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Wenn man nach den Faktoren fragt, die das Handeln, die Lebenswege und die gesellschaftliche Existenz des Adels in der Frühen Neuzeit entscheidend prägten, gerät bald ein zentraler Wert in den Blick, der geradezu als "verhaltensleitender Code" wirkte: gemeint ist die Ehre oder Reputation. Definiert als "Würde/ Fürtreffligkeit/ Hoheit/ Ansehen und Stand" (1710), [1] später als "Ansehen und guter Leumund, Lob und Wohlgefallen, […] wornach die meisten Menschen streben, und darüber sonderlich die, so in höherm Stande und Würden sind, vornemlich eifern" (1742), [2] strahlte die Reputation in zwei Richtungen aus. Einerseits repräsentierte sie in der Selbstdarstellung nach außen hin die gesellschaftliche Stellung, machte deutlich, wer man war und für wen man gehalten werden wollte. Andererseits bestimmte sie in der Fremdwahrnehmung von außen den Ort, an den man von anderen – vor allem anderen Adeligen – gestellt wurde. Die Reputation konnte zu- und abnehmen, sie konnte verloren gehen, und war, wenn dies geschehen war, nur schwerlich wieder zu erlangen.

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Ausgehend von dem Befund, dass die Reputation in der ständischen Gesellschaft ein zentraler verhaltensleitender Wert war, werden im folgenden Beitrag Entscheidungssituationen in den Blick genommen, in denen die Bedeutung der Reputation als "verhaltensleitender Code" [3] einer Generation des seit dem 13. Jahrhundert in Schwaben ansässigen Hauses der Grafen bzw. Fürsten von Fürstenberg deutlich wird (womit keineswegs gesagt sein soll, dass die Reputationswahrung nur in dieser Generation von Bedeutung war). Zu fragen ist damit gleichzeitig nach den wechselseitigen Bedingtheiten und Beziehungen derjenigen Faktoren, die die soziopolitische Position einer Familie wie Fürstenberg neben (und zusammen mit) der Reputation determinierten. Indem als Faktoren in diesem Sinne die finanziellen Ressourcen des Hauses und die Karrieren der Grafen bestimmt werden, ergibt sich ein Kategoriendreieck – Geld, Reputation, Karriere –, das von dem lebensweltlichen Zusammenhang zwischen Wertvorstellungen (Mentalitäten) und soziopolitischer Praxis, zwischen kultureller Prägung und gesellschaftlichem Handeln ausgeht.

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Diese Beobachtungen sollen an einigen Stationen des Lebensweges eines Mannes entfaltet werden, der einer Generation von sieben, zwischen 1661 und 1669 geborenen Grafen bzw. Fürsten des Hauses Fürstenberg angehörte. [4] Das der kaiserlichen Klientel angehörende Haus erlebte in dieser Zeit einen bemerkenswerten Aufstieg, der sich nicht zuletzt in der Karriere des Grafen und späteren Fürsten Froben Ferdinand von Fürstenberg-Meßkirch (1664-1741) manifestierte. Nach einer Verwendung am Reichshofrat und diplomatischen Missionen wurde er zum Reichskammerrichter ernannt, erhielt den höchsten vom Kaiser zu vergebenden weltlichen Ritterorden, den Orden vom Goldenen Vlies, wurde in den Fürstenstand erhoben und beschloss seine Laufbahn als Vertreter des Kaisers am Regensburger Reichstag. Nimmt man die Karrieren hinzu, die seine Brüder und Vettern in den Klientelnetzen (und unter der Protektion) des habsburgischen Kaisers in der Kirche und beim Militär durchliefen, wird die enge Bindung an den Wiener Hof evident. Der Eindruck von der engen Beziehung zur Adelsgesellschaft am kaiserlichen Hof sowie der vielpoligen Verankerung in der kaiserlichen Klientel verstärkt sich, wenn man die Heiratsverbindungen besagter Generation betrachtet, die das Haus Fürstenberg mit den Sulz, Schwarzenberg, Sinzendorf und Königsegg-Rothenfels verband.

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Ausgehend von einer günstigen Quellenlage, werden im folgenden die Motive rekonstruiert, die Froben Ferdinand für sich als Person und gleichzeitig als Teil des Hauses Fürstenberg geltend machte, als es um die Übernahme der Ämter als Reichskammerrichter (1714) und Prinzipalkommissar (1725) einerseits und die Erhebung in den Fürstenstand (1664-1716) andererseits ging. Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei besonders auf die Spielräume, die das Handeln in der Spannung zwischen der Verwirklichung wünschenswerter Optionen und den zugrundeliegenden finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten bestimmte.

