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Feudale Dynamik zwischen Mediatisierung, Immedietät und Souveränität

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Dass Guastalla ein Gegenstand sei, der es wert ist, als vollgültige Komponente des italienischen Staatensystems in der Neuzeit betrachtet zu werten, ist eine neue Einschätzung. [1] Darüber hinaus gilt: Um daraus angemessene und kohärente Schlussfolgerungen für ein System von Klein- und Mittelstaaten ableiten zu können, bedurfte es (und bedarf es weiterhin) einer besonders intensiven Quellenforschung. [2] Einerseits, um zu begreifen, warum dieses Herzogtum so lange bestand, und andererseits, um die inneren Gründe dafür zu erkennen, die diesen Fall von anderen "Kleinstaaten" unterscheiden. [3]

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Die geschichtliche Entwicklung Guastallas ist feudal geprägt, insofern die kommunale Freiheit niemals in Form einer lokalen Regierung den Vorrang gegenüber der Signoria erlangte. Allerdings handelte man seit 1102 / 1116 mit dem Konvent von San Sisto in Piacenza [4] zahlreiche Garantien, dann Privilegien für die Gemeinde und die Menschen von Guastalla aus, bis hin zu einer bemerkenswerten Gliederung in Stände. [5] Aus feudaler Perspektive gab es zwei juristische Schlüsselmomente: die seit 864 (Schenkung des Kaisers Ludwig II. an seine Gemahlin Angilberga) bezeugte Stellung als "Curtis regia" [6] und die Investitur Karls IV. zugunsten der da Correggio von 1347. [7] Zur ersten ist wenig zu sagen; es handelte sich um eine Verfügung patrimonialer Natur, die die Gemahlin des Kaisers pro tempore begünstigte. Wichtig war sie insofern, als sie einen Status etablierte, der in der unsicheren Situation des Übergangs des Lehens von Ludovico Torello an Ferrante Gonzaga seine Früchte hervorbrachte; allerdings legte sie keinerlei Bedingung für eine lokale Selbstregierung fest. Demgegenüber stellte die Investitur für Giovanni, Giberto und Azzo da Correggio den Moment dar, in dem ein genau umschriebenes Territorium der Schirmherrschaft eines benachbarten Herrn unterstellt wurde, auch wenn er nicht dort residierte.

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Allerdings war diese Investitur in der Praxis kaum umzusetzen. Die politisch-militärische Macht Karls IV. in Italien vermochte wenig gegen die sich bildenden ersten mächtigen Regionalstaaten, und so mussten die da Correggio der Gewalt der Visconti und ihrer parmesischen Alliierten unterliegen, unter deren Klienten sich am Ende des Jahrhunderts auch Guido Torello befand. Obgleich eine entgegenstehende rechtsverbindliche Verfügung bestand, wurde im Jahr 1406 vom Mailänder Herzog das Lehen Guastalla an Torello vergeben, dessen Nachkommen die Signoria bis 1539 behalten sollten. 1428 wurde Guido der Grafentitel zugestanden, Guastalla wurde in den Rang einer Grafschaft erhoben und sein Territorium aus dem Cremonas gelöst. [8] Auf diese Weise erlangte Guastalla die Summe zweier Prärogativen, wenn sie gegenwärtig auch nicht vereinigt waren: die alte Reichsunmittelbarkeit und den Rang als adliges Lehen.

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Der Moment, in dem diese zusammenfielen, war gekommen, als Ferrante I. nach der Eroberung des Lehens 1541 die alte Reichsunmittelbarkeit wiederherstellte. Bis dahin war es ein dorniger Weg, der vom Mailänder Senat erschwert wurde, welcher den Verlust der unmittelbaren Kontrolle über die östlichste der Festungen am Po zu verhindern suchte. Jedenfalls waren es eben die alten Investituren für die da Correggio, die es dem Vizekönig, Gouverneur und Großkapitän Karls V. ermöglichten, mit Hilfe der Gutachten berühmter Juristen alle Schwierigkeiten zu überwinden. [9]

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Der entscheidende Moment der neuzeitlichen Entwicklung war gekommen, als die feudale Qualität Guastallas, die sich bis dahin kaum von der vieler anderer Lehen unterschieden hatte, eine deutliche Aufwertung erfuhr: 1621 erlangte Guastalla die volle Souveränität, als Kaiser Ferdinand II. Ferrante II. Gonzaga den Herzogstitel übertrug. Nachdem dieser Status gesichert war, betrafen die weiteren Fortschritte territoriale Erweiterungen, zeremonielle Prärogativen, die Qualität der Eheschließungen – die Erteilung weiterer Prärogativen hätte der begrenzte Umfang des Staates gar nicht zugelassen. Mit dem Ende des Hauses Gonzaga begannen 1746 die fünf bourbonischen Jahrzehnte.

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Die Begründung des "Stato dei ducati di Parma, Piacenza e Gustalla" [10], die nach dem Frieden von Aachen 1748 erfolgte, wirft manche Fragen auf. Einerseits ist es klar, dass man zu einer einzigen Souveränität unter Philipp von Bourbon gelangt war, auf den sich die drei Prädikate bezogen. Andererseits kann man jedoch beobachten, dass es prinzipiell keine rechtlichen oder politischen Hindernisse gab, die eine Aufteilung der drei Herzogtümer verhindert hätten, etwa durch Wiedererrichtung der gesonderten Souveränität Guastallas. Rechtlich unerheblich wurde diese Frage allerdings dadurch, dass Philipp von Bourbon sich geweigert hatte, die kaiserliche Investitur zu nehmen (während die päpstliche für Parma und Piacenza gänzlich erloschen war), so dass man sagen kann, dass dieser neue Staat etwas anderes war als die Summe der drei Herzogtümer. Daher liegt er auch außerhalb unserer Erwägungen.

