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2 (2003), Nr. 1: Inhalt
Ziele
Digitale Archivierung digitaler Dokumente des Kunsthandels
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Günter Herzog

Das Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels e. V. (ZADIK)

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Für das erst 1992 vom Bundesverband deutscher Galerien (BVDG) gegründete Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels (ZADIK) e. V. sind die neuen Medien nicht nur unersetzlich für den Archivbetrieb, in welchem die Archivalien über eine Datenbank erschlossen werden, sondern vor allen Dingen auch als preiswerte Publikationsmedien für ein bisher von der Kunstgeschichte noch weitgehend unentdecktes Quellenreservoir. Nur übers Internet wird es möglich werden, einem größeren Fachpublikum die besonderen Qualitäten des ZADIK und seiner Bestände überhaupt erst zur Kenntnis zu bringen.

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Das ZADIK ist das bis heute weltweit einzige Spezialarchiv zur Geschichte des Kunsthandels. Es sammelt in erster Linie Vor- und Nachlässe bedeutender Galerien und Kunsthändler/innen, ihre Geschäfts- und Künstlerkorrespondenz und sämtliche Materialien, die Aufschluss geben über den Galeriebetrieb, seine Ausstellungs- und Öffentlichkeitsarbeit und seine Arbeit mit den Künstlern. Ergänzend dazu sammelt das ZADIK auch Vor- und Nachlässe von Kunstkritiker/innen, Sammler/innen und Fotograf/innen. Hierzu kommen noch ein stetig wachsendes Pressearchiv, eine Plakatsammlung (mit etwa 3000 Plakaten), ein Fotoarchiv mit inzwischen weit über 300.000 Fotos, ein sehr großer Bestand an nationalen und internationalen Auktionskatalogen und eine Spezialbibliothek zur Geschichte des Kunsthandels. Damit bietet das ZADIK ein Sammlungsrepertoire, das von traditionellen kunsthistorischen Archiven nicht gepflegt wird.

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Die Aktivitäten des ZADIK sind damit unersetzbar für die Erhaltung und Erforschung eines Kulturgutes, dessen Bedeutung für die Kunstgeschichte Untersuchungen wie die von Michael Montias und Michael North über den niederländischen Kunstmarkt des 17. Jahrhunderts oder Svetlana Alpers’ Buch Rembrandt als Unternehmer belegen. Von der Tätigkeit der römischen Kunstagenten und des englischen Kunstmarktes im 18. Jahrhundert über die Rolle Paul Durand-Ruels als Impresario der Impressionisten und Daniel-Henry Kahnweilers Bedeutung für den Kubismus bis zu Marktmechanismen der Gegenwart eröffnet sich hier ein bislang stark vernachlässigtes Forschungsfeld. Mit dem Beginn des modernen Kunsthandels und Galerienwesens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Avantgarde-Galeristen zu einer neuen Instanz zur Feststellung der Kunstqualität. Für den Künstler wurde die Galerie zur Eingangstür in das Kunstsystem und in die Öffentlichkeit - für das Museum und die wissenschaftliche Kunstgeschichte wurden die Galerien und die von den Galeristen betreuten Sammler zu den Institutionen, die das Neue in die Kunst einbrachten.

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Anhand der Geschäftsakten der Galeristen, wie zum Beispiel ihrer Korrespondenz mit Künstlern, Sammlern und Museen, lassen sich die Handelswege von Kunstwerken und ihre oft spektakulären Preisentwicklungen verfolgen. Es ergeben sich Einblicke in die Beziehungen zwischen Künstler, Händler und Sammler, in den Produktionsprozess von Kunstwerken und die Entstehung und Lancierung von Kunstrichtungen, wie etwa der Konzeptkunst, die man als Reaktion der Kunst auf ihre eigene Vermarktung verstehen kann, als eine Kunstrichtung, deren wesentliches Programm nicht zuletzt darin besteht, sich ihrer Vermarktung zu entziehen. Gerade für die Kunstentwicklung nach 1945 besitzt das ZADIK Quellen, die (in dieser Konzentration) in keiner anderen Institution vorhanden sind, darunter sehr viele Briefe von Künstlern, zum Teil mit Zeichnungen, Projektskizzen, Skizzen für den Ausstellungsaufbau oder für Installationen in der Galerie. Aus der Happening- und Fluxus-Zeit gibt es viele Künstlerkorrespondenzen, Happening-Partituren, Fotos und andere Dokumente, aus denen sich Aktionen und andere ephemere Kunstwerke rekonstruieren lassen, die sich überwiegend in den Galerien selbst abgespielt haben.



