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2 (2003), Nr. 1: Inhalt
Abstract
Einleitung
1. Einstieg: Bild- und Textverhältnis
2. Einstieg: Externe Verknüpfungen und inhaltliche Dichte
3. Einstieg: kunsthistorische Bezüge - Bildraum
Exkurs: Zusatzinformationen zum Johannesaltar von Rogier van der Weyden
1. Auswertung: Zeit - Raum - Erzählung
2. Auswertung: Bildzeichen - individuell oder standardisiert
3. Auswertung: Bild- und Steuerzeichen
Bewertungen: ästhetische und inhaltliche Maßstäbe
Ausblick: Sehen und Tun
Bildqualität: Die ikonische Differenz
Kritik: Das vorfabrizierte Sehen
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Arthur Engelbert

Bildanalyse und technologischer Standard - ein kritischer Rückblick auf Multimedia

Abstract   

In dem Beitrag geht es um einen Rückblick auf die Anfänge des manipulierbaren, digitalen Bildes im Kontext der Kunst. An einem Fallbeispiel, dem Johannesaltar des Rogier van der Weyden, erfolgt eine praktische Auseinandersetzung mit den technologisch bedingten Grenzen der Bildanalyse. Dies mündet in eine kritische Bilanz vorfabrizierter Wissensvermittlung und Sichtbarkeitserfahrung nicht nur im Bereich der Kunstgeschichte.
Die These lautet von daher ganz allgemein gefasst: Tradierte Bildlichkeit fristet ihr Dasein nicht mehr allein im musealen Raum, sondern ist bereits in einen technologisch bedingten transferiert.

Einleitung

<1>
Der folgende Beitrag thematisiert das digitale Bild im Museum, in Form einer exemplarischen Auseinandersetzung mit einer Produktion, [1] an deren Realisation der Verfasser selbst maßgeblich beteiligt war. [2] In die konkrete Auseinandersetzung um das digitale Bild fließen demzufolge Anteile aus der Praxis ein, die mittlerweile schon Geschichte [3] ist: Rückblickend lässt sich sagen, dass die Möglichkeiten und Grenzen der Implementierung von kulturgeschichtlichen und bildwissenschaftlichen Inhalten in das digitale Medium sowie deren technischer Manipulation von fachübergreifenden Faktoren abhängen. Diese sollen hier sukzessive herausgearbeitet und in nicht nur kunsthistorische Zusammenhänge eingeordnet werden. Dies geschieht durch eine Diskussion der eigens entwickelten Darstellungsmittel und durch eine Infragestellung bildwissenschaftlicher Methoden und bildschirmwissenschaftlicher Anforderungsprofile, die Berücksichtigung fanden. Man darf die Ausführungen auch als einen kritischen Rückblick auf die Möglichkeiten von Bildwissenschaft und künstlerischen Projekten unter den Bedingungen von Multimedia beziehungsweise von den mittlerweile nicht mehr neuen, sondern bereits im (wissenschaftlichen) Alltag verfügbaren neuen Medien werten. Es wird sowohl die Grenze der tradierten Bildwissenschaft aufgezeigt als auch eine Kritik der grafischen Benutzeroberfläche zur Sprache gebracht.

<2>
Will man den bildlichen Inhalt der kunsthistorischen Analyse stärker gewichten, muss man die technologischen Standards den bildlichen Tatsachen unterordnen. ’Vom Bild ausgehen’ [4] lautet also die methodische Vorgabe für die nachfolgende Untersuchung, die in eine kritische Distanz zur eigenen Arbeit mündet. Wenn das tradierte Bild den Bezugsmittelpunkt darstellt, ist das digitalisierte Bild dennoch nicht zweitrangig, denn dessen technologische Weiterverarbeitung setzt Rahmenbedingungen, die in der Projektierung vorrangig sind. [5]

<3>
Ausgegangen wird also ganz konkret von einem tradierten Tafelbild im musealen Kontext. Anhand des ‚Johannesaltars’ von Rogier van der Weyden von circa 1454 [6] möchte ich erörtern, wie die beiden Bildmedien, Tafelbild einerseits und Bitmap andererseits, aufeinander zu beziehen sind. Das Bitmap ist Kernstück einer multimedialen Werkmonografie aus der ‚Digitalen Galerie’ in der Gemäldegalerie Berlin.



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<4>
Diese Arbeit entstand Ende 1997 und ist eine von zehn Werkmonografien, die sich mit dem Sammlungsbereich der altniederländischen Malerei auseinandersetzen. [7] Die ‚Digitale Galerie’ wiederum basiert auf einem Gesamtkonzept, das hier aus Zeitgründen nicht vorgestellt werden kann. Es ist ein in die Räume der Gemäldegalerie integriertes Besucherinformationssystem. [8]

1. Einstieg: Bild- und Textverhältnis

<5>
Das dreigeteilte Altarbild zeigt neben den drei Vordergrundszenen zwei weitere im Mittelgrund sowie 18 Szenen in den Archivolten der bildrahmenden Portalarchitektur. Das ergibt 23 Szenen. Die zentrale Szene vor dem mittleren Portal ist die Nummer 12 im Erzählverlauf. Bildtechnisch ist es somit möglich, Haupt- und Nebenszenen zu unterscheiden. Der Altar ist eine sinnvoll geordnete Informationsfläche. Aufgrund der formalen Anordnungs- und motivischen Darstellungsweise sind die visuellen Standards lesbar. Traditionell formuliert: In dreiundzwanzig Szenen werden auf dem Johannesaltar Teile der Lebensgeschichte von Johannes dem Täufer und Jesus von Nazareth erzählt. Sie berichten von der Kindheit beider bis hin zur Enthauptung Johannes des Täufers.



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<6>
 Zweimal treffen die beiden aufeinander, einmal als noch Ungeborene in der Begegnung der schwangeren Elisabeth und der ebenfalls schwangeren Maria und zum zweiten Mal als erwachsene Männer bei der Taufe Christi durch Johannes. Die Szenen verbildlichen wortgenau Bibelstellen, wie anhand der Gegenüberstellung von Textquelle und Bildausschnitt in der multimedialen Anwendung nachvollzogen werden kann. Nur bei den Versuchungen Christi durch Satan in der Wüste ist Rogier van der Weyden in der Reihenfolge der Versuchungen eine Verwechslung unterlaufen. Ansonsten sind die biblischen Ereignisse wortgetreu visualisiert. Auf der erzählerischen Ebene folgt also die Verbildlichung dem biblischen Text. Zwar stimmt der Bildinhalt mit der schriftlichen Offenbarung überein, jedoch diktiert die inhaltliche Unterordnung nicht die Ebenen der bildlichen Anordnung, Gestaltung und visuellen Gewichtung der einzelnen Motive. Einerseits stehen die einzelnen Szenen in einer Jahrhunderte alten Motivtradition und sind von daher in der Variation eingeschränkt, andererseits löst sich die Platzierung und Ausführung der Bildmotive vom Textverlauf.

