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1 (2002), Nr. 2: Inhalt
Erste Seite des "Zeytregisters"
Vorrede zum "Zeytregister"
Einträge des "Zeytregisters" zum Winter 1634/35
Letzter Eintrag des "Zeytregisters"
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Auszüge aus Hans Heberles "Zeytregister"

Die hier präsentierten Auszüge aus Hans Heberles "Zeytregister" folgen der Edition von Hans Zillhardt: Der Dreißigjährige Krieg in zeitgenössischer Darstellung. Hans Heberles "Zeytregister" (1618-1672). Aufzeichnungen aus dem Ulmer Territorium. Ein Beitrag zu Geschichtsschreibung und Geschichtsverständnis der Unterschichten, Ulm 1975 (Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm 13).
Es sind Passagen ausgewählt worden, die für die Argumentation der beiden Beiträge zum "Zeytregister" von Bedeutung sind.


Erste Seite des "Zeytregisters" (in der Edition von Zillhardt, 85):


Zeytregister


Das ist ein denckbbüechlein von mancherley
historia und glaubwürdigen sachen, auch
von vülen zustenden in der lesten ell
enden, betrüebten, argen, beßen, ver
kerten und schnöden weit, wie es
bey uns täglich im schwanckh geht
und im vollen Iauff ist. Auch
was mich verursacht, das
ich die hiestorie kürtzlich
beschreib, wird einer
das selbig in der
vorred einfeltig
leßen und
vernemen.

Alles fleyßig und auff das kürtzest beschriben
durch
Johannes Heberle, schuomacher von Nensteten.

AnnoDomini 1618 Jar

Gott und das glückh erhellt mich offt und dückh
augenblickh, das unglückh treübt Gott zurückh.



Vorrede zum "Zeytregister" (in der Editon von Zillhardt, 86-87):


Vorred

Achtbare, ehrehaffte, in sonders vüll geliebte freindt, es ist ein gemeines gedechnuß und sprichwort in der welt, das wan einer redt oder von einem ding sagt, das er sein tags lebens nie gesehen oder gehert, so will er dannoch vüll darvon sagen oder reden. Und wan dan einer von solchem ding sagt, das es einer lugen gleichet, so sagt man zu einem solchen, er soll von weiten und frümden landen sagen, das man nicht kundt darnach komen. Oder wan sonst einer von allten geschichten sagt, so sagen die leit auch, er gedenckh vüll lenger dan er allt sey. Weil dan ein solcher mensch von solchen langwürdigen dingen sagt, und von manchen menschen darumb müessen gerechtvertiget werden, so will ich nicht vüll umbstendt machen, sondern nur ein wenig uber suma und verzeichne, was ich für gewiß und wahrhaffte höere und auch selbs mit meine augen und ohren gesehen und gehert hab. Auch darneben, was ich selbs erfahren und erlebet hab, das selbig will ich kürtzlich beschreiben von jar zu jar, was sich einen jeden tag, monet und ein jedes jar verloffen und zugetragen hat, von meinem geschlecht und stamen, eltern und freündtschafft, schwestern und brüeder, wan sie geboren und wider gestorben. Auch von guten und bessen jaren, von theüre und wolffeil zeiten, von krieg und kriegszeiten, pestelentz und kranckheiten, auch andere sachen mehr, was sich begeben und zutragen wirdt, so lang mir Gott gesundtheit und das leben gibt.
Es werden düses solches mein büechlein gefallen und lieb sein lassen alle meinen nachkomen. Wan sie es nach mir finden, so hab ich keinen zweiffel, sie werden es von meinetwegen fleißig behalten und auffheben, von wegen der freundtschafft und denen hiestorien, die hierin verzeichnet und beschriben sindt. Darumb wil ich hierin eüch vermant haben, ir welet diß büechlein laßen bleiben und einer dem andere das werden lassen zukomen, so lang das Heberles geschlecht weret, und solt es leben biß an den jüngsten tag.
Was aber mir ursach und anlaß gegeben, dis büechlein zu schreiben, ist diße wie volget: Anno Domini 1618 ist ein grosser commet erschine, zu herpst umb und im Novembris. Des selbigen ansehen ist schröcklich und wunderlich, der bewegt mich in meinem gemüet, das ich anfang zu schreiben, weil mich bedünckht, er werden etwas gross bedeüten und mit sich bringen, wie dan solches geschehen ist, wie der lesser hierin gnug bericht finden wirdt.