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Nachdem Froben Ferdinand Graf von Fürstenberg bereits zwei Jahrzehnte als Diplomat, vor allem bei Missionen im südwestdeutschen Raum, gewirkt hatte, stellte die von Wien vorgesehene Ernennung zum Reichskammerrichter ebenso eine Auszeichnung für einen geschickten Vertreter kaiserlicher Interessen dar, wie sie einen Distinktionsgewinn in der adeligen Welt bedeutete. Gleichwohl prüfte Froben Ferdinand in den drei Monaten, die zwischen dem Stellenangebot und der Publikation des Ernennungsdekrets lagen, das Für und Wider einer Annahme des Amtes sehr genau. In seiner eigenen, "Rationes pro et contra" überschriebenen Ausarbeitung [5] hob er zunächst darauf ab, es sei offenbar eine "disposition Gottes", dass ihm erneut ohne sein "geringstes gesuech" dieses Amt angetragen würde, nachdem er bereits 1711 eine entsprechende Anfrage erhalten habe. Der Wille Gottes war um so gewisser zu unterstellen, weil die "administration der justiz" ein Gott besonders wohlgefälliges Werk darstelle und Froben Ferdinand in Wetzlar viele nützliche Dienste leisten könnte, die diesem Zweck dienten. Mit Blick auf die zu gewinnende Reputation sprach für die Stelle, dass sie als "die importantiste und ahnsehentlichiste Charge, so ein Reichs Graf in dem Römischen Reich besitzen khönne", anzusehen sei. Gleichzeitig verband sich mit Antritt des Amtes ein Vorteil für den "gesambten Reichs-Grafen Standt", da seit langer Zeit kein Standesgenosse mehr am Reichskammergericht gewirkt habe. Als weiteres Argument sprach für die Annahme der Stelle, dass Froben Ferdinand mit seinem Status als Diplomat unzufrieden war (er hatte zuletzt als Gesandter bei den assoziierten Kreisen gedient), einerseits, weil die Kommissionen beschwerlich und teuer waren (und die Kosten nur in geringem Maße ersetzt wurden), zum anderen, weil er keine Aussichten hatte, im diplomatischen Dienst aufzusteigen. Anders war das in Wetzlar, wo Froben Ferdinand seine "übrige lebenß zeith" dienen könnte. Dadurch würde er auch den Hofintrigen entgehen, die ihn als Diplomaten verdrießlich stimmten. Die Stelle würde dann nicht nur ihm nützen, sondern auch der (noch zu erwartenden männlichen) Nachkommenschaft und dem gesamten Haus Fürstenberg. Schließlich war zu bedenken, wie der Kaiser auf die Ablehnung des Angebots reagieren würde.

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Diesen acht Argumenten, die für die Annahme des Postens sprachen, wurden fünf Gründe entgegengestellt, die die Ablehnung nahelegten. Zunächst war Froben Ferdinand nicht angetan von der Aussicht, sein Lebtag an einen dem Vernehmen nach sehr unangenehmen Ort wie Wetzlar gebunden zu sein. Die weite Entfernung von Schwaben würde zur Folge haben, dass die Verwaltung der Herrschaften und damit die "von einer ieden obrigkeit denen underthanen schuldige […] sorgfältige administration der Justiz" leiden würde. Die fürstenbergischen Herrschaften würden ohnehin in Mitleidenschaft gezogen, weil die Besoldung in Wetzlar lediglich 6.000 Reichstaler ausmachen würde, so dass ein Großteil des Unterhalts mit dem Privatvermögen bestritten werden müsste. Ob die zugesagte Vergütung regelmäßig in der vorgesehenen Höhe einlaufen würde, war gar nicht abzusehen. So wartete etwa das Haus Baden-Baden nach Froben Ferdinands Kenntnis immer noch auf Gelder, auf die Markgraf Wilhelm (1593–1677) während seiner Tätigkeit als Kammerrichter von 1652 bis 1676 einen Anspruch erworben hatte. Schließlich konnte abschreckend wirken, dass bei einem so "weithleufigen Justiz weesen" eine große Verantwortung auf seinen Schultern lasten würde.

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Während Froben Ferdinand in seiner Ausarbeitung zu keinem Ergebnis gelangte und nur durch die Zahl (acht Gründe sprachen für die Übernahme der Stelle, fünf dagegen) und die Ausführlichkeit der Argumente seine Entscheidung schon vorwegnahm, sprach sich der Rat Thomas Riemensperger deutlich für die Annahme aus. Seine Argumente kreisten um zwei Themenfelder: Zunächst wurde die Auffassung bestritten, es sei einem "grossen herrn" nicht zu empfehlen, sich dem Justizwesen zu widmen, weil Stellen nach dem System des Ämterhandels und -kaufes vergeben würden, worunter das Ansehen leiden würde. Entgegnet wurde, dies sei nicht die Meinung von "gescheiden leüthen" und überhaupt sei es unvernünftig, die Justiz geringzuschätzen. In die gleiche Richtung zielte das Gegenargument gegen die Annahme, der große Ruhm, den Froben Ferdinand bisher durch seine Staatsgeschäfte "in Europa" erworben habe, würde in Wetzlar verdunkelt werden. Vielmehr sei es so, dass eine rechtschaffene Verwaltung der Justizgeschäfte "glorioser" sei, als diplomatische Missionen auszuführen, dies um so mehr, als das Gerichtswesen nach Beendigung des Krieges bald in einen besseren Stand kommen werde. Dadurch wurde auch das Argument gegenstandslos, die (womöglich zu erlangende?) Präsidentenstelle am Reichshofrat sei der Richterstelle am Reichskammergericht vorzuziehen, weil man in Wien Mitglied einer hohen Regierungsbehörde sei und gleichzeitig (als kaiserlicher Minister und Mitglied der Geheimen Konferenz) die große Politik mitgestalten könne. Dieser Anschauung hielt Riemensperger entgegen, dass in Wirklichkeit am Reichshofrat die Rechtspflege der wichtigste Gegenstand sei – und nicht politische Betätigung –, was im Frieden auch am Reichskammergericht wieder gelten werde.