Guastalla zwischen schwieriger Identität und Bestimmung des eigenen Status

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Die Aufmerksamkeit muss sich nun auf die Entwicklungen in derjenigen Epoche konzentrieren, die im Zentrum dieser Untersuchung steht: die Neuzeit. Nicht von Anfang an konnte sich das Potenzial der Reichsunmittelbarkeit voll entwickeln. Zwischen 1539 / 1541 und den 90er Jahren des 16. Jahrhunderts stand Guastalla in einer Reihe mit nach Territorium, Dynastie (kleine oder Nebenlinien) und Dimensionen vergleichbaren Fällen, bedingt zunächst durch die Abwesenheit Ferrantes I., dann durch die Tatsache, dass sein Sohn Cesare erst 1567 seinen Hof fest einrichtete, und schließlich durch das jugendliche Alter, in dem diesem sein Sohn Ferrante II. nachfolgte (beim Tod des Vaters 1579 war er 4 Jahre alt). Nicht sofort wurden die Aktivitäten ins Werk gesetzt die es am Ende des 16. und in den beiden ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts erlaubten, den Weg zu größeren Erfolgen einzuschlagen. Die Entscheidung, den Hof fest in Guastalla zu etablieren, und die Maßnahmen zu einer angemessenen Umgestaltung der Stadt [11] bildeten die Voraussetzungen, weiter gesteckte Ziele zu erreichen, die ausdrücklich in der herzoglichen Investitur von 1621 genannt sind. Allerdings hinterließ der vorzeitige Tod des zweiten Reichsgrafen von Guastalla, Cesares I., ein Vakuum bei der Konstruktion der neuen staatlichen Identität. Es ist zwar wahr, dass dieser den Spuren seines Vaters Ferrante I. folgte, dessen Karriere er als ein Beispiel betrachtete, dem es nachzueifern gelte. Doch es ist ebenso wahr, dass die nur bescheidenen vom Kaiser erlangten Ehren und der unvollendete Aufstieg im Umkreis des Papstes durch die spezifischen Entwicklungen in den Jahren Cesares I. begründet waren: Papst Pius IV., dessen Nichte Isabella Borromeo er geheiratet hatte, stellte tief gehende Erwägungen über die Praxis des Nepotismus an, sodass Cesare wenig Nutzen aus seiner Verbindung zum römischen Hof ziehen konnte. Ein weiterer Kontaktmann in Rom, der Kardinal Carlo Borromeo, war für den Verwandten zwar ein wichtiger spiritueller Orientierungspunkt, zugleich aber auch ein Mahner hinsichtlich des höfischen Lebens, das so vielen Gonzaga teuer war. Die Nähe zum Cousin Guglielmo, Herzog von Mantua (und als solcher Oberhaupt des Hauses Gonzaga), einem entschiedenen Verfechter der eigenen souveränen und dynastischen Prärogativen, brachte weit weniger ein als die Vormundschaft über einen minderjährigen Neffen, an der Cesares Vater Ferrante I. für Herzog Francesco III., den Bruder und Vorgänger Guglielmos, partizipiert hatte. Und schließlich zügelten auch die Schulden, die sein Vater hinterlassen hatte, zunächst die auf Guastalla gestützten Ambitionen und führten dann zu einer Politik der Veräußerung von Lehen, die den Besitz des Hauses in Süditalien beschnitt. [12]

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Die Gründe, aus denen die wenigen Jahre der Herrschaft und Residenz Cesares I. nicht zu sichtbareren politischen und dynastischen Erfolgen führten, sind also vielgestaltig. In anderen Fällen folgte auf derartige Erfolge die Verleihung eines höheren Titels durch den Kaiser und damit zumindest formal die Erhebung zur Souveränität. [13] Zum Beispiel: die Fürstentümer Val di Taro (Landi) 1551, Massa (Cibo) 1568, Bozzolo (Gonzaga) und Piombino (Appiani) 1594, Mirandola (Pico) 1596 sowie das Vespasiano Gonzaga gehörende Sabbioneta, das 1574 zum Fürstentum und 1577 zum Herzogtum erhoben wurde – ein System von Titeln als Anerkennung für der kaiserlich-habsburgischen Sache geleistete Dienste und zugleich Vorbedingung, um besser in der auserwählten Schar der "freien Herren" dazustehen, was im späten 16. und im 17. Jahrhundert als so erstrebenswert galt. Es ist zwar wahr, dass Ferrante II. und sein Vater Cesare sich in der Hierarchie der kaiserlichen und habsburgischen Ehren des Titels eines Fürsten von Molfetto und spanischen Granden rühmen konnten, was sie, selbst mit Blick auf die vorgenannten Rangerhöhungen anderer kleiner freier Herren, in eine durchaus herausgehobene Position versetzte. Dabei handelte es sich um ein Patrimonium, das auf Ferrante I. zurückging und als solches in der Identität des Hauses verankert war. Doch das Problem des "Wettbewerbs" liegt nicht auf dieser Ebene. Als Beginn des mehr als ein Jahrhundert bestehenden spanischen Systems [14] in Italien war die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts der Augenblick, um die Anerkennung für die geleisteten Aktivitäten und die erworbenen Verdienste, die für den gesamten Adel sichtbar geworden waren, zu formalisieren. Das Faktum, dass in diesem Kontext der Rangerhöhungen der Graf von Guastalla und Fürst von Molfetta bis 1621 warten musste, um den Herzogstitel für das Territorium zu erhalten, auf das er seine eigenen größten Mühen verwandt und in das er seine Residenz verlegt hatte, war symptomatisch für ein Verblassen des Ruhmes und für die Schwierigkeit, dies zu überwinden.

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Ferrante II. (1563–1630), der 51 Jahre lang herrschte, übernahm als Sechzehnjähriger die Regierung der väterlichen Lehen und durchschritt mehrere Stufen des cursus honorum. Vor allem zeigte er sich immer sehr aufmerksam gegenüber den Gegebenheiten des habsburgischen Hoflebens. Ein junger Reichsvasall mit gutem Stammbaum, doch ungewissen finanziellen Möglichkeiten hätte auch gar keine andere Chance gehabt, sein eigenes Schicksal zu verbessern, als durch das entschiedene Festhalten an jenem "kaiserlichen Genius", das stets ein Charakteristikum seines Hauses gewesen war. Die erste politische Tat war die Entscheidung, Vittoria Doria zu heiraten (1580), die Tochter Giannettinos und Nichte Andrea Dorias, womit er der Beziehung, die schon zwischen dem Großadmiral und seinem Großvater Ferrante bestanden hatte, eine dynastische Komponente verlieh. Auf kaiserlichen Wunsch gehörte er nur ein Jahr später zum Gefolge Marias von Habsburg-Spanien, der Witwe Maximilians II., als diese zu ihrem Bruder Philipp II. zurückkehrte. In den folgenden Jahren unternahm er zahlreiche Reisen in die süditalienischen Lehen, was zeigt, das er diese Besitzungen als integralen Bestandteil einer Herrschaft betrachtete, deren Territorium zwar verstreut war, der er jedoch die ungeteilte Aufmerksamkeit eines wahren Souveräns widmete. 1598 weilte er bei der Ankunft Clemens' VIII. in Ferrara, als der Papst dieses Herzogtum in Besitz nahm. Dass er sich zu diesem Zeitpunkt in dieser Stadt befand, hing damit zusammen, dass er an der Hochzeit Margarethes von Österreich mit Philipp III. teilnahm, die dort vom Papst geschlossen wurde. Anschließend trat er in den Hofstaat der neuen spanischen Königin ein, die im Frühjahr des nächsten Jahres abreiste, und begleitete sie nach Madrid. Bei dieser Gelegenheit erhielt er von Philipp III. das Goldene Vlies und 1605 den Auftrag, dieselbe Auszeichnung den Herzögen von Modena und Mirandola zu überbringen. Dies war ein politisches Zeichen Philipps III. an den Este, der mit dem Grafen von Guastalla wegen einiger Grenzfragen im Streit lag. Ferrante II. verbrachte seine Jahre damit, das Erscheinungsbild Guastallas zu verbessern, worauf er alle ökonomischen Energien lenkte. 1620 übernahm er die Funktion eines Vermittlers im Konflikt zwischen dem Grafen von Solferino und seinen Untertanen sowie den Schutz der jungen Fürsten von Castiglione delle Stiviere, die der Vormundschaft des genannten Grafen von Solferino unterstanden. Dabei stand ihm erstmals sein Sohn Cesare zur Seite. Im selben Jahr erhielt er die Anerkennung der Primogeniturnachfolgeregelung für Guastalla und 1621 den Herzogstitel.

