Orondates gewesen. Unmöglich stehet zu beschreiben/ was für einen Sturm in Solane ihrem Hertzen/ Betrug/ Liebe/ Rache und Verachtung auf einmahl erregete; Es war aber nicht Zeit/ sich dessen zu äus<656>sern/ so viel vermochte noch ihre Vernunfft/ daß sie sich übermeisterte/ bis nach vollendeter Kröhnung sie den Schmertz solcher Beleidigung in ihrem Zimmer gegen ihrer Sclavin gantz alleine ausschüttete; Grausahmer Orondates! sagte sie/ ists nunmehr Zeit/ die Larve deiner falschen Freundschafft abzuziehen? warum liessest Du mich nicht in Lido sterben/ bevor du mich zum Schau=Spiel und Opffer deiner nichtswürdigen Blanea anhero gezogen? muß deine Kröhnung mit einem solchen Fleck der Untreu besudelt werden? Du denckst vielleicht Solane sey zu wenig/ dich als einen König anzuklagen; allein der gerechte Himmel wird mich an dich rächen/ daß du mit Untreu wirst wieder belohnet werden. Unglücklich ist die Stunde und der Augeblick/ da ich auf ein Königliches Wort gebauet habe! Hier flossen ihre Zähren so häuffig/ daß die Worte dadurch ersticket wurden. Weil sie aber keine Ruh in Castro mehr finden konte/ welches ihr gleichsam zu einer Hölle geworden/ ergriff sie die Gelegenheit mit der Dynamis wieder nach Lido zu gehen/ welcher es in Alanen nicht gefallen wolte. Es äuserten sich auch damahls schon die Mißhelligkeiten der Alaner/ welche den König folgends sehr unglücklich in seiner Regierung machten/ so/ daß Lentulus selbst vor rahthsam hielte die Dynamis davon zu entfernen. Sie traten also ihre Reise an/ wie eben selbigen Tages ein prächtiges Gast=Geboth angestellet war/ Orondates nebst allen Grossen des Hofes zu tractiren/ wozu Dynamis und Solane auch geladen waren/ welche aber an statt dessen ihren Weg unvermuthlich nach Lido nahmen. Solane vermeinte hierdurch eine grosse Erleichterung in ihrer Betrübnüß zu finden/ wie sie aber auf einige Meilen von Castro schon entfernet war/ gerieth sie auf die unruhige Gedancken/ sie hätte verbleiben sollen um Orondates wenigstens seine Untreu vorzurücken/ es würde Blanea vielleicht gezwungen worden seyn/ ihr zu weichen/ welche weder an Schönheit/ noch Verstandt/ noch Würde/ den geringsten Vorzug nicht zu fordern hätte/ die erste Liebe und die offt geschworne Treue würde dennoch obgesieget haben. Durch solche <657> und dergleichen Vorstellungen ward die von allen Seiten bestürmte Solane endlich bewogen/ noch selbigen Abends wieder nach Castro zu kehren/ doch ins geheim/ und von niemand als von ihrer Sclavin begleitet. Sie vernahm alsofort bey ihrer Ankunfft/ daß Orondates in einer halben Stunde sich auf das angestellete Gast=Mahl einfinden würde/ deswegen verkleideten sie sich beide in Alanischer Tracht/ und verfügten sich alsofort nach selbigen Hause/ welches von dem Ihrigen nicht weit entfernet war. Sie stelleten sich von beiden Seiten des Einganges/ als bald darauf Orondates gefahren kam/ dessen freyes Aussehen gar keine Traurigkeit wegen Solanens Abreise spühren liesse; Ja/ es dauchte ihr/ er hätte sie wieder gekannt/ weil er sich nach sie umsahe/ doch mit grossen Hochmuth und Gleichgültigkeit/ welches der verstellten Solane so empfindlich war/ daß sie von Stund an beschloß/ Castro wieder zu verlassen. Lasset uns von hinnen eilen/ sagte sie/ damit der stoltze Orondates nicht noch mehr Ursach finde/ meine Treue zu verlachen. Augenblicklich setzte sie sich wieder in ihren Wagen/ und fuhr die gantze Nacht hindurch/ bis sie andern Morgens frühzeitig wieder bey der Dynamis ankam/ die ihr ein grosses Mitleiden bezeigte/ und mit welcher sie die vorgesetzte Reise nach Lido vollbrachte. Solane war so bald von Castro nicht entwichen/ da begunte Orondates seine Blanea für der gantzen Welt hoch zu schätzen/ er liesse solche prächtige Zimmer in seinem Pallast zubereiten/ daß man glaubte/ Olimpia würde kommen/ selbige zu beziehen/ welches die Alaner gerne gesehen hätten/ aber an statt dessen/ nahm sie Blanea zu ihrer Wohnung ein/ welche sich bald einer grossen Gewalt anmassete/ und zugleich ihre Creaturen bey Hofe einführte/ wodurch ihre Macht zu Orondates mercklichen Nachtheil mit vielen Ubermuth verstärcket ward. Auch Statira folgte den wanckelbahren Glücke/ und ward ihre vertrauteste Freundin. Wie inzwischen Solane zu Lido angelanget war/ konte sie sich dort wenig zufrieden geben/ ob gleich das Glücke ihr die Hand von neuem both/ sich mit grossem Ruhm aus dieser Verdrießlichkeit zu setzen/ indem der Fürst Cajus wel<658>cher eine sonderbahre Hochachtung für sie hegte/ ihr seine Heurath antragen ließ/ allein dieses war zu weit von ihrem Vorsatz entfernet; Sie hatte sich nunmehr solcher Glückseeligkeit begeben/ und war bald nach ihrer Zurückkunfft aus Alanen/ unter die Zahl der Geistlichen Ordens=Leuthe der Diana bey Nujodunum aufgenommen/ allwo sie aller Welt=Liebe/ Haß/ Hoheit/ Unbestandt und Eitelkeit auf einmahl absagte/ doch so sehr sich nicht zu beruhigen vermochte/ daß sie/ ohne Vergiessung vieler heissen Thränen/ ihrer unglücklichen Geschichte/ sich erinnern konte.

