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  3 (2004), Nr. 3: Inhalt
Stephan Wendehorst
Notare und Notariat
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Die in der Frühen Neuzeit von Reichsständen erlassenen Notariatsordnungen haben die bis zum Ende des Alten Reichs anhaltende Bedeutung von Kaiser und Reich für die öffentlichen Notare einerseits und deren Rolle für das Funktionieren des Reichs als Rechtssystem andererseits in den Hintergrund treten lassen. Mit der Konsolidierung der Landesherrschaften schien zwangsläufig auch die Territorialisierung des kaiserlichen Notariats einherzugehen. Entgegen dieser Annahme kann, besonders in Reichs- bzw. Freien Städten wie Frankfurt oder Hamburg, nicht von einer Ablösung des kaiserlichen durch ein landesherrliches Notariat gesprochen werden, sondern eher von einer Verankerung vor Ort und einer parallelen Einbindung in den Reichszusammenhang. Die Einbindung der Notare in das Rechtssystem des Reichs lässt sich etwa an ihrer Tätigkeit im Rahmen der Gerichtsbarkeit der beiden obersten Reichsgerichte zeigen, aber auch an der Vorbildfunktion der kaiserlichen Notariatsordnung von 1512 und des darin enthaltenen Katalogs von Prüfungsfragen. Mit den territorialen Notariatsordnungen hatten die Landesherrn zwar die Kontrolle der Zulassung zum Notariat und die Überwachung der Tätigkeit der Notare an sich gezogen, das Anforderungsprofil allerdings war weitgehend identisch geblieben.
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Es folgen einige der 55 Fragen des Prüfungskatalogs 'Des Kaisers Maximilian I. Ordnung, wie die offenen Notarien ihr Amt ueben sollen, auffgerichtet zu Coelln, A. 1512 mit angehaengten Requisitis, wann einer ein Notarius Immatriculatus am Kayserlichen des H. Roemischen Reichs Cammer-Gericht zu Wetzlar werden will, auch denen Articuln, worueber sie bey ihrem Examine gemeiniglich befragt werden, wie er wiedergegen ist in Johann Christian Lünig, Das Teutsche Reichs-Archiv, in welchem zu finden, I. Desselben Grund-Gesetze und Ordnungen als: die Güldene Bull, der Religions- und Land-Friede, [...]; II. Die merckwürdigsten Recesse, Concordata, Vergleiche, Verträge, Erb-Verbrüder- und Vereinigungen, Pacta und Bündnisse [...]; III Jetzt höchst-hoch- und wohlermeldter Chur-Fürsten, Fürsten und Stände des Heil. Römischen Reichs sonderbare Privilegia und Freyheiten, auch andere Diplomata [...] dann ferner unterschiedene Documenta, welche zur Erläuterung des teutschen Reichs-Staats nützlich sind', Leipzig 1713, 66-68:
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Examen Notariorum immatriculandorum. Fuenff und Funffzig Fragen/so dem/so sich zu Speyer immatriculieren laest/gemeiniglich pflegen vorgehalten werden
1. Sein Name? Quodnomen

2. Seine Eltern: Parentes

3. Seine Heimat und Wohnstadt? Patria et Domicilium

4. Ob er ehelich geboren? An legitime natus?

5. Ob er frey oder Leibeigen? An liber & ingenuus, an servus?

6. Wie alt? Quot habeat annos?

7. Was Religio? Augsburg - oder Catholisch? Cuius sit Religionis.

8. Ob er studuiert/wo/wie lang? An studiis operam dederit, uni locorum & quamdiu

9. Ob er auch in den Rechten studirt oder graduirt? An peritus studii Juris, & num persona graduata.

10. Von weme/ und in welchem Jahre er zum Notarien creiert sey? A quo, & quo Anno in Notarium creatus

...

23. Was fuer wesentliche Stuecke erfordert werden zu einem richtlichen Proceß? Quot sint substantialia processus, & termini accidentales.

24. Was da sey eine Ladung/samt derselben Inhalt? Quid citatio & ejus requisitum.

25. Ob er auch fleißig gelesen habe/und verstehe die Cammer-Gerichts-Ordnung/part. I.tit. 38.39 an den Orten/da beschrieben wird/wie und welcher Gestalt die Proceß sollen exequiret werde? Num diligenter perlegerit Ordinationem Camerae Imper. & titulum de exequendis processibus.

26. Wie man soll einem Churfuersten/Fuersten/und Fuerstmaeßigen die Ladung und andere Proceß verkuendigen/da er inheimisch waere oder nicht? Quomodo citationes & processus Principibus & aliis denunciari & insinuandi debeant.

27. Item einem Praelaten als Abten/Probst und Abtißin? Praelatis, Abbati, Abbatissae quomodo.

28. Item einem Grafen/Freyherren und Herrn? Comitibus, Baronibus quomodo processus insinuandi sint.

29. Item Buergermeister und Rath einer Stadt oder Flecken? Consulibus & Senatoribus quomodo.

30. Item einer gantzen Gemeindt? Universitatis

31. Item gantzen Gericht? Judicio universo quomodo.

32. Item einer Privat-Person/die waere zu Hauß oder nicht? Privatae personae sive domi sit, necne, quomodo.

33. Wie die Ladung durch Edict soll exequiret werden? Quae sit citationum per Edictum executio.

...

36. Was eine Appellation sei? Quid Appellatio

37. Wie man soll von einem Bey- oder End-Urtheil appelliren? Quomodo appellandum à definitiva & interlocutoria.

38. Wie die Insinuation der Appellation durch ein Notarium geschehen soll? Quomodo insinuatio appellationis per Notarium fieri debeat.

39. Was ein Testament sey: quid sit Testamentum.

40. Und wie viel Species dessen sind? Quot species Testamenti.

41. Wie ein Testament in Schrifften soll aufgerichtet werde? Quomodo Testamentum in Scriptis ordinari debeat.

...

55. Item ob der Notarius moege jemand anders ein Instrument mittheilen/dann denen zwischen welchen die Contract und Haendel beschlossen werden? Licitum ne sit Notario alteri, cujus non interest, Instrumenti copiam facere.

Literatur
Vgl. Stephan Wendehorst: Zwischen Kaiser und Reichsständen. Das öffentliche Notariat in der frühen Neuzeit - Einige Vorüberlegungen, in: Anette Baumann / Peter Oestmann u.a. (Hg.), Reichspersonal. Funktionsträger für Kaiser und Reich, Köln / Weimar / Wien 2003, 343-351.

Autor:
Dr. Stephan Wendehorst
Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur e.V.
Goldschmidtstr. 28
04103 Leipzig
wendehorst@dubnow.de

Empfohlene Zitierweise:

Stephan Wendehorst: Notare und Notariat, in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 3, [13.12.2004], URL: <Bitte fügen Sie hier aus der Adresszeile des Browsers die aktuelle URL ein.>

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