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Was das Erreichen dieses Ziels betrifft, lässt sich noch eine Beobachtung anschließen, die bislang unberücksichtigt geblieben ist. Akzeptieren wir die Anerkennung für den Einsatz für die kaiserliche und die habsburgische Sache, für die gute Regierung der eigenen Staaten, für die in Guastalla gemachten Investitionen, damit es in den Rang einer "angemessenen Stadt" aufsteigen könne. Jedoch kam noch ein Faktor hinzu, der allen großen Höfen Europas sehr wohl präsent war: Die Gonzaga-Herzöge von Mantua starben einer nach dem anderen [15] ohne eine gesicherte Nachfolgelösung [16] – was sollte aus Mantua und dem Monferrato werden?

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Der zu erwartende Konflikt zwischen den Linien Gonzaga-Nevers und Guastalla, der sich am Horizont abzeichnete, machte es erforderlich, dass die kaiserlich-habsburgische Partei, also die Linie Guastalla, ihren Rivalen ebenbürtig war. Von daher rührte ein weiterer Anreiz, ihr den Herzogsrang zu übertragen. Darauf folgte 1624 das kaiserliche Kommissariat, gemeinsam für Vater und Sohn. Auch diese Amtsübertragung kann im Zusammenhang mit der vorhersehbaren mantuanischen Erbfolge gesehen werden. Dadurch kamen die beiden Gonzaga von Guastalla in engen Kontakt mit der kaiserlichen Bürokratie sowie kleinen und weniger kleinen Fürsten Italiens, und es wurde ihnen eine "öffentliche" Funktion übertragen, die über den kürzlich erworbenen Status eines Souveräns hinausging. Es handelte sich um eine, gemessen an den Dimensionen des Staates und an den Beziehungen, die man auf dessen Basis mit den anderen Souveränen unterhalten konnte, weit überproportionale Aufwertung.

Das Reichslehen auf dem Weg zur Souveränität zwischen den beiden habsburgischen Polen

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Zu den Faktoren, die in den Jahren 1627 bis 1632 das Streben nach Mantua prägten und die letztlich die Niederlage der Partei Gonzaga-Guastalla / Wien / Spanien gegen Gonzaga-Nevers / Frankreich / Schweden / deutsche protestantische Fürsten bedingten, gehörte auch das Moment des Gleichgewichts im Kompromiss von Regensburg, der im Oktober 1630 geschlossen wurde. Nachdem verschiedene territorial mehr oder weniger ausgedehnte Optionen vorgeschlagen worden waren, [17] erhielt Guastalla zwei benachbarte mantuanische Lehen, Luzzara und Reggiolo, die dem Herzogtum mit kaiserlicher Investitur inkorporiert wurden. Außerdem wurde für immer festgelegt, dass diejenige Linie der Gonzaga (Guastalla oder Mantua), die über männliche Nachkommen verfügte, diejenige beerben sollte, der ein Nachfolger fehlte. Dies alles geschah in den Jahren, als zu den großen politischen Entwicklungen die Pest von 1630, der Sacco Mantuas sowie der Tod Ferrantes II., der an der Seuche starb, hinzukamen. Schließlich starb 1632 in Wien auch Cesare II. an einer Vergiftung. Das Herzogtum Guastalla befand sich in einer dramatischen Situation, und sein Überleben war einer harten Belastungsprobe ausgesetzt, war es doch objektiv von begrenzten Dimensionen und stand unter der Leitung des vierzehnjährigen Ferrante III.

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Scheinbar war die kurze Regierung Cesares II. nicht in der Lage gewesen, besondere "Notfallpläne" für das Herzogtum zu entwickeln, insofern sich ein Großteil seiner Aktivitäten außerhalb der Grenzen und der Interessen des eigenen Staates entfaltete. Wenn Guastalla und sein neuer, junger Herzog die schwierigen Umstände zu bewältigen vermochten, verdankte sich dies jedoch genau dem, was sein Vater in den Jahren zwischen 1620 und seinem Tod grundgelegt hatte. Die persönlichen Beziehungen nach Wien und Madrid, der Aufbau eines informellen, aber fein gesponnenen diplomatischen Netzes, die Fähigkeit seiner Stellvertreter, die "trotz allem" unbeirrbare Treue zum Kaiser waren die Pfunde, mit denen sein junger und in einer finanziellen Misere steckender Sohn wuchern konnte.

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Mit äußerster Vorsicht gelang es den Ministern Pomponio di Spilimbergo und Alessandro Donesmondi, denen er vom Vater anvertraut worden war, [18] den Staat dank geschickter Vermittlungen zwischen der inneren Lage und der kaiserlich-habsburgischen Protektion aus der finanziellen und politischen Bedrängnis herauszuführen. Tatsächlich war die Nachfolge Ferrantes III. die erste von mehreren Situationen, in denen man die politische Entscheidung, die Positionsbeziehung zwischen Wien und Madrid, erkennen kann, der das Herzogtum seine Fortexistenz verdankte. Hier wurde erstmals jene Situation eines "Freiburg Italiens" realisiert, die erstmals 1678 in Madrid förmlich erklärt wurde [19] und die über ein Jahrhundert andauerte.

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Eingedenk der Erfahrungen des Vaters und des Großvaters vollzog Ferrante III. in Abkehr von der vorhergegangenen Tradition eine wirkliche Richtungsänderung in der Staatslenkung. Er war der erste der Gonzaga-Guastalla, der aus freier Entscheidung keine Funktionen für die Habsburger ausübte. [20] Er heiratete eine Tochter des Herzogs von Modena, also aus einer wirklich souveränen Dynastie. [21] Er unterhielt Residenten in den wichtigsten Hauptstädten, [22] nahm die Ehren eines "Serenissimus" an und passte sich so den zeremoniellen Regeln seiner Zeit an. [23] Er verkaufte die letzten süditalienischen Lehen, [24] wodurch er die Staats- und seine persönlichen Finanzen sanieren konnte, und nahm die Politik der Vervollkommnung und Aufwertung Guastallas wieder auf. [25] Den Gipfelpunkt seiner politischen Bedeutung erreichte er 1659, als er seinen Neffen, den Herzog von Modena, ins spanische Lager hinüberführte. [26] Er nutzte alle Möglichkeiten eines kleinen Souveräns, der sehr wohl verstanden hatte, inwieweit sich die politischen und dynastischen Spielräume in seiner Zeit vergrößert hatten. Es wäre auch inopportun gewesen, in einem Staatengefüge, das nach dem Dreißigjährigen Krieg multilaterale diplomatische Beziehungen und ein komplexes System von Souveränitäten unterschiedlichen Niveaus hervorgebracht hatte, Bestätigungen anzustreben, die man teuer hätte bezahlen müssen.

