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Das Apenninengebiet zwischen Ligurien, Piemont und der Lombardei ist in der gesamten Frühen Neuzeit durch ein enges Netz von Reichslehen gekennzeichnet, die für lange Zeit kraft einer unmittelbaren und ausschließlichen Bindung an das Reich ihre Autonomie bewahrt haben. Ihre Existenz verkompliziert die politisch-administrative Situation dieser Gegend, die ohnedies von einer ausgeprägten Diskontinuität charakterisiert ist. Bei den Reichslehen handelt es sich um politische Einheiten, die oft als "Relikte" betrachtet wurden, was dazu geführt hat, dass sie erst in jüngster Zeit Gegenstand einiger allgemeiner Studien geworden sind [1] – sie haben jedoch noch mitten im 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle gespielt, auch in ihren Beziehungen zu den benachbarten "Staaten" (der Republik Genua, dem Herzogtum Savoyen, dem Herzogtum Mailand und den übrigen Fürstentümern der Poebene) und sind ein Beispiel dafür, dass es am Ende des 18. Jahrhunderts politische Alternativmodelle zur staatlichen Zentralisierung gab. [2]

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In diesem Beitrag werde ich, ausgehend von einigen allgemeinen historiografischen Überlegungen, die historische Entwicklung dieser Lehen rekonstruieren, insbesondere derer in der Zone zwischen den heutigen Provinzen Alessandria, Piacenza und Genua, und so versuchen, das Problem der Reichsjurisdiktion und das der Ausnutzung der Möglichkeiten, die der Transit bot, der mir von grundlegender Bedeutung zu sein scheint, zueinander in Beziehung zu setzen. Nach einem kurzen Blick auf die aktuellen historiografischen Erkenntnisse zu diesem Territorium werde ich ein Forschungsprojekt vorstellen, das es erlauben könnte, diese Erkenntnisse zusammenzuführen, und dabei besonders die zur Verfügung stehenden Quellen berücksichtigen. Zwei kurze Fallstudien und ein Überblick über einige statistische Dokumente vom Beginn des 19. Jahrhunderts (die mit dem Zusammenbruch des Feudalsystems zusammenfallen und die Krise dieses Jahrhunderte alten Gleichgewichts abbilden) werden zur genaueren Analyse des behandelten Gegenstands dienen. [3]

1.Die Reichslehen als historiografisches Problem

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Die Reichslehen verweisen auf das historische Problem der Präsenz des Heiligen Römischen Reiches auf der Halbinsel, besser gesagt, der "reichischen" Qualität dieser Territorien, die lange Zeit kaum untersucht worden ist, da man der Überzeugung war, dass das Ende des Mittelalters mit dem des kaiserlichen Einflusses in Italien zusammenfalle – ein Thema, das erst in jüngster Zeit wieder aufgegriffen worden ist, wobei auch einige wichtige Studien aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erneute Aufmerksamkeit gefunden haben, [4] und das auch eine neue Aufmerksamkeit gegenüber dem "Überleben von mit dem Feudalrecht verbundenen juristischen Konstruktionen (und Institutionen), denen die Rechtsgeschichte oft jedoch nur eine geringe Bedeutung zuerkannt", [5] oder die sie gar im negativen (anti-modernen) Sinn konnotiert hat, wird mit sich bringen müssen. Man denke an die Bedeutung der Investituren und der Lehnsbeziehungen als Quelle der Legitimität, aber auch an die Ansprüche, die aus der besonderen Natur dieser Beziehungen abgeleitet wurden und erhebliche Auswirkungen auf der lokalen Ebene hatten, und an die Rechtsfiguren, die sie charakterisierten (z. B. die Erbpacht).

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Die Bedeutung, die diese politischen Einheiten auch auf lokaler Ebene in der Geschichte der genannten Gegend und zumal in der Zone des genuesischen Oltregiogo hatten, erlaubt einige Beobachtungen nicht nur bezüglich der Aspekte, die die politische und jurisdiktionelle Komplexität des Territoriums im Ancien Régime betreffen – und bezüglich der Bedeutung, welche die Inanspruchnahme dieser Prärogativen mittels spezifischer historischer Argumente hatte –, sondern auch bezüglich der Bedeutung des Transits, der eine erstrangige Ressource für das lokale Wirtschafts- und politische Leben darstellte.

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Es handelt sich um eine Zone, die – eben unter Berufung auf die Freiheit im Namen der Zugehörigkeit zum Reich – lange den Prozessen politisch-territorialer Rationalisierung und der Kontrolle des Handels und der Straßen fremd blieb, wie sie die benachbarten "Staaten" prägten. Die Existenz der Reichslehen multiplizierte die Grenzzonen ins Unermessliche und brachte eine offensichtliche Fragmentierung mit sich. Seit dem 18. Jahrhundert bemühte man sich, diese Grenze entsprechend den durch Krieg und Eroberung hervorgerufenen Veränderungen durch lange diplomatische Verhandlungen neu zu definieren, doch wurden diese Versuche regelmäßig durch die Fortsetzung dieser Konflikte auf lokalem Niveau konterkariert. [6]

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Die Quellen sind reichhaltig und sollten wegen der zahlreichen Informationen, die sie bieten können, neu gelesen werden, wobei man gewisse Schemata der traditionellen Historiografie hinter sich lassen muss. [7] Sie verdeutlichen, wie derartige Konflikte beispielsweise mit den Problemen umstrittener oder verhüllter fiskalischer oder Katasterzuordnung und oft mit vermischter und unteilbarer Nutzung verknüpft waren oder auch mit den Transitwegen und den ständig neu verhandelten Dynamiken des Austauschs. Die Analyse dieser Differenzen, jener über Grenzfragen, doch allgemeiner all jener, die die jurisdiktionelle Einordnung der Orte betrafen, erlaubt eine noch präzisere und dichtere Kontextualisierung der Dynamiken juristischer Konstruktion von Territorien, die häufig in die Ausarbeitung historischer Gutachten mündete. [8]

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Diese Quellen, die bislang kaum von der Historiographie beachtet worden sind, sind in der Tat sehr reich. Wenn auch in einigen Fällen ihre Wurzeln bis in die Renaissance verfolgt worden sind oder der starke kritische Impuls, den diese diplomatischen Dispute der Historiographie bis zum 17. Jahrhundert gaben, ans Licht gebracht worden ist, blieb die umfangreiche Produktion des 18. Jahrhunderts – Druckwerke, häufig aber auch lediglich Manuskripte – großenteils unerforscht. Diese besitzt jedoch eine grundlegende Bedeutung für die und engste Verbindungen mit den historisch-diplomatischen Entwicklungen, v.a. aber mit der Geschichte und Problematik der archivarischen Bewahrung der Dokumente. Nicht selten sind nämlich die Archivbestände auf der Grundlage des Typs von historisch-juristischen Konflikten strukturiert, und viele Dokumentensammlungen sind vor ihrem zeitgebundenen politischen Hintergrund besser zu erklären und können in komplexerer Weise gelesen werden. Doch diese Akkumulations- und Selektionsdynamiken der historischen Dokumentation, die freilich alles andere als offenkundig sind, haben keine besondere Beachtung gefunden.

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All das hat sehr starke "territoriale" Implikationen und erschwert die jurisdiktionelle Einordnung der Orte. Man denke an die besondere Bedeutung, die im Verlauf des 18. Jahrhunderts und im Zusammenhang mit der veränderten politischen Situation die Debatte über die Reichsrechte in Italien gewann, sowie an die Verbreitung einer spezifischen Publizistik zu diesem Thema: [9] In der hier zu untersuchenden Region waren von dieser Debatte direkt die Regierungen in Genua und Turin betroffen und es entstand ein intensiver Dialog mit den kaiserlichen Amtsträgern – mailändischen, wienerischen, aber auch "deutschen" –, der Advokaten, Rechtswissenschaftler und Historiker einbezog. Dieser verursachte wiederum eine enorme Produktion v.a. von Manuskripten und hing eng mit den Prozessen der territorialen Konstruktion der beiden Regionalstaaten zusammen. [10]

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Daher ist es nötig, dass derartige Untersuchungen einen mikropolitischen und analytischen Ansatz verfolgen, zugleich aber sehr sensibel gegenüber dem Territorium und dem konkreten ("topographischen") Handlungsraum sind. [11] Auf diese Weise kann vermieden werden, dass die Wiederentdeckung der Geschichte der Diplomatie und der Nutzung der mit dem (Reichs-)Lehnswesen verbundenen Rechtskonzepte sich auf eine politisch-institutionelle Analyse beschränkt, welche den räumlichen Kontext, in dem die Quellen entstanden sind, außer Acht lässt, oder, noch schlimmer, auf eine gelehrte klassifikatorische Übung hinausläuft. [12]

2. Die Reichslehen des Oltregiogo zwischen der Republik Genua und dem savoyischen Staat

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Zwischen der Republik Genua und den zahlreichen Lehen, die ihrem Territorium benachbart waren oder dort Enklaven bildeten und v.a. über das Hinterland Savonas, die Langhe, das genuesische Oltregiogo bis hin zu den zersplitterten Lehen der Lunigiana an der Riviera di Levante verteilt waren, bestand eine konfliktgeladene Verbindung. [13] Über einige von ihnen beanspruchte die Republik die volle Herrschaft, während sie über diejenigen Reichslehen, mit denen sie investiert war, die Oberhoheit des Kaisers anerkennen musste, wenngleich unter ständigen Diskussionen über die respektiven Prärogativen. [14] Als mit dem Kauf von Busalla die genuesische Politik der direkten Intervention an ihr Ende gekommen war, ließ sich häufig das Bestreben erkennen, den Erwerb dieser Territorien durch genuesische Aristokraten zu unterstützen oder die Reichsvasallen selbst in das Patriziat der Republik aufzunehmen. [15] Dies war allerdings keine Lösung, die völlige Sicherheit vor der Einmischung der benachbarten Savoia brachte. Sie stieß ebenso mit der Interventionspolitik des Reichs und der Oberhoheit zusammen, die es über das gesamte Territorium der Republik beanspruchte (wobei die Situation noch durch die doppelte politische "Treue" verkompliziert wurde, welcher die Patrizier unterworfen waren, die zugleich genuesische Regierungsmitglieder und Reichsvasallen waren). Die genuesische Regierung hatte in der Tat bis zu ihrem Ende mit den Oberhoheitsansprüchen des Reichs über ihr gesamtes Territorium zu rechnen, die sowohl auf lokaler wie internationaler Ebene instrumentalisiert und auch durch eine intensive publizistische Produktion vorgetragen wurden (die ihrerseits oft ein Argument für die Ansprüche der Reichsvasallen darstellte). [16]