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Im ZADIK recherchiert man, wenn man als Restaurator wissen will, welchen Autolack Anthony Caro für seine Plastiken benutzt hat, hier findet man Baupläne für Arbeiten von Donald Judd, die Entwürfe für Max Ernsts von der Galerie Der Spiegel edierte Histoire naturelle und die gesamte damit verbundene Korrespondenz, Baupläne für die Multiples der Edition MAT, die komplette Geschäftskorrespondenz für die Beuys-Aktion 7000 Eichen, die vollständige Dokumentation der Gründungs- und Entwicklungsgeschichte der weltweit ersten Messe für moderne Kunst, Kunstmarkt Köln 1967, oder etwa - noch dreißig Jahre gesperrt - die Prozessakten der von der Art Cologne ausgeschlossenen Galerien.



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Ziele

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Alle digitalen Projekte des ZADIK haben zum Ziel, die Institution und ihre Bestände bekannt und möglichst leicht nutzbar zu machen.
Begonnen werden soll mit dem online-setzen der Bestandslisten und der Findbücher der einzelnen Bestände. Je nach Zugangsregelung und nach Relevanz sollen Dokumente in digitalisierter Form als Fotos einsehbar sein. Eine komplette Digitalisierung erscheint - unabhängig von den jeweiligen Zugangsbeschränkungen - derzeit unwirtschaftlich und auch nicht sinnvoll.

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Sinnvoll und dringend ist jedoch die digitale Erschließung und online-Veröffentlichung der Fotosammlung. Die Fotosammlung des ZADIK ist, da noch unveröffentlicht, nur wenigen Fachleuten bekannt. Dabei wäre sie eine Fundgrube für Kunst-, Kultur- und Zeithistoriker und Journalisten. Die Fotosammlung umfasst zur Zeit mehr als 300.000 Fotos. Davon sollen nur jene digitalisiert werden, die Künstler bei der Arbeit und in anderen Zusammenhängen porträtieren oder Ausstellungen, Vernissagen, Installationen, Happenings, Performances oder sonstige Kunstereignisse dokumentieren.



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Gerade die Zeit der sechziger und siebziger Jahre, in der sich - etwa in den Bewegungen von Happening und Fluxus - die entscheidenden künstlerischen Entwicklungsschritte in den zahlreichen neu entstandenen (zum Teil non-profit arbeitenden) Galerien ereigneten, ist in besonders reichem Maße vertreten. In diesem Bereich ist auch, bedingt durch den zur Zeit erfolgenden Generationswechsel, in den kommenden Jahren mit großen Zuwächsen zu rechnen. Zunächst sollen ca. 5000 Fotos digitalisiert und ins Internet gesetzt werden, wobei die digitale Verwaltung, Präsentation, Zugangs- und Veröffentlichungsregelung an den Beispielen bereits existierender Bilddatenbanken orientiert werden soll. Die digitale Erschließung des Fotobestandes ist auch deshalb besonders dringend, weil die Benennung der fotografierten Personen und Ereignisse nur durch Zeitzeugen erfolgen kann, die allmählich "wegsterben".

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Neben diesen dringendsten Projekten verfolgt das ZADIK weitere digitale Vorhaben, wie etwa, gemeinsam mit dem sachverwandten Archiv für moderne Kunst Nürnberg, die Einrichtung einer Nationalen Künstlerdatenbank, in welcher sämtliche Dokumente aus den Beständen des Archivs für moderne Kunst Nürnberg und dem ZADIK, die sich auf dem Gebiet der Künstlerdokumentation (jenseits der bloßen bibliothekarischen Dokumentation) vorzüglich ergänzen, aufgelistet und, wenn möglich, online einsehbar gemacht werden sollen.