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Es muß wahrlich/ hube Dorpaneus Anses hierauf an/ als der Leib=Artzt weiter nichts zu lesen hatte/ diese Solane recht zu beklagen seyn/ da ihr dergestalt begegnet worden/ und würde meines Erachtens nicht unrecht gethan haben/ wann sie den Fürsten Cajus geheurathet hätte; gewisse Betrachtungen antwortete Antiochus Epiphanes/ und die Verehrung für einen Fürsten/ der diesen ihren Liebhaber befreundet/ haben sie davon abgehalten/ den sie dadurch zu beleidigen sich eingebildet/ wann der/ wie sie besorget/ das Umgehen des Orondates mit ihr/ anderst als wie es in der That gewesen/ würde ausgedeutet haben. Einem Freunde zu gefallen/ sagte hierzu Antiochus Callinicus/ sein Glück zu verschertzen/ ist mehr als großmüthig zu nennen. Solte man aber diesen Fürsten Cajus dann nicht errathen können? Ich will/ sagte Antiochus Epiphanes/ wie ich mir zuvor ausbedungen/ keine vorwitzige Fragen anhören noch weniger dieselbige beantworten/ wer hievon was errathen solte können/ wird so bescheiden seyn/ daß er die Verehrung für die Damen desfalls nicht aus den Augen setze.

Man hätte in diesem Aufsatz/ erwiederte Callinicus/ denen Alanern einen fremden Nahmen/ gleichwie all den andern / geben sollen/ so würde es nicht so leicht zu errathen gewesen seyn; Ich will aber den Fürwurff nicht haben/ daß ich gegen die Damen wenigere Höflichkeit/ als wie mein Bruder solte hegen/ und mich unwissender als all ihr andern anstellen/ um Solane auch Solane bleiben zu lassen.



Editorische Notiz

Schlüsselerzählungen an sich sind innerhalb der spätbarocken und galanten Literatur durchaus nicht ungewöhnlich, seltener sind schon autobiographische Schlüsselerzählungen, vollends zur Rarität werden dann autobiographische Schlüsselerzählungen von Frauen. Innerhalb des spätbarocken Großromans "Die Römische Octavia" von Herzog Anton Ulrich findet sich mit der "Geschichte der Solane" eine solche, in der die Literatin Gräfin Aurora von Königsmarck, die "schönste Frau zweier Jahrhunderte", wie Voltaire sie später einmal nannte, ihre Liebesbeziehung zu August dem Starken schildert. Wegen der fehlenden Namensnennung ist die Erzählung als Geschichte Auroras allerdings wohl nur für einen kleinen, eingeweihten Teil der zeitgenössischen Leserschaft erkennbar gewesen. An ihrer Verfasserschaft dürfte jedoch kaum ein Zweifel bestehen, zumal diese bereits eingangs der Erzählung verschlüsselt angekündigt wird. Im Falle einer zweiten Schlüsselerzählung über die Gräfin Cosel, eine spätere Mätresse Augusts, lässt sich ihre Mitarbeit am Roman des Herzogs auch durch einen Brief an Anton Ulrich ganz konkret belegen. Vgl. dazu meinen Aufsatz "Galante Passagen im hofischen Barockroman - Aurora von Königsmarck als Beiträgerin zur 'Römischen Octavia' Herzog Anton Ulrichs".