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Im 18. Jahrhundert war das Königreich Sardinien der gefährlichste Konkurrent der Republik in dem Bemühen, das eigene Territorium in Richtung auf den Apennin zu vergrößern. [17] Das geschah auf wesentlich dynamischere Weise mit der sukzessiven Einverleibung umfangreicher Territorien: des Monferrato, der langhischen Lehen und der "Paesi di nuovo acquisto" (darunter Alessandria und das Tortonese). Das ganze 18. Jahrhundert hindurch blieb jedoch das Problem, das heterogene Konglomerat von Gemeinden und Lehen der Zentralgewalt zu unterwerfen, mit der sie unter verschiedenen Rechtstiteln und in einer nicht selten problematischen Weise verbunden waren. [18] Vor allem stechen die Widerstände der Vasallen und Gemeinden hervor, die zumindest bis in die 1780er Jahre auf ihrer Stellung als (ehemalige) Reichsgebiete bestanden. [19] Dies waren Komplikationen, die die Reichslehen mit den kirchlichen (z.B. jenen des Bistums Asti oder der Bischöfe von Tortona und Pavia) gemeinsam hatten, denn auch diese widersetzten sich der Ausdehnung allgemeiner Regelungen, und ihnen wurde oft bis zum Ende des Ancien Régime eine "stillschweigende Immunität" zugestanden. [20] Ein gemeinsames Schicksal also an administrativen Entwicklungen, lokalen politischen Perspektiven und der Anbindung an eine legitimierende Instanz (den Kaiser und den Papst), wie es sich über die Jahrhunderte immer wieder bestätigte. Daher ist es kein Zufall, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die päpstlichen Lehen in Denkschriften über Jurisdiktionskonflikte mit den kaiserlichen einbezogen (oder geradezu mit jenen verwechselt) wurden.

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Diese Art von Problemen hinsichtlich der Reichslehen beeinflusste auch in Turin die stetige Reflexion über die historische Rolle des Hauses Savoia innerhalb des Reichs. Die Diskussionsteilnehmer selbst – Gemeinden, Vasallen, Kaiserhof – wählten unterschiedliche Strategien der Bekräftigung ihrer eigenen Prärogativen, und nur eine detaillierte und kontextualisierte Analyse ihrer Entwicklungen ermöglicht es, die beständige Neudefinition des politisch-territorialen Gleichgewichts zu verstehen. [21]

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Dies war eine Eigentümlichkeit derartiger politischer Gebilde, deren Verbindungen mit den Amtsträgern des Reichs, und damit ihre Stellung als Reichslehen selbst, sich häufig komplex gestalteten und unterschiedliche Diskussionen durchliefen, durch spezifische Handlungen bald bestätigt und bald verneint wurden – die Bitte um Belehnung, die Treuschwüre im Kriegsfall, die militärischen Besetzungen und allgemein durch eine weite Skala jurisdiktioneller Akte: Aushebungen, Abgaben- und Steuererhebungen, Ausübung der Justiz. Daraus folgten die Komplexität und Fragmentierung dieser Lehen (die häufig unter verschiedene Vasallen aufgeteilt waren) und das darauf zurückgehende Jurisdiktionsgeflecht. Es handelt sich also um eine nur schwer zu quantifizierende Zahl, die sich im Lauf der Frühen Neuzeit ständig wandelte, nicht nur (wie man vereinfachend annimmt) entsprechend der mehr oder weniger starken Präsenz der kaiserlichen Amtsträger auf der Halbinsel, sondern auch entsprechend den Handlungen, mit denen die Untertanen vor Ort auf die Reichsunmittelbarkeit als Quelle der Legitimität rekurrierten. [22] Ohne Zweifel geht es aber um eine stattliche Zahl: Für den Apennin ist die Rede von mindestens hundert Lehen (allein jene, über die 1735 dem König von Sardinien die Superioritas territorialis abgetreten wurde, zählten über fünfzig). [23] Diese komplexe Situation ist der Grund dafür, dass die benachbarten Staaten nicht nur für die Erwerbung, sondern auch für die Erforschung dieser Territorien beachtliche Mittel aufwendeten.

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Dies zeigen z.B. die Aktivitäten Matteo Vinzonis, des bekanntesten genuesischen Kartografen des 18. Jahrhunderts, der über Jahre hinweg mit der Sammlung von topografischen, politischen und wirtschaftlichen Informationen über dieses Gemenge feudaler Jurisdiktionen beauftragt war. [24] Derartige Untersuchungen – für die sich Vinzoni häufig auf Spezialisten für den Transit, wie Maultierführer, stützte – führten zu einer haarfeinen Rekonstruktion des Straßennetzes im Umkreis der Republik und demonstrieren die Bedeutung, die diese Lehen zumal wegen ihrer Lage an einigen der Landwege, die Genua mit Norditalien und Europa verbanden, besaßen, sowie die ständigen Beunruhigungen, denen die genuesische Regierung ihretwegen ausgesetzt war – beispielsweise im Zusammenhang mit dem savoyischen Expansionismus, der sie im Lauf des 18. Jahrhunderts mehrfach dazu zwang, ihre Straßenpolitik zu überdenken. Der Weg über die Reichslehen stellte für die Regierung der Republik eine strategische Ressource dar, um ihre Einkreisung zu durchbrechen. [25]

3. Die Lokalpolitik des Transits: Historiografie und Quellenlage

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Hinsichtlich des Themas Handel und Transit hat sich die Geschichtsschreibung lange auf die Reform- und Regulierungspolitik auf der Zentralebene konzentriert (Rationalisierung des Verkehrs und der Zölle, geregelte Erhebung des Wegegelds, Annullierung der Privilegien), wobei sie die Quellenbelege für gegenläufige Tendenzen als Anomalien oder Widerstände (das Thema des Schmuggels) bewertet und damit die Analyse des Verhaltens und der konkreten wirtschaftlichen Praktiken eines Gutteils der Gesellschaft des Ancien Régime marginalisiert hat. [26]

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Die historische Analyse des wirtschaftlichen Austauschs und des Transits enthüllt dagegen ein sehr ausgeprägtes Netz von sozialen Beziehungen, das mit der Beanspruchung präziser jurisdiktioneller Identitäten verknüpft ist (und damit alles andere als untergeordnet ist) und auf lokaler Ebene eine beträchtliche Bedeutung gewinnt. [27] Es wird die Bedeutung des Austauschs auf lokaler Ebene gegenüber der traditionellen Interpretation des Handels von mittlerer und großer Reichweite deutlich. [28] Daraus folgt eine neue Lesart der Geschichte der Siedlungen und ihrer Fragmentierung, aber auch eine abweichende Bedeutung der Konzentration landwirtschaftlichen Besitzes, die nicht zufällig exakte Richtungen erkennen lässt und damit die klassische wirtschaftliche Interpretation seiner Nutzung verkompliziert. [29]

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All das ist ganz offensichtlich in der Apenninenregion, wo in der Frühen Neuzeit die Handelswege lange durch Straßennetze oder "Bündel" gebildet wurden, die an die Hauptverkehrswege anknüpften. [30] Im Rücken Genuas zweigten von den Tälern der Polcevera und des Bisagno zahlreiche Richtungen ab. Eine führte zur "Cabanera"-Straße von Marcarolo und von dort in die Gegend von Acqui und Alessandria oder alternativ über Voltaggio und Gavi nach Tortona und Pavia; eine andere über den Bocchetta-Pass nach Novi und Mailand. In die Poebene führte auch die Straße von Giovi. Von beiden Tälern aus konnte man den Pass von Crocetta d'Orero erreichen, um von dort dem so genannten "Weg der Reichslehen" Richtung Lombardei zu folgen. Weiter im Osten führten die Verbindungswege zwischen der Metropole und den benachbarten Zentren der Riviera di Levante über den Pass von Scoffera und Torriglia Richtung Voghera und Piacenza. Noch weiter östlich lag die Verbindung des Aveto-Tals, die sowohl von denen, die von der Küste kamen, wie vom Transithandel größerer Reichweite, wie z.B. demjenigen von der Toskana Richtung Poebene, genutzt wurde. Zwei weitere wichtige Straßen an der Riviera di Ponente berührten Voltri: die Canellona und der Giovo Piatto in Richtung der Stura-Täler – wo sie sich mit denen, die aus Marcarolo kamen, vereinigten – und ins Orba-Tal. Diese Wege bildeten ein komplexes System und wurden von zahlreichen Maultierpfaden gekreuzt, die die Wege untereinander verbanden.

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Zumindest bis zu den großen Veränderungen des 19. Jahrhunderts und auch darüber hinaus behielt dieses Netzwerk von Straßen, die zum Großteil wenig mehr als Pfade waren, auf denen überwiegend Lasttiere zum Transport eingesetzt wurden, seine entscheidende Bedeutung. Dessen ungeachtet, vielmehr vielleicht sogar wegen dieser Verbindungssituation, war die Ausnutzung der Ressource des Transits entscheidend für die Wirtschaft des Oltregiogo. Die Reichslehen, eine Art Hinterland des großen genuesischen Handelszentrums, stellten historisch strategische Etappen in Richtung der großen Zentren der Poebene dar und wurden so selbst zu Orten des Handels und der Organisation des Transits. – Eine Bestätigung dafür scheinen die Probleme zu sein, mit denen die Region unmittelbar nach dem durch das Ende des Ancien Régime und der Annexion durch das Königreich Sardinien hervorgerufenen Zerfall dieses Systems zu kämpfen hatte.