<7>


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Um die Beziehung von biblischer Quelle und Verbildlichung bei Rogier van der Weyden aufzuzeigen, wurde der szenische Ablauf in überprüfbare Einzelschritte, teilweise mit Links zu den biblischen Belegstellen, unterteilt und zugleich wieder verbunden. Somit entstand ein abrufbares Nacheinander, das der dynamischen Bildstruktur entspricht. Diese filmisch-szenische Metapher fungiert als technisches Tool für die Bildanalyse. Es ist wichtig zu erkennen, dass das überprüfbare Bild-Text-Verhältnis hierdurch eine zusätzliche Komponente erhält. In dem Bild-Text-Verhältnis ist zweierlei enthalten. Einerseits macht es auf wortsprachliche Nähe in der bildlichen Übersetzung aufmerksam, denn die Verbildlichung steht in Übereinstimmung zum Text und gewinnt dadurch Verbindlichkeit. Andererseits behauptet sich eine ikonische Differenz, denn die Unterscheidung vom Text sichert der bildlichen Struktur und freien Gestaltung Eigenständigkeit.

2. Einstieg: Externe Verknüpfungen und inhaltliche Dichte

<8>
Folgt man dem szenischen Erzählverlauf, erhält man nicht nur Bild-Text-Bezüge, sondern auch weiterführende Optionen, die zum Text- und Bildverständnis unbedingt notwendig sind. Weil der Johannesaltar im Mittelpunkt der Anwendung steht, wurden die zwei weiteren Werke von Rogier van der Weyden aus der Gemäldegalerie dem Erzählverlauf des Johannesaltars untergeordnet. So bieten die 4. Szene mit der Darstellung der "Anbetung" und die 6. Szene mit der "Verkündigung" Optionen an, die einmal zum Miraflores-Altar:



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und zum andern zum Bladelin-Altar führen.



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Beide Hyperlinks erlauben, den fortlaufenden Erzählverlauf des Johannesaltars zu unterbrechen. Sie eröffnen auf je eigene Weise eine vollständige Auswertung der Bild-Text-Bezüge der beiden anderen Werke. Weil das Visualisierungsprogramm der Altarbilder, sprich die bildliche Übertragung von Informationen, in Form jeweils unterschiedlicher Darstellungsweisen gelöst ist, wurde hierauf in der technischen Umsetzung entsprechend reagiert. Deutlich erkennbar sind deshalb für den Nutzer der Bildanalyse die Unterschiede von kleinteilig verschachteltem und großflächigem Aufbau der Bildszenen. 

<10>
Die in den drei Werken erkennbare Tendenz von der komplexen Vielheit im Johannesaltar zur simplifizierten Einzelszene des Bladelin-Altares weist darüber hinaus auch auf die Vor- und Nachteile des Einzelbildes hin. Das bildlich applizierte Hypertextsystem bietet dort, wo sich Verknüpfungen notwendigerweise anbieten, entsprechende Optionen zur weitergehenden Interpretation des Tafelbildes an. Dazu ein paar Hinweise: Im Erzählverlauf ist mit der zwölften Szene, der zweiten Begegnung von Jesus und Johannes, ein Höhepunkt erreicht. Jesus geht zu Johannes, um sich taufen zu lassen.



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<11>
Diese Szene steht im Mittelpunkt der Verbildlichung. Interessanterweise eröffnet die visualisierte Bibelstelle einige Hyperlinks zum weiteren Verständnis.
Es sind dies die Textpassagen:
1. "dass der Himmel sich auftat" [9],



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<12>
2. "Jesus getauft war" [10]



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<13>
3. "Segensgestus" [11]



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Folgt man diesen Links, erhält man nicht nur Deutungen dieser Passagen, sondern auch visuelle Zusatzinformationen. Gerade diese aus dem Bildprogramm sich ergebenden Bildvergleiche sind besonders hilfreich, um eine weitergehende Beschäftigung mit der altniederländischen Malerei anzuregen. 

<14>
So legt die 22. Szene mit der verbildlichten Textpassage "Gib mir her auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers" einen Bildvergleich mit Hans Memlings ‚Johannestriptychon’ von 1479 nahe. Ausschließlich formale Betrachtungen zum Bildaufbau und zur Komposition wurden aus dem szenischen Erzählverlauf ausgeklammert, genauso wie die Präsentation der zwölf Apostel in der Spitzbogenarchitektur, die über ein eigenes Icon erreichbar sind.



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<15>
Die Darstellung der Bezüge anhand des digitalisierten Bildes erfordert eine konzeptionelle Einschränkung auf das Notwendigste. Mit anderen Worten: Um die Stringenz im Erzählverlauf zu gewährleisten, finden sich Optionen zum Bildraum und zum weiterführenden Kontextwissen an anderer Stelle. Die Verlagerung beziehungsweise Abkopplung darf natürlich nicht zur Folge haben, dass das Verzweigungsnetz der Bezüge disparat wird. Man sollte Icons mit zentralen Optionen nach Möglichkeit durchgängig anwählen können. Die Bildanalyse bedarf einer konzeptionellen Zusammenhangsbildung. Grundsätzlich bedeutet das, dass alle Operationen immer von etwas ausgehen, nicht aber von etwas wegführen sollen, damit sie im feststehenden Frame optionaler Verknüpfungen bleiben. Von daher ist der Ausdruck ‚Informationstiefe’ eher irreführend und unangemessen. An Stelle dessen würde ich eher von inhaltlicher Dichte und zu legitimierender Vielfalt der benötigten Bildschirmseiten, Icons und Operationen etcetera sprechen und von der visuellen Verklammerung durch eine Metapher.

3. Einstieg: kunsthistorische Bezüge - Bildraum

<16>
Vergleichende Studien zum Bildraum aller drei Werke von Rogier van der Weyden erreicht man demzufolge über ein immer sichtbares Icon. Folgt man dem Icon dieser Option, erreicht man eine Seite, auf der es möglich ist, visuelle Angebote zum Bildraum, zur Perspektive und zur Figurenkomposition systematisch anzusteuern.



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<17>
Dadurch treten dem Nutzer die optischen Unterschiede der drei Bildwerke vor Augen, ohne dass ein erklärender Begleittext erforderlich ist. Somit liegt der Akzent auf einem im Sehen zu erschließenden Bildverständnis, auf einer visuellen Argumentation, die selbsterklärend, aber nicht völlig erschöpfend ist. Weil sich durch die technischen Möglichkeiten immer wieder Grenzen des reinen Sehens und des operationalen Tuns aufdrängen, kommt man nicht umhin, eine kritische Distanz der Bildanalyse gegenüber dem zwar schulenden, aber textarmen Bildersehen aufzumachen. Dass man dieser kritischen Distanz nicht einfach durch Anhäufung von Begleitinformationen und Kontextwissen begegnen kann, dürfte klar sein. Denn es bedarf der zwingenden Begründung, warum genau dies mit dem dort in Beziehung gesetzt werden muss, kann oder soll, wozu ich im abschließenden Fazit noch ein paar Bemerkungen machen werde.

Exkurs: Zusatzinformationen zum Johannesaltar von Rogier van der Weyden

<18>
Weil die Kontextbezüge einen gemeinsamen Hintergrund aller Werkanalysen zur altniederländischen Malerei in der Digitalen Galerie darstellen, sind sie in der Regel auf einem Werkgruppentableau zusammengefasst.



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Das hat wiederum für die eigentliche Bildanalyse der Werke von Rogier van der Weyden den Vorteil der Konzentration auf das Bild-Textverhältnis. Von Nachteil ist, wenn es denn überhaupt ein Nachteil ist, dass ohne begleitende schriftliche Argumentationen keine diskursfähige These vorliegt.