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Einträge des "Zeytregisters" zum Winter 1634/35 (in der Edition von Zillhardt, 152-155):

Den 17 tag Herbstmonet sindt wir wider zu hauß gezogen und haben unsere sumerfruchtlin, was die reiter ubergelassen, voll gesamlet und heimgethaun und ein wenig außgesehet. Den 19 tag Herpstmonet ist mir mein son Bartholme gestorben, morgens zwischen 7 und 8 uhr, seines alters gerad 4 wochen. Gott der allmechtige wolle im geben am jüngsten tag ein fröhliche aufferstehung und das ewige leben.
Den 4 tag Weinmonet ist vüll keysserisch volckh zu Gentzburg und Leipheim ankomen, die stets im landt umbgestreifft und geblündert. Da hat jederman wider in die stat müssen weichen, und seyen disen gantzen winter in der stat gelegen. Da ist ein jamer und not, hunger und todt. Da seyen wir ob einander gelegen in grosser elendt. Da ist die theürung und der hunger eingebrochen, nach disen die beße kranckheit, die pestelentz. Da sindt vil hundert menschen gestorben in disem 34 jar, wie du hernach im 35 auch wirst vernemen.
Den 7 tag Weinmonet ist mir mein sohn Thomas gestorben, zu Jungingen in der flucht, zu nacht zwischen 11 und 12 uhr, und am morgen daselbs begraben worden. Gott der allmechtige wele im geben am jüngsten tag ein froliche aufferstehung und das ewige leben. Das ist die 3 flucht.
Den 30 tag Wintermonet ist mein stieffmuter gestorben auff den abendt zwischen 5 und 6 uhr. Den 1 tag Christmonet, morgens gegen tag zwischen 4 und 5 uhr, ist mein schwester Barbel gestorben, und gleich darauff den 2 tag Christmonet ist mir mein schwester Thorotheya gestorben, morgens zwischen 6 und 7 uhr. Den 18 tag Christmonet ist mir mein schwester Urschel gestorben, zu mittag zwischen 11 und 12 uhre. Gott der allmechtige wolle ihnen allesandt am jüngsten tag ein fröhlich aufferstehung und das ewige leben. Den 29 Christmonet bin ich wider heimzogen nach Weidensteten, und disen winter mit weib und kinder außgestanden, wie du hernach im 35 jar gnug lessen und heren wirst.
In disem jar ist die frucht in einem hohen gelt, nemlich der kern das Ulmer imen gilt von 9 fl biß uff die 12 fl, der rockhen biß uff die 8 fl, schmalz ein pfundt 7 batzen, ein metzen salz 10 batzen. Ein saugkalb hat zu Ulm golten 12fl und biß uff 15 fl.