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Neben seiner finanziellen Solidität und seinem politischen Ansehen konnte sich Ferrante III. auch zweier Söhne rühmen, welche die Nachfolge und womöglich die Rückkehr der Kardinalswürde ins Haus Gonzaga sichern würden, die nach den Kreationen und raschen Demissionen der beiden letzten Herzöge von Mantua dort nicht mehr vertreten war. [27] Umso vertrauensvoller konnte Ferrante in die Zukunft blicken, als der junge Cesare von Philipp IV. an den Hof des spanischen Infanten, des künftigen Königs Karl II., berufen wurde, was diesem Möglichkeiten der persönlichen und gesellschaftlichen Ausbildung von europäischem Niveau eröffnete. Doch der vorzeitige Tod des Hoffnungsträgers im Jahr 1666 eröffnete dann eine letzte Phase des Nachdenkens über die Perspektiven des Staates. [28]

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Obwohl er erst 48 Jahre alt war, begann Ferrante die Last des Alters zu spüren; es gab keine Aussicht auf einen Nachfolger außer auf dem Weg über die Agnaten; die Differenzen mit Mantua über Luzzara und Reggiolo dauerten an; es ging ihm darum, seiner Gemahlin und seinen Töchtern eine Zukunft zu sichern. Als günstigste Lösung erschien eine Heiratsallianz mit Mantua, nachdem der Weg nach Modena nicht zum Erfolg geführt hatte. Im April 1671 wurde die Ehe geschlossen, die zunächst den aus dem Regensburger Frieden resultierenden Konflikten ein Ende zu setzen schien. Auf der anderen Seite konnte die lange Anwesenheit der Gonzaga-Kaiserinnen, der beiden Eleonoren, in Wien nur zur Aussöhnung führen. [29]

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Wenn sich auf diese Weise die familiären und dynastischen Fragen lösen ließen, wurden zugleich die rechtlichen Positionen geschwächt. Die Linie Guastalla verfügte zwar durchaus über männliche Nachfolger, allerdings hatten diese nur zweifelhafte Aussichten. Zumindest mittelfristig hätte im Fall des Todes Ferrantes III. sein jüngerer Bruder Vespasiano, der unter dem Namen eines Grafen von Paredes in Spanien lebte, auf den Herzogsthron berufen werden können. Da waren außerdem der Onkel Ferrantes, der alte, aber angesehene Vincenzo, der Bruder Cesares II., und der jüngere Vincenzo, der Sohn Andreas, des anderen Bruders des vergifteten Herzogs. Zwar hatte der erste nur Töchter, und die beiden Vincenzos hatten keine Kinder, aber unter rechtlichen Gesichtspunkten war dies irrelevant. Das Lehen Guastalla um jeden Preis als Mitgift Anna Isabella zuzusprechen und dann zumindest in Form einer Personalunion unter Ferdinando Carlo an Mantua heimfallen zu lassen, war ein übereilter Schritt der kaiserlichen Seite gewesen, dem Madrid dank einer finanziellen Entschädigung für Vespasiano nur mäßigen Widerstand entgegengesetzt hatte. Andererseits waren die ersten Anzeichen eines nachlassenden Engagements Spaniens in Italien zu erkennen, und auch die revanchistischen Bestrebungen der kaiserlichen Habsburger ließen sich wahrnehmen. Und überhaupt, warum hätte sich Madrid angesichts einer lebenden Gonzagakaiserin in eine dynastische Frage verwickeln lassen sollen, die so glücklich gelöst erschien? Die Einigkeit Wiens und Madrids brachte also ihre Früchte hervor, was allerdings nicht zum Besten für die Erhaltung des Staates von Guastalla war.

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Die Option, Ferrante III. an das Ende seines eigenen Lebens kommen zu lassen, um dann zu sehen, was zu tun sei, wäre unvorsichtig gewesen. Die politische Instabilität der mittleren Poebene war eine Konstante, wozu das Schwanken Modenas zwischen Frankreich und Habsburg, die Stellung der Farnese-Herzöge als päpstliche Vasallen und die zweideutige Haltung des Herzogs von Mantua und Monferrato beitrugen. Von den Kleinen war der Herzog von Mirandola nach einer bemerkenswert langen profranzösischen Phase für die spanische Partei gewonnen worden, der abgesetzte Fürst von Correggio brachte überall seine Ansprüche auf Wiedereinsetzung vor, der Fürst von Bozzolo musste die Situation seines Staates durch eine Ehe stabilisieren, und der von Castiglione lag beständig im Streit mit seinen Untertanen.

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Im Jahr 1678 schienen mit dem Tod Ferrantes III. und der bevorstehenden Personalunion der Herzogtümer die sieben Jahre zuvor konzipierten Pläne zu einem guten Ende zu gelangen – wenn nicht etwas damals Unvorhersehbares eingetreten wäre: Die Ehe Guastalla-Mantua hatte keinen Erben hervorgebracht. Zum Nachfolgeproblem in Guastalla kam das gravierendere im Hauptland der Gonzaga hinzu. Erneut stellte man sich in den beiden habsburgischen Hauptstädten die Frage: Was konnte man im Fall des Todes Ferdinando Carlos tun? Es darf nicht übersehen werden, dass die Reflexionen, die wenige Jahre später Graf Breuner vortrug, in Wien bereits jetzt konzeptionell ausgearbeitet wurden. In das dynastische Wespennest zu stechen, wäre wegen der überholten Ansprüche, die zahlreiche Prätendenten ins Feld führen würden, nicht funktional für die "Ruhe Italiens" gewesen, eine Kategorie des politischen Verhaltens, an die man sich südlich der Alpen zumindest gewöhnt hatte, seit die französischen Gonzaga-Nevers einen Modus vivendi mit dem habsburgischen System gefunden hatten.

