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  3 (2004), Nr. 3: Inhalt
Barbara Staudinger
Die Resolutionsprotokolle des Reichshofrates (RHR)
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Aufgrund zahlreicher Aktenausscheidungen sind die Judizial- und Gratialakten des Reichshofrats nicht mehr vollständig erhalten. Als Grundlage für statistische Auswertungen der reichshofrätlichen Tätigkeit sind daher die verschiedenen Reihen von Protokollbüchern heranzuziehen, von denen besonders die Resolutionsprotokolle (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, RHR, Prot. Res. XVI/1-82, XVII/1-310, XVIII/1-240 XIX, 1-12) hervorzuheben sind, die ab 1544 in einer weitgehend vollständigen Serie vorliegen und Aufschluss über nahezu alle am Reichshofrat verhandelten Fälle geben. Daneben bieten sie einen Einblick in die konkrete Arbeit der Behörde: In den Protokollbüchern sind unter dem jeweiligen Verhandlungsdatum und der Auflistung der anwesenden Reichshofräte die Prozessparteien, zumeist eine kurze Schilderung des Streitgegenstandes (in unterschiedlicher Ausführlichkeit) sowie die reichshofrätlichen Beschlüsse der einzelnen Sitzungen vermerkt, so dass im Allgemeinen ein guter Überblick sowohl über die Tätigkeit des Reichshofrats als auch über die Verfahren selbst und deren grober Verlauf (Instanzenzug, Einsetzen von Kommissionen, Beschlüsse, Urteil) gewonnen werden kann. Schwierigkeiten bei der Auswertung sind vor allem auf die oft nur dürren Anmerkungen zum Streitgegenstand sowie auf mangelnde Angaben zu den Prozessparteien zurückzuführen. Trotz der dadurch beschränkten Informationsbasis stellen die Resolutionsprotokolle die vollständigste Quelle zu den am Reichshofrat verhandelten Verfahren dar; bei den Akten ist mit einer Verlustquote bis zu über 50 % zu rechnen.
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Die Resolutionsprotokolle sind nach Jahren geordnet; zu einem Jahr existieren zumeist mehrere Bände, die sich zeitlich überschneiden bzw. (vor allem ab dem 17. Jahrhundert) identisch sind. Zum einen handelt es sich hierbei um Duplikate, zum anderen können einzelne Bände auch mehr oder weniger unterschiedliche Aufzeichnungen beinhalten. Im 16. Jahrhundert sind sowohl Sekretärs- als auch Referentenprotokolle in der Reihe der Resolutionsprotokolle erhalten, auf die inhaltliche Überschneidungen zurückzuführen sind. Die Protokollbände sind nach lateinischer und deutscher Expedition getrennt, nicht jedoch nach 'Judicialia' und 'Gratialia'. Daher finden sich in den Resolutionsprotokollen neben den Verfahren, mit denen sich der Reichshofrat in seiner Funktion als Gericht auseinander zusetzen hatte, auch alle Gratial- und Lehensangelegenheiten, die diese Behörde beschäftigten. Neben Belehnungen sind dies z. B. Ansuchen um kaiserliche Privilegien bzw. deren Konfirmation oder Extension, Ansuchen um Standeserhöhungen, Schutz-, Pass-, oder Geleitbriefe etc. Die Protokollbücher spiegeln damit die gesamte Bandbreite der Tätigkeit des Reichshofrats wider. Ebenfalls in die Reihe der Resolutionsprotokolle eingeordnet sind die erhaltenen Protokollbücher des Geheimen Rates.
Literatur
Tobias Freitag / Nils Jörn: Zur Inanspruchnahme der obersten Reichsgerichte im südlichen Ostseeraum 1495-1806, in: Nils Jörn / Michael North (Hg.), Die Integration des südlichen Ostseeraums in das Alte Reich (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 35), Köln / Weimar / Wien 2000, 39-141.
Lothar Groß: Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei 1559-1806 (= Inventare österreichischer staatlicher Archive V. Inventare des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs 1), Wien 1933.
Ders.: Reichsarchive, in: Inventare Österreichischer Staatlicher Archive V: Inventare des Wiener Haus-, Hof und Staatsarchivs 4: Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs. Aufgebaut auf der Geschichte des Archivs und seiner Bestände, hg. von L. Bittner, Bd. 1, Wien 1936, 273-394.
Ders.: Reichshofratsprotokolle als Quellen niederösterreichischer Geschichte, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich NF 26 (1936), 119-123.
Oswald von Gschließer: Der Reichshofrat. Bedeutung und Verfassung, Schicksal und Besetzung einer obersten Reichsbehörde 1559-1806 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte des ehemaligen Österreich 33), Wien 1942, ND Nendeln 1970.
Eva Ortlieb: Im Auftrag des Kaisers. Die kaiserlichen Kommissionen des Reichshofrats und die Regelung von Konflikten im Alten Reich (1637-1657) (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 38), Köln / Wien / Weimar 2001.
Dies.: Reichshofrat und kaiserliche Kommissionen in der Regierungszeit Kaiser Ferdinands III. (1637-1657), in: Wolfgang Sellert (Hg.), Reichshofrat und Reichskammergericht. Ein Konkurrenzverhältnis (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 34), Köln / Weimar / Wien 1999, 47-81.
Barbara Staudinger: Die Resolutionsprotokolle des Reichshofrats als Quelle zur jüdischen Geschichte, in: Anette Baumann / Siegrid Westphal / Stephan Wendehorst / Stefan Ehrenpreis (Hg.), Prozessakten als Quelle. Neue Ansätze zur Erforschung der Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 37), Köln / Weimar / Wien 2001.
Dies.: Die Reichshofratsakten als Quelle zur Geschichte der österreichischen und böhmischen Länder, in: Josef Pauser / Martin Scheutz / Thomas Winkelbauer (Hg.), Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.-18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsbd. 44), Wien / München 2004, 327-336.
Dies.: Juden am Reichshofrat. Jüdische Rechtsstellung und Judenfeindschaft am Beispiel der österreichischen, böhmischen und mährischen Juden 1559-1670. Ungedr. Univ. Diss., Wien 2001.

Autorin:
Dr. Barbara Staudinger
Institut für Geschichte der Juden in Österreich
Dr. Karl Renner-Promenade 22
A-3100 St. Pölten
barbara.staudinger@univie.ac.at

Empfohlene Zitierweise:

Barbara Staudinger: Die Resolutionsprotokolle des Reichshofrates (RHR), in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 3, [13.12.2004], URL: <Bitte fügen Sie hier aus der Adresszeile des Browsers die aktuelle URL ein.>

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