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  3 (2004), Nr. 3: Inhalt
Eva Ortlieb / Markus Senn
Die Formierung des Reichshofrats unter Karl V. und Ferdinand I. (1519-1564)
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Obwohl der Begriff Reichshofrat, so weit bisher bekannt, zum ersten Mal im Jahr 1559 erscheint (Hofratsordnung Kaiser Ferdinands I.), wurde damals keine neue Behörde geschaffen. Ferdinand regelte vielmehr die Arbeit seines bestehenden Hofrats, über den er bereits als Statthalter des Kaisers im Reich (seit 1521/22) und Römischer König (seit 1531) verfügt hatte. Auch Kaiser Karl V. besetzte, wenn er sich im Reich aufhielt, einen Hofrat, der die Agenden des späteren Reichshofrats verfolgte. Der seit 1559 zunehmend auch als solcher bezeichnete 'Reichshofrat' hatte sich also in der Regierungszeit Karls und Ferdinands herausgebildet und als kaiserliche Behörde mit ganz bestimmten richterlichen und administrativen Aufgaben etabliert.
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Diese Phase bildet den Gegenstand des Forschungsprojekts 'Die Formierung des Reichshofrats (Karl V., Ferdinand I.)', das von der Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs (KRGÖ) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) getragen, von deren Obmann Prof. Dr. iur. DDr. h.c. Werner Ogris geleitet und vom österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanziert wird.
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Das Projekt basiert primär auf den Akten des Archivs des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Die Überlieferung setzt im wesentlichen mit dem Jahr 1519 ein. Sie besteht aus den Akten der vom Hofrat Kaiser Karls V. und Kaiser Ferdinands I., aber auch der bis 1556/1558 vom Hofrat König Ferdinands geführten Verfahren.
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Zu unterscheiden sind dabei die Serien der Judizialregistratur - also die als Gerichtsakte im eigentlichen Sinn abgelegten Vorgänge - und die Serien der Gratialregistratur, die die Tätigkeit des Hofrats als Verwaltungsbehörde (Lehens- und Privilegienwesen, Standes- und Gnadensachen) dokumentieren. Darüber hinaus haben sich Protokollbände aus dem Hofrat Kaiser Karls V. erhalten. Diese trotz zahlreicher Lücken reiche und wertvolle Überlieferung, die bisher noch von keinem der großen Quellenerschließungsunternehmen zur Geschichte Karls und Ferdinands (Politische Korrespondenz Kaiser Karls V., Familienkorrespondenz Kaiser Ferdinands I.) berücksichtigt worden ist, soll im Rahmen des vorliegenden Projekts ausgewertet werden. Daneben sind auch Studien in anderen Archiven (u.a. weitere Bestände im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Hofkammerarchiv und Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien, Tiroler Landesarchiv Innsbruck, Archives du Royaume Bruxelles, Archivo General de Simancas) geplant.
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Im Mittelpunkt des Projekts steht die Frage nach der konkreten Tätigkeit der Hofräte. Welche Aufgaben des Reichsoberhaupts wurden in welchem Ausmaß mittels des Hofrats wahrgenommen? Welche Personen und Institutionen wandten sich an den Kaiser bzw. seinen Statthalter oder waren von kaiserlichen bzw. königlichen Verfügungen betroffen? Wie sah die Zusammenarbeit der Hofräte Karls und Ferdinands konkret aus?
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Das Projekt interessiert sich neben der Arbeit der Hofräte bzw. des Reichshofrats als Gericht im Besonderen auch für ihre administrativen Funktionen. Auf diese Weise soll nicht nur ein Beitrag zur Geschichte des Reichshofrats, sondern auch zur Herrschafts- und Verwaltungsgeschichte der habsburgischen Brüder Karl V. und Ferdinand I. geleistet werden.
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Indem das FWF-Projekt 'Die Formierung des Reichshofrats (Karl V., Ferdinand I.)' einen wichtigen Quellenbestand systematisch erfasst und auswertet, eröffnet es Perspektiven für vergleichende Studien auf europäischer Ebene. Insofern leistet das Forschungsvorhaben Grundlagenforschung.
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Homepage mit näheren Informationen und Kontaktadressen:
www.univie.ac.at/rechtsgeschichte/reichshofrat
Literatur
Alfred Kohler: Ferdinand I. 1503-1564. Fürst, König und Kaiser, München 2003.
Ders.: Karl V. Eine Biographie, 2. Aufl., München 2000.
Ernst Laubach: Ferdinand I. als Kaiser. Politik und Herrschaftsauffassung des Nachfolgers Karls V., Münster 2001.
Eva Ortlieb: Vom königlichen/kaiserlichen Hofrat zum Reichshofrat. Maximilian I., Karl V., Ferdinand I., in: Bernhard Diestelkamp (Hg.): Das Reichskammergericht. Der Weg zu seiner Gründung und die ersten Jahrzehnte seines Wirkens (1451-1527) (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 45), Köln / Weimar / Wien 2003, 221-290.
Gerhard Rill: Fürst und Hof in Österreich von den habsburgischen Teilungsverträgen bis zur Schlacht von Mohács (1521/22 bis 1526), 2 Bde., (= Forschungen zur Europäischen und Vergleichenden Rechtsgeschichte 7), Wien / Köln / Weimar 1993-2003.
Eduard Rosenthal: Die Behördenorganisation Kaiser Ferdinands I. Das Vorbild der Verwaltungsorganisation in den deutschen Territorien, in: Archiv für österreichische Geschichte 69 (1887), 51-316.
Wolfgang Sellert: Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat im Vergleich mit den gesetzlichen Grundlagen des reichskammergerichtlichen Verfahrens (= Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte N.F. 18), Aalen 1973.
Fritz Walser: Die spanischen Zentralbehörden und der Staatsrat Karls V. Grundlagen und Aufbau bis zum Tod Gattinaras, bearb. von Rainer Wohlfeil (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, philosophisch-historische Klasse, Folge 3, 43), Göttingen 1959.
Gustav Winter: Der Ordo consilio von 1550. Ein Beitrag zur Geschichte des Reichshofrathes, in: Archiv für österreichische Geschichte 79 (1893), 101-126.

Autoren:
Dr. Eva Ortlieb
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs
Dr. Ignaz-Seipel-Platz 2
A-1010 Wien
eva.ortlieb@oeaw.ac.at

Mag. Markus Senn
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs
Dr. Ignaz-Seipel-Platz 2
A-1010 Wien
markus.senn@oeaw.ac.at

Empfohlene Zitierweise:

Eva Ortlieb / Markus Senn: Die Formierung des Reichshofrats unter Karl V. und Ferdinand I. (1519-1564). , in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 3, [13.12.2004], URL: <Bitte fügen Sie hier aus der Adresszeile des Browsers die aktuelle URL ein.>

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