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In einem zweiten Themenkomplex wurden die Folgen der Annahme der Richterstelle im Hinblick auf die Finanzen diskutiert. Nicht zu bestreiten war, dass die Bezahlung gering war und den standesgemäßen Unterhalt nicht sicherte. Dem stand aber entgegen, dass die Besoldung immerhin eine Beihilfe darstellte und ohne Stelle der gesamte Unterhalt aus dem eigenen Vermögen bestritten werden müsste. Schwerer wogen die Bedenken, die auf die Nachteile für die fürstenbergischen Herrschaften während Froben Ferdinands Abwesenheit abhoben. Es wäre dann nämlich nicht möglich, die drängenden Verwaltungsreformen in Gang zu setzen, und es bestünde die Gefahr, dass die Erben einst zerrüttete Zustände vorfinden würden. Dies musste unbedingt vermieden werden, weil den Nachfolgern – auch im Interesse des eigenen Nachruhms – nichts Besseres zukommen könne als eine "ohnverwirrete richtige verlassenschaft". Auch für die Waisen aus der Linie Fürstenberg-Stühlingen, deren Vormund Froben Ferdinand war, brächte der Umzug Nachteile mit sich. Nach Riemenspergers Meinung bedurften diese Punkte "grosse[r] uberlegung" und stellten ein entscheidendes Kriterium bei der Entscheidungsfindung dar. Schließlich musste bedacht werden, dass Froben Ferdinand mit großer Wahrscheinlichkeit nie wieder ein ähnlich ehrenvolles Angebot erhalten würde, stünde doch fest, dass (im Urteil Wiens) die "dem vatterland höchstersprieslich geleistete dienste" mit Übertragung der Kammerrichterstelle ausreichend und abschließend gewürdigt wären. Es durfte auch nicht vergessen werden, dass der Kaiser durch die Verleihung der Richterstelle zum Ausdruck brachte, dass er den Fürstenberger auch in Zukunft zu den Persönlichkeiten zählen würde, die sich seiner besonderen Gunst erfreuten.

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Das Gutachten Riemenspergers lief darauf hinaus, die Stelle anzunehmen, aber unter der unabdingbaren Voraussetzung, die Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte für die Zeit der Abwesenheit von tüchtigen Sachwaltern versehen zu lassen, damit die zu befürchtenden nachteiligen Folgen nicht einträten. [6] Nimmt man zu den Bedenken des Rates die Überlegungen Froben Ferdinands im Spannungsfeld von Reputationsgewinn und finanzieller Belastung hinzu, erkennt man Problemmuster, die regelmäßig bei der Besetzung der Richterstelle auftraten. Als 1712 der Bischof von Worms, Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, als neuer Kammerrichter auserkoren worden war, schlugen die evangelischen Stände einen Kompromisskandidaten vor, den Grafen von Hohenlohe-Schillingsfürst. Für ihn sprach nicht nur, dass er "extraordinari gute studia in Jure civili & publico" absolviert habe und bereit sei, beständig in Wetzlar zu leben, sondern vor allem, dass er in der Lage sei, seinen standesgemäßen Unterhalt weitgehend aus dem Privatvermögen zu bestreiten. Da nämlich ein Kammerrichter jährlich Ausgaben in Höhe von etwa 20.000 fl. habe, die reguläre Besoldung sich aber lediglich auf 8.800 fl. belaufe, müsse er über 10.000 fl. "ex propriis" zuschießen, "wann Er dermassen sich halten will/ wie [es] der Kayserl. Respect und diese hohe Charge mit sich bringt". [7] Ähnliche Zahlen legte Froben Ferdinand seinen Erwägungen zugrunde, als er 6.000 Reichstaler, also 9.000 fl., Einkünfte veranschlagte und mit Ausgaben von 30.121 fl. rechnete. [8] Er musste also über 20.000 fl. eigenes Geld aufwenden, um die erforderlichen Konsum- und Repräsentationskosten in Wetzlar zu tragen; dazu kamen die Kosten für die Hofhaltung in Meßkirch, die sich nach der Erhebung in den Fürstenstand 1716 noch erhöhen sollten. Die Entscheidung, die Stelle anzunehmen, war also wesentlich von den finanziellen Möglichkeiten bestimmt.

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Gleichwohl entschloss sich Froben Ferdinand in der Abwägung zwischen hohem Ansehen auf der einen und beschwerlichen Ausgaben auf der anderen Seite im September 1714, die Richterstelle anzunehmen. Er versah sie bis in den Herbst 1721 hinein, als er vornehmlich aufgrund der befürchteten finanziellen Beschwerungen, aber auch wegen der hohen Arbeitsbelastung und Schwierigkeiten bei der Verwaltung der schwäbischen Herrschaften zurücktrat.