1635
Anno Domini 1635, den 10 tag Januarius, ist mir mein bruder Barthle gestorben, morgens zwischen 7 und 8 uhre. Gott der allmechtige der wolle im und allen christgleübigen menschen am jüngsten tag verleihen ein fröhliche aufferstehung und das ewige leben. Amen.
Den 27 tag Jenner ist der metzen salz hie zu Weidensterten umb 17 und auch auff die 20 bazen verkaufft worden, und der Ulmer metzen umb 1 fl, den es ist ein grossen theürung in dem salz gewessen, von wegen des kriegsvolckhs. Dan es ist auf alle bässen gelegen, dan die stat Ulm wie auch alle evangelische fürsten und herren dazumall noch schwedisch gewessen sindt.
Disen gantzen winter haben wir kein ruoh und friden uff dem landt, dan es ligen keysserische reiter bey Laungingen. Die plagen und blündern uns vast alle tag, das mir uns müssen verkriechen und versteckhen, wollen mir vor inen sicher sein.
Ach, Gott woll ein traurigen carwoch, Gott wole uns ein fröhlichen Ostertag geben und nach disem ungewiter die sonnen wider scheinen lassen. Ach Herr, warumb toben die heiden, kenen wir woll mit den lieben Davidt sprechen im 2 psalm: Ach Her, laß uns nicht gar zu grundt gehen und verderben, dan wir sindt nach deinem namen genent.
Dan auff die osterliche zeit in der carwoch kompt wider ein gantzes regement reiter nach Launßen und Urspring. Die haben wider die leit in große engste und schreckhen gebracht. Sie sindt in alle fleckhen und derffer gefallen, alles dasjenige genomen so einer gehabt, weib und kinder, und alle menschen in die welder und helzer getrieben, die selbigen gejagt, wie die wilde thier. Wen sie gefunden, den habens ubel geschlagen oder woll gar erschoßen, und jederman alles genomen. Und das selbige so lang getriben, das es deß arme volckh nicht mehr kan in denen weIden auffhalten, von wegen deß hungers, den sie außgestanden haben. Da haben wir müessen wider in die stat Ulm weichen mit bedrang, mit weib und kindt, das vast niemandt mehr auff dem land ist gewessen. Das ist die 4 flucht.
Den 2 tag Aprielis ist mir mein hertzallerliebster vatter selig auß diesem jamerthal selliglich in dem Herren entschlaffen, seines alters im 67 jars und 8 wochen 3 tag, morgens zwischen 7 und 8 uhren. Gott dem allmechtigen sey dem für diß gnadenwerckh lob, ehr, preiß und danckh, daß er in in diser grossen gefahr und so vüll räuber und mörder so veterlich und gnediglich behitet hatt, das er eines rechten nathürlichen todt gestorben ist in diser grossen beschwerlichen zeit, da vil taußend menschen sindt erschossen und erschlagen worden. Gott der allmechtige wolle im und alle christgläubigen menschen geben am jüngsten tag ein fröhliche aufferstehung und das ewige leben. Mein vater ligt zu Weidensteten vergraben, dan er ist daselbs gestorben.
Nota: Es ist aber dise zeit keinem menschen auff dem landt kein leichtpredig gehalten worden, von wegen des grossen kriegs halber. Dan es ist kein pfarrer auf dem land gewessen, vast ein gantzes jar. Ist aber ein baurenmensch in der stat Ulm gestorben, so ist im auch kein leichtpredig gehalten worden, von wegen deß grossen unkostens halber, das der gemeine man nicht vermecht hat. Nachmals ist auch von einem erbaren rath der stat Ulm auch außgangen, das welcher an der pestelentz gestorben, dem selbigen soll auch kein leichtpredig gehalten werden, es sey in der stat oder uff dem landt, er sey reich oder arm, dan die pest in disem jar hefftig graßiert.
Volgends den andern tag Aprielis ist jederman wider gemein der stat Ulm zugezogen und darin der mehr theil geblieben, biß auf S. Jacobi, disen gantzen sommer, wie du hernach weiter heren wirst.


Letzter Eintrag des "Zeytregisters" (in der Edition von Zillhardt, 273):

1672
Anno Domini 1672 hat das neuwe jar einen gutten anfang genomen und ist warm wetter angefallen im Jenner und Hornung. Diser winter ist dem sommer gleicher als einem winter, dan es ist ein düre zeit, das die felder außdoren und die edle samen ein ansehen haben als wollen sie verderben und außfaulen, wie dan an etlichen orten ein schlechte hoffnung bey dem menschen gewessen ist. Aber Gott ist allmechtig, dan seine handt ist noch nicht verkürtzt, er kan zu aler zeit helfen wan wir im nur recht vertrauen theten. Wie wir dan dißmall ein augescheinigs exempel haben an disem jahr, das es ein reiches und voles jar gegeben, das alle uberfluß gewachßen, und ein wolffel zeit ist worden. Das der kern nie uber 6 batzen ist komen, rockhen 15 kr und 12 kr.
Item, den 3 tag Apreli, ist meinem sohn Hanß sein erstgeborner sohn Hanß in dise welt geboren worden. Zu nacht ein vürtel nach 10 uhre, und den volgendte donerstag in der morgenpredigt getaufft worden.



Empfohlene Zitierweise:

Auszüge aus Hans Heberles "Zeytregister", in: zeitenblicke 1 (2002), Nr. 2 [20.12.2002], URL: <http://www.zeitenblicke.historicum.net/2002/02/zeytregister/index.html>

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ZEITENBLICKE ISSN: 1619-0459
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