Digitale Archivierung digitaler Dokumente des Kunsthandels

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Die tägliche Archivarbeit im ZADIK mit den meist papierenen Dokumenten schärft den Blick für die archivarischen Probleme, die sich aus der derzeitigen medialen Revolution ergeben. Große Teile der Geschäfts- und Künstlerkorrespondenz erfolgen heute übers Internet. Vorbei sind die Zeiten, in denen Max Ernst noch kleine Zeichnungen auf seine Briefe malte, ganz zu schweigen von den kalligraphischen Explosionen auf dicken Büttenpapieren von Georges Mathieu - aber demnächst werden die Künstler, wenn sie die neuen Medien besser beherrschen, vielleicht kleine Bilddateien anhängen oder kleine digitale Kunstscherze erfinden.



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Einstweilen aber gehen digitale Korrespondenzen ebenso verloren wie die per E-Mail verschickten Ausstellungseinladungen oder die Homepages der Galerien, die an die Stelle der früheren konventionellen Öffentlichkeitsarbeit auf Papier getreten sind. Aus den Gesprächen mit den Galeristen ergibt sich, dass kaum jemand daran denkt, diese digitalen Dokumente zu archivieren. Hier bemüht sich das ZADIK, ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Archivierung auch der digitalen Geschäftsdokumente zu entwickeln und entwickelt zur Zeit ein Projekt zur zentralen digitalen Archivierung der Homepages der Galerien und Auktionshäuser und zur zentralen digitalen Archivierung der Online-Auktionskataloge.

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Die Findbücher der einzelnen Bestände sind folgendermaßen aufgebaut:
· Kurzer Überblick über den Bestand: Titel, Bestandsnummer, Herkunft, Umfang, Standort
· Verwaltungsinformationen: Erschließungsgeschichte, Zugangsbeschränkungen, Veröffentlichungsrechte, Verbindliche Zitierweise
· Geschichte/Biographie der einliefernden Institution oder Person
· Ausführlicher Überblick über den Inhalt des Bestandes nach der Systematik des Zentralarchivs:
I Einladungen (eigene), Veranstaltungs-Infos
II Kataloge, Publikationen (eigene)
III Plakate (eigene), Werbeträger
IV Geschäftsakten bzw. Korrespondenz (einschließlich Messen)
V Künstlerkorrespondenz (auch Privatkorrespondenz)
VI Geschäftsakten mit nichtspezifischen Institutionen (Verbände, Räte, Städte etc.)
VII Gästebücher, Terminkalender, Journale (auch Adressbücher und Adresskarteien)
VIII Materialsammlung zu Künstlern und Veranstaltungen der Galerie (Ankündigungen, Infos, Werkmappen, auch Preislisten etc.)
IX Manuskripte, Reden, Entwürfe, eigene Artikel, Rundbriefe (auch Korrekturbögen, Andrucke)
X Fotos, einzelne (Eröffnungsfotos, Installationsfotos, Ektas etc.)
XI Videos, Filme, Tonbänder, Disketten, Schallplatten, CDs
XII Druckvorlagen (Klischees, Druckstöcke)
XIII Chronologien, Presse, sonstige Kritiken, kleine Kataloge, Broschüren
XIV Handbibliothek (auch Kataloge anderer)
XV Handbibliothek (auch Kataloge anderer)
XVI Einladungen und Postkarten anderer Institutionen
XVII Materialsammlungen zu Themen, Galerien, Ausstellungen, Orten, Sachverhalten
XVIII Kassenbücher, Buchführung (einzeln), Bilanzen, Kontoauszüge, Steuerliches, Juris
XIX Inventarbücher, Sammlerlisten, -karteien, Außenstände, Preislisten, Provenienzlisten
XX Sonstiges

Autor

Günter Herzog
Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels e.V.
E-Mail: info@zadik.info
Web: http://www.zadik.info

Empfohlene Zitierweise:

Günter Herzog: Das Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels e. V. (ZADIK),
in: zeitenblicke 2 (2003), Nr. 1 [08.05.2003],
URL: <http://www.zeitenblicke.historicum.net/2003/01/herzog/index.html>

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