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Die Lösung wurde dank der Unbeständigkeit des Schicksals gefunden, und wieder einmal wirkten weit reichende Umwälzungen auf Guastalla zurück. Der bereits betagte Vincenzo Gonzaga der Ältere stimmte überein, dass auch sein Neffe Vespasiano zu alt sei, um noch einen Sohn zu haben, während sein anderer Neffe, Vincenzo der Jüngere, der bereits verheiratet gewesen und auch schon 50 Jahre alt war, ein Kandidat sein mochte. Dieser, der zu jener Zeit verwitwet war, schien die kirchliche Laufbahn einschlagen zu wollen. [30] Stattdessen wurde ihm nahe gelegt, die zweitgeborene Prinzessin von Guastalla, Maria Vittoria, zu heiraten und so möglicherweise eine neue Deszendenz für dieses Herzogtum und in zweiter Linie auch für Mantua in die Welt zu setzen, falls Ferdinando Carlo und Anna Isabella tatsächlich keine Kinder haben sollten. Auf diese Weise wurde die Gefahr einer Inbesitznahme Guastallas durch Mantua abgewehrt (dessen Herzog allerdings auf das nicht mehr junge Alter des künftigen Schwagers hoffte), doch zugleich erloschen mit diesem Familienpakt die legitimen Ansprüche des Grafen von Paredes. Man tauschte einen unerwünschten, doch realen und zeitlich nahen Anspruch (Paredes) gegen eine dynastisch günstigere und irreversible, doch nur eventuelle und zeitlich entfernte Lösung (Vincenzo der Jüngere).

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Der Plan glückte, insofern aus dieser Ehe zwei Söhne und zwei Töchter hervorgingen. Damit war die Nachfolge für Guastalla geklärt, und sie schien es angesichts der Regensburger Vereinbarung über die wechselseitige Erbfolge auch für Mantua zu sein. 1692 beschloss Wien gegen den heftigen Widerstand des Herzogs von Mantua, der erkennen musste, sich hinsichtlich der Fortpflanzungsfähigkeit seines Schwagers getäuscht zu haben, die Wiederherstellung der Souveränität Guastallas. Am 4. Mai erließ Kaiser Leopold ein Dekret zugunsten Vincenzos, und der neue Herzog wurde am 28. desselben Monats in den Besitz des Staates gesetzt. [31]

Reichslehen und Souveränität im Gegensatz zu Wien

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1692 begann die letzte und in vielerlei Hinsicht bemerkenswerteste Phase der Geschichte des souveränen Reichslehens Guastalla. Ungeachtet der Behauptungen der gegnerischen Historiographie [32] verkörperten diese fünf Jahrzehnte mit kurzen Unterbrechungen durch die Ereignisse des Spanischen Erbfolge- sowie des Polnischen Thronfolgekriegs die politische und dynastische Konsolidierung dieses Herzogtums, das sich in vollem Sinne unter diejenigen Staaten einreihte, mit denen man zu rechnen hatte. [33] Zur gleichen Zeit zeigte sich, dass die fortschreitende habsburgische Hegemonie in Italien nach dem Spanischen Erbfolgekrieg sich mit Rechts- und Faktenlagen arrangieren musste, die nur dank eines Systems von Vermittlungen zu bewältigen waren. [34]

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Für den ersten Gesichtspunkt gibt es in den Jahren nach 1692 einige unübersehbare Beispiele: In Wien stellte man fest, dass der Herzog von Guastalla ein vertrauenswürdiger Gesprächspartner von solider politischer Statur war, ganz im Unterschied zum verschwägerten Herzog von Mantua, einem unbeständigen Souverän, untreuen Reichsvasallen und wankelmütigen Politiker. Dies führte dazu, dass Vincenzo faktisch, wenn auch noch nicht dynastisch, zum Angelpunkt des vielgliedrigen Hauses Gonzaga wurde. [35] Zweitens stand dem Wiener Hof die ungeklärte Nachfolgesituation verschiedener großer und kleiner italienischer Fürsten vor Augen. Vom Großherzogtum bis Parma-Piacenza, von Mantua bis Bozzolo, von Modena bis Mirandola hatte man nur mit großer Mühe Nachkommen hervorbringen können oder verfügte über gar keine. Jedes Ende einer Dynastie aber war der Vorbote politischer Probleme. Da war es gut, dass zumindest Guastalla auf zwei männliche Nachkommen zählen konnte, was kurzfristige Veränderungen verhüten würde. Drittens offenbarte die fortschreitende Ausdünnung der Dynastien immer deutlicher, wer übrig blieb und wer in guter biologischer, politischer und finanzieller Verfassung stand. Daher galt es, diesen dynastischen Reichtum zu bewahren. Die Heiratsverhandlungen zwischen den Prinzessinnen von Guastalla und vornehmen Bräutigamen zeigen, auch wenn sie nicht immer zum Ziel führten, den erreichten Status. So wurde für Maria Isabella 1697/98 über eine mögliche Verbindung mit dem Römischen König Joseph und 1700 mit Francesco Maria de' Medici verhandelt und schließlich für Eleonora über eine Ehe mit demselben Kardinal de' Medici, die 1709 dann wirklich geschlossen wurde. Jenseits der realen Erfolge zählte es für Guastalla, auf dem Niveau der Fürsten der 'ersten Reihe' angekommen zu sein.

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Den zweiten Gesichtspunkt betreffend eröffnete sich ein langwieriger Konflikt mit Wien. Mit dem Tod Ferdinand Carlos, des Herzogs von Mantua und Monferrato, ging diese zweite seiner Besitzungen an die Savoia über. Doch das Schicksal des Mantuaner Staates, der immer gonzagisch gewesen war, stand ungeachtet dessen, dass er in den Wirren des Erbfolgekrieges vom Haus Österreich in Besitz genommen worden war, noch gänzlich in den Sternen: Zunächst war der Rechtstitel für die Besetzung nicht kaiserlich, sondern habsburgisch, was von den Kurfürsten nicht mitgetragen wurde. Außerdem bestand das Nachfolgerecht der Herzöge von Guastalla in Mantua, falls die Regensburger Bedingungen einträten, sprich eine der beiden Linien des Hauses Gonzaga ohne (legitime) Erben ausstürbe. Schließlich richteten die Repräsentanten der führenden Schichten des Herzogtums nunmehr Ergebenheitsadressen an Vincenzo, den sie für den legitimen Nachfolger in der Herrschaft hielten, immerhin war einst auch den ersten Gonzaga die Stadt Mantua vom Volk anvertraut worden. Und last, but not least erkannten verschiedene europäische Dynastien und Mächte den Herzog von Guastalla faktisch an, indem sie ihn "Herzog von Mantua und Guastalla" nannten. [36]