<19>
Um den möglichen Vorwurf eines technisch bedingten Formalismus zu entkräften, möchte ich an dieser Stelle einige kontexterschließende Intentionen ansprechen. Mit Bezug auf die Raumanalyse des Johannesaltars konnte ganz grundsätzlich auf das Verständnis des Bildraums der altniederländischen im Vergleich mit der gleichzeitigen Entwicklung der italienischen Malerei eingegangen werden. Dazu findet der Nutzer der Digitalen Galerie ein eigenes Kapitel zu Perspektive und Bildraum, in dem gerade die Besonderheiten des Bild- und Betrachterraums nördlich der Alpen aufgezeigt werden.



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<20>
Hierzu gibt es neben Grundinformationen zur Perspektive auch einen Vergleich zum Bildraum eines Vertreters der altniederländischen mit einem der italienischen Malerei.



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Man erkennt an der Gegenüberstellung, dass die bereits in der Einzelanalyse gewonnenen Bildeinsichten sich hier erweitern lassen. Es ist allerdings dem Nutzer freigestellt, diese über das Kachel-Icon am Fußboden des Burghofes angelegte Option aufzugreifen und im Panoramafenster die Ausführungen zur Perspektive und zum Bildraum zu beobachten. So wie es dem Nutzer auch selbst überlassen ist, ob er sich näher über historische Bezüge informieren möchte, die von der sozialen bis zur politischen Geschichte reichen, um die möglichen Intentionen der Auftraggeber und das Umfeld der Adressaten kennen zu lernen.

1. Auswertung: Zeit - Raum - Erzählung

<21>
In den vorangegangenen Ausführungen stand das Verhältnis von Bilderzählung zum Bildaufbau im Mittelpunkt des Interesses. Es konnte gezeigt werden, dass die bildliche Logik sich nicht in der Verbildlichung eines Informationsprogramms erschöpft. Vielmehr zeigt die Bildstruktur eine Eigenständigkeit, die über die Visualisierung der biblischen Szenen hinausgeht.

<22>
Mit den malerischen Möglichkeiten unter den tradierten Bedingungen des Tafelbildes werden räumliche Ein- und Ausblicke kombiniert, wobei die Portalarchitektur wie eine Scheidewand vor verschiedenartige Innen- und Außenräume gesetzt ist: Wohnraum, Landschaft, Palast, Burghof beziehungsweise städtischer Innenraum. Die gemalte Architektur dient mit ihren Elementen beziehungsweise Bauteilen als narrativ nutzbare Informationsoberfläche. Den verschiedenen Raumtypen kommt die doppelte Aufgabe zu, sowohl die Tradition als auch zeitgemäße Neuerungen städtischer Wohnkultur mit umgebender Natur als gestaltbare Landschaft zu vereinen.

<23>
Dadurch, dass die Architektur sowohl Elemente der gotischen Kathedrale als auch bürgerlicher Palastarchitektur sowie Stadt- und Landschaftsgestaltung mit Anspielungen verbindet, die auf imaginierbare Erzählräume, wie den Fluss Jordan, den Palast des Herodes in Jerusalem und andere Orte der Überlieferung, verweisen, erhält der biblische Erzählstoff eine doppelte Rahmung. Sie ist mehr als nur ein rahmender Kontext, denn die Verschränkung von Raum und Zeit ist eine Bildleistung, die über die reinen Darstellungsaufgaben der Malerei hinausgeht. Dadurch, dass der Erzählverlauf in den verschränkten Bildraum als ein Informationssystem eingeschrieben ist, ergibt sich für die biblische Ereignisse schildernde Figurendarstellung, das heißt für die einzelnen figürlichen Szenen, eine ganz besondere optische Verknüpfung.

<24>
Diese sind, wie gezeigt werden konnte, durch bildbegleitende Informationen, die zum Verständnis der Bilderzählung und deren Tradition hinzuzuziehen sind, zu ergänzen. Bevor ich in der Bildanalyse weiter fortfahre, möchte ich die formale Befragung um einige technische Aspekte erweitern.

2. Auswertung: Bildzeichen - individuell oder standardisiert

<25>
Gearbeitet wurde mit einem Bitmap (dem digitalisierten Tafelbild) in der Bildschirmauflösung von 1600x1200 und einer Farbtiefe von 16 Bit. Um den Erzählverlauf abzubilden wurden Bildzeichen des Altarwerkes verwendet und für die Anordnung und Bedienung der Szenen eingesetzt. Dazu ist zu sagen, dass man grundsätzlich zwischen individuellen und standardisierten Bildzeichen unterscheiden kann. Die standardisierten Bildzeichen wurden bereits in den 40er Jahren in der Wiener ‚Bilderstatistik’ entwickelt [12] und zeichnen sich dadurch aus, dass sie grafische Abstraktionen von Dingen und Funktionen erlauben. Gemeint sind damit zum Beispiel flächige Reduktionen oder Umrisslinien von Gegenständen oder Richtungsangaben. Bekannt sind zum Beispiel die Silhouetten von Personen oder Querschnitte durch Gegenstände, weshalb diese Bildzeichen auch Sachzeichen sind, die in der weiteren Entwicklung als Orientierungs- und Steuerzeichen bei Gebäuden mit massenhaftem Durchlauf wie Flughäfen oder bei Großereignissen wie den Olympischen Spielen eingesetzt wurden. Standardisierte Bildzeichen, zum Beispiel Piktogramme, finden wir in den genannten Umschlagplätzen als Informationsleitsysteme sowie als Steuerungsmittel und Orientierungshilfen überall im Alltag. [13]

<26>
In der vorliegenden Bildanalyse wurde eine lineare Gruppierung von individuellen Einzelzeichen eingesetzt, die ihre bildliche Referenz zu erkennen geben. Man könnte auch andere Anordnungsmuster und Zusammenstellungen der Bildzeichen wählen. [14] Ob individuelle oder standardisierte Bildzeichen den Vorzug erhalten, hängt immer auch von dem Einsatz- und Nutzungsumfeld ab, worauf ich gleich zu sprechen kommen werde. Dass ich individuelle Bildzeichen und die individuelle Metapher bevorzugt habe, erklärt sich aus der mehr künstlerisch geprägten Pionierzeit der multimedialen Anwendungen, in der Standards, Indices, Lexika und Datenbanken verpönt waren, weil, mit Max Bense gesprochen, der subjektive Bezug fehlt, wenn nicht nur Zeichenhaftigkeit vorherrscht, sondern gar der bloße Informationsgehalt überwiegt. [15] Einzugestehen ist allerdings: Der höhere Abstraktionsgrad und damit auch die allgemeine Verständlichkeit liegen sicherlich in der Verwendung von standardisierten Bildzeichen, die den informativen Gehalt gewährleisten. Als allgemein eingeführte und gebräuchliche Zeichen erfüllen sie nur ihren funktionalen Zweck und lenken nicht weiter ab. Für den Einsatz von individuellen Bildzeichen spricht, dass, wenn sie plausibel und selbsterklärend sind, ihre ikonische Dichte größer ist, weil mit ihnen visuell vielseitiger argumentiert werden kann.