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Etwas mehr als drei Jahre vergingen, ehe Fürstenberg erneut für eine prominente Stelle in einer Reichsinstitution vorgesehen wurde. Im März 1725 erreichte ihn die Aufforderung, als Prinzipalkommissar nach Regensburg zu gehen, was zu längeren Überlegungen und Beratungen führte. Ähnlich wie 1714 schrieb Froben Ferdinand seine "Rationes pro et contra" sorgfältig nieder und ließ sich zwei Gutachten anfertigen. [9] In seiner eigenen Ausarbeitung entwickelte Fürstenberg Argumente, die jenen ähnelten, die er schon bei früherer Gelegenheit dargelegt hatte. So erkannte er in dem Angebot den Willen Gottes, da er sich um die Stelle nicht beworben, sondern der Kaiser sie "proprio motu […] auß sonderbahrem vertrauen" angetragen hatte. Daraus würde sich Gelegenheit ergeben, "mit einer aufrichtigen, getreuen, und patriotischen intention" viel Gutes für das "gemeine weesen", vor allem aber für die katholische Sache, zu bewirken. Was den Vorteil für das Haus Fürstenberg anging, gab Froben Ferdinand zu bedenken, dass es in "zeitlichen Dingen" kein größeres Ansehen gewinnen könne als durch Annahme der Stelle. Auch war zu hoffen, dass dem Sohn Karl Friedrich (1714-1744) beizeiten Vorteile daraus erwachsen würden, wenn der Vater als Prinzipalkommissar diente. Gemeint waren damit Vorteile, die der Kaiser dem Haus zuteilen würde, etwa hohe Chargen, oder wenigstens Begünstigungen bei der Lösung "verschiedener bey Hof annoch hangender Haußahngelegenheiten". Damit hing die Erwartung zusammen, dass der Kaiser seinen Vertreter beim Reichstag finanziell unterstützen und das Haus nicht "in Schaden gerathen" lassen würde. Die Abwesenheit von den schwäbischen Herrschaften, die in Wetzlar ein wichtiger Grund für die Resignation gewesen war, beurteilte Froben Ferdinand diesmal nicht als problematisch. Regensburg läge nicht allzu weit von Schwaben entfernt, so dass er, wenn die Notdurft es erfordern würde, rasch nach Hause kommen könne. Im allgemeinen könnten aber die Justizangelegenheiten und die Hausgeschäfte mittels Relationen erledigt werden. Es ließ sich sogar ein Grund ausmachen, weshalb die Übersiedelung nach Regensburg dem "Oeconomie-weeßen" nutzen würde: es wäre nur noch eine Hofhaltung vonnöten, wenn die Gattin nicht in Meßkirch verbliebe. Schließlich war zu bedenken, dass der Kaiser es dem Haus Fürstenberg übelnehmen würde, wenn Froben Ferdinand die Stelle ablehnte.

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Für die Ablehnung ließen sich allerdings gewichtige Argumente anführen. Ein erstes betraf den Gesundheitszustand Froben Ferdinands, der sich zwar stabilisiert, aber in den vergangenen Jahren doch gelitten hatte (auch habe "die Gedächtnuß nicht wenig abgenommen"). Angesichts der komplizierten Reichstagsgeschäfte, die gewiss viele Verdrießlichkeiten mit sich bringen würden, waren dies ungute Vorzeichen. Es war nämlich nicht zu hoffen, dass der Kaiser seinem Prinzipalkommissar im Krankheitsfall gestatten würde, die Stelle binnen kurzer Zeit aufzugeben – aus Wien hatte Froben Ferdinand vielmehr das Gegenteil vernommen.

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Besonders großen Raum nahm die Diskussion der finanziellen Risiken ein. Froben Ferdinand befürchtete den "gäntzlichen zerfahl" des Hauses, wenn der Kaiser nicht bereit wäre, das übliche Gehalt zu verdoppeln, hatte ein Prinzipalkommissar doch mit jährlichen Ausgaben von 50.000 Reichstalern, also 75.000 fl., zu rechnen. Wenn aber dem Haus Meßkirch nicht durch eine Besoldungserhöhung geholfen würde, wäre das Anwachsen der Schulden nicht zu verhindern. Dies würde das Gewissen sehr beschweren und der Sohn Karl Friedrich würde "zu einem fürstlichen bettler werden", also den durch die 1716 erlangte Standeserhöhung erzielten Reputationsgewinn durch die Unmöglichkeit, standesgemäß zu leben, einbüßen. Auch würde die Verwaltung der Herrschaften "sowohl ratione Justitiae alß in rebus oeconomicis" durch die Abwesenheit des Landesherren erhebliche Nachteile erleiden.

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All diese Erwägungen galten jedoch nur für den Fall, dass die Gattin Theresia Felicitas (1671-1743) sich überhaupt bereit finden würde, ihren Mann nach Regensburg zu begleiten. Würde sie ihm nicht folgen wollen, erübrigten sich weitere Überlegungen. Froben Ferdinand könnte dann nämlich den Posten nicht antreten, weil es aus finanziellen Gründen unmöglich wäre, zwei Hofhaltungen zu unterhalten. Zudem hatten die Meßkircher bereits begonnen, den Hofstaat zu verringern – diesen Bemühungen hätte die Übersiedelung in die Stadt des Reichstages genau entgegengewirkt.

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Die Argumentation Froben Ferdinands wurde durch zwei Gutachten ungenannter Ratgeber ergänzt, erweitert und vertieft. In dem einen Gutachten, das in deutscher Sprache verfasst war, orientierten sich die Gründe dafür und dagegen an den Problemkreisen Reputation und Geld: finanzielle Gründe legten die Ablehnung des Angebots nahe, während der Zuwachs an Reputation und Ansehen für die Annahme sprach. Aus dem Angebot des Kaisers sprachen die Hochachtung und das Vertrauen, das Froben Ferdinand bei Hof genieße. Seine besonderen Qualitäten hätten ihn in guten Ruf gesetzt, was auch etliche Minister "lauth" bezeugt hätten. Da er schon von jeher in wichtigen Geschäften verwendet worden sei, ergäbe sich eine moralische Pflicht, nicht abseits zu stehen, "gestalten ein ieder schuldig zu sein scheinet bey abgang pro bono publico anständiger subiectorum sich anwenden zu lassen". Diese Pflicht ergab sich nach Meinung des Gutachters schon daraus, dass die finanziellen Mittel zur Bekleidung des Amtes grundsätzlich vorhanden seien (auch wenn das Haus belastet würde), eine Besoldung gewährt würde und das Haus Fürstenberg im Laufe der Zeit "aus sonderen hohen gnaden von Röm. Kays. Mayestett mit vornemmen lehen undt güteren beschenket wordten" sei. Als letztes, aber nicht geringstes Argument führte das Gutachten an, dass man sich dem göttlichen Willen nicht entziehen dürfe, der offenbar aus dem Angebot spreche.