Ein vollständiger Schlüssel soll an dieser Stelle nicht geboten werden. Dass sich hinter der Titelfigur Solane Aurora selbst verbirgt und hinter Orondates August der Starke, dürfte klar sein. Der vor allem zu Beginn der Erzählung erwähnte Bartoces ist Ernst August von Hannover, Roxana und Olimpia sind Augusts Mutter Anna Sophie und seine Frau Eberhardine, hinter dem General Guastano verbirgt sich der kaiserliche General Caprara und hinter Blanea die Gräfin Esterle. Das restliche Personal der Erzählung besteht vor allem aus Ministern und sonstigen Hofleuten in Dresden und Verwandten Auroras. Einen kompletter Schlüssel findet sich bei Mazingue: Anton Ulrich, 454, der jedoch noch Anton Ulrich selbst für den Verfasser der Erzählung hält.

Von der "Geschichte der Solane" gibt es nur einen einzigen zeitgenössischen Druck, auch Handschriften sind nicht erhalten. Allerdings steht zu vermuten, dass in der Druckfassung gegenüber dem Manuskript von Anton Ulrich und seinen Mitarbeitern einige Veränderungen vorgenommen worden sind. So stammt ein Großteil der Namen der Figuren mit größter Wahrscheinlichkeit nicht von der Verfasserin. In der ersten Fassung der "Römischen Octavia" wurden unter anderem die Namen Solane, Elimar, Potentiana und Aquilius in einer Schlüsselerzählung über die hannöversche Kurprinzessin Sophie Dorothea verwendet. Diese Geschichte bekommt in der zweiten Fassung von 1713/14, in der sich auch die hier wiedergegebene "Geschichte der Solane" findet, einen neuen Schlüssel; Sophie Dorothea etwa heißt statt Solane jetzt Rhodogune. Die dadurch frei gewordenen Namen tauchen nun in der Erzählung Auroras wieder auf.

Auch die hier ebenfalls wiedergegebene Rahmenerzählung zur "Geschichte der Solane" (602, 623f., 658), in der beschrieben wird, wie das Manuskript vorgelesen wird und die Zuhörer darüber diskutieren, stammt sicherlich nicht von Aurora von Königsmarck selbst, sondern von Anton Ulrich. Über weitere Schritte der Bearbeitung kann wegen des Fehlens von Dokumenten keine Aussage getroffen werden.

Es lässt sich jedoch feststellen, dass sich die "Geschichte der Solane" stilistisch deutlich von dem sie umgebenden Romantext abhebt. Erkennbar ist dies vor allem an der geringeren durchschnittlichen Satzlänge, am häufigeren Fremdwortgebrauch und am verstärkten Hang zur individualisierten Personenbeschreibung, die zumindest in dieser Frequenz und Ausführlichkeit für die "Römische Octavia" ungewöhnlich sind. Auch der deutlich galante Ton findet sich im übrigen Roman kaum.

Durch diese auszugsweise Veröffentlichung soll der im Entstehen begriffenen historisch-kritischen Ausgabe der Werke Anton Ulrichs, auf die hiermit ausdrücklich verwiesen wird, nicht vorgegriffen werden. Von der "Römischen Octavia" sind im Rahmen dieser Edition bisher die Bände 1,3 und 6 erschienen, der vierte Band mit der Erzählung Auroras fehlt noch. Dieser und die weiteren Bände sollen bald folgen.