3. Auswertung: Bild- und Steuerzeichen

<25>
Durch die verwendete Software, das Autorenprogramm Director 6.0 (Macromedia), liegen bereits technische Bedingungen vor, die bei der Anordnung der szenisch operierenden Bildzeichen vorgegeben waren. [16] Allerdings möchte ich von den Bedingungen des Autorenprogramms abstrahieren, um weiter auf der Darstellungsebene der Bild- und Steuerungszeichen fortzufahren.

<26>
Bei den Bildzeichen handelt es sich um verkleinerte und bearbeitete Miniaturen. Sie signalisieren einen innerbildlichen Bezug. Die Bildzeichen sind aktivierbar. Sie leuchten leicht auf, wenn der durch Mausbewegung gesteuerte Cursor sie auf der Bildoberfläche erreicht. Durch den vertrauten Klick werden sie zu Steuerzeichen. Diese Doppelung des Bildzeichens, sowohl etwas anzuzeigen als auch etwas auszulösen, wird durch die Termini ‚Icon’ und ‚Button’ gefasst. Icon ist gebräuchlicher als der deutsche Ausdruck Bildzeichen. Unter Icon werden alle möglichen Arten von Zeichen subsumiert. Unter Button wird ein Zeichen für eine Auslösefunktion verstanden. Während die Bildzeichen mit der Entwicklung von Informationsleitsystemen ihre standardisierte Ausprägung erhalten haben, sind Icons und Buttons eng an die Erfindung steuerbarer Datenoberflächen und die Visualisierung metaphorischer Standards gebundenen. Gemeint sind hier die Entwicklung der Maus [17] als eine Abstraktion des Reglers und dessen virtuelle Darstellung als Steuerelement auf einer Bildschirmoberfläche. [18] Die Steuerungselemente regeln Interaktion und bilden einen Funktions- und Nutzungszusammenhang, der sich auf einer grafischen Benutzeroberfläche, dem Interface, abspielt.

<27>
Die technische Entwicklung von Maus, Tastatur und Bildschirm als User-Interfaces, den Schnittstellen, [19] stellt eine historische Zäsur dar:
Wir sollten zwischen der Welt von standardisierten Bildzeichen und Reglern in physikalischen Kontexten, wie in den angeführten Informationsleitsystemen oder Schaltkreisen einerseits und allgemein eingeführten Icons der digitalen Interfaces andererseits, wie denjenigen auf dem Desktop und den Menüs von Standardprogrammen, unterscheiden. Zwar kann man beide Welten aufeinander beziehen, aber durch die Icons ist etwas Neues hinzugekommen. Technisch heißt das, dass die Idee des Schalters beziehungsweise des Bedienknopfes durch die Kombination von Icon und Button zu optischen Bedienungselementen abstrahiert wurde.
Mit der Entwicklung der Visualisierung von steuerbaren Datenoberflächen einhergehend haben sich Standards durch den Gebrauch von Betriebssoftware und Multimediaprogrammen durchgesetzt, die hinsichtlich der Darstellung und Nutzung wiederum die Frage nach Regeln mit sich bringen. Das heißt, man bemüht sich, die Standards zum Beispiel für das Nutzungsprofil zu definieren und Ordnung in den Gebrauch zu bringen, wobei man der Leitbildfunktion marktführender Software Rechnung tragen sollte. Festzuhalten ist, dass die visuelle Standardisierung zeitlich immer begrenzt ist, denn sowohl der optische Abnutzungseffekt als auch die neuen technologischen Entwicklungen widersprechen einer unbefristeten Standardisierung.

Bewertungen: ästhetische und inhaltliche Maßstäbe

<28>
Weil die visuelle, grafische Darstellung von Bedienungselementen einen so großen Stellenwert einnimmt, hat sich bereits eine designlastige Bewertung dieser Darstellungselemente herausgebildet. Hauptmerkmal dieser Bewertungssicht ist die Nutzerfreundlichkeit. Die Funktion und Darstellung der Icons als Steuer- und Bildzeichen auf der Bildschirmoberfläche ist eng geknüpft an die Verwendung von Metaphern, wie die Büroumgebung/Desktop, den Ordner, das Menü oder den Papierkorb: Man spricht diesbezüglich von Graphical-User-Interfaces (GUIs), [20] von grafischen Benutzeroberflächen. Wollte ich die Standards hinsichtlich Optimierung und Effektivität der grafischen Benutzerschnittstellen auf die Benutzeroberfläche der Bildanalyse bei Rogier van der Weyden übertragen, müssten drei Bedingungen beachtet werden.
- "Die visuellen Zeichen sind mit dahinter stehenden Operationen verbunden und bleiben ständig im Sichtfeld.
- Es muss die Möglichkeit geben, dass man auf die Objekte zeigen kann (mittels einer Maus zum Beispiel).
- Ein solches System muss interaktiv sein, das heißt, wenn ich ein Objekt anklicke, muss sofort eine Operation ausgelöst werden sowie ein Feedback erfolgen." [21]

Diese Bedingungen sind erfüllt. [22]

<29>
Dennoch stellt sich die Frage, wie die Normen für Nutzungs- und Anforderungsprofile zustande kommen. Wie kann man die neuen Benutzeroberflächen bewerten, wie sie ästhetisch beurteilen? [23] Dass hierbei die Bildwissenschaft ein genuines neues Aufgabenfeld gehabt hätte, liegt auf der Hand. Vorerst wurden jedoch die Beurteilungs- beziehungsweise Bewertungsmaßstäbe aus der grafischen Praxis heraus festgelegt. Ein eigener Zweig ist hierbei die ’Usability’, [24] wenn vom Erscheinungsbild- beziehungsweise Bedienprofil, sprich der Art der Darstellung und der Operationsleistung von steuerbaren Bildschirmoberflächen die Rede ist. [25] Legt man die Bewertungsskala der fünf Merkmale von Usability [26] - Erlernbarkeit, Einprägsamkeit, Effizienz, Fehlerrate, Zufriedenheit - zugrunde, schneiden individuelle Bedienungselemente schlecht ab. Jedoch: Einprägsamkeit und Effizienz sind zwar für den massenhaften Gebrauch geeignet, stellen aber keinen Wert an sich dar. Überhaupt ist das Problem der regulativen Gebrauchsanalyse äußerst zweifelhaft, wenn allein Standardlösungen der Maßstab sind. Auf diese Weise geraten individuelle Qualitätsmaßstäbe natürlich ins Hintertreffen. Den designlastigen Bewertungsmaßstäben [27] sollte man entgegen halten, dass angesichts der Nutzungsoptimierung bei Standardlösungen auch individuelle Qualitätsmaßstäbe einzufordern sind.



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<30>
Ein Optimierungsbeispiel mit einer Standardlösung für die technische Anbindung von Bild und Textaktionen ist die Arbeit zur ’Kirchenmadonna’ von Jan van Eyck aus der Digitalen Galerie [28]. Grundsätzlich aber gilt es, den technischen Bedingungen inhaltliche Anforderungen entgegen zu stellen. Nur dadurch kann es auch zu einer Kritik gegenüber den technischen Anforderungen kommen. Deshalb werden im weiteren Verlauf die inhaltlichen Bezüge wieder mehr Berücksichtigung finden.