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Da diese religiös-moralisch fundierten Verpflichtungen kaum zu entwerten waren, mussten die Gegenargumente auf einer anderen Ebene ansetzen. Zunächst wurden die nachteiligen Folgen für die Gesundheit Froben Ferdinands besprochen, die schon durch die ungewohnte Regensburger Luft leiden würde, vor allem aber wegen der anstrengenden Dienstgeschäfte bedrohlichen Gefahren ausgesetzt wäre, "da doch die leibskräfften ohne deme durch sovile kopfarbeith geschwechet" würden. Ein abschließendes Urteil gab der Rat nicht, da man die Meinung der Ärzte hören müsse, doch war er überzeugt, dass die Fachleute sich ablehnend äußern würden. Zwiespältig wurde auch die Annahme beurteilt, durch die Übersiedelung der Gattin nach Regensburg könnte eine große Ersparnis erzielt werden. Zwar wäre es möglich, eine Hofhaltung einzusparen (oder deren zwei, da der 1714 geborene Sohn Karl Friedrich seine Eltern begleiten könnte, um unter ihrer Obhut seine Studien fortzusetzen), doch wären die in der Stadt des Reichstages erforderlichen Ausgaben mit großer Wahrscheinlichkeit größer als die Einsparungen. Zurückgeführt wurde dies auf den beträchtlichen Repräsentationsaufwand des Prinzipalkommissars "zu erhaltung hoher reputation und ansehens". Für den in großer Zahl anwesenden Adel und die Gesandten müssten Gesellschaften und Empfänge gegeben werden, was hohe Ausgaben für Lakaien und anderes Personal verursachen würde, von Sachkosten für Speisen und Getränke, vornehme Kleidung und Möbel, Kutschen und Mietzinsen ganz zu schweigen. Ohne ein ansehnliches Salär würde es daher nicht möglich sein, den mit dem Amt – und den mit dem Stand Froben Ferdinands – einhergehenden Aufwand zu bestreiten. Man würde sogar nachteilige Wirkungen erzielen, nämlich eine "unbeschreibliche" Schuldenlast anhäufen, das Gewissen beschweren und in große "disreputation" geraten.

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Der Schaden für die heimische Wirtschaft, der entstehen würde, wenn das Geld außer Landes ausgegeben würde, sowie der eher rhetorisch-topische Hinweis auf die Trauer der Untertanen, wenn ihr Landesherr fern von Schwaben weilte, bildeten den Schlusspunkt der Argumentation. Im Ergebnis wog der Rat Gewinn an Ansehen und Einsatz an Geld gegeneinander ab und kam zu dem Schluss, dass die Stelle auf einige Jahre angenommen werden könnte, wenn gewisse Voraussetzungen geklärt seien, nämlich die Höhe der kaiserlichen Beihilfe und die Vereinbarung eines Moratoriums mit den Gläubigern des Hauses.

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Das zweite, lateinisch geschriebene Gutachten kam in der Abwägung der Vor- und Nachteile zu dem gleichen Ergebnis: zu klären war, wie hoch die vom Kaiser ausgeworfene Besoldung sein würde. Das Verhandlungsziel Froben Ferdinands bei seinen Unterredungen mit den kaiserlichen Ministern war damit deutlich bestimmt.

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An dieser Stelle sollen die langwierigen, sich über Monate hinziehenden Verhandlungen nicht weiter verfolgt werden. Es ging dabei vornehmlich um einen Ausgleich für die finanziellen Nachteile, die Froben Ferdinand durch die Übernahme des Amtes entstehen würden. Gegen Ende des Jahres 1725 gelang es den Parteien, eine Kompromisslösung zu finden, die zwar die monetären Forderungen Fürstenbergs nicht vollständig befriedigte, aber es doch geraten sein ließ, die Stelle zu übernehmen. Ein entscheidendes Motiv war dabei die Verpflichtung Froben Ferdinands gegenüber seiner Familie – der vergangenen ebenso wie der gegenwärtigen und der zukünftigen. Denn er hatte – auch nach Ausweis des Ernennungsdekrets vom 28. Dezember – das Amt erhalten, weil er einer Familie angehörte, die seit langer Zeit Kaiser und Reich treu gedient hatte, zugleich aber wegen seiner persönlichen Tüchtigkeit. Beides verpflichtete aus der Vergangenheit her in die Gegenwart – und für die Zukunft. Sollten die Nachfahren ähnlicher Auszeichnungen teilhaftig werden, musste Froben Ferdinand bedacht sein, sich in die Traditionslinie zu stellen, die von den Vorfahren herkam. Damit bewahrte und vergrößerte er nicht nur seine persönliche Reputation, sondern auch die der Familie, so wie die Vorfahren es mit Blick auf die Nachfahren getan hatten. Allerdings durften diese Werte nicht durch finanzielle Zerrüttung des Hauses gefährdet werden – als sich eine zu große Diskrepanz ergab zwischen den Einkünften und Besoldungen einerseits und den Aufwendungen in Regensburg andererseits, resignierte Fürstenberg im Jahr 1735. Der Familie gereichte die Demission keineswegs zum Nachteil; Nachfolger wurde der finanziell wesentlich besser ausgestattete Vetter Joseph Wilhelm Ernst aus der Linie Fürstenberg-Stühlingen. Froben Ferdinand hatte also das familiäre Reputationskapital unter großen finanziellen Opfern bewahrt, wenn nicht sogar vermehrt.

