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  3 (2004), Nr. 3: Inhalt
Anette Baumann
Das Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verzeichnung der Reichskammergerichtsakten
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Eine der Grundlagen für die Erforschung der Wirkung des Reichskammergerichts bilden die rund 80.000 heute noch erhaltenen Prozessakten. Anfangs begleiteten die Akten das Gericht, später wurden sie an den jeweiligen Gerichtsorten untergebracht. Nach der Auflösung des Reichskammergerichts führte der Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg 1808 die Zusammenführung aller Akten, die teilweise wegen Platzmangels nach Aschaffenburg ausgelagert waren, durch. Im Jahre 1815 wurde Wetzlar preußisch. Die Deutsche Bundesversammlung als Rechtsnachfolgerin des Reiches übertrug drei Jahre später Preußen die Verantwortung für das Archiv. Ab 1847 erfolgte im Auftrag der Bundesversammlung die vollständige Aufteilung der Prozessakten an die Rechtsnachfolger in den einzelnen Bundesstaaten. Dabei wurde aus den Archivalien, die keiner Provenienz zugeordnet werden konnten, sowie den Personalakten und Visitationsabschieden der sogenannte 'Untrennbare Bestand' gebildet, der sich heute im Bundesarchiv in Koblenz befindet.

Abb. 1

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Schon während und nach der Verteilung der Akten gab es Stimmen, die das Auseinanderreißen des Aktenbestandes als großen Fehler anprangerten. Ende der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts erwachte die Einsicht, dass die Prozessakten hervorragende Quellen für die Verfassungsgeschichte darstellen. Vor allem die wissenschaftlichen Anstöße durch Winfried Schulze und seine Schüler ebenso wie die von Bernhard Diestelkamp 1976 erschienene Antrittsvorlesung machten die Archivreferentenkonferenz der Länder auf Reichskammergerichtsakten aufmerksam. Sie setzte eine Kommission ein, zu der die Rechtshistoriker Bernhard Diestelkamp und Filippo Ranieri berufen wurden. Sie erarbeiteten verbindliche Verzeichnungskriterien, die so genannten 'Frankfurter Grundsätze'. Sie bilden heute das Gerüst für alle neu anzulegenden Findbücher. Darin ist festgelegt, dass die Namen von Kläger und Beklagtem festgehalten werden müssen, ebenso die Prozessart, die Prokuratoren (Anwälte) der Parteien, die Vorinstanzen bei Appellationsprozessen, Streitgegenstand, Prozessbeginn und -ende sowie Darin-Vermerke. Auf der Basis dieser gemeinsamen Verzeichnungsgrundsätze gelang es, die Deutsche Forschungsgemeinschaft zur Finanzierung eines Langzeitprojekts zur Neuverzeichnung der einzelnen Teilbestände zu gewinnen. Dabei wurden und werden die so entstandenen neuen Repertorien von der jeweiligen Länderarchivverwaltung publiziert, wobei sie eine fortlaufende Nummer des 'Inventars der Akten des Reichskammergerichts' erhalten.

Abb. 2

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Die bisher erschienenen Bände werden jeweils am Schluss der Publikation aufgeführt. Als Bände Nr. 1-4 nahm man die Repertorien der schon vor den Frankfurter Grundsätzen verzeichneten Bestände von Koblenz, Münster, Wolfenbüttel und Stade mit in das Gesamtinventar auf. Der erste Band des Gesamtinventars, der nach den gemeinsamen Verzeichnungsrichtlinien erstellt wurde, war Band Nr. 5 von Albrecht Eckhardt über den Oldenburger Bestand. Inzwischen sind die norddeutschen Teilbestände bis auf Hannover vollständig neu verzeichnet. Im süddeutschen Raum sind in Bayern und Baden-Württemberg, vor allem auch wegen der Überfülle des Materials, die Verzeichnungen noch nicht abgeschlossen.

Abb. 3

Anmerkungen
[1] Bernhard Diestelkamp: Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, in: Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte, Festschrift für Adalbert Erler, Aalen 1976, 435-480.
[2] Abgedruckt als Anlage zu Martin Ewald: Inventarisierung von norddeutschen Beständen des Reichskammergerichts, in: Der Archivar 33 (1980), 482ff.
[3] Eine aktuelle Liste aller Repertorien befindet sich in: Inventar der Akten des Reichskammergerichts 27. Inventar der Mecklenburger Reichskammergerichtsakten. Teil 1 Akteninventar, Teil 2 Indices; bearbeitet von Hans Konrad Stein (= Findbücher, Inventar und kleine Schriften des Landeshauptarchivs Schwerin 6), Schwerin 2001.

Autorin:
Dr. Anette Baumann M.A.
Leiterin der Forschungsstelle
der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung
Rosengasse 16
35578 Wetzlar
forschungsstelle@reichskammergericht.de

Empfohlene Zitierweise:

Anette Baumann: Das Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verzeichnung der Reichskammergerichtsakten, in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 3, [13.12.2004], URL: <Bitte fügen Sie hier aus der Adresszeile des Browsers die aktuelle URL ein.>

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