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Bekanntlich erhielten die Herzöge von Guastalla Mantua nicht, sondern konnten lediglich ihre eigene Herrschaft um das Fürstentum Bozzolo und das Herzogtum Sabbioneta erweitern. [37] Dessen ungeachtet repräsentieren die diplomatischen Verhandlungen zwischen Guastalla und Wien, die von 1706 bis zum Kongress von Cambrai andauerten, [38] den dritten italienischen Sukzessionsfall neben dem des Großherzogtums und Parma-Piacenzas. Hinsichtlich des Umfangs der zur Debatte stehenden Staaten war zwar die Tragweite geringer, aber er war keineswegs von geringerer politischer, dynastischer und rechtlicher Bedeutung. Es wäre für Wien leicht gewesen, den Herzögen von Guastalla nolens volens eine finanzielle Entschädigung oder ein Territorium ohne Souveränitätsanspruch zuzuerkennen; deswegen hätten sich die Mächte schwerlich gerührt. Stattdessen wurden in jenen Jahren umfassende, detaillierte und komplexe Verhandlungen geführt, die zahlreiche vorteilhafte Entschädigungen vorsahen. Die bemerkenswerteste war meiner Meinung nach, dass den Gonzaga im Austausch gegen Mantua jenes von den beiden Reichslehen Piacenza und Siena zugestanden werden sollte, welches zuerst frei werden würde. Jedoch scheiterten die Verhandlungen an dem Anspruch Guastallas, das Nachfolgerecht auf Mantua zu behalten, während Wien einen Verzicht darauf verlangte. Wegen dieser Rechtsfrage gelangte man nicht zum Abschluss.

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Die Initiativen Guastallas und das Verhalten Wiens sind nicht deshalb wichtig, weil man mehr oder weniger eine Übereinkunft erreichte, einen Kompromiss fand, in dem Konflikt verlor oder gewann. Das Bemerkenswerte liegt darin, dass Wien, das sich der Zukunft seiner Hegemonialstellung in Italien nicht sicher war, [39] es für vorteilhaft hielt, gegenüber einem kleinen Fürsten eine kompromissbereite Haltung an den Tag zu legen. Der Fall Guastalla war folglich nicht als solcher und als einzelner von Bedeutung, sondern stellvertretend für die kleinen Souveränitäten, [40] die durch die aktuellen Hegemonialpolitiken in Italien und in Deutschland bedroht waren. Den kleinen Staaten wurde also von den Mächten Respekt entgegengebracht. Guastalla spielte zwar eine passive, nichtsdestoweniger bemerkenswerte Rolle, die Staat und Dynastie ins Zentrum politischer Verhandlungen rückte und insofern der Großen würdig gewesen wäre. Auf der anderen Seite: Wohin hätte man, um das dynastische System Italiens in jenen Jahren zu identifizieren, die Aufmerksamkeit richten sollen? Durch mehrfaches Aussterben entblättert, umfasste der Stammbaum der souveränen Fürsten noch die Savoia, die Medici, die Este, die Farnese und die Gonzaga-Guastalla. Auf diese Weise erlangte der "ohnmächtigste von allen italienischen Fürsten" [41] eine Rolle, die der wesentlich größerer Herrschaften und Souveräne entsprach, jedoch um den Preis des politischen Endes Mantuas.

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Eine Glosse darf bei diesem kurzen Überblick über die Situation des Reichslehens Guastalla nicht fehlen. Nach dem Fall des habsburgischen übernahm für kurze Zeit ein anderes Reich eine Ordnungsfunktion in Europa. Im napoleonischen Imperium wurde Guastalla der Rang eines "Großlehens des Kaiserreichs" zuerkannt. Kraft Dekrets vom 30. März 1806 investierte Napoleon seine oberflächlichste oder auch willenstärkste Schwester, Paulina, damit. [42] Diese war aber nicht mit der großen staatlichen Tradition Guastallas zufrieden, sondern sah nur den begrenzten territorialen Umfang. So wurde am 14. August desselben Jahres diese Souveränität, die wie ein Gespenst aus den Schatten der Vergangenheit aufgetaucht war, an das Königreich Italien abgetreten, und damit war eine 459 Jahre währende Geschichte für immer abgeschlossen.

Autor:

Dr. Eugenio Bartoli
Associazione Guastallese di Storia Patria
C. P. 106
I-42016 Guastalla
presidente@storiapatriaguastalla.it
http://www.stmoderna.it/aspfiles/anagrafe_dettaglio.asp?id=1086

Die Übersetzung aus dem Italienischen hat Matthias Schnettger angefertigt.



[1] Alles, was nach der monumentalen Istoria della Città e Ducato di Guastalla, 4 Bde., Guastalla 1785-1787, von Ireneo Affò erschienen ist, folgt dem Interpretationsschema des berühmten Gelehrten.

[2] Die Quellenforschung, die Affò noch bequem betreiben konnte, ist wegen der Zerstreuung der Schriftzeugnisse und der Verlagerung von Akten von Guastalla nach Parma und Mailand heute viel schwieriger.

[3] Kritische Bewertung des historiographischen Werks von Ireneo Affò über Guastalla in Eugenio Bartoli: 'In soccorso dei vincitori'. Ireneo Affò e la 'Istoria della Città e Ducato di Guastalla', 1785-1787. Storiografia militante tra vecchie e nuove dinastie, in: Annali di storia moderna e contemporanea 8 (2002), 279-297, und ders.: Ireneo Affò e la "Istoria della Città e Ducato di Guastalla". Quale lettura oggi?, in: Ireneo Affò nel secondo centenario della morte, Parma, 2000, 151-180.

[4] Seinerzeit Lehnsherr des königlichen Hofes Guastalla. Vgl. Affò: Istoria (wie Anm. 1), die Donation an Angilberga und die folgenden Bestätigungen in Bd. 1, 302, 308 bzw. 309.

[5] Waffentragender Adel, Freie, vom Kloster abhängige Bauern, Leibeigene.

[6] Die Urkunde in Affò: Istoria (wie Anm. 1), Bd. 1, 298-300.

[7] Die Investitur ebd., Bd. 1, 374-378.

[8] Die Investitur von 1506 ebd., Bd. 2, 269-278; die von 1428 ebd., Bd. 2, 288-295.

[9] Affò, ebd., Bd. 3, 208, führt Carlo Malatesta, Girolamo da Lucca und Mariano Socini il Giovane an. Zu den Initiativen Ferrantes I. vgl. auch Eugenio Batoli: Guastalla e il suo ducato 'di qua e di là dal Po'. Vicende di uno stato quasi regionale, in: Atti del convegno I Feudi Imperiali in Italia tra XVI e XVIII secolo, Albenga, 27-29 maggio 2004 (im Druck).

[10] Häufig wird diese (korrekte) Lesart verwechselt mit der falschen "Ducato di Parma, Piacenza e Guastalla", die so klingt, als hätte man aus den drei juristischen Einheiten eine einzige gemacht hätte.

[11] Die erste qualifizierte Interpretation dieses Prozesses in Cesare Mozzarelli: I Gonzaga a Guastalla dalla Cortigiania al Principato, e alla Istituzione di una città conveniente, in: Il Tempo dei Gonzaga, Guastalla 1985, 11-33.

[12] Das erste Lehen, das verkauft wurde (1577) war das Herzogtum Ariano Irpino, das Ferrante I. 1532 von Karl V. erhalten hatte. Der damals zwölfjährige Ferrante II. beklagte sich über den von seiner Mutter getätigten Verkauf, "poiché et per essere Ducato, et Terra grossa". Schreiben vom 8. August 1588, Archivio di Stato di Parma, Archivio Gonzaga di Guastalla, Registri di lettere di Ferrante II. Man vergleiche diese Situation mit der des Fürstentums Molfetta, die weiter unten geschildert wird.

[13] Das Problem der "kleinen" Souveränität, ihrer "Intensität", wie man sagen könnte, ist keine Frage von geringer Bedeutung. Zum rechtlichen Akt (der Investitur) kam die politische Fähigkeit, die nicht auf den Begründer der Dynastie beschränkt sein durfte, sondern eine Handlungslinie über die Jahrzehnte (oder Jahrhunderte) konstituieren musste. In dieser Hinsicht gab es viele Enttäuschungen, denn die "gute Regierung" des "weisen Fürsten" erhielt sich häufig nur schwer unter Nachkommen, die nicht so fähig waren wie der Stammvater.

[14] In diesem Sinne ausführlich Cinzia Cremonini in ihrem Beitrag in dieser Ausgabe der zeitenblicke.

[15] Vincenzo I. starb 1612, Francesco IV. im selben Jahr, der ehemalige Kardinal Ferdinando hatte keine Kinder gehabt, Vincenzo, später Vincenzo II., war in der nutzlosen Ehe mit der um vieles älteren Isabella Gonzaga di Novellara-Bozzolo gefangen.

[16] Die einzige mögliche Erbin war Maria, die Tochter Francescos IV. Sie war der Herzoginwitwe Margherita von Sabbioneta anvertraut worden, der Schwester Ferrantes II. Weil sie sich den Gewalttätigkeiten ihres Ehemanns Carlo Gonzaga-Rethel widersetzte, "fu maltrattata e vilipesa, ond'ebbe di grazia il partirsene, e venir a Guastalla più morta che viva". Vgl. Affò: Istoria (wie Anm. 1), Bd. 3, 128-130.

[17] Verhandelt wurde über Luzzara, Reggiolo, Suzzara und Dosolo, dann über Mantua rechts der Secchia, dann auch über das mantuanische Gebiet zwischen Oglio und Po – die letztgenannten waren Optionen, die den Staat deutlich erweitert hätten.

[18] Nachdem der Onkel Francesco die Vormundschaft zurückgewiesen hatte, weil er es für unter seiner Würde hielt, dieses Amt mit jenen zu teilen. Da es sich bei ihm um eine mittelmäßige Persönlichkeit handelte, war das ein Glück für den jungen Neffen. Die unangemessene Haltung Francescos ist auch ersichtlich aus dem Faszikel "Lettere e minute spettanti ai figli di Francesco Gonzaga 1644", Archivio di Stato di Parma, Archivio Gonzaga Guastalla, b. 64.

[19] Diese Formulierung ist in einem auf den 10. März 1678 datierten Bericht zu lesen, der keinen Titel hat, sich aber in einer Archiveinheit befindet mit dem langen Titel "Interés español en evitar una nueva guerra en Italia con motivo de la muerte del duque de Guastalla y los deseos de apoderarse de su estado por los duques de Mantua y Módena; conveniencia que dicho estado continúe independiente e historial que hace el Consejo de estado sobre el asunto", Archivo general de Simancas, Estados Pequeños de Italia, Legajo 3690, n. 8.

[20] Obgleich ihm das kaiserliche Kommissariat angeboten wurde – eingedenk der Maxime des Vaters, der, enttäuscht von den Regensburger Bestimmungen, kritisierte, dass diese Funktion nichts gegen die großen Fürsten vermöchte und ihren Träger verhasst bei den kleinen machte. Die Erwähnung dieses in den Jahren 1654 / 55 gemachten Angebots findet sich in dem undatierten, aber ungefähr auf das Jahr 1770 anzusetzenden Manuskript von G. Negri: Storia di Guastalla, ms. presso la Biblioteca Maldotti di Guastalla.

[21] Vgl. Eugenio Bartoli: Ferrante III Gonzaga duca di Guastalla e Margherita d'Este. 1647-1678. Premesse e relazioni politico-dinastiche di un matrimonio, in: Atti e Memorie della Deputazione di Storia Patria, Modena 22 (2000), 201-222.

[22] Wien, Rom, Madrid.

[23] Zahlreich sind die Zeugnisse, auf die man sich beziehen muss, weil formale Dokumente hierzu fehlen: Vom Kopierbuch des Wiener Residenten Torresini bis zu den Widmungen zahlreicher Bände, darunter die Istoria della Città di Guastalla, Parma 1674, des Guastalleser Servitenpaters Gian Battista Benamati.

[24] Molfetta (wobei er jedoch den Fürsten- und Grandentitel beibehielt), Giovinazzo und Campobasso.

[25] Von den kaum bekannten barocken Eingriffen in die siebeneckigen Mauern bis zur Auftragsvergabe an Künstler.

[26] Die Einigung von 1659 wird beschrieben von Benamati: Istoria (wie Anm. 23), 111 f.; knapper bei Affò: Istoria (wie Anm. 1), Bd. 3, 167 f. Nach dem Tod Francescos I. folgte ihm sein Sohn Alfonso IV., dem sein Onkel Ferrante nahe legte, wie vorteilhaft eine Wiederannäherung an Spanien wäre. Als man sich darüber einig war, trafen sich in Guastalla Graf Girolamo Graziani, der Sekretär Alfonsos IV., Ignazio Gorrani, königlicher Staatssekretär, der vom Mailänder Gouverneur Graf Fuensaldagna entsandt worden war, und der Obristhofmeister Ferrantes Matteo Quinziani. Diese beschlossen "per li congressi, che si fecero per molti giorni" (Benamati), was von Ferrante vorgeschlagen worden war, so dass am Ende Spanien "a contemplazion del Gonzaga rilasciò all'Estense l'importantissimo Principato di Correggio" (Affò und vor allem Lodovico Vedriani: Historia dell'antichissima città di Modena, Bd. 2, Modena 1667, 710).

[27] Die Gonzaga von Guastalla hatten im 16. Jahrhundert zwei Kardinäle hervorgebracht, Francesco (gest. 1564) und Gianvincenzo (gest. 1591), Söhne Ferrantes I.

[28] Unterdessen war auch der jüngere Bruder Vincenzo gestorben. Von neun Kindern (fünf Söhne und vier Töchter) blieben zwei Töchter.