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Das in der uns hier interessierenden Generation zu beobachtende Bestreben der fürstenbergischen Linien Meßkirch und Stühlingen, in den Fürstenstand erhoben zu werden, beruhte auf der Verleihung ebendieses sozialen Ranges an die Linie Heiligenberg 1664. Doch während in den ersten Jahren die – erfolglos nachgesuchte – Ausdehnung des Fürstenstandes auf die anderen Linien gleichsam als sozialer Automatismus gewertet wurde, gab es in den neunziger Jahren intensive Diskussionen über die Motive sowie die Chancen und Risiken der Rangerhöhung. Zu dieser Zeit hatten die Grafen bereits einen Platz in der adeligen Gesellschaft erreicht, der es erlaubte, sich mit Aussicht auf Erfolg zu bewerben – das über Jahrhunderte hinweg angesammelte Ehren- und Reputationskapital der Vorfahren war durch eigene Beiträge vermehrt worden, um die notwendigen Ausgangsbedingungen zu schaffen.

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Die an den Beratungen beteiligten Räte strichen aufgrund ihrer Einsicht in die Wirtschaftslage des Hauses vornehmlich die Gefahren und Risiken heraus. In einem Schreiben führte Landvogt Pflieger an erster Stelle die "grausame schuldenlast" an, die es seiner Ansicht nach nicht erlauben würde, den Fürstenstand anzunehmen, weil dem Schuldendienst Priorität eingeräumt werden müsste. Wegen der Bezahlung der hohen Gebühren an das kaiserliche Taxamt, dann vor allem wegen der notwendig steigenden Ausgaben in den eigenen Herrschaften sowie bei Reichs- und Kreistagen, würde es "noch weniger als bis dato" möglich sein, die Finanzen zu sanieren (wenn es überhaupt gelänge, von den Gläubigern einen Zahlungsaufschub zu erwirken, um die Taxe aufzubringen). Auf eine Reduzierung der Ausgaben war aber um so weniger zu hoffen, als die Grafen sich weder in sparsamer Haushaltsführung übten noch sich des Schuldenmachens enthielten – wie könne man da annehmen, "das sie es erst im fürstenstand lehrnen und ins werckh richten" würden?

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Ob es ferner möglich sein würde, zugleich mit der Erhebung eine Primogenitur zu errichten, um der Besitzzersplitterung vorzubeugen, erschien Pflieger zweifelhaft. Wenn dies nicht gelänge, müsste der neue Fürst sich mit einer kleinen Güterausstattung begnügen "und daraus den fürsten staat führen, welches so schwöhr möglich als disreputierlich fallen würde". Die größte praktische Schwierigkeit sah der Landvogt aber in der Frage, auf welches fürstenbergische Territorium die Stimme in der Reichsfürstenbank radiziert werden sollte.

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Angesichts der Fülle an Problemen, die Pflieger bei Verleihung des Fürstenstandes nahen sah, schlug er vor, bis auf weiteres auf eine Bewerbung, die Erhebung und Einführung in den Reichsfürstenrat vorsah, zu verzichten. Stattdessen sollte man versuchen, beim Kaiser ein Dekret zu erlangen, wonach erst beim Aussterben des Heiligenberger Mannesstammes der Fürstenstand auf das Haus übergehen sollte. In der Zwischenzeit könnte man darangehen, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die es unmöglich machten, später womöglich im fürstlichen Stand zu leben. [10]

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Hinter Pfliegers Vorschlag stand eine klar bestimmte Stufenfolge: Zuerst waren die Voraussetzungen zu schaffen, die es erlauben würden, den Fürstenstand angemessen zu bekleiden, dann erst sollten die erforderlichen Schritte eingeleitet werden, die zur Verleihung führen würden. Aus finanzwirtschaftlichen Überlegungen heraus mochte dies sinnvoll sein; eine andere Frage war aber, ob diese statische Planung auf Veränderungen der politischen Konjunkturen würde reagieren können und die Interessen der Grafen angemessen berücksichtigte.

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Nimmt man die Ergebnisse einer Familienkonferenz vom November 1695 zum Maßstab, so zeigt sich, dass die Fürstenberger andere Pläne als ihr Rat hatten und von anderen Wahrnehmungen und Werten ausgingen. Von einer Stufenfolge war hier nicht die Rede, stattdessen aber von der Notwendigkeit, das Haus zu erhalten und den sozialen Rang, verstanden als den durch Herkommen und Meriten definierten Abstand zu anderen Häusern, zu bewahren. Diesem Ziel dienten unterschiedlich intensiv diskutierte Projekte, die den Bestand des Hauses Fürstenberg in der Zukunft sichern sollten. Nur angedeutet wurden in dem von Froben Ferdinand geschriebenen Protokoll der Sitzung einzelne Gedanken, die auf eine Primogenitur zielten. Ausführlicher behandelt wurde der Plan einer Erbeinigung mit dem Haus Baden, welches die fürstenbergischen Herrschaften nach dem (etwaigen) Erlöschen des Mannesstammes erhalten sollte, damit sie "nicht in gantz frembde und etwann ausländische händt" fielen. Erwünschter war es jedenfalls, die Badener, mit denen Fürstenberg stets verbunden gewesen sei, als Erben zu wissen. Die Gegenleistung der Badener sollte nicht nur in der Förderung der Militärkarrieren des Meßkirchers Karl Egon und des Stühlingers Prosper Ferdinand bestehen, sondern vor allem in der Unterstützung von Bestrebungen, die auf Stärkung des Zusammenhalts des Hauses zielten.