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Jede historische Darstellung dieser Regionen des Apennins bekräftigt diese Eigenschaften. Es ist jedoch festzustellen, dass nicht jede historische Analyse dieses Integrationsprozesses über einige wenige allgemeine Feststellungen hinausgelangt ist, die häufig unkritisch und gemäß stereotypen Bildern wiederholt worden sind: beispielsweise die von der Bedeutung der so genannten "Straßen des Salzes", die offensichtlich auf dem Apennin allgegenwärtig waren, faktisch aber so gut wie niemals in ihren strukturellen Aspekten analysiert worden sind. [31]

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Diese Studien haben allerdings die Vorstellung, den Transit unter Rückgriff auf die fiskalische Überlieferung der Zentrale einfach im großen Maßstab und entlang der großen Verkehrswege untersuchen zu können, als irrig erwiesen und zugleich deutlich gemacht, dass die Geschichte des Transits und des Handels auf dem Landweg in der Republik Genua zur Zeit des Ancien Régime auf weite Strecken noch zu schreiben ist. Es ist also nötig, die mit der Institutionengeschichte verknüpfte Vorstellung zu überwinden, die sich häufig ausschließlich am Umfang des Hafenverkehrs orientiert [32] und für die sich das Problem in der Verpachtung der Steuern auf dem Land oder dem allgemeinen Verweis auf den Schmuggel erschöpft (allerdings nur im Sinne eines Verzichts auf die Analyse). [33] Die archivarische Überlieferung lässt unterschiedliche Typen von Akteuren erkennen, die in formeller oder informeller Weise an der Definition und Praxis des Transits partizipierten. Häufig konzentrierte sich ihre Aktivität auf kleine Räume (Mikrotransit) und entfaltete sich in sehr eigentümlichen Formen. Es war beispielsweise üblich, dass die Tätigkeit in Transport und Handel fallweise mit anderen Beschäftigungen verbunden war. In ähnlicher Weise hatten die jurisdiktionelle Zugehörigkeit (vor allem die zum Reich) sowie das Bekanntschafts- und Unterstützungsnetz dieser lokalen Arbeiter eine grundlegendere Bedeutung auch für allgemeine Fragen, wie die Wirtschaftlichkeit der Transporttätigkeit oder den Zustand der Straßen. Die physische Beschaffenheit der Region und die daraus resultierende Existenz von Straßen, die lange Zeit für einen umfangreichen Transit wenig geeignet waren, müssten außerdem die Forschung in diese Richtung vorantreiben.

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Die Informationen, die den Quellen (z.B. der notariellen Überlieferung, den archäologischen Untersuchungen und Dokumentationen über Handelsniederlassungen an den Transitwegen [34] oder, wenngleich in unsystematischer Weise, aus den Folgen, die die Ausübung der feudalen Jurisdiktion für die Ausbeutung dieser Ressourcen hatte [35]) zu entnehmen sind, legen es nahe, die Analyse zu verfeinern, eine Analyse, die auch im Fall der Überlieferung der Feudalherren dahin gelangen müsste, die Informationen zu rekonstruieren, die etwa den Konflikten zwischen diesen und den lokalen Notabeln, Familienverbänden und "Handelsgesellschaften" um die Anerkennung einzelner Exemtions- oder Handelsrechte zugrunde lagen.

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Dieser analytische Fortschritt kann nur durch eine neue Aufmerksamkeit gegenüber der archivalischen Überlieferung und ihre sorgfältige Auswahl erreicht werden, deren Lektüre nach Möglichkeit vor dem Hintergrund der Kenntnis der geographischen Verhältnisse geschehen sollte. Weil nämlich diese Orte – die u.a. keine festen Beziehungen zu irgendeinem der regionalen Territorialstaaten besitzen – auf der Basis der Überlieferung einiger "zentraler" Amtsträger untersucht worden sind, ist eine verzerrte Wahrnehmung von ihnen entstanden. Es ist eine komplexe Aufgabe, eine Karte der zur Verfügung stehenden Überlieferungen zu rekonstruieren: Sie sind über zahlreiche Archive verstreut, und es hängt von den verschiedensten Entwicklungen ab, wo sie gelandet sind. Das Vorhandensein unterschiedlicher Sammlungen von Dokumenten erlaubt jedoch eine vertiefte und intensive Lektüre. Die Staatsarchive (Wien, Mailand, Turin, Genua, Piacenza und Parma, doch auch die Archive der anderen in dieser Gegend gelegenen Provinzen, wie z.B. Alessandria) bewahren eine direkte und indirekte Überlieferung zu den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen, die die ligurischen Reichslehen tangiert haben. [36] Diese gilt es zusammen mit anderen Beständen, wie denen der Gemeinden und der Pfarreien, zu betrachten. Gerade Letztere hatten in diesen Gegenden eine außerordentliche Bedeutung und prägten die Lokalpolitik. [37] Weiteres sehr wichtiges Material stammt aus der notariellen Überlieferung. Diejenigen Notariatsarchive z.B., die zum Teil ins genuesische Staatsarchiv gelangt sind, sind eine wahre Fundgrube von Informationen aus privaten wie öffentlichen Quellen (zu Prozessen und aus den Kanzleien). [38] Die Quellen der privaten Adelsarchive haben eine zentrale Bedeutung, angefangen beim genuesischen Patriziat, dem diejenigen entstammten, die lange Zeit die unbestrittenen Herren des Oltregiogo waren. Diese Archive sind hinsichtlich ihrer Qualität und ihrer Geschlossenheit sehr unterschiedlich, aber zumindest gegenwärtig sind sie zu einem guten Teil unbenutzbar oder schlichtweg unbekannt. [39]

4. Zwei Fallstudien: Campofreddo und der "Staat" der Doria

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Der kurze Hinweis auf zwei Fallstudien mag verdeutlichen, wie die beschriebenen Dynamiken im Wesentlichen bis zum Ende des Ancien Régime eine grundlegende Bedeutung behielten.

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Das Reichslehen Campofreddo, das heutige Campo Ligure in der Provinz Genua, liegt im Stura-Tal, an der Straße zwischen der genuesischen Küste und der Gegend von Acqui Terme und Alessandria. Es war Schauplatz eines Konfliktes, der das ganze 18. Jahrhundert über einen Teil der Gemeinde mit der Familie Spinola und der Republik Genua als Condomini des Lehens, das in einer Grenzzone zum Königreich Sardinien lag, entzweite. Hier praktizierte die Republik ihre Kontrolle des Territoriums völlig unabhängig von seiner Qualität als Reichslehen, [40] doch dem widersetzte sich beharrlich ein Teil der Gemeinde, der entschieden die Reichsrechte unterstützte und beim Wiener Reichshofrat ständig Prozesse gegen die Vasallen anstrengte, wozu man sich einigen Bevollmächtigten anvertraute. Diese Maßnahmen gipfelten am Ende des 18. Jahrhunderts in einem letzten Versuch, als man im Jahr 1790 im Geheimen den Versuch einer Annäherung an den Turiner Hof unternahm, der zu dieser Zeit daran interessiert war, seine Prärogativen als Reichsvikar (und damit -richter) geltend zu machen. [41] Diese Einbeziehung der savoyischen Regierung resultierte aus der Strategie, welche diese in ihren Beziehungen zum Kaiserhof entfaltete. Nicht zufällig wurde in Turin Carlo Ignazio Montagnini damit beauftragt, der zu jener Zeit erster Archivar der piemontesischen Monarchie und lange damit beschäftigt war, mit historisch-juristischen Ausarbeitungen die savoyische Superiorität über die von der Krone erworbenen Reichsgebiete einzufordern. Er hatte sich bereits 1763 während seiner Gesandtschaft in Wien mit den Streitigkeiten der Gemeinde beschäftigt und bemerkte mit Bedauern, dass jenes Lehen "tatsächlich eines von denen ist, die man bei der Demarkation infolge des Wormser Vertrags scheinbar aus dem Blick verloren hat, obwohl seine Erwerbung aus verschiedenen Rücksichten nicht weniger wichtig gewesen wäre als die der beiden Rossiglione und ihrer Zugehörigkeiten". Ihm zufolge resultierte der Fehler aus der übergroßen Gewissheit des Turiner Hofs im Jahr 1743, Savona und Finale und damit einen Zugang zum Meer zu erlangen, doch sei der Coup "infolge der bekannten Ereignisse in Italien gescheitert". Nunmehr werde die Situation durch die unausgesetzten genuesischen Versuche verschlimmert, die Reichshoheit über den Ort definitiv auszuschalten und "sogar alle Rechte der Landeshoheit (superiorità territoriale) auszuüben".

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Überdies suchte Montagnini für die Savoia die Rolle des Reichsvikars in Italien zu reklamieren, und das Interregnum nach dem Tod Josephs II. im Jahr 1790, das mit den Bitten der Campeser zusammenfiel, trieb ihn dazu, die Gemeinde zu einem Appell zu bewegen, der eben diese seine Strategie unterstützen sollte – indem nämlich durch eine geschaffene Tatsache das beanspruchte Recht bezeugt werden sollte. Tatsächlich erreichte er, dass man sich in einem Moment, als die Untertanen aufgrund des unbesetzten Kaiseramts anderswo Gerechtigkeit zu erhalten suchen konnten, an den Herzog von Savoyen als Reichsvikar wandte.

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In einer Denkschrift insistierten die Appellanten darauf, dass unter den Reichslehen, über die Genua seine Herrschaft ausgedehnt habe, Campofreddo zu den wenigen gehöre, die noch ihren Status als Reichsgebiet beanspruchten, statt ihn "sozusagen geheim zu halten". Sie waren sich wohl der Notwendigkeit bewusst, diese Prärogativen ständig zu bekräftigen, und wiesen darauf hin, dass der Gesandte Campofreddos in Wien, der Priester Giuseppe Leone, "in der Lage wäre, Erkenntnisse mitzuteilen, die er unverhofft in Wien gefunden habe und die möglicherweise am Turiner Hof unbekannt seien". Damit wurde auf historisch-juristische Belege angespielt, um über das Vikariat zumindest das "Dominium medium" über diesen Ort zu beanspruchen. Eine Möglichkeit, die weitere mit der Urkundenrecherche verknüpfte Szenarien eröffnete, und in diesem Sinne wurde gelegentlich auf die "Tradition" angespielt, gemäß der die gesamte Zone entlang dem Stura-Bach einst Reichsgebiet gewesen, im Lauf der Zeit aber illegalerweise durch die Republik annektiert worden sei.