Ausblick: Sehen und Tun

<31>
Schaut man weniger auf die bereits standardisierten Effekte und Funktionsauslösungen, wie ’Highlighten’ bei ’Roll-over’ oder ’Wechsel der Bildschirmseite beziehungsweise Kontext des Windows’, und richtet man das Augenmerk auf die hierbei zu Stande kommende Aktion und Interaktion, gewinnt man eine grundsätzliche Einsicht. Wegen der programmiertechnischen Kopplung von Zeichen und Auslösefunktion auf der Bildschirmoberfläche ist etwas möglich, was in der hinweisenden beziehungsweise vergleichenden Bildbeschreibung nur vorstellbar, nicht aber visuell realisierbar ist. Es gibt eine Kopplung von manueller Aktion, optischer Interaktion und der Operation des Computerprogramms. Sehen und Tun sind nicht voneinander getrennt. Dieser Umstand ist verallgemeinerbar und prinzipiell von technischen Standards in der Kopplung beider ablösbar. Er ist universell, das heißt unabhängig vom jeweiligen Stand der technologischen Entwicklung. Wodurch auch immer eine Aktion angezeigt oder eingeleitet und wodurch auch immer eine Auslösefunktion programmiertechnisch umgesetzt wird, aus der Verbindung von Sehen und Tun resultiert eine motorische, physikalische Anbindung des Nutzers. Sie kann eine Qualität von Leiblichkeit erreichen, die der standortfixierte Betrachter vor dem Bild nicht kennt. Sie kann darüber hinaus eine Gegenposition zum körperlichen Zwang der Eingebundenheit durch Technik in der Lebenswirklichkeit gewinnen. Gemeinhin schaut man nur auf die scheinbaren körperlichen Erweiterungen durch neue Technologien und übersieht dabei die mit Technologien verbundenen Einengungen des individuellen Lebensumfanges.

<32>
Selbstverständlich ist die Kopplung von Zeichen und Auslösefunktion noch erweiter- beziehungsweise austauschbar. Das akustische Begleitsignal bei einer ausgelösten Operation ist bereits Gang und Gebe. Denkbar ist auch, dass anstelle des Zeichens ein Sensor oder dass anstelle der punktuellen Auslösefunktion fließendes Navigieren im Cyberspace tritt. Bezogen auf die Kopplung von Sehen und Tun ist hier festzuhalten, dass dem Sehen in der Regel eine vermittelnde Sonderstellung zukommt, aber auch andere als optische Aktionen und Interaktionen durchaus sinnvoll sein können. Obwohl man sich wahrscheinlich schon sehr an haptische Auslösefunktionen gewöhnt hat, sollte man eingestehen, dass beispielsweise die Mausklicks oft sehr umständlich sind und deshalb eine direkte Sprachsteuerung und akustische Rückkopplung der Aktionen viel praktischer wäre [29]. Dies hätte aber zur Folge, dass aus der Kombination von Sehen und Tun eine Kombination von Sehen, Sprechen und Hören würde, worauf auch die weitere technische Entwicklung hindeutet.

<33>
Hinsichtlich der technischen Möglichkeiten der Bildanalyse kommt man nicht umhin, die Sonderstellung optischer Funktionen kritisch zu reflektieren - womit man wieder bei dem angesprochenen Problem des identifizierenden Sehens angelangt wäre. Auf der technischen Ebene ist das identifizierende Sehen zwingend, weil es die technische Verbindung von Sehen und Tun gewährleistet: Dieses Icon verweist auf diese ganz bestimmte Bildstelle. Es bringt den Mechanismus der identifizierenden Verknüpfung hervor. Auf der inhaltlichen Ebene aber spricht durchaus einiges dafür, dass die ikonische Differenz sowohl im Verhältnis von Bild und Text als auch von Visualisierung und Technik bestehen bleibt. Dadurch rechtfertigt sich, dass die Bildanalyse bei Rogier van der Weyden nicht auf standardisierte Zeichen zurückgreift. Dadurch legitimiert sich allerdings noch nicht die hierzu entwickelte Visualisierungsform, die ihre Berechtigung allein durch die zitatähnliche Bildmontage erhält.

Bildqualität: Die ikonische Differenz

<34>
An dieser Stelle ist es hilfreich, das doppelte Text-Bild-Verhältnis genauer zu analysieren. Auf der einen Seite steht der rekonstruierbare biblische Quellenbezug und auf der anderen die diskursive Bildbeschreibung. Man kann also auf zweierlei Weise sprachlich auf das tradierte Bild Bezug nehmen: einmal als eine Technik der Übereinstimmung beziehungsweise Abweichung von Quelle und Bildprogramm; zum anderen als eine verbindliche beziehungsweise konsensfähige Technik der Beschreibung dieses Transfers und deren Deutung. Die Techniken kann man für die Bearbeitung des digitalen Bildes abstrahieren. Das heißt, anhand des digitalen Bildes lässt sich dieses doppelte Text-Bild-Verhältnis automatisieren, indem man auf die Quelle so verweist, dass dadurch ein konsensfähiger Diskurs des Bildprogramms gewährleistet ist. Wenn dies jedoch allein darauf hinausläuft, die begrifflichen Bestimmungen des Bildes zu reproduzieren, bleiben die ikonischen Möglichkeiten sowohl des tradierten als auch des digitalen Bildes unberücksichtigt. Vereinfacht gesagt’umschreiben’ die ikonischen Möglichkeiten eine Seherfahrung, die nicht durch begriffsorientiertes Sehen ersetzt werden kann. Begriffsorientiertes Sehen kann aber durchaus die begriffslose Seite des Sehens thematisieren. [30] Sprachlicher Gewinn und bildliches Defizit bedingen sich wechselseitig. Indem der identifizierbare Mangel des Bildes ’gesehen’ wird, gewinnen die bildlichen Qualitäten an Eigenmacht. Man kann diese bildliche Leistung auch als ikonische Differenz umschreiben.

<35>
Damit ist der begrifflichen Zeichenhaftigkeit eine bildliche Qualität abgerungen. [31] Die ikonische Differenz umschreibt also bildliche Phänomene, die durch begrifflich identifizierendes Sehen nicht erzielt werden können. [32] Diese ikonische Differenz steht durchaus im Einklang mit der Tradition - wenn zwischen Bildbeschreibung einerseits und Seherfahrung andererseits unterschieden wird - wie sie beispielhaft in August Wilhelm Schlegels Gesprächen zur Dresdner Gemäldegalerie vorkommt. [33] Zu simpel ist es allerdings - und darauf kommt es in diesem Zusammenhang an - wenn Bildbeschreibung zur einer Methode der Seherfahrung degeneriert wird. Noch problematischer wäre es, wenn Bildbeschreibung als reproduzierbare Technik bloß auf das digitale Bild appliziert würde. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, Begriffsarbeit am Bild und bildliche Sehleistung gegeneinander abzuwägen, wie das seit der frühen Moderne der Fall war, wenn die technologischen Bedingungen im Zugriff auf das Bild die Unterschiede sowieso zu nivellieren scheinen.