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Im Mittelpunkt der Familienkonferenz aber standen Überlegungen zu gesellschaftlichen Veränderungen, die es geraten sein ließen, den Fürstenstand auf das gesamte Haus auszudehnen, um die soziopolitische Stellung zu bewahren. Allenthalben sei nämlich festzustellen, dass der "grafen stand nicht mehr in seiner alten consideration stehe, sondern mithin ein undt anderen orthen sehr schlecht distinguiert werde" und "in einen solchen abgang gerathen [sei], daß zwischen denen alten und newen Grafen, ja so gahr denen Edelleuthen selbsten ahn vihlen orthen fast khein underschidt mehr gemacht werden will". Dies hatte wenigstens zwei Folgen. Die eine war, dass sich die Karrierechancen verschlechterten, weil sich durch den Druck von nachrückenden, neu nobilitierten Grafen sowie Reichsrittern die Zahl derjenigen Herren vergrößerte, die um Stellen in den Domkapiteln, beim Militär, bei Hof und bei Reichsbehörden konkurrierten. [11] Die andere im Protokoll thematisierte (und daher offenbar als schwerer wiegende Auswirkung beurteilte) Folge war eine Verminderung des Ansehens und der Reputation des Hauses Fürstenberg in der Welt. Dies bezog sich nicht nur auf die Gegenwart, sondern ebenso auf die Vergangenheit, weil durch die Gleichsetzung 'neuer' Grafen und Edelleute mit den Fürstenbergern die Verdienste der Vorfahren entwertet wurden und damit ihre statusbegründende Wirkung einbüßten. Dazu durfte es nicht kommen, und in dieser Perspektive stellte es nicht "vanitet" dar, wenn die Übertragung des Fürstenstandes auf Stühlingen und Meßkirch gefordert wurde, vielmehr bildete sich in der höheren sozialen Positionierung der einzige angemessene Ausdruck der gesellschaftlichen Stellung des Hauses ab, das die Konkurrenten an Meriten und Verdiensten um Kaiser und Reich weit übertreffe. In diesem Zusammenhang behauptete der Protokollführer Froben Ferdinand sogar, 1664 wäre es möglich gewesen, den Fürstenstand für das gesamte Haus zu erlangen, "wann mann nur gewollt hätte" – die Angemessenheit der Forderung wurde durch den Hinweis auf die frühere Bereitschaft des Kaisers, die Standeserhöhung auszusprechen, unterstrichen. [12]

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Liest man die Stellungnahme Pfliegers und die grundsätzlichen Ausführungen Froben Ferdinands als komplementäre Äußerungen – der Rat dachte über das Wie nach, während sein Herr über das Was und Warum reflektierte –, so stand fest, dass die Erhebung in den Fürstenstand ein erstrangiges Ziel des Hauses war.

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Daran änderte sich um so weniger, als die Grafen in den folgenden Jahren einen wachsenden sozialen Druck wahrnahmen, dem sie durch die Rangerhöhung zu entgehen suchten. In undatierten, wohl 1701 entstandenen "Reflexiones" stellte Froben Ferdinand Überlegungen wegen des Fürstenstandes an, wobei er den Ausgangspunkt in der einhelligen Meinung der Brüder und Vettern nahm. Diese besagte, es sei weniger aus Gründen der Vermehrung als vielmehr zur Beibehaltung des "splendors" der Familie notwendig, den fürstlichen Stand anzunehmen, vor allem wegen der "haufenweis sich vermehrend[en] ahnzahl der grafen". Je länger man aber warte, um so mehr stünde zu befürchten, dass andere Häuser auf den gleichen Gedanken kommen und den Fürstenbergern den "rang abgewinnen" würden. Ein weiterer Vorteil der Rangerhöhung würde sich zudem daraus ergeben, dass es im höheren Stand leichter möglich sein würde, die Interessen der Familie wirkungsvoll zu vertreten. [13]

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Vielfältige, zeitweise durch innerfamiliäre Streitigkeiten beeinträchtigte Sondierungen, Anträge und Bewerbungen der Meßkircher und Stühlinger Grafen sollten nach der Jahrhundertwende den Übergang in den Fürstenstand herbeiführen. Indes vergingen weitere 15 Jahre, bis die Erhebung gelang – es bedurfte erst des Todes des Heiligenberger Fürsten Anton Egon, bis der Kaiser die übrigen fürstenbergischen Linien in den höheren Rang beförderte. Nunmehr war eine zur Bewahrung der gesellschaftlichen Position als eminent wichtig erachtete soziale Distinktion dem Haus verliehen worden. Gleichzeitig wurde schon bei der Bezahlung der unmittelbar aus der Fürstung erwachsenen Kosten deutlich, dass die mit dem Fürstenstand einhergehenden höheren finanziellen Belastungen alsbald neue Probleme hervorrufen würden, die das stets fragile Gleichgewicht zwischen Status- und Reputationsbewahrung und der finanziellen Basis des Hauses auf neue Proben stellen sollten.