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Außerdem betonten die Campeser die strategische Lage des Territoriums und dass dieses sich bis zu den Grenzen des Monferrato erstrecken würde, wenn es nicht durch einige von Genua unterstützte Usurpationen beachtlicher Teile beraubt worden wäre. Auf diese Weise sollte der Appetit der Savoia noch weiter angeregt werden, sei es indem eine völlige Einverleibung in Aussicht gestellt wurde (der letzte Vertrag zwischen dem Reich und Savoyen hatte festgelegt, dass die Reichslehen, die an den Grenzen des savoyischen Territoriums lagen, diesem angegliedert werden sollten), sei es durch die Andeutung ökonomischer Vorteile (Ausbeutung der Zollfreiheit, "die in alter Zeit von der Republik zugestanden worden ist", kraft derer die Vasallen und Einwohner des Ortes besondere Zollprivilegien für die an Ort und Stelle produzierten Güter genossen und auch für diejenigen, "die sie über die Straße von Voltri und Varazze an den besagten Ort bringen oder bringen lassen"). Aus dieser Prärogative zog die Regierung der Republik keinerlei Nutzen, für Turin aber hätte sie die Straße zum Meer geöffnet. [42]

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Der Vorstoß versandete jedoch wegen der Vorsicht des Turiner Hofes und wegen der negativen Signale aus Frankfurt, wo der Wahltag einen Großteil der savoyischen Ansprüche zurückwies. Die genuesische Regierung scheint von diesem Versuch nichts gewusst und sich größere Sorgen darüber gemacht zu haben, dass durch die Mailänder Plenipotenz die Entscheidung getroffen werden könnte, Truppen zur Beilegung etwaiger Unruhen zu schicken, Truppen, die dazu das genuesische Territorium hätten passieren müssen, entlang jener wichtigen Verbindungsstraße, über die man die ausschließliche Kontrolle beanspruchte. [43]

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Die "Feudi di Montagna" der Doria bildeten ein ziemlich ausgedehntes Territorium entlang dem Apennin östlich von Genua zwischen dem Aveto-Tal, dem Trebbia-Tal und dem Gebiet von Tortona, das im Verlauf der Frühen Neuzeit nahezu vollständig an den fürstlichen Zweig der Familie gelangte. [44] Es handelt sich um eine Region, deren strategische Bedeutung schon in den ältesten Quellen (12. Jahrhundert) durch die Erwähnung der von den Vasallen erhobenen Wegegelder bezeugt wird und die während der gesamten Frühen Neuzeit einen Schnittpunkt zwischen den Territorien der Po-Herzogtümer, der (savoyischen und mailändischen) Lombardei, der Republik Genua (insbesondere der genuesischen Riviera di Levante) und der Toskana bildete – auf der Straße des Aveto konzentrierte sich lange Zeit der Transport toskanischer Waren Richtung Piacenza. Dazu kam die Bedeutung des Aveto-Tals als Weidegrund für Vieh aus der Lombardei und von den Küsten.

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Die Lehen waren sowohl von ihrer Beschaffenheit wie hinsichtlich der politischen und wirtschaftlichen Situation vielgestaltig. Insbesondere gab es einen grundlegenden Unterschied zwischen einigen von ihnen, die unzweifelhafte Reichslehen waren und über die die Doria daher die volle, lediglich der Oberhoheit des Kaisers unterstellte Herrschaft ausübten, und einer anderen Gruppe von Ländereien (das Lehen Gremiasco), die im Gegensatz dazu "befreit" waren: Das heißt, sie genossen einen hohen Grad von Autonomie, waren aber formal an das Herzogtum Mailand angebunden. Eine immer wieder bestätigte Tradition der Exemtion, welche die Letztgenannten z.B. für den Handel auf Mailänder Gebiet Richtung Genovesato beanspruchten, die aber oft in Zweifel gezogen wurde, insbesondere als mit dem Erwerb des Gebiets von Tortona die savoyischen Beamten die Ansprechpartner geworden waren. [45]

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Doch die Absichten der benachbarten Potentaten – außer Savoyen die Republik Genua und dann der Bourbonenhof von Parma – richteten sich auch auf die anderen, unzweifelhaften Reichslehen. [46] Um dem zu begegnen, begnügte sich die Familie Doria nicht damit, sich beständig auf die lange Tradition zu berufen, welche diese Gebiete mit dem Reich verband. [47] Aus ähnlichen Gründen begann man die Verhandlungen, die zur Erhebung Torriglias zum Fürstentum kraft kaiserlichen Diploms vom 13. Mai 1760 führten (die Ratifikation der Entscheidung durch den Reichstag erfolgte am 19. April 1762). [48] Einige Erwerbungsprojekte scheinen darauf abgezielt zu haben, den Besitzungen darüber hinaus eine größere territoriale und rechtliche Einheitlichkeit zu verleihen, wobei man stets auf ihre Zugehörigkeit zum Reich rekurrierte, [49] die auch durch politische Zeremonien vor Ort bekräftigt wurde. [50] Am Ende des 18. Jahrhunderts verfolgte man schließlich die Strategie, einen Vertrag zur Entwicklung des Straßennetzes abzuschließen, um so die "sovranità feudale" zu bekräftigen. [51] Und noch 1794 bemühte man sich in Wien, den Weg für die Erhebung Torriglias zum "feudo maggiore" freizumachen, um so eine weitere Garantie seitens des Wiener Hofes gegen die Absichten der Nachbarn zu haben. [52] Dies zeigt, wie üblich und verbreitet es noch unmittelbar vor dem Ende des Ancien Régime war, seine Zuflucht zum Reich und seinen Institutionen als Quelle der Legitimität zu nehmen.

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Die bis hierher gemachten allgemeinen Beobachtungen – Verflechtung zwischen Jurisdiktion, Territorium und Transit – sind noch besser anhand spezifischer Anhaltspunkte einzuschätzen, wie z.B. die Rekonstruktion der Aktivitäten Marco Antonio Fossas, der bis in die 1730er Jahre für mehrere Jahre zunächst Statthalter und dann Kommissar in den "feudi di Montagna" der Doria war. [53] Unter anderem war er Verfasser einer theoretisch-praktischen Abhandlung, der "Osservazioni circa l'enfiteusi camerali di Torriglia e loro proprietà", [54] gemäß der er versuchte, die Verwaltung der enfiteusischen Güter so zu regeln, dass die Lehnskammer nicht, wie es offenbar häufig geschah, von der effektiven Kontrolle dieser Besitzungen ausgeschlossen wurde. Diese Schrift ist möglicherweise im Zusammenhang mit seinem Auftrag entstanden, die Missbräuche abzustellen, die in seinem Amtsbezirk auftraten, wo ein erheblicher Teil dieser Güter auf irreguläre Weise an "ausländische" Untertanen des Grafen Urbano Fiesco, den Herrn des benachbarten Reichslehens Croce (das heutige Crocefieschi), vergeben worden war. [55] Er projektierte ein bis ins Kleinste ausgearbeitetes juristisches Vorgehen (Klage gegen einen dieser Besitzer und dessen Verurteilung zum Heimfall durch den Gerichtshof) und strebte eine genauere Kenntnis des Territoriums an. Dies wird sichtbar anhand des Vergleichs dieser Quelle, die auch aus einer Sammlung von Dokumenten zu früheren derartigen Rückforderungen besteht, [56] mit der kartographischen Überlieferung. In denselben Jahren nämlich produzierte er eine beachtliche Menge von Karten zu den Gebieten der feudalen Jurisdiktion der Doria. Dabei war er mehrfach gezwungen, die Gegenwart und die Konkurrenz anderer Jurisdiktionen sowie deren Folgen für die politische Handhabung des Transits in jener Gegend anzuzeigen. [57]

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Diese Interventionen fielen mit einem allgemeinen Plan zur Regulierung der Zölle und der Einkünfte des Lehens Torriglia zusammen (zwischen 1711 und 1712 wurde vorgeschlagen, von ihrer Verpachtung zu ihrer direkten Verwaltung überzugehen), der auf Fossa zurückgeht. Seine Maßnahmen beinhalteten also theoretisch-juristische Reflexionen, die mit Interventionen in die Rechtsprechung, kartografischen und Verwaltungsaufzeichnungen der Orte zusammenfielen, welche sich aus den konkreten naturräumlichen und jurisdiktionellen Gegebenheiten ergaben. Seine "Reformen" waren also ein allgemeines Projekt mit starken territorialen und lokalen Implikationen. Seine allgemeinen Regeln bezüglich der Zölle zeigen, wie die Nutzung dieser Ressource grundsätzlich auf der Anerkennung einer Reihe von Befreiungen und privilegierten Behandlungen basierte, die genau rekonstruiert wurden. Besondere Zollbefreiungen betrafen beispielsweise die Untertanen "per decreto", die "persone, a' quali da S.E. si permette il trattamento da sudditi", einige Gemeinden und Dörfer der Feudaljurisdiktion der Doria (nicht mit identischer Behandlung), Untertanen und Gemeinden benachbarter Lehen (auch hier mit feinen Unterschieden, aus denen die "totale reciproca esenzione" für die Einzelpersonen aus Savignone und Croce hervorsticht), dazu Einzelpersonen, durch Verwandtschaft oder Wohnort definierte Gruppen – alles im Namen von durchgängig dokumentierten Privilegien, die oft Jahrhunderte zurückreichten. [58]

<34>

Der gleichzeitige Versuch der Regulierung der so genannten "strade proibite" betraf einige der rührigsten Protagonisten auf diesem Theater des Apenninen-Transits: die "sudditi Fieschi" aus Croce und Savignone. Sie beanspruchten, auch über ihre Feudalherren, eine weitgehende Befreiung hinsichtlich ihrer Aktivitäten im Transithandel. Die Heftigkeit, mit der die Fieschi in ihrem Namen eine völlige Anerkennung aller Exemtionsprivilegien und zugleich eine völlige Bewegungsfreiheit auf dem Territorium der benachbarten Lehen fordern, überrascht. Die Diskussion drehte sich größtenteils um die "verbotenen Straßen" (denn die Befreiung an sich wurde selbst von den Doria niemals in Zweifel gezogen) und um die Möglichkeit, sich nach eigenem Gefallen in jede Richtung und ohne jede Kontrolle innerhalb derjenigen Lehen zu bewegen, die, wie gesagt, einst im Besitz einer Linie der Fieschi gewesen waren. Just aus diesem historischen Sachverhalt scheinen die Ansprüche dieser Gruppe von "Transitunternehmern" ihre Stärke bezogen zu haben. [59]

<35>

Diese Diskussionen bestätigen, in welchem Maß das Handels- und Jurisdiktionssystem noch immer durch jahrhundertealte Privilegien und Ansprüche geprägt war. Vor allem zeigen sie, wie komplex das Beziehungsnetz in derartigen Regionen werden konnte, wenn ein wirtschaftlicher Austausch, und sei es auch nur von ganz geringer Reichweite, stattfand.

