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1 (2002), Nr. 2: Inhalt
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Sabine Schmolinsky

Autobiographien, Briefe und Selbstzeugnisse des Mittelalters und der frühen Neuzeit

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Die Erforschung mittelalterlicher Selbstzeugnisse, wie sie Klaus Arnold und die Verfasserin sowie je wechselnde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Seminar für Geschichtswissenschaft der Universität der Bundeswehr Hamburg verfolgen, beruht auf methodischen Vorüberlegungen, die es erlauben, sowohl Quellen zu erfassen, die herkömmlich zum Genre 'Selbstzeugnis' gezählt werden, als auch den Begriff selbst und Kriterien seiner Bestimmung zum Untersuchungsgegenstand zu erheben. Daher beschäftigen wir uns zum einen mit konzeptionellen Arbeiten und zum anderen mit der Sammlung und Erschließung von textlichen und bildlichen Quellen, die nebst zugehöriger Forschungsliteratur in einer relationalen Datenbank (FAUST) erfasst werden und uns - und natürlich auch interessierten Gästen - in verschiedenen Formen (von Editionen und Drucken über Kopien bis zu Mikrofilmen) vorliegen. Der zeitliche Rahmen umfasst das gesamte Mittelalter einschließlich der beginnenden Neuzeit bis ins spätere 16. Jahrhundert. Gesammelt werden schwerpunktmäßig Zeugnisse aus dem mittelalterlichen deutschen Reich, deren Zahl durch Archivrecherchen und die Sichtung von Handschriftensammlungen zu vermehren sein wird. Zusätzlich sind einschlägige italienische und einzelne englische Quellen erfasst.

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Das Projekt ist interdisziplinär angelegt im Sinne einer Öffnung zu allen Feldern kulturwissenschaftlichen Forschens. Um deren Ergebnissen, insbesondere im vor-frühneuzeitlichen Bereich, ein Forum zu bieten, wurde die Reihe "Selbstzeugnisse des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit" im Verlag Dr. Dieter Winkler (Bochum) gegründet, in der sowohl Quelleneditionen als auch Studien erscheinen können. Band 1 dokumentiert unter dem Titel "Das dargestellte Ich. Studien zu Selbstzeugnissen des späteren Mittelalters und der frühen Neuzeit" ein Arbeitsgespräch zwischen Historikern, Philologen und Kunstwissenschaftlern, das Klaus Arnold, Urs Martin Zahnd und die Verfasserin im September 1996 in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel veranstaltet haben. [1] Probleme der Quellenerfassung waren, gerade im Austausch mit Benigna von Krusenstjern und Kaspar von Greyerz, ein wichtiger Diskussionsgegenstand. Band 2 der Reihe, der in Kürze erscheinen wird, ist bildlichen Selbstzeugnissen aus kunsthistorischer Perspektive gewidmet. [2] Einer der weiteren Bände wird Hildesheimischen Selbstzeugnissen des Spätmittelalters gelten, die Sünje Prühlen, betreut von Klaus Arnold, gerade erforscht.

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Dass mittelalterliche und frühneuzeitliche Selbstzeugnisse häufig auch den Blick auf Familien und Generationenfolgen eröffnen, bestimmt vor allem die historisch-anthropologisch orientierten, auf eine Geschichte von Kindheit und Jugend zielenden Arbeiten Klaus Arnolds, in die er immer wieder auch bildliche Quellen, wie beispielsweise Familienepitaphien, einbezieht. Die Erschließung des reich überlieferten Selbstzeugnistyps Brief befördert eine von ihm herausgegebene, im Thorbecke Verlag erscheinende Anthologie 'Briefe aus dem Mittelalter'. [3]

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Unsere theoretischen Überlegungen galten und gelten wesentlich den Kontexten und möglichen Kontextualisierungen von Selbstzeugnissen sowie der Formierung des Quellentyps, wie dies unter anderem in zwei von uns organisierten 'sessions' beim International Medieval Congress in Leeds 2001 im Rahmen des Kongressthemas "'Familia' and 'Domus'" diskutiert werden konnte. In einer umfänglicheren Studie beschäftigt sich die Verfasserin zur Zeit mit den Potenzen und Implikationen eines Selbstzeugnisbegriffs, der vom Autograph bis zur Beschreibung weltlichen und/oder geistlichen Lebens und Erlebens unterschiedlichste Typen selbständiger oder nichtselbständiger Zeugnisse zu erfassen imstande ist. Wie Konzepte mittelalterlicher Personalität, des Selbst oder der Identität, des Privaten und des Öffentlichen unter diesen Aspekten diskutiert werden könnten, war in erster Annäherung bereits ein Gegenstand eines Beitrags in dem im Druck befindlichen internationalen Tagungsband "Self-Fashioning / Personen(selbst)darstellung". [4]

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Zu den Perspektiven unseres Projekts gehören auch Seitenblicke auf Forschungen, die sich mit biographischen Texten beschäftigen, hier in Gestalt der Zusammenarbeit mit Anja-Silvia Göing (Fachbereich Pädagogik, Universität der Bundeswehr Hamburg) in einem Editionsprojekt zu dem italienischen Humanisten und Pädagogen Vittorino da Feltre, dessen Biographen gegebenenfalls auch Selbstzeugnisse mindestens ihrer Schülerschaft ablegten.

Anmerkungen

1Klaus Arnold / Sabine Schmolinsky / Urs Martin Zahnd (Hg.): Das dargestellte Ich. Studien zu Selbstzeugnissen des späteren Mittelalters und der frühen Neuzeit (Selbstzeugnisse des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit 1), Bochum 1999.
2Gabriele Hofner-Kulenkamp: Das Bild des Künstlers mit Familie. Porträts des 16. und 17. Jahrhunderts (Selbstzeugnisse des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit 2). [im Druck]
3Klaus Arnold (Hg.): Briefe aus dem Mittelalter. [im Druck]
4Sabine Schmolinsky: Selbstzeugnisse finden oder: Zur Überlieferung erinnerter Erfahrung im Mittelalter, in: Rudolf Suntrup / Jan R. Veenstra (Hg.): Self-Fashioning / Personen(selbst)darstellung (Medieval to Early Modern Culture / Kultureller Wandel vom Mittelalter zur frühen Neuzeit 3). [im Druck]


Dr. Sabine Schmolinsky
Universität der Bundeswehr Hamburg
Seminar für Geschichtswissenschaft
Holstenhofweg 85
22043 Hamburg
sabine.schmolinsky@unibw-hamburg.de
http://www.rrz.uni-hamburg.de/Mittelalterforschung/SchmolinskyText.htm

Empfohlene Zitierweise:

Sabine Schmolinsky: Autobiographien, Briefe und Selbstzeugnisse des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: zeitenblicke 1 (2002), Nr. 2 [20.12.2002], URL: <http://www.zeitenblicke.historicum.net/2002/02/schmolinsky/index.html>

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