Auswahlbibliographie

Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg: Werke, historisch-kritische Ausgabe, hg. von Rolf Tarot und Hans Henrik Krummacher, Stuttgart 1982ff.
Blaschke, Karlheinz: Aurora von Königsmarck, in: NDB, Band 12, 359-360.
Cramer, Friedrich: Denkwürdigkeiten der Gräfin Maria Aurora von Königsmark und der Königsmarck'schen Familie, 2 Bände, Leipzig 1836.
Delau, Reinhard: Maria Aurora von Königsmarck. Mätresse und Diplomatin Augusts des Starken, Taucha 1997.
Flathe, Heinrich Theodor: Maria Aurora Gräfin von Königsmarck, in: ADB, Band 16, 526-528.
Gurlitt, Kornelius: August der Starke. Ein Fürstenleben aus der Zeit des deutschen Barock, 2 Bände, Dresden 1924.
[Königsmarck, Aurora von:] Die Geschichte der Solane, in: [Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel:] Der Römischen Octavia Vierdter Theil. Braunschweig/ Gedruckt und verlegt durch Johann Georg Zilligern Hochfürstl. privil. Hof-Buchdrucker [1713 oder 1714], 603-658.
[Königsmarck, Aurora von:] Geschichte der Grivritta, in: [Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel:] Der Römischen Octavia Siebenter Theil. Wien, gedruckt, bey Johann Thomas Trattnern, k.k. Hofbuchdruckern, und Buchhändlern. 1762, 361-400.
Kastinger Riley, Helene M.: Liebe in der Sicht der Frau des 17. Jahrhunderts, in: Daphnis 17 (1988), 441-456.
Kraft, Stephan: Galante Passagen im höfischen Barockroman - Aurora von Königsmarck als Beiträgerin zur "Römischen Octavia" Herzog Anton Ulrichs, in: Daphnis 28 (1999), 323-345.
Lehms, Georg Christian: Deutschlands Galante Poetinnen. Mit Ihren sinnreichen und netten Proben und einer Vorrede / Daß das Weibliche Geschlecht so geschickt zum Studieren als das Männliche ausgefertiget, Frankfurt/Main 1715.
Mazingue, Etienne: Anton Ulrich Duc de Braunschweig-Wolfenbüttel (1633-1714). Un Prince Romancier au XVIIéme Siècle, 2 Bände, Lille 1974.
Mörner, Birger: Maria Aurora Königsmarck: Eine Chronik, München 1922.
Olsen, Solveig: Aurora von Königsmarck's Singspiel "Die drey Töchter Cecrops", in: Daphnis 17 (1988), 467-480.
Palmblad, Vilhem Fredrik: Aurora Königsmarck und ihre Verwandten: Zeitbilder aus dem 17. und 18. Jahrhundert, 6 Teile, Leipzig 1848-1853.
Pöllnitz, Karl Ludwig von: Das galante Sachsen, übers. von Otto Brandt, Hellerau o.J.
Seelbach, Ulrich: Maria Aurora von Königsmarck's Stanzen über ihren Bruder Philipp Christoph, in: Daphnis 20 (1991), 403-422.
Woods, Jean M.: Aurora von Königsmarck; Epitome of a "Galante Poetin", in: Daphnis 17 (1988). 457-465.
Woods, Jean M. und Fürstenwald, Maria: Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und gelehrte Frauen des deutschen Barock. Ein Lexikon, Stuttgart 1984.
Woods, Jean M.: Nordischer Weyrauch: The Religious Lyrics of Aurora von Königsmarck and her Circle, in: Daphnis 17 (1988), 267-326.

Textgrundlage für diese Ausgabe

[Aurora von Königsmarck:] Die Geschichte der Solane, in: [Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel:] Der Römischen Octavia Vierdter Theil. Braunschweig/ Gedruckt und verlegt durch Johann Georg Zilligern Hochfürstl. privil. Hof-Buchdrucker [1713 oder 1714], 603-658.
Verwendet wurde das Exemplar der Universitätsbibliothek Marburg (Signatur: XVI C 617)

Zur Textgestalt

Der Text dieser Edition folgt weitestgehend buchstabengetreu dem Erstdruck. Die berichtigten offensichtlichen Druckfehler sind unten aufgelistet. Die Orthographie ist nicht vereinheitlicht worden, die zahlreichen Kasus- und Numerusfehler sind nicht korrigiert worden. Ansonsten ergaben sich die üblichen kleineren Veränderungen durch die Umstellung von Fraktur auf Antiqua - vor allem mussten die verschiedenen s- und r-Typen vereinheitlicht werden. Ligaturen und Abbreviaturen wurden aufgelöst. Initialen wurden nicht nachgebildet. Die zahlreichen verschiedenen Schriftgrößen wurden in "Normaltext", "größer als Normaltext" und "kleiner als Normaltext" vereinheitlicht. Die Kustoden wurden weggelassen, Zeilenabstände, Leerzeilen et cetera nicht exakt reproduziert. Die Seitenzählung des Erstdrucks findet sich in Winkelklammern an den entsprechenden Stellen im Text.

Verzeichnis der berichtigten Druckfehler

612 geschwindrr > geschwinder
622 das jemand so hoch > daß jemand so hoch
624 nnn dem Trojaner König > nun dem Trojaner König
631 solte es seyn Untergang seyn > solte es sein Untergang seyn
633 wird den Orondates > wird denn Orondates
645 aberstellete > aber stellete
645 vereinigtesich > vereinigte sich
650 wiederfahren > wieder fahren

Empfohlene Zitierweise:

Aurora von Königsmarck: Die Geschichte der Solane. Für diese Edition eingerichtet von Stephan Kraft, in: zeitenblicke 1 (2002), Nr. 2 [20.12.2002], URL: <http://www.zeitenblicke.historicum.net/2002/02/koenigsmarck/index.html>

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ZEITENBLICKE ISSN: 1619-0459
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