5. Die Restauration und die Annexion der Reichslehen durch das Königreich Sardinien

<36>

Die Restauration führte zur Einverleibung des ausgedehnten Gebiets der "feudi imperiali, già liguri" in das Königreich Sardinien. Dieser folgte eine intensive Politik der statistischen und kartografischen Aufnahme, die zusammen mit den vorausgegangenen wichtigen Maßnahmen der napoleonischen Zeit eine Quelle von höchster Bedeutung für die Territorialgeschichte Liguriens darstellen. [60]

<37>

Die zahlreichen savoyischen statistischen Gutachten zielten in einem Kraftakt zur Rationalisierung (der v.a. ein Projekt zur Organisation des Territoriums war) darauf ab, die ökonomischen, kommerziellen, politischen und geografischen Besonderheiten der Region zu quantifizieren, v.a. aber zu charakterisieren. Die Ergebnisse dieser Maßnahmen, die unmittelbar nach dem Wiener Kongress stattfanden, sind als alles andere denn sicher zu betrachten, zumal sie zwischen der Konsolidierung des Friedens und den zahlreichen gerichtlichen Rekursen ins Stocken gerieten, welche die Vasallen und in einigen Fällen auch die Gemeinden und Privatpersonen über Jahre hinweg unternahmen, um ihre Restitution, Entschädigung oder anderes zu erreichen. [61] Die institutionellen Veränderungen waren begleitet von einer gleichzeitigen Revolution in den Formen des Besitzes und des Eigentums – man denke an die Folgen der Aufhebung des Lehnswesens (die übrigens im savoyischen Königreich den Reformen der französischen und napoleonischen Zeit vorausging) – und hatten enorme Konsequenzen für eine Region, deren jurisdiktionelle Komplexität sehr eng mit der Entfaltung der lokalen Wirtschaft verknüpft war.

<38>

Die Informationen, die in diesen Statistiken enthalten sind, zeigen es deutlich. Eine von ihnen, die "Nozioni generali sui Feudi Imperiali" (1815-1816), die eben beim Akt der Inbesitznahme erstellt worden ist, hält die Situation dieser Region zu diesem Zeitpunkt sozusagen fotografisch fest. Es handelte sich um eine Maßnahme, die wahrscheinlich auch ein kartografisches Ergebnis hatte – zumindest scheint die "Carta corografica dei Feudi imperiali addetti al Ducato di Genova" so zu interpretieren zu sein (die dem Text angefügt ist). [62] Beide Dokumente bezeugen die Ausdehnung und Bedeutung dieser Orte; außerdem geht aus ihnen die komplexe Siedlungsstruktur hervor, die geprägt ist durch eine große Zahl von Siedlungskernen und Pfarrgemeinden: "Diese Lehen beinhalten 31 Gemeinden", wie der Verfasser dieser Statistik feststellt, "die in neun Bezirke aufgeteilt sind, welche insgesamt 97 Pfarrgemeinden bilden, und eine Bevölkerung von 63.089 Seelen" haben. [63]

<39>

Die Statistik hält sich – mit einiger Zweideutigkeit – eine Weile mit der Geschichte und der besonderen jurisdiktionellen Situation auf: "Die so genannten Reichslehen, weil sie einst durch das altum Dominium abhängig vom kaiserlichen Haus Österreich waren, von dem die Vasallen unmittelbar die Investitur erhielten [...] bildeten in alter Zeit [...] eine Provinz, die dem genuesischen Herrschaftsbereich angegliedert war, wobei sie sich jedoch einer unbegrenzten Zahl von Privilegien und Befreiungen erfreute und sich jedes Dorf nach seinen eigenen Gemeinderechten richtete". [64] Die Erwähnung der sanften genuesischen Herrschaft ist irrig, wenn sie nicht darauf bezogen ist, dass die Inhaber der Lehen zum Teil der städtischen Aristokratie entstammten, doch sie ist insofern interessant, als sie den Willen zum Ausdruck zu bringen scheint, die Oberhoheit des Reiches über jene Gebiete nicht als absolut anzuerkennen, um nicht in jene Legitimitäts- und Jurisdiktionsprobleme zu geraten, mit denen die savoyischen Amtsträger Jahrhunderte lang zu kämpfen hatten. [65]

<40>

Die Bezugnahme auf die Geschichte findet sich, oft mit ziemlich präzisen Angaben, auch in Berichten über einige dieser Lehen. [66] Eine Denkschrift von 1824 des Bürgermeisters der Gemeinde Savignone beinhaltet manch interessante Beobachtung:

<41>

"Vielleicht gibt es keine Autoren, die speziell über das Territorium des einstigen Lehens sprechen, allenfalls, dass die deutschen Verfasser, wenn sie allgemein über die italienischen Lehen reden, auch im Besonderen auf Savignone zu sprechen kommen. Im Codex diplomaticus Lünigs finden sich in Band 4 alle Investituren der italienischen Vasallen [...]. Es gibt jedoch handschriftliche Denkschriften, abgesehen von der Tradition der Einheimischen, die behaupten, dass die Territorien der italienischen Lehen in den vergangenen Jahrhunderten und in ältester Zeit alpine, bewaldete und unbebaute Berge waren und dass frühe Vertreter der Familien Spinola, Doria, Malaspina, Fieschi und anderer sich in den Kopf setzten und sich bemühten, sie zu kultivieren, indem sie Bauern herbeiriefen, von denen sie jedem ein Stück unbebauten Landes in Erbpacht übertrugen, und so erkannten nach und nach [...] diese unterschiedlichen Bevölkerungen keinen anderen Oberherrn an als ihre respektiven Padroni diretti, von denen sie die Länder hatten, für die sie lebten, und zu diesen kamen sie mit ihren Fragen und Streitfällen". [67]

<42>

Dies sind Zitate, die auf die Bedeutung der Reichsqualität als Kategorie der Immunität und Autonomie verweisen, auf die Rolle, welche die Geschichte (und die Dokumentation) für diese Qualität und die einzelnen Rechtskonstruktionen (in diesem Fall die Enfiteuse) spielten, welche die inneren Beziehungen der Lehen bis zum Ende des Ancien Régime dominierten. [68]

<43>

Diese Beobachtungen sind so eng mit jenen zur Wirtschaftsgeschichte dieser Orte verknüpft, die durch Handelstätigkeit und das verbreitete Transitgeschäft geprägt war, dass sie sogar ihren Niederschlag in der Beschreibung der physischen Besonderheiten der Einwohner fanden. "Die Bevölkerung ist gut gebaut, robust und mit vielem natürlichen Talent und Unbefangenheit, insbesondere im Handel, gesegnet", führt die Einleitung der "Nozioni sui feudi" aus. Auch einige linguistische Anmerkungen verweisen auf die verbreiteten Handelsbeziehungen: In Savignone "ist die Amtssprache das Genuesische, gemischt mit anderen Dialekten der Dörfer, mit denen sie Handel treiben"; der Dialekt von Santo Stefano im Aveto-Tal sei ein Gemisch aus Genuesisch, Parmesisch und Venezianisch.

<44>

Der Augenblick, aus dem diese Beobachtungen stammen, fiel jedoch mit tief greifenden wirtschaftlichen Veränderungen zusammen, deren Zusammenhang mit denen auf institutioneller Ebene eine intensivere und genauere Untersuchung verdienen würde. In derselben Einleitung besteht man beispielsweise auf den Motiven für eine verbreitete Auswanderung (zumal in die Lombardei und die Romagna), zu der ein Gutteil der Bevölkerung gezwungen sei: "die aus der Stagnation des Handels resultierende Not". Der Berichterstatter insistiert auf diesen Veränderungen: Während es in Santo Stefano d'Aveto "in früheren Zeiten ein großes Transitgeschäft gab [...] und es der Stapelplatz für alle Lebensmittel war, die aus dem Parmesischen ins Genuesische und umgekehrt passierten [...], ist der Handel gegenwärtig allein auf den Käse reduziert, den man im Dorf herstellt und den man den Genuesen verkauft [...], und die Stagnation des Handels zwingt diese Einwohner zur Auswanderung, mehr als zwei Drittel haben sich in die Romagna, die Lombardei oder die Maremma begeben". Dasselbe gilt für Torriglia, wo "das Fehlen des Handels, der wichtigsten Einkommensquelle der Einwohner, und der Kastanien, des wichtigsten Produkts ihrer Länder, ein Drittel der Bevölkerung für sechs oder sieben Monate im Jahr zur Auswanderung zwingt".

<45>

Natürlich wäre die Rhetorik statistischer Dokumente dieses Typs – angesichts dieser epochalen Krise des Handels wurde eine Politik der Regulierung des Anbaus betrieben – genauer zu analysieren. Es sind Beobachtungen, die an der direkten Überlieferung zu messen wären, insbesondere für die Implikationen, die die Wirtschaftspolitik der Krone in diesen Territorien für diese Sichtweise hatte. [69] Man betrachte z.B. die Bezugnahme auf die saisonale Auswanderung zur Arbeit in "ausländische Staaten", die übrigens eine Jahrhunderte lange Geschichte hatte, dessen ungeachtet negativ konnotiert war und bisweilen grundlos mit der Unfähigkeit zur Ausbeutung der landwirtschaftlichen Ressourcen verknüpft wurde. Demgegenüber ist es allerdings nicht zu leugnen, dass es zahlreiche Beobachtungen zur historischen Bedeutung des Handels – und des Schmuggels – auf lokaler Ebene gibt, und diese sind eng verknüpft mit dem, was die Landkarte der Lehen rekonstruiert: zahlreiche Siedlungen, ein enges Netz von Handelswegen (gegenüber den wenigen befahrbaren Straßen), die dem Netz der stark frequentierten Maultierpfade des Ancien Régime entsprechen. [70]