<36>
Ohne dass ich den Gedanken hier weiter im Detail erläutern kann, möchte ich darauf hinweisen, dass man die ikonische Differenz nicht verabschieden muss, sondern, modifiziert in eine bildliche Qualität, beibehalten kann, die die technologisch basierte Manipulation des digitalen Bildes reflektiert und die bei der praktischen Umsetzung eine wichtige Rolle spielt. Dies bietet die Möglichkeit, mit den tradierten Errungenschaften, wie der bildlichen Autonomie, kritische Perspektiven für eine technologische Differenz zu entwickeln. Man kann dadurch sowohl eine kritische Perspektive auf den veralterten Formalismus kunstwissenschaftlicher Methoden als auch auf Standards von Technologien gewinnen. Denkt man dies noch einen Schritt weiter, verbindet sich mit der Entgegensetzung von Bildern (sprich Kunst) einerseits und Technik andererseits, eine kritische Reformulierung von Bildern als hergestellten und gesellschaftlich hervorgebrachten Werken. Indem zwischen Techniken der Verbildlichung, Techniken des Sehens, Techniken der Beschreibung und Techniken in der Technologisierung unterschieden wird, ist es möglich, die formalen Mittel auch inhaltlich zu bewerten. Nur so ist eine Kritik gegenüber dem Vollzugszwang der Technik und den Nivellierungen durch Standards möglich.
Mit anderen Worten: Es ist eine neue Perspektive auf bildliche Leistungen gegeben, wenn sie als erworbene Techniken des Bildes von dem historischen Stand der jeweiligen Kulturtechnik unterschieden werden.

Kritik: Das vorfabrizierte Sehen

<37>
Wenn die Kopplung von Sehen und Tun praktisch dazu führt, dass eine körperlich begleitende Aktion des Nutzers beziehungsweise Betrachters eine rechnergestützte Operation auslöst, und dieser Vorgang auf der Bildschirmoberfläche angezeigt wird, sollte man die hierbei stattfindende Funktion von dem Resultat dieses Vorgangs unterscheiden. Das, was sich unterhalb der Rechneroberfläche programmiertechnisch tut, ist keine Frage des Blicks mehr, sondern schlicht eine der Programmierung. So wie die technische Operation dazu verführt, dass der Nutzer glaubt, er selbst könne zwischen verschiedenen Optionen selektieren beziehungsweise über den Zeitpunkt einer Auslösefunktion entscheiden, so verhält es sich auf der inhaltlichen Ebene mit dem Resultat der Operation. Zwar werden von dem Nutzer Sichtbarkeitsresultate im Sinne des identifizierenden und differenzierenden Sehens festgestellt, aber sein Eigenanteil ist dürftig. Er beschränkt sich auf einen körperlich aktivierten beziehungsweise simulierten Mitvollzug vorfabrizierter Ergebnisse.

<38>
Bezogen auf die Bildanalyse bei Rogier van der Weyden konnte gezeigt werden, dass visuelle Argumentation teilweise die textorientierte Analyse und Interpretation ersetzen kann. Ob diese Sichtbarkeitsresultate etwa in der Analyse des Bildraumes allgemeine Anerkennung finden, sei dahingestellt. Gesetzt den Fall, es ist eine überzeugende Leistung - dann stellt sich die Frage, wie dieses vorfabrizierte Ergebnis zu bewerten ist. Vorfabrizierte Resultate sind an sich nicht verwerflich. So stellt ein Autor für den Leser vorfabriziertes Denken her, mitunter ikonographisch und ikonologisch verdichtete Ergebnisse, wie etwa in der erst jüngst erschienenen deutschen Übersetzung von Erwin Panofskys ‚Altniederländischer Malerei’. [34]

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Wie aber verhält es sich mit dem vorfabrizierten Sehen bei Rogier van der Weyden? Die technologisch gestützte Bildanalyse ist sicherlich genauso legitim wie Textarbeit. Sie hat sogar einige Vorteile gegenüber einer reinen Textarbeit und sie bereichert auf jeden Fall die Begegnung mit dem Original. Bedenkenswert ist vielmehr etwas anderes. Dadurch, dass Sehen und Tun unter den technischen Bedingungen der Bildanalyse aufeinander bezogen werden können, eröffnen sich etwa bei der Raumanalyse Vollzugsmöglichkeiten, die nicht nur eine technische sondern auch eine inhaltlich aktive Beteiligung verlangen. Dies ist die Chance bei dem Einsatz neuer Technologien in der Bildanalyse. Sie kann die aktive Auseinandersetzung fördern, wenn die technischen Bedingungen mitreflektiert werden. Mir scheint dies eher bei individuell vorfabrizierten, als bei standardisierten Sichtbarkeitsresultaten der Fall zu sein. Das ist aber nur ein gradueller Unterschied. Entscheidend ist die kritische Distanz zum passiven Gebrauch technologischer Bedingungen. Anders gesagt: Indem die Bildanalyse den passiven Gebrauch und den Vollzugszwang aller benutzten Technik mitreflektiert, ist es möglich, die technische von der bildlichen Differenz abzugrenzen. Letztlich kann sich ein methodisch-inhaltlich bewusster Umgang mit der Bildtradition nicht auf den formalen Akt im Zustandekommen der Sichtbarkeitsresultate beschränken, sondern muss das Bewusstsein für die Grenze der Verfügbarkeit schärfen. Deshalb ist es wichtig, die Entwicklungen des vorfabrizierten Sehens über die Kunstgeschichte hinaus allgemeiner zu fassen. Mein Rückblick auf eine praktische, technologisch basierte Auseinandersetzung mit dem Johannesaltar von Rogier van der Weyden sollte dies deutlich machen. 

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Die von mir mitgetragene Entwicklung des vorfabrizierten Sehens birgt die Gefahr eines Defizits. Bilder, auch die der Tradition, sind durch die technische Vermittlung medienpolitisch, das heißt in Abgrenzung von der Verfügungsmacht der Technik zu begreifen, zumindest, wenn es sich um Kunstwerke handelt. Anders ausgedrückt: Es muss eine Differenz erkennbar sein, die dem technologischen Schein des digitalen Bildes ihren verführerischen Glanz nimmt, zumindest wenn dieser seine Umstände mitreflektiert, denn dann wird sichtbar: Allen Projektionen beziehungsweise Produktionen haftet der Stempel ihrer Entstehungszeit an. Es ist immer nur eine Frage der Zeit, bis die Perfektion der Produkte oder die Professionalität der Projektierung das Ungenügen ihrer Herkunft deutlich machen, ein Ungenügen, weil der Anspruch auf Fortschritt gescheitert ist.

Anmerkungen

1 Es handelt sich um die "Digitale Galerie" in der Gemäldegalerie in Berlin, um eine größere Auftragsarbeit, die im Wesentlichen 1997 von der mib (Gesellschaft für Multimediaproduktionen in Berlin mbH, 1996-2002) produziert wurde.
2Vorauszuschicken ist, dass ich bei der nachfolgenden Untersuchung auf eigene Erfahrungen in den Jahren 1993 bis 1998 zurückgreife. Während dieser Zeit habe ich eine Reihe von Multimediaproduktionen im Kulturbereich in den Funktionen als Geschäftsführer, Projektleiter, Konzeptor und Gestalter realisiert. Aus diesem Zeitraum habe ich eine Arbeit gewählt, um hieran eine exemplarische Auseinandersetzung zu führen. In die konkrete Bildanalyse fließen demzufolge Anteile aus der Praxis ein, die mittlerweile Geschichte ist.
3 Damit beziehe ich mich auf die 90er Jahre, in der die digitale Integration ’vieler’ analoger Medien technologisch auf breiter Front durch die Verbreitung von Softwareprodukten kulturtechnisch eingeübt wurde. Und unter dem aus den 80er bekannten Verkaufsetikett ’Multimedia’ der Firma Apple Macintosh fand eine Einschränkung gleichberechtigter Medien statt, weil über die ältere Ordnung des Hypertextes sozusagen eine neue, visuelle Organisation der (Bildschirm-) Oberfläche gelegt wurde. Diese ‚bildliche’ Dominanz verdeckte die offene Struktur nicht nur des Hypertextes (!), sondern suggerierte darüber hinaus eine virtuelle Welt, in die man als User eintauchen konnte. Der Begriff ’Multimedia’ ist so irreführend, wie es die infantilen Phantasien um das Eintauchen in Oberflächen (Cyberspace, Virtuelle Realität, Cave und immersive Bildräume ) geblieben sind.
4Damit ist ein Motto in Analogie zu Edmund Husserls phänomenologischem Aufruf ‚Zu den Sachen selbst’ gewählt worden.
5Siehe hierzu auch den letzten Abschnitt des Beitrages.
6 Johannesaltar (linke Tafel: Geburt und Namengebung Johannes des Täufers, Mittelbild: Taufe Christi, rechte Tafel: Enthauptung Johannes des Täufers, Abmessungen: je Tafel 77 x 48 cm). Zur neueren Literatur siehe Dirk De Vos: Rogier van der Weyden. Das Gesamtwerk, München 1999.
7Bei der Erstellung der Werkmonografie konnte ich auf die grafische Beratung durch Uta Ionesco aus dem Team der mib GmbH zurückgreifen.
8Das Besucherinformationssystem umfasst in Übersichten alle sieben Sammlungsbereiche der Gemäldegalerie, der Schwerpunkt liegt auf den Altniederländern, die im Sinne von Werkanalysen und einem kontexterschließenden Werkgruppentableau ausgebaut wurden. An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass es eine Zusammenarbeit unter anderem mit dem Kustos der Gemäldegalerie, Herrn Dr. Großhans gegeben hat, wodurch eigens aufgearbeitete Vermittlungsinhalte abgestimmt wurden.
9Hier findet sich im Anschluss an eine Einordnung dieser Stelle eine Überleitung zum Verständnis von Mikro- und Makrokosmos, sprich Nah- und Fernsicht der Bildgegenständlichkeit seit Jan von Eyck.
10Hier bietet sich ein Bildvergleich aus Jan van Eycks "Geburt Johannes des Täufers" (aus dem Turin-Mailänder-Stundenbuch von 1422/5) an, wodurch Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Motiv augenfällig werden.
11Hier konnte die Infrarotaufnahme zur malerischen Entwicklung der Geste einbezogen werden.
12Siehe Otto Neurath: Bilderstatistik nach der Wiener Methode in der Schule, Wien / Leipzig 1933; Herbert Koberstein: Wiener Methode und Bilderstatistik und International System of Typographic Picture Education (ISOTYPE), Hamburg 1969.
13 Siehe Winfried Nöth / Karin Wenz (Hg.): Medientheorie und die digitalen Medien, Intervalle 2, Schriften zur Kulturforschung, Kassel 1998; Villém Flusser: Lob der Oberflächlichkeit. Für eine Phänomenologie der Medien, Schriften Band 1, Benzheim 1993; vergleiche auch: Klaus Oehler: Sachen und Zeichen. Zur Philosophie des Pragmatismus, Frankfurt/Main 1995.
14In anderen Produktionen hat der Verfasser bildhafte Gruppierung von Einzelzeichen bevorzugt, weil dadurch eine Bündelung der Referenzen erzielt und in einigen Fällen sogar eine die visuellen Bezüge verdichtende Metapher entwickelt werden konnte.
15"Je näher eine Kunst an die Zeichenthematik herankommt, desto mehr verlieren die klassischen Prädikate ihren Sinn. Die Frage der Qualität ist dann eine Frage der Eindringlichkeit und Wahrnehmbarkeit der Zeichen, durch die wir betroffen werden, eine Frage der Vollendung des Experiments, der Herstellung." Max Bense: Aesthetica. Eine Einführung in die neue Ästhetik, Baden-Baden 1965, 109.
16 Der Director von Macromedia erlaubt, dass die 23 Icons für die szenische Bildsteuerung als eigene Zeichen, sprich als Cast’s / Darsteller auf die Bildschirmoberfläche / Bühne platziert und durch den Score / Regie auf vielfältige Weise gesteuert werden können.
17 In den Labors von Xerox wird 1968-69 ein neuartiges Zeige- und Eingabegerät entwickelt: die Maus, die im Deutschen zunächst mit dem etwas klobigen Namen ‚Abrollgerät’ bezeichnet wird. Auch die Benutzeroberfläche und das Client-Server-Modell (Netzwerk für Terminals mit unterschiedlichen Aufgaben, Mitte der Siebziger Jahre realisiert) sind Erfindungen von Xerox. Siehe Kristian S. Weidenfeld: Computerlexikon von A-Z, Wien 1992, 294.
181977 bringt Xerox den ersten Personalcomputer heraus. In den Xerox-Entwicklungslabors sind unter anderem die Maus, die Benutzeroberfläche und das Client-Server-Modell erfunden worden. Siehe Weidenfeld, Computerlexikon von A-Z, 294.
19 "Der Begriff ‚Interface’ lässt sich nicht ohne weiteres übersetzen. Einerseits meint er die Mensch - Maschine - Schnittstelle, das Bindeglied, das uns Zugang zu den binären Daten der Computerwelt ermöglicht, andererseits benennt er das Medium, das heißt die Benutzeroberfläche, mit der wir auf Computerdaten zugreifen. Wenn beide Komponenten gleichberechtigt erscheinen, bleibt Interface im folgenden unübersetzt, andernfalls wird die im Amerikanischen einheitliche Benennung dem Kontext entsprechend entweder als Schnittstelle oder als Benutzeroberfläche bezeichnet." Steven Johnson: Interface Culture. Wie neue Technologien Kreativität und Kommunikation verändern, Stuttgart 1999, 15 (Anmerkung des deutschen Übersetzers im Vorwort).
20Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Nutzer- und nicht auf der Programmiererseite. Der Nutzer manipuliert aufgrund seines Vorverständnisses aktivierbare Menüs, Icons, Buttons etc. im Unterschied etwa zu den strikten Befehlsfolgen eines funktionsorientierten, programmier-, sprich codenahen Interface. Der Vorteil ist die Einbeziehung des Userkontextes, der Nachteil die Ausblendung computerbedingter Funktionsweisen und deren Reflexion durch die Gestaltung dynamischer Oberflächen. Der Code bleibt sozusagen ’unterhalb’ der manipulierbaren Oberfläche. Ein visueller Code ist ’darüber’ gesetzt und ’verdeckt’ ihn. Man könnte der Auffassung sein, dass es von Vorteil sein muss, wenn die Benutzeroberfläche unabhängig von der Computerumgebung wird, weil sie dadurch an Autonomie gewönne und möglicherweise auch an grafischer Qualität. Das aber ist ein Trugschluss! Es spricht eigentlich alles dafür, dass eine Benutzeroberfläche nicht einseitig ausgerichtet werden sollte, denn erst in dem reflektierten Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren, die in der Computerumgebung beteiligt sind, kommt eine ‚intelligente’, dynamische, adaptive und auch visuell attraktive Oberfläche zum Tragen.
21 Online-Dokument: http://www.design-usability.de/interface_GUI.html (10.02.2003). Diese direkten Manipulationsanforderungen an (interaktiven) Steuerungszeichen als Bedienungselemente sind mittlerweile Standard.
Jürgen Ziegler / Rolf Ilg (Hg.): Benutzergerechte Software-Gestaltung. Standards, Methoden und Werkzeuge. München / Wien 1993, 22.
22Hinzuzufügen ist noch, dass die Benutzeroberflächen der Digitalen Galerie in der Gemäldegalerie Berlin vor der Übergabe an die Öffentlichkeit mit positiven Resultaten evaluiert wurden.
23Qualitätskriterien für die aktive Manipulation beziehungsweise Rezeption von Oberflächen digitaler Bilder sind für die Kunstwissenschaft noch ein Desiderat. Wie ein solcher Kriterienspiegel jeweils ausfällt, hängt sicherlich von den unterschiedlichen Bewertungskontexten ab, wenn beispielsweise Repräsentation oder Dokumentation eine größere Rolle spielen sollen.
24'Usability' ist in den vergangenen Jahren ebenso wie 'Contentmanagement' in den Blickpunkt der technologisch basierten Vermittlung von Inhalten und deren Gestaltung gerückt. Die Fragen nach den (nicht nur technologischen) Standards sind hierbei weniger die des richtigen Verhältnisses von zum Beispiel Inhalt und Form als vielmehr vorrangig solche des (ökonomischen etcetera) Einflusses.
Vergleiche hierzu insbesondere die Ausführungen zu 'Usability' auf folgenden Web-Adressen: http://developer.apple.com/techpubs/macosx/Essentials/
AquaHIGuidelines/index.html
(02.05.2003).
http://www.theparallax.org/wissen/os/macosx_intro.html (02.05.2003).
Jakob Nielsen´s Website: http://www.useit.com (02.05.2003).
http://www.design-usability.de/images/steinborn_literaturliste.pdf (02.05.2003).
25Auf das Erscheinungsbild der Benutzeroberflächen Einfluss zu nehmen, liegt im Interesse der Hersteller von Software, insbesondere von Betriebssoftware, denn hierdurch werden kundenbindende Voraussetzungen in der Nutzung geschaffen, die sich natürlich auch abnutzen können und bei neueren Versionen angeglichen oder modifiziert werden, wie es beispielsweise bei der Einführung der Betriebssoftware Mac OS 10.0 geschehen ist.
26Um die Zusammenhänge hinsichtlich des Konzeptes Usability und seiner Dimensionen zu verstehen, haben Bevan, Kirakowski und Maissel ein Rahmenmodell entwickelt: Nigel Bevan / Jurek Kirakowski / Jonathan Maissel: Online-Dokument / pdf-file: What is Usability? (1991) http://www.usability.serco.com/papers/whatis92.pdf (07.02.2003).
27Einfachheit, Sichtbarkeit, Eindeutigkeit, Mapping, Feedback, siehe auch: Gui Bonsiepe: Interface. Design neu begreifen, Mannheim 1996: "Interface ist nicht eine Sache, sondern die Dimension, in der die Interaktion zwischen Körper, Werkzeug (Hard-, wie Software) und Handlungsziel gegliedert wird."
28Diese Arbeit liegt auch als CD-ROM vor und ist im Buchladen der Gemäldegalerie (oder unter: http://www.duplicon.com/ (02.05.2003)) erhältlich.
29 Die Schnittstellenentwicklung ist in der letzten zehn Jahren wenig voran gekommen. Die Eingabe und Steuerung mit der Maus oder der Tastatur ist umständlich; zwar hat die natürliche Spracherkennung Fortschritte gemacht, der durchschlagende Erfolg steht aber immer noch aus.
30"An den Begriffen aber setzt Kunst ihre mimetische, unbegriffliche Schicht frei."
Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, herausgegeben von Gretel Adorno und Rolf Tiedemann, 2. Auflage, Frankfurt/Main 1974, 148.
31 Ikonizität ist nach Charles Sanders Peirce* die Eigenschaft eines Zeichens (Icon im Unterschied zu Index und Symbol), sein (!) Objekt ikonisch zu bezeichnen. "Ein Icon ist ein Zeichen, dessen zeichenkonstitutive Beschaffenheit seine Erstheit ist, dass heißt, das es unabhängig davon ist, ob es in einer existentiellen Beziehung zu seinem Objekt steht, das durchaus nicht existieren kann."
Wie man weiß, ist dies nicht objektiv messbar. Das hat zur Kritik und zur Weiterentwicklung zum Beispiel bei Morris** und Eco*** geführt, aber bezogen auf Bildwerke ist die Peirce’sche Unterscheidung des Ikonischen in abnehmender Folge bei Bildern, Diagrammen und Metaphern nach wie vor einleuchtend, wenn genuin bildliche Eigenschaften wie zum Beispiel Farben, Linien, Flächen dadurch gekennzeichnet und thematisiert werden. Man sollte die Bestimmung des Ikonischen als Ähnlichkeit weniger im referentiellen Verweis zu etwas anderem, sondern mehr als etwas Selbstbezügliches erkennen. Unter dieser Voraussetzung ist der Begriff der Ikonizität, als visuelle Seite des Icons (Erstheit), nach wie vor interessant und für die ikonische Bestimmung des digitalen Bildes äußerst hilfreich.
*Von Peirce hat es keine zusammenhängende Darstellung der Ikonizität gegeben, seine Aussagen dazu finden sich an verschiedenen Stellen in seinem Werk. Siehe: Charles Sanders Peirce: Phänomen und Logik der Zeichen, herausgegeben und übersetzt von Helmut Pape, 2. Auflage, Frankfurt/Main 1993, 64; Charles Sanders Peirce: Semiotische Schriften. herausgegeben von Christian J. W. Kloese und Helmut Pape, 3 Bände, 1. Auflage, Frankfurt/Main 2000, 375.
**Siehe Charles William Morris: Grundlagen der Zeichentheorie. Ästhetik und Zeichentheorie, 2. Auflage, München 1975, 101.
***Umberto Eco: Einführung in die Semiotik, München 1972, 213.
32Siehe Max Imdahl: Giotto, Arenafresken. Ikonographie. Ikonologie. Ikonik, München 1980, 93.
33Erst in der Besprechung, in der Beschreibung treten die Möglichkeiten des (noch unvollständigen) Werkes als Kunstwerk hervor. Siehe August Wilhelm Schlegel: Die Gemälde. Gespräch, herausgegeben von Lothar Müller, Dresden 1996, 32.
34 Erwin Panofsky: Altniederländische Malerei, 2 Bände, Köln 2001.

Autor

Arthur Engelbert
FH Potsdam
E-Mail: engelbert@fh-potsdam.de
Web: http://www.fh-potsdam.de

Empfohlene Zitierweise:

Arthur Engelbert: Bildanalyse und technologischer Standard - ein kritischer Rückblick auf Multimedia, in: zeitenblicke 2 (2003), Nr. 1 [08.05.2003],
URL: <http://www.zeitenblicke.historicum.net/2003/01/engelbert/index.html>

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ZEITENBLICKE ISSN: 1619-0459
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