[29] Eleonora, Tochter Vincenzos I., regierende Kaiserin 1622 bis 1637, dann Kaiserinwitwe (gest. 1655), und Eleonora, die Schwester Carlos, Tante Ferdinando Carlos, regierende Kaiserin 1651 bis 1657, dann Kaiserinwitwe (gest. 1686). Wie man sieht, koinzidieren die "habsburgischen Jahre" der beiden Gonzaga-Kaiserinnen weitgehend mit der Lebenszeit Ferrantes III., sodass ein – wenngleich kühles – Einverständnis mit Wien unvermeidlich war. Die Aufrechterhaltung der Beziehungen zwischen Mantua und Wien trotz allem beleuchtet Giuliano Annibaletti in seinem Beitrag in dieser zeitenblicke-Ausgabe. Ferrante III. traf jedoch seine politische Entscheidung für Madrid, sodass aus dem erwähnten Wiener Kopialbuch hervorgeht, dass der Resident Guastallas in dieser Hauptstadt einen erheblichen Teil seiner Zeit im Gefolge des spanischen Gesandten zubrachte.

[30] Er besaß bereits die Abtei von Lucedio im Monferrato als Pfründe und sollte von Mantua (nicht weniger von Wien) bei seiner Bewerbung um das Kardinalat unterstützt werden. So beabsichtigte man den einzigen Gonzaga aus der Linie Guastalla, der auf eine männliche Nachkommenschaft hoffen konnte, außer Gefecht zu setzen.

[31] Das entsprechende Diplom bei Affò: Istoria (wie Anm. 1), Bd. 3, 359 f.

[32] Diese Linie verfolgt Affò für die Jahre 1632 bis 1746. Vgl. Bartoli: 'In soccorso dei vincitori' (wie Anm. 3) und ders.: Ireneo Affò (wie Anm. 3). Auch in diesem Fall stellte die spätere Historiographie sich in seine Nachfolge, indem sie die ersten Gonzaga von Guastalla (von Ferrante I. bis Cesare II.) als Humanisten pries und die Nachfolger (von Ferrante III. bis Giuseppe Maria) immer stärker verurteilte. Dieser Ansatz entsprach den "normalisierenden" Anforderungen des neuen bourbonischen Staates. Es handelt sich um dasselbe Phänomen, das in den lothringischen Jahren mit den Arbeiten Riguccio Galluzzis und Modestro Rastrellis für das Gedenken der Medici zu beobachten ist.

[33] Zu den während des Spanischen Erbfolgekriegs erworbenen Verdiensten vgl. Eugenio Bartoli: La guerra di successione spagnola nell'Italia settentrionale: il ducato di Guastalla e Mantova tra conflitto e soppressioni, in: Antonio Alvarez Ossorio Alvariño (Hg.): Famiglie, nazioni, e Monarchia. Il sistema europeo nella Guerra di Successione spagnola, Roma 2004, 159-221.

[34] Zu Guastalla vgl. Eugenio Bartoli: Strategie asburgiche in Italia. Riconoscenza dinastica, ragione giuridica e ragione politica nel caso dei Gonzaga duchi di Guastalla. Dalla morte di Ferrante III (1678) agli esordi di Antonio Ferdinando (1714 e 1717), in: Annali di Storia Moderna e Contemporanea 10 (2004), 103-151. Geneigter, eine raschere Verwirklichung der habsburgischen Pläne anzunehmen, ist Daniela Frigo: Impero, diritto feudale e "ragion di Stato": la fine del ducato di Mantova (1701-1708), in: Marcello Verga (Hg.): Dilatar l'Impero in Italia. Asburgo e Italia nel primo Settecento, Roma 1995, 55-84.

[35] Dieses umfasste die Souveränitäten von Mantua und Monferrato, Guastalla, Bozzolo, Castiglione delle Stiviere, Novellara, Vescovato, abgesehen von vielen anderen, nicht souveränen Gebieten. – Bunt gescheckt, doch immer Reichsvasallen und "freie Herren".

[36] Vielmehr ein Stachel im Fleisch der Habsburger und ihrer nicht länger kaiserlichen, sondern dynastisch-machtpolitischen Pläne als ein wirkliches Interesse für die Herzöge von Guastalla. Doch immerhin die Anerkennung, dass die mantuanische Frage nicht auf den engen Umkreis Guastalla - Wien begrenzt, sondern der europäischen Politik sehr wohl präsent war.

[37] Die Investituren bei Affò: Istoria (wie Anm. 1), Bd. 3, 361-363 und 368-377.

[38] Zu diesem Kongress vgl. Eugenio Bartoli: Il duca di Guastalla tra le potenze: le iniziative diplomatiche per la successione in Mantova durante il Congresso di Cambrai (1720-1725), in: Annali di Storia Moderna e Contemporanea 11 (2005), 183-213.

[39] Die "Pareri dell'Ecc.mo Sig.r Conte Braÿner Commissario Generale di S. M.tà Cesarea circa gli affari d'Italia", die auf die Jahre 1693/94 zurückgehen, verdeutlichen die Meinung, die Wien hinsichtlich der Myriaden großer und kleiner italienischer Reichsvasallen hegte. Beispielsweise wurde der Herzog von Savoyen zum bloßen Inhaber einer Reihe von Reichslehen zurückgestuft.

[40] Als "kleine Souveränitäten" können alle diejenigen betrachtet werden, die keine "großen Mächte" waren, wenn man bedenkt, dass eine Ausdehnung wie die des Großherzogtums es nicht verhinderte, dass über sein Schicksal ganz woanders als in Florenz entschieden wurde. Auch der savoyische Staat verlor seit der Mitte des 18. Jahrhunderts im Zuge der Stabilisierung des europäischen Staatensystems den Großteil seiner Fähigkeiten, auf internationaler Ebene einzugreifen, und wurde in die eigenen Grenzen eingeschlossen. Zu dieser Überlegung vgl. Daniela Frigo: Principe, Ambasciatori e "Jus Gentium". L'amministrazione della politica estera nel Piemonte del Settecento, Roma 1991.

[41] Als solchen definierte ihn Affò: Istoria (wie Anm. 1), Bd. 4, 11. Auch Herzog Vincenzo selbst sprach sich 1702 während einer Unterredung mit den französischen Gesandten, die ihn zum Bündniswechsel überreden wollten, eine ähnliche Stellung zu: "il minimo tra i Principi d'Italia". Die ganze Stelle in Bartoli: La guerra di successione spagnola (wie Anm. 33), 184-186.

[42] 30 MARS 1806. Décret qui dispose de la principauté de Guastalla en faveur de la princesse Pauline et du prince Borghèse son époux. (IV, Bull. LXXXIV, no 1432).

Empfohlene Zitierweise:

Eugenio Bartoli : "Zu sein wie ein Freiburg Italiens". Das Herzogtum Guastalla zwischen den beiden habsburgischen Seelen , in: zeitenblicke 6 (2007), Nr. 1, [10.05.2007], URL: https://www.zeitenblicke.de/2007/1/bartoli/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-8110

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