<46>

Auch die Funktionsträger der Regierung und die Verfasser der statistisch-historischen Berichte der folgenden Jahre zeigen, dass sie sich sehr wohl der Implikationen bewusst waren, welche die Fähigkeit der Bevölkerung dieser Gegend, am Transit auf regionaler Ebene zu partizipieren, hatte. [71] Einige Beobachtungen sind noch genauer, was die jurisdiktionellen Begründungen für diese Prädisposition betrifft. Bezüglich Torriglia wird beispielsweise erklärt, dass es "vor der Angliederung an Genua das Privileg des freien Verkaufs von Salz, Tabak und Schießpulver genoss, Güter, die einen höchst profitablen Handel in dieses Dorf zogen".  [72] Analoge Beobachtungen gibt es – um zu den oben betrachteten Beispielen zurückzukehren – auch zu Campofreddo (dessen Exemtionen und Zollbefreiungen im Genuesischen aufgezählt werden) und Savignone: "Die Einwohner des Ortes hatten kein besonderes Privileg, wenn man nicht die völlige Handelsfreiheit jedes Einzelnen, so wie es ihm gefiel und er es vermochte, als solches bezeichnen möchte, wobei die Handelsgüter damals in Getreide und den üblichen Handelsgütern bestanden, die man am besten in dem Ort absetzen konnte, weswegen man enge Verbindungen mit Genua und dem Piacentinischen hatte, von wo und aus dem Parmesischen seinerzeit viel Getreide kam". [73]

<47>

Die historische Verbindung des hier untersuchten Gebiets mit den umliegenden Regionen und seine Komplexität erklären sich also nur dann, wenn man es vermeidet, einzelne Forschungsgegenstände und Themen zu isolieren, sondern eine "storia integrata" und einen analytischen Ansatz anstrebt, der von den topografischen Gegebenheiten ausgeht. Das Thema des Lehnswesens (und der Verflechtung von Jurisdiktionen, insbesondere der des Reiches), das des Handels (der Ressource des Transits) und das allgemeinere der lokalen historischen "Identität" (besser gesagt: der kontinuierlichen besonderen historischen Prägung von Teilen dieses Territoriums), dürften, wenn sie in komplementärer Weise untersucht und kontextualisiert werden, meiner Meinung nach wichtige Beobachtungen gestatten. Sie dürften zudem zeigen, dass die angebliche Randlage dieser Orte das Ergebnis von Veränderungen relativ jungen Datums ist, während ihre Geschichte vielmehr durch die Einbeziehung in eine Welt des – kommerziellen, kulturellen und politischen – Austauschs mit einem sehr weiten Horizont geprägt war, der in der Praxis und auf lokaler Ebene auch von der Verbindung mit dem Reich, auf die man sich ständig berief, profitierte – eine bis zum Ende des Ancien Régime höchst lebendige Verbindung, welche die auf die Bildung des Nationalstaats fixierte Geschichtsschreibung lange verdrängt hat und die ein mikropolitischer Ansatz wiederentdecken kann.

Autor:

Dott. Vittorio Tigrino
Università del Piemonte Orientale
Facoltà di Scienze Politiche
Via Cavour, 84
I-15100 Alessandria
vittorio.tigrino@sp.unipmn.it
http://polis.unipmn.it/php/showHomePage.php?who=tigrino

Die Übersetzung aus dem Italienischen hat Matthias Schnettger angefertigt.



[1] Vgl. I Feudi imperiali in Italia tra XVI e XVIII secolo. Atti del convegno, Albenga-Finale-Loano, 27-29 maggio 2004, im Druck; Matthias Schnettger / Marcello Verga (Hg.): L'Impero e l'Italia nella prima età moderna / Das Reich und Italien in der Frühen Neuzeit, Bologna / Berlin 2006, darin insbesondere Vittorio Tigrino: Istituzioni imperiali per lo stato sabaudo tra fine dell'antico regime e Restaurazione, 179-240, mit einigen Überlegungen zu dieser Vernachlässigung durch die Geschichtswissenschaft.

[2]  Vgl. etwa die Beobachtungen von Christophe Duhamelle: Les noblesses du Saint-Empire du milieu du XVIe au milieu du XVIIIe siècle, in: Revue d'histoire moderne et contemporaine 46 (1999), 146-170, der die Anpassungsfähigkeit des deutschen Adels an die politischen Entwicklungen unterstreicht. Diesen Befund kann man auch auf die italienischen Reichsvasallen ausdehnen.

[3] Ich habe diese Beobachtungen in einem Aufsatz verwendet, in dem ich die rechtlichen Bedingungen für die Kartographie entwickelt habe. Vgl. Vittorio Tigrino: Giurisdizione e transiti nel '700. I feudi imperiali tra il Genovesato e la pianura padana, in: Marina Cavallera (Hg.): Lungo le antiche strade: stati, giurisdizione e confini nella cartografia dell'età moderna, im Druck.

[4]  Ich beziehe mich auf Salvatore Pugliese: Le prime strette dell'Austria in Italia, Milano / Roma 1932, und Giovanni Tabacco: Lo stato Sabaudo nel Sacro Romano Impero, Torino 1939. Von beachtlicher Bedeutung war die italienische Publikation von Karl Otmar von Aretin: L'ordinamento feudale in Italia nel XVI e XVII secolo e le sue ripercussioni sulla politica europea. Un contributo alla storia del tardo feudalesimo in Europa, in: Annali dell'Istituto storico italo-germanico in Trento 4 (1978), 51-93.

[5]  So Matthias Schnettger in seiner Einführung zum Studientag am 27. Februar 2006.

[6]  Die anerkannten Reichslehen wurden normalerweise nicht in die allgemeinen Grenzverträge in der Mitte des 18. Jahrhunderts einbezogen. Allerdings unternahmen die Vasallen diplomatische Initiativen in Grenzfragen. Der Fall des Fürsten Doria ist dafür ein Beispiel, sein Territorium überragte allerdings die meisten anderen Lehen an Bedeutung.

[7]  Obwohl die jüngsten Beiträge zum Konzept der Grenze und Grenzzone die Aufmerksamkeit auf das Verhältnis zwischen den lokalen Gemeinden und den "zentralen" Amtsträgern richten, interpretieren auch sie die Verhältnisse oft im Sinne der Integration oder aber im Gegensatz dazu des Widerstands, ohne einen gewissen institutionellen Formalismus zu überwinden. Vgl. als Beispiele für zwei unterschiedliche Ansätze Carlo Ossola / Claude Raffestin / Mario Ricciardi (Hg.): La frontiera da Stato a nazione. Il caso Piemonte, Roma 1987, und Edoardo Grendi: La pratica dei confini. Mioglia contro Sassello, 1715-1745, in: Quaderni Storici 63 (1986), 811-845.

[8]  Ich glaube jedoch, dass die lokalen Dynamiken, die mit jenen Auseinandersetzungen zusammenhängen, häufig der historiografischen Rekonstruktion entgehen.Vgl. Vittorio Tigrino: Castelli di carte. Giurisdizione e storia locale nel Settecento in una disputa fra Sanremo e Genova (1729-35), in: Quaderni Storici 101 (1999), 475-506, und ders.: Istituzioni imperiali (wie Anm. 1) (auch für weitere Literatur). Hier wird das Thema der jurisdiktionellen Ansprüche mit dem der Bildung der Dokumentensammlungen im Zusammenhang gebracht.

[9] Vgl. z.B. Elisabeth Garms-Cornides: Reichsitalien in der habsburgischen Publizistik des 18. Jahrhunderts, in: Schnettger / Verga: L'Impero e l'Italia (wie Anm. 1), 461- 497.

[10] Dabei handelt es sich um ein heterogenes Korpus von nahezu sämtlich unedierten Quellen – Teil- oder vollständige Gutachten und Denkschriften, eine Art von Manuskript-"Publikationen" –, die insbesondere deswegen bedeutsam sind, weil durch die sehr bewusste Entscheidung der beiden Regierungen die Veröffentlichung von historiographisch-juristischem Material zu den Territorien der beiden Staaten das gesamte 18. Jahrhundert hindurch kräftig behindert wurde.

[11] Zur topographischen Annäherung an die Territorialgeschichte vgl. Edoardo Grendi: Storia di una storia locale. L'esperienza ligure 1792-1992, Venezia 1996; Angelo Torre: La produzione storica dei luoghi, in: Quaderni Storici 110 (2002), 443-475; Vittorio Tigrino: "La vocazione alla contestualità". Ricerca e didattica in Edoardo Grendi (1932-1999), in: http://www.stmoderna.it/AspFiles/memoria_dettaglio.asp?id=28 [12.4.2007]. Vgl. außerdem Diego Moreno: Dal documento al terreno. Storia e archeologia dei sistemi agro-silvo-pastorali, Bologna 1990.

[12] Vgl. z.B. Marcello Verga: L'impero in Italia. Alcune considerazioni introduttive, in: Schnettger / Verga: L'Impero e l'Italia (wie Anm. 1), 11-24. Siehe auch die Einleitungen zweier neuer französischer Sammelbände zum Problem des "Raums” in der Geschichte des frühneuzeitlichen Reichs: Christine Lebeau (Hg.): L'espace du Saint-Empire du Moyen Âge à l'époque moderne, Strasbourg 2004; Christophe Duhamelle (Hg.): Les espaces du Saint-Empire à l'époque moderne = Themenheft von Histoire, Economie et Société 23 (2004), Nr. 1 (hier insbesondere die Einleitungen von Christine Lebeau und Etienne François). Mir scheint jedoch, dass diese Vereinigung der Analyse der politisch-institutionellen mit der der konkreten Praxis des Raums zu einem guten Teil noch zu leisten ist.

[13] Nilo Calvini: La Rivoluzione del 1753 a Sanremo, 2 Bde., Bordighera 1953; Onorato Pastine: Genova e Massa nella politica mediterranea del primo Settecento, in: Giornale storico e letterario della Liguria N. S. 3 (1927), 101-134, 197-240.

[14] Vgl. Andrea Zanini: Strategie politiche ed economia feudale ai confini della Repubblica di Genova (secoli XVI-XVIII), in: Atti della Società Ligure di Storia Patria N. S. 45 (2005), 5-238. In diesem Buch wird detailliert die Chronologie der Erwerbungen von Rechten auf die so genannten "passiven" Reichslehen durch die Republik rekonstruiert: 1540 Ponzano (in der Lunigiana); 1547 Montoggio, Roccatagliata, Varese; 1611 2/3 von Sassello (1614 wurde das verbliebene Drittel erworben); 1614 1/6 von Carrosio; 1624 3/4 von Zuccarello (das verbleibende Viertel 1632) mit 2/3 von Bardineto und einem Teil von Nasino; 1636 die Hälfte von Campofreddo; 1713 Finale mit den Podesterien von Calizzano und Carcare; 1728 22/24 von Busalla. Dem Anspruch entsprechend, diese Lehen (und v.a. die zuerst erworbenen) praktisch als integralen Bestandteil des Territoriums zu betrachten, bemühte man sich nicht einmal, sie in den offiziellen Akten als Lehen anzugeben, mit der Ausnahme von Campofreddo und Carrosio. Andererseits besaß die Republik die (zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert erworbene) oberste Souveränität über andere Lehen, die deswegen als "aktive" Lehen bezeichnet wurden: Alto und Caprauna, Casanova und Maremo, Castellaro und Pompeiana, Cosio, Lingueglietta, Masone, Mendatica, Montegrosso, Pornassio, Rezzo, Vellego. Scheinbar war die genuesische Politik die, keine Belehnungen vorzunehmen (was in den anderen Territorialstaaten durchaus üblich war), sondern stattdessen die Rechte der früheren Vasallen an sich zu ziehen. 1736 sollte die Abtretung der Lehen Bardineto, Nasino, Carrosio, Rezzo, Alto und Caprauna als angebliche Reichslehen durch den Kaiser an Savoyen erhebliche Probleme verursachen.

