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  3 (2004), Nr. 3: Inhalt
Anette Baumann
Die Forschungsstelle der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung
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Unsere heutige Sicht auf das Reichskammergericht war lange Zeit durch die am Ideal eines straff organisierten Zentralstaates orientierte Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts geprägt, die vom Reichskammergericht das Bild einer schwerfälligen und oft auch übertrieben spitzfindigen Jurisdiktion in einem dem Untergang geweihten Staatsgebilde vermittelte. Eine Folge davon war, dass sich die Wissenschaft kaum mit den ca. 80.000 Prozessakten beschäftigte. Erschwerend kam hinzu, dass die Akten auf knapp 50 Archive im In- und Ausland verteilt sind. Eine Wende setzte hier erst Mitte der 1970er-Jahre ein, als eine wissenschaftliche Erschließung der Akten begonnen wurde. So war, als im Jahre 1985 interessierte Persönlichkeiten aus Justiz, Forschung und Kommunalpolitik die Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung e. V. gründeten, von Anfang an klar, dass neben einem Reichskammergerichtsmuseum eine Forschungsstelle ins Leben gerufen werden sollte. Sie wird bei ihrer Arbeit durch einen Wissenschaftlichen Beirat unterstützt, der aus Historikern, Rechtshistorikern und Archivaren besteht. Damit ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit gewährt. Den Vorsitz des Wissenschaftlichen Beirats hatte bis zum Jahr 2001 Prof. Dr. Dr. h. c. Bernhard Diestelkamp und seitdem Prof. Dr. Albrecht Cordes, Universität Frankfurt a. M., inne.
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Die Aufgabe der Forschungsstelle besteht darin, die Arbeitsgrundlagen und die Wirkungsgeschichte des Reichskammergerichts in seiner Gesamtheit zu erforschen. Zum Wirken des Gerichts im 17. und 18. Jahrhundert wurde aus allen vorhandenen Prozessakten ein Datenpool von 6.000 Prozessen erarbeitet und ausgewertet. So war es möglich, Aussagen über die geographische Verteilung der Prozessparteien, ihre soziale Herkunft und ihre Streitgegenstände zu machen. Auch die Dauer der Prozesse sowie die Verteilung von erst- und zweitinstanzlichen Verfahren wurden untersucht.
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Ein weiterer Schwerpunkt der Forschungen bildet das Personal am Gericht, hier besonders die Anwaltschaft. Über diese Berufsgruppe war bis jetzt noch kaum etwas bekannt. Beispielhaft an einer Anwaltsdynastie des 18. Jahrhunderts soll die Arbeit am Gericht, ihre Mandanten und ihre Lebensweise in Wetzlar erforscht werden.

Abb. 1

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Gleichzeitig verfolgt die Forschungsstelle das Projekt der Auswertung gedruckter Spruchsammlungen und Relationen, die die Entscheidungsfindung des Gerichts verdeutlichen sollen. Hierzu wird ein Repertorium erstellt.
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Die Forschungsstelle begreift sich daneben als eine Koordinierungsstelle aller Forschenden, die sich mit der Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich befassen. Sie pflegt Kontakte zu in- und ausländischen Universitäten und Institutionen. Im Seminarraum der Forschungsstelle finden zudem in regelmäßigen Abständen interdisziplinäre wissenschaftliche Kolloquien statt. Außerdem bietet die Gesellschaft zweimal im Jahr öffentliche Vorträge an, die in einer eigenen Schriftenreihe veröffentlicht werden.
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Ein besonderes Anliegen ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, der sich im 'Netzwerk Reichsgerichtsbarkeit' zusammengeschlossen hat. Die Forschungsstelle ist Teil des Netzwerkes und unterstützt es inhaltlich und organisatorisch. Die Räume der Forschungsstelle stehen darüber hinaus rechtshistorischen, juristischen und historischen Institutionen für Tagungen, Kolloquien und Seminare zur Verfügung (max. 45 Personen).
Link: http://www.reichskammergericht.de

Autorin:
Dr. Anette Baumann M.A.
Leiterin der Forschungsstelle
der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung
Rosengasse 16
35578 Wetzlar
forschungsstelle@reichskammergericht.de

Empfohlene Zitierweise:

Anette Baumann: Die Forschungsstelle der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 3, [13.12.2004], URL: <Bitte fügen Sie hier aus der Adresszeile des Browsers die aktuelle URL ein.>

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