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Die vorgetragenen Fälle lassen die Bedeutung der Reputation als einen entscheidenden Faktor bei der Entscheidungsfindung deutlich hervortreten. Als handlungsleitender Wert wirkte sie bei dem Angebot an Froben Ferdinand, als Richter am Reichskammergericht zu wirken: Die Reputation würde wachsen, weil es keine Stelle gab, die einem Reichsgrafen mehr Ehre einbrachte. Ebenso vermehrte die Position als Prinzipalkommissar die Reputation des Fürsten, der jeweils den Kaiser in Regensburg repräsentierte. Die Bedeutung der Reputation tritt ebenso in der Umkehrung dadurch zutage, dass Schaden von ihr abgewendet werden musste. Dies trat ein, wenn standesgemäßes Leben mit entsprechendem Konsum nicht möglich war, etwa wenn der Fürstentitel mit einer unzureichenden Finanzausstattung geführt werden musste. Die Reputation litt zumal dann, wenn die Verdienste der Vorfahren von Dritten nicht entsprechend gewürdigt und dadurch entwertet wurden. Es galt vielmehr, das von den Vorfahren gesammelte Reputationskapital durch eigene Leistungen zu vermehren, um die soziopolitische Stellung zu bewahren und wenn möglich zu verbessern. Dabei war allerdings immer auf die finanzielle Situation Rücksicht zu nehmen, um den Gewinn von Reputation nicht durch die wirtschaftliche Zerrüttung des Hauses langfristig zu gefährden. Zu bedenken war grundsätzlich der für die Familie sich ergebende Nutzen, der sich in der Erhaltung des sozialen Ranges manifestierte. Dies stellte einen Distinktionsgewinn dar, der gleichzeitig für den Reichsgrafenstand (als dessen Glied sich die Fürstenberger auch nach der Erhebung in den Fürstenstand noch geraume Zeit sahen) und dessen Wertschätzung von Bedeutung war. Schließlich waren die Folgen familienpolitischer Entscheidungen im Hinblick auf die daraus jeweils erwachsenden Folgen für die Stellung in der kaiserlichen Klientel zu reflektieren. Das Reichsoberhaupt blieb als zentraler Bezugspunkt im Reichssystem sowohl für die Zuteilung immaterieller (wie auch materieller) Chancen im Untersuchungszeitraum bestimmend.



[1] Joh[ann] Christoph Nehring: Historisch-politisch-juristisches Lexicon […], Gotha 1710, 363 s.v. 'reputare'.

[2] Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste […], Bd. 31, Halle / Leipzig 1742, 667 s.v. 'Reputation'.

[3] Klaus Schreiner / Gerd Schwerhoff: Verletzte Ehre. Überlegungen zu einem Forschungskonzept, in: dies. (Hg.), Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (= Norm und Struktur 5), Köln / Weimar / Wien 1995, 1-28, hier: 9.

[4] Der folgende Beitrag weist in den Anmerkungen im wesentlichen lediglich Zitate nach. Für den breiteren Kontext vgl. Esteban Mauerer: Südwestdeutscher Reichsadel im 17. und 18. Jahrhundert. Geld, Reputation, Karriere: Das Haus Fürstenberg (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 66), Göttingen 2001.

[5] "Rationes pro et contra", o.O.u.D. [Mai 1714], Fürstlich Fürstenbergisches Archiv Donaueschingen (fortan: FFA) OB 12 Fasz. 14.

[6] Gutachten Thomas Riemenspergers, o.O.u.D. [Mai 1714], FFA OB 12 Fasz. 14.

[7] Considerationes, so bey Conferirung des Cammer-Richter-Ambts/ an des Herrn Hoch- und Teutsch-meisters Hochfürstlichen Durchleucht vorkommen etc. etc., in: Anton Faber [d.i. Christian Leonhard Leucht]: Europäische Staats-Cantzley Bd. 18, o.O. 1712, 403–407, Zitate 406 u. 407.

[8] In die summarische Aufstellung (vermutlich 1718, FFA OB 12 Fasz. 14) waren eingegangen: Besoldungen und Kostgeld für 20 Bediente, die Miete für das den Jesuiten gehörende Wohnhaus (800 fl.), die Ausgaben für Nahrungsmittel (Fleisch, Wild, Kräuter und Gewürze, Butter und Schmalz, Milch, Mehl, Salz, Konfitüre, Öl, Früchte, Wein, Bier und Brot), Kerzen und Holz sowie für 23 Pferde (Heu, Hafer, Stroh, Beschläge).

[9] Die nicht datierten Schriftstücke liegen in FFA OB 12 Fasz. 13a.

[10] Landvogt Johann Jakob Pflieger an Landvogt Johann Friedrich Balbach, Meßkirch 5.8.1695, FFA OB 1 Fasz. 2.

[11] So sahen sich die Grafen im Untersuchungszeitraum etwa beim Reichskammergericht zunehmender Konkurrenz durch die Reichsritter ausgesetzt, die sich um Präsidentenstellen und Assessorate bemühten. Vgl. Heinz Duchhardt: Reichsritterschaft und Reichskammergericht, in: Zeitschrift für Historische Forschung 5 (1978), 315-337, hier: 322 f.

[12] Grafen von Fürstenberg an Anton Egon Fürst von Fürstenberg-Heiligenberg, Meßkirch 28. 11. 1695 (Kop.). Beilage: Protokoll einer Familienkonferenz vom November 1695 (Verfasser: Froben Ferdinand), FFA OB 1 Fasz. 2.

[13] "Reflexiones" Froben Ferdinands, o.O.u.D. [1701], FFA OB 1 Fasz. 2.

Empfohlene Zitierweise:

Esteban Mauerer : Geld, Reputation, Karriere im Haus Fürstenberg. Beobachtungen zu einigen Motiven adeligen Handelns im barocken Reich , in: zeitenblicke 4 (2005), Nr. 2, [2005-06-28], URL: https://www.zeitenblicke.de/2005/2/Mauerer/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-1232

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