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  3 (2004), Nr. 3: Inhalt
Stefan Ehrenpreis
Voten und Relationen des Reichshofrats
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Wie viele kollegial verfasste frühneuzeitliche Regierungs- und Justizorgane, entschied auch der Reichshofrat die an ihn gelangenden Fälle auf der Grundlage von Gutachten, die aus den schriftlichen Prozesseingaben der Parteien interpretierend-einordnende Schlüsse zogen und sie auf die Rechtsanwendung hin auslegten. Mit den bei großen und reichspolitisch wichtigen Prozessen mitunter sehr arbeitsaufwendigen Gutachten waren juristisch besonders befähigte Reichshofräte beauftragt, die so genannte Referentenstellen innehatten, welche mit einem höheren Jahresgehalt versehen waren.

Abb. 1

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Die Gutachten wurden in zahlreichen kleinen Fällen mündlich erstattet und fanden nur im Sitzungsprotokoll ihren Niederschlag. In größeren und wichtigen hingegen erfolgten die Gutachten immer schriftlich, wurden in den Sitzungen ausführlich vorgestellt und diskutiert und anschließend den Akten beigelegt. Diese Texte werden als Relationen bezeichnet. Sie beinhalten zumeist eine zusammenfassende Darstellung des Falles bzw. der Prozesseingaben, die rechtliche Bewertung durch den leider oft ungenannten Referenten und einen Vorschlag, welche Maßnahmen der Reichshofrat konkret beschließen sollte.
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In seinen Sitzungen beschloss der Reichshofrat in jedem Einzelfall eine zu ergreifende konkrete Vorgehensweise, die aus der rechtlichen Auslegung und der einzuschlagenden Umsetzungsstrategie zur Lösung des Parteienkonflikts resultierte. Auch hier wurden bei kleineren Fällen die Entscheidungen nur mündlich diskutiert und im Sitzungsprotokoll festgehalten, in größeren und wichtigen jedoch in einem gesondert nach der Sitzung verfassten, ausführlich begründeten schriftlichen Votum dargelegt. Diese Voten, die meistens von allen anwesenden Reichshofräten unterzeichnet wurden, dienten dem Reichshofrat auch zur eigenen internen Feststellung der Argumentation in langwierigen Fällen, in denen noch Jahre später die Entscheidungsfindung nachvollziehbar sein sollte. In Hauptsache dienten die Voten jedoch zur Vorlage des Falles beim Kaiser, der sich als oberster Gerichtsherr, in dessen Namen die Entscheidungen verkündet wurden, ein persönliches Entscheidungsrecht vorbehielt. Ein 'votum ad imperatorem' wurde im Sitzungsprotokoll vermerkt und in seinen Grundzügen charakterisiert, dann vom Reichshofsekretär ausgefertigt und den Reichshofräten zur Bestätigung und Unterschrift vorgelegt. Die Ausfertigung ging an den Kaiser, der sich die Voten durch den Reichsvizekanzler oder den Reichshofsekretär vortragen oder sie im Geheimem Rat beraten ließ, um die vom Reichshofrat vorgeschlagene Vorgehensweise zu bestätigen oder abzuändern.
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In den Reichshofratsordnungen findet sich die Formulierung, die Beschlüsse des Reichshofrats sollten in den wichtigsten Fällen oder bei Unstimmigkeiten unter den Reichshofräten dem Kaiser als 'votum ad imperatorem' vorgelegt werden. Tatsächlich wurden jedoch die Entscheidungen in weit größerem Ausmaß dem Kaiser vorgetragen, als diese restriktive Bestimmung vermuten lässt. Dabei waren aber verschiedene Formen üblich; die elaborierte Form als ausführliches, von allen Reichshofräten unterzeichnetes Votum findet sich nur in solchen Fällen, in denen das Kollegium den Fall selbst als reichspolitisch heikel empfand oder in Fällen, an denen der Kaiser ein persönliches Interesse zeigte.
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Sowohl die Relationen als auch die Voten finden sich im heutigen Bestand 'Reichshofrat' des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien an zwei Stellen wieder: zum einen im gesonderten Bestand 'Voten' und 'Relationen', in denen jeweils die erhaltenen Stücke nach dem Klägernamen alphabetisch sortiert sind. Die in diesen beiden Serien überlieferten Stücke entstammen meist der zweiten Hälfte des 17. und dem 18. Jahrhundert und sind wohl aus den Prozessaktenserien entnommen worden, die im 17bändigen Bandkatalog verzeichnet sind (Decisa, Denegata recentiora, Obere Registratur). Zum andern sind zahlreiche Relationen und Voten nach wie vor in der Aktenüberlieferung aller Prozessserien enthalten und nur bei Durchsicht dieser Prozessakten auf zu finden.
Literatur
Peter Leyers: Reichshofratsgutachten an Kaiser Josef II., Jur. Diss. Bonn 1976.

Autor:
Dr. Stefan Ehrenpreis
Humboldt-Universität Berlin
Institut für Geschichtswissenschaften
Unter den Linden 6
10099 Berlin
EhrenpreisS@geschichte.hu-berlin.de

Empfohlene Zitierweise:

Stefan Ehrenpreis: Voten und Relationen des Reichshofrats, in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 3, [13.12.2004], URL: <Bitte fügen Sie hier aus der Adresszeile des Browsers die aktuelle URL ein.>

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