[15] Es gibt zahllose Belege für diese genuesische Strategie. Am 18. Juli 1730 schrieb Clemente Doria, der in dieser Zeit als Gesandter der Republik in Wien weilte, an den steinreichen genuesischen Adligen Giacomo Filippo Durazzo und schlug ihm die Erwerbung einiger Reichslehen in der Umgebung von Novi vor, um so zukünftige Probleme der Republik bezüglich des Transits entlang dieser wichtigen Handelsstraße auszuschließen und auch um Grenzkonflikte entlang des Bachs Scrivia beizulegen. Der Ton des Schreibens ist der eines Appells an die begüterten Patrizier im Namen des Gemeinwohls und des traurigen Zustands der genuesischen Staatsfinanzen. Doria war, auch persönlich, Vertreter einer engagierten Politik in "Wiener" Angelegenheiten – die allerdings bald darauf scheitern sollte. Das Schreiben ist erhalten im Privatarchiv der Familie Doria (Linie Montaldeo), im Istituto di Storia Economica der Universität Genua, sc. 396.

[16] Matthias Schnettger: "Principe sovrano" oder "civitas imperialis"? Die Republik Genua und das Alte Reich in der Frühen Neuzeit (1556-1797), Mainz 2006. Zum Problem der kaiserlichen Einmischungen in die genuesische Politik vgl. auch Onorato Pastine: La Repubblica di Genova e le Gazzette. Vita Politica ed attività giornalistica (sec. XVII-XVIII), Genova 1923 (insbesondere Kapitel II: "Le gazzette estere e la vita politica della Repubblica"). Sehr deutlich im Sinne einer Abhängigkeit Genuas vom Reich ist die Position von Friedrich Edelmayer: Genova e l'Impero nel Cinquecento, in: Atti della Società Ligure di Storia Patria N.S. 41 (105), Fasz. 2 (2001), 123-134.

[17] Teofilo Ossian De Negri: Il feudo di Carrosio e il principio della "sovranità territoriale" nel Settecento, in: Miscellanea di geografia storica e di Storia della geografia nel primo centenario della nascita di Paolo Revelli, Genova 1971, 34-77.

[18] Für einen Überblick über die piemontesischen Gemeinden sei verwiesen auf das Dizionario Storico-Territoriale dei Comuni Piemontesi, eine Initiative, die von der Region Piemont finanziert und von Renato Bordone, Angelo Torre, Sandro Lombardini und Paola Guglielmotti verantwortet wird, und bei der ich die Reaktion einiger Einträge zu den Gemeinden der Langhe und des Astigiano besorgt habe (diese werden demnächst online auf den Seiten der Region Piemont erscheinen). Zu den Schwierigkeiten für die Savoia, in den im 18. Jahrhundert erworbenen Gebieten hinsichtlich Zöllen, Zollbefreiung und Transiten zu intervenieren, vgl. Marco Battistoni: Transiti privilegiati e transiti negoziati: l'amministrazione sabauda di fronte al commercio nel secolo XVIII, in: Angelo Torre (Hg.): Per vie di terra. Uso dei confini, giurisdizioni e transiti fra milanese, Piemonte e genovesato in antico regime, Milano 2007 (im Druck).

[19] Vgl. Angelo Torre: Faide, fazioni e partiti, ovvero la ridefinizione della politica nei feudi imperiali delle Langhe tra Sei e Settecento, in: Quaderni Storici 63 (1986), 775-810; Alessandra Sisto: I feudi imperiali del Tortonese (sec. XI-XIX), Torino 1956. Zu den Aktivitäten der Reichsvasallen vgl. Angelo Torre, Del Carretto, Gerolamo Maria, in Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 36, Roma 1988, 426-429. Das Turiner Staatsarchiv bewahrt zahlreiche Quellenzeugnisse dieser Konflikte; vgl. z.B. Archivio di Stato di Torino (künftig AST), Camerale, Prima archiviazione, Tributi del Monferrato, m. 18bis, wo in den Erhebungen der Intendenza di Acqui risultano regelmäßig die "terre delle Langhe, e sedicenti Imperiali" ausgeschlossen bleiben.

[20] Auch für diesen Fall verweise ich auf das Dizionario storico territoriale dei comuni piemontesi (wie Anm. 18), z.B. für die Gemeinden Cortazzone (bis zum Ende des Ancien Régime päpstliches Lehen des Bischofs von Pavia), Cisterna und Costa Vescovato (Lehen der Kirche von Asti bzw. des Bischofs von Tortona, für die das Dominium utile erst 1784 definitiv an die Savoia abgetreten wurde). Den Eintrag zu den ersten beiden Fällen hat Sandro Lombardini betreut, während der zum dritten von Mira Montanari stammt.

[21] Vgl. Tabacco: Lo stato Sabaudo (wie Anm. 4); Luigi Bulferetti: Il principio della "superiorità territoriale" nella memorialistica piemontese del secolo XVIII. Carlo Ignazio Montagnini di Mirabello, in: Studi in memoria di Gioele Solari, Torino 1954, 153-218. In Tigrino: Istituzioni imperiali (wie Anm. 1) werden die diplomatischen und publizistischen Aspekte dieses Verhältnisses behandelt.

[22] Ein Beleg dafür findet sich beispielsweise in den Irrtümern und Ungenauigkeiten in der Publizistik der Epoche, wie etwa in der historisch-juristischen Traktatliteratur deutscher Provenienz (wo häufig ungenaue oder gar völlig unwahrscheinliche Zuschreibungen auftauchen). Die Schwierigkeiten liegen auch in der Bestimmung der "Natur" eines Lehens. Zu den unterschiedlichen Typen des Lehnswesens in Italien (z.B. zu den Verwicklungen zwischen spanischen und Reichslehen) vgl. Aretin: L'ordinamento feudale (wie Anm. 4).

[23] Um die Mitte des 18. Jahrhunderts gab es zahlreiche Versuche der genuesischen Regierung, die Zahl der Reichslehen zu ermitteln. Um diese Zeit war ihre Zahl ungeachtet der Einverleibung einiger von ihnen durch die Republik, die Savoia und den Großherzog von Toskana immer noch sehr hoch. Ähnliche Probleme bei der Quantifizierung und der Bestimmung der Qualität der Reichslehen hatten auch die Beamten der kaiserlichen Plenipotenz in Italien im 18. Jahrhundert. Vgl. Guido Del Pino: Un problema burocratico: la Plenipotenza per i feudi imperiali in Italia e il suo archivio tra XVII e XVIII secolo, in: Rassegna degli Archivi di Stato 54 (1994), 551-583.

[24] Im Bestand "Giunta dei Confini" des Archivio di Stato di Genova (künftig ASG) ist das Aktenmaterial des Colonnello Vinzoni erhalten (filze 99-114). Unter diesen Papieren finden sich zahlreiche Listen der Reichslehen und Informationen zu ihnen, v.a. im Zusammenhang mit den Grenzkonflikten mit dem König von Savoyen und mit den Verhandlungen bezüglich der Handelswege Richtung Poebene. Eine seiner Karten von 1757 ist speziell den Reichslehen gewidmet (aber es gibt andere zu demselben Thema): "Stato della Serenissima Republica di Genova con li Stati, e Feudi Imperiali intermedj e adiacenti". Im unteren Teil der Karte sind 141 Lehen aufgelistet und in Gruppen eingeteilt: jene, die der König von Sardinien erworben hat, darunter fünf, die angeblich "genuesisch" sind; die Lehen des Oneglia-Tals; des Borbera- und Ratti-Tals; des "Sizola"-Tals; des Vobbia-Tals; des Scrivia-Tals; des Trebbia-Tals; des Aveto-und des Curone-Tals; die Lehen der Lunigiana; des Magra-Tals und jene in dieser Region, über die "tiene l'Alto Dominio il Gran Duca di Toscana"; andere des Herzogs von Modena im Magra-Tal; die Lehen der Republik Lucca. Vgl. Emilio Marengo: Carte topografiche e corografiche manoscritte della Liguria e delle immediate adiacenze conservate nel R. Archivio di Stato di Genova, pubblicato per cura del Prof. Paolo Revelli, Genova 1931, Karte 126, "Genova 2", 80 f. (die Karte, die heute verschollen ist, ist auf Tafel XIV publiziert). Ebd., Karte Genova 4, eine andere Karte Vinzonis von 1748 mit einer sehr detaillierten Aufzählung der Reichslehen ("Riviera di Levante, Stato di Genova ed altri confinanti. Dedicata all'impareggiabile merito di S. Eccelenza il Signor Armando Duplessis, Duca di Richelieu e di Fronsac[ …] Supremo Comandante delle Truppe di Francia e Spagna al soccorso di Genova", ASG, fondo cartografico, b. 7, n. 306). Zu Vinzoni vgl. Massimo Quaini: Per la storia della cartografia a Genova e in Liguria. Formazione e ruolo degli ingegneri-geografi nella vita della Repubblica (1656-1717), in: Atti della Società Ligure di Storia Patria 24 (1984), 219-266.

[25] Siehe z.B. zu den Problemen infolge der Einverleibung des Gebiets von Tortona und Bobbio durch Turin ASG, Sala Senarega 1087; ebd., Giunta dei Confini, f. 109 (n.35) und f. 104A. Eine Skizze in ASG, Giunta dei Confini, carte Vinzoni, f.113a, (die jedoch kein Werk des genuesischen Kartografen ist) bezieht sich auf Informationen über militärische Besetzungen während des Polnischen Thronfolgekrieges, in den Genua nicht verwickelt war. Dieser "Tipus informis" gibt grafisch die Straßen wieder, die von der Küste zu den Pässen des Apennin aufsteigen. Durch unterschiedliche Farben zeigt er zugleich die jurisdiktionelle Zugehörigkeit des Territoriums (und damit die starke Präsenz von Reichslehen) und entwirft hypothetische militärische Verbindungen, doch er markiert zugleich die Verkehrswege von der Riviera di Ponente und vom savoyischen Oneglia nach Genua: Mondovì, Ceva, Carmagnola, Alba, Asti, Casale, Alessandria, Tortona. Die Skizze, ein Werk des "kaiserlichen Untertans" G. B. Merlani, ist auf 1735 datiert und gibt Informationen für die Reichskanzlei wieder, die wahrscheinlich durch den kaiserlichen Konsul in Genua Maricone übermittelt wurden.

[26] Die Informationen zu derartigen Verwicklungen sind übrigens von den Historikern der Reformmaßnahmen des 18. Jahrhunderts selbst als disfunktional registriert worden. Vgl. z.B. einen Klassiker wie Franco Venturi: Settecento riformatore, Bd. 1: Dal Muratori al Beccaria, Torino 1969 (insbes. das Kapitel "Confini, strade, appalti e catasti").

[27] Vgl. z.B. Angelo Torre: Idioma giurisdizionale e utilità. Spunti di riflessione sulla cultura politica dei feudi imperiali delle Langhe in età moderna, und Luca Giana: Transiti e territorio in un feudo imperiale del Piemonte meridionale nel XVII secolo, beide in: I Feudi imperiali in Italia tra XVI e XVIII secolo (wie Anm. 1).

[28] Vgl. z.B. Marco Battistoni, Dazi e transiti di merci nelle Valli Belbo e Bormida dell'età moderna, in: Elena Ragusa / Angelo Torre (Hg.): Tra Belbo e Bormida. Luoghi e itinerari di un patrimonio culturale, Asti 2003, 19-32.

[29] Bei der Untersuchung der großen Landgüter hat sich die Aufmerksamkeit bislang nahezu ausschließlich auf das Verhältnis landwirtschaftlicher und industrieller Produktion gerichtet. Die Informationen über Transit und Handel legen dagegen die Möglichkeit analytischer Rekonstruktionen nahe, insbesondere wenn diese Besitzungen sehr ausgedehnt sind und sich auf unterschiedliche Jurisdiktionen und Territorien erstrecken.

[30] Die Bibliographie zu den Kommunikationswegen im Genovesato ist umfangreich, doch von heterogener Qualität. Zur allgemeinen Orientierung vgl. Massimo Quaini: Per la geografia storica dell'Appennino genovese: le strade e gli insediamenti, in: Studi geografici sul genovesato, Genova 1970, 57-97; und Carlo Ceschi / Teofilo Ossian De Negri / Noemi Gabrielli (Hg.): Arquata e le vie dell'Oltregiogo, Torino 1959; außerdem Gino Redoano Coppedè: Il sistema viario della Liguria nell'età moderna, Genova 1989.

[31] Diese historische Konnotation findet sich auch auf einigen Webseiten, gelegentlich mit deutlich vertiefenden Informationen. Vgl. z.B. www.altavallescrivia.it; www.altavallepolcevera.com; www.altavaltrebbia.net [12.4.2007].

[32] Michel Balard: Vendere nel dominio e fuori: botteghe di città e colonie mercantili, in: Dino Puncuh (Hg.), Storia della cultura ligure, Bd. 2, Genova 2004, 99-116, unterstreicht, wie auch für das Mittelalter die historiografische Analyse des Handels durch die Konzentration auf die großen Handelsströme hin zum genuesischen Hafen jegliche Möglichkeit einer vertiefenden Analyse ausgeschlossen worden sei.

[33] Vgl. z.B. Luigi Bulferetti / Claudio Costantini: Industria e commercio in Liguria nell'età del Risorgimento, Milano 1965, wo darauf in keiner Weise eingegangen wird. Auch in Giulio Giacchero: Economia e società nel Settecento genovese, Genova 1981, beziehen sich die einzigen Aussagen über den Landhandel auf einige Projekte auf europäischer Ebene. Wenn tatsächlich einmal die wirtschaftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Handel analysiert werden, beschränkt sich die Analyse wegen der Natur einiger Quellen häufig auf das Verfahren, indirekte Steuern und Zölle zu verpachten, was nichts über die Gestaltung des Transits aussagt. Vgl. z.B. die Beobachtungen von Zanini: Strategie politiche (wie Anm. 14).

[34] Aurora Cagnana / Axel Nielsen / Stefano Falsini: Il trasporto a soma nel Medioevo: osservazioni preliminari sul traffico terrestre tra Genovesato e Basso Piemonte, in: Alessandro Laguzzi / Piana Toniolo (Hg.): San Quintino di Spigno, Acqui Terme e Ovada: un millenario. Fondazioni religiose ed assetto demo-territoriale dell'Alto Monferrato nei secoli X e XIII, Alessandria 1995, 37-50; Rosa Agnelli / Monica Mazzoli: Il Paxu di Torbi nel comune di Ceranesi: un curioso edificio nella rete stradale genovese, in: Studi e Ricerche - Cultura del territorio 9 (1993), 51-63; Aurora Cagnana / Adriana Galli (Hg.): Le rotte terrestri del porto di Genova = Studi e Ricerche - Cultura del territorio 7-8 (1992); Dal feudo al comune. Aspetti di vita casellese fra Settecento e Ottocento, Casella 1997, darin insbesondere Silvano Gaviglio: Casella: centro economico del feudo imperiale di Savignone negli atti notarili di fine Settecento, 18-23; Miscellanea di studi del Centro Culturale del Comune di Casella, Casella 1999, hier insbesondere Francesca Cavallero / Raffaella Miazza: La Casa del Mercato di Casella: un portofranco lungo la Via del Pedaggio, 35-59.

[35] Einige Monographien betonen in allgemeiner Form die Bedeutung der Zölle und des Transits, doch die Aufmerksamkeit liegt nahezu ausschließlich auf der Rekonstruktion der mittelalterlichen Urkunden. Siehe z.B.eine der zahlreichen Studien von Lorenzo Tacchella zu den Reichslehen dieser Region: Busalla e la Valle Scrivia nella storia, Verona 1981.

[36] Siehe z.B. für die genuesische Überlieferung Gian Giacomo Musso: Per la storia del "Piemonte genovese" nelle fonti dell'Archivio di Stato di Genova, in: La Berio 17 (1977), Nr. 1-2, 16-27.

[37] Zur Orientierung über die Institutionengeschichte des genuesischen Oltregiogo und des westlichen Ligurien, wozu das Gebiet zahlreicher Reichslehen zählte, vgl. Guido Malandra: Gli archivi storici dei comuni e delle istituzioni pubbliche della Liguria Orientale, Genova 1992, der auch Hinweise über die Qualität und den aktuellen Zustand der Gemeindearchive gibt. Einige archivalische Sondierungen sind durch die Archive der zahlreichen Pfarreien der feudalen Gebiete des Scrivia-Tals (in denen sich auch feudale Überlieferung findet) unternommen worden. Vgl. z.B. Arrigo Boccioni / Silvano Gaviglio: Documenti sui feudi imperiali liguri, Archivio Parrocchiale di Pietrabissara, 1994 (masch.).

[38] Bestände "Notai di Polcevera" und "Curia Valli e Monti"; letzterer ist in einem desaströsen Zustand.

[39] Übrigens ist die Situation der Familienarchive in den Staats- und anderen öffentlichen Archiven nicht viel besser. Die Erschließungsprojekte der vergangenen Jahre haben jedoch den Forschern eine Menge konsistenten Materials zur Verfügung gestellt (für Genua denke ich an die Archive einiger Zweige der Familien Doria, Durazzo, Pallavicini, Spinola). Bei der Soprintendenza Archivistica für Ligurien läuft ein Projekt zur Verzeichnung des vorhandenen Materials. Für eines dieser Archive, das Archivio Brignole Sale (Herren des Reichslehens Groppoli in der Lunigiana), das sich im Archivio Storico del Comune di Genova befindet, bin ich für die Neuordnung und die Veröffentlichung eines analytischen Inventars zuständig.

[40] Zu Campofreddo vgl. Domenico Leoncini: Campo nei secoli. Storia del feudo imperiale di Campo Freddo, hg. von Massimo Calissano, Franco Paolo Olivieri und Giovanni Ponte, Campo Ligure 1989. Vgl. auch Massimo Calissano (Hg.): Una famiglia ed il suo territorio. Campo Ligure e gli Spinola tra medioevo ed età moderna, Campo Ligure 2000, hier insbesondere Franco Paolo Olivieri: Il feudo imperiale di Campo Freddo nel sistema dei feudi imperiali italiani del XVIII secolo, 67-77, der die Bedeutung des Handelsverkehrs herausstellt, welcher von den lokalen Zollfreiheiten und denen der Maultierführer profitierte.

[41] Mit dieser Episode habe ich mich in einem anderen Beitrag beschäftigt, auf den ich für alle Archivangaben hinweise. Vgl. Tigrino: Istituzioni imperiali (wie Anm. 1). Ich habe das Thema wiederaufgenommen und mit einer größeren Aufmerksamkeit gegenüber der Kartographie und ihren Auswirkungen auf den Transit vertieft in Tigrino: Giurisdizione e transiti (wie Anm. 3).

[42] Zu den zahlreichen Straßen, die sich entlang diesem Territorium kreuzten, vgl. Leoncini: Campo (wie Anm. 40); Piero Ottonello: Territorio e vie di comunicazione, in: Calissano: Una famiglia (wie Anm. 40), 213-224 (mit einigen Hinweisen zum Schmuggel).

[43] In den Dokumenten genuesischer Provenienz ist die Verlegenheit über die Einmischung der in Mailand ansässigen Plenipotenz evident. Diese Einmischung hätte aus der Einstufung des Lehens als "minore" resultiert, denn die Republik werde nicht gezählt "fra li vassalli de feudi chiamati maggiori ossia feudi throni, secondo il sentimento dei pubblicisti di Vienna". Diese Einstufung erlaubte den Vasallen keine militärische Intervention außer im äußersten Notfall. Die Akten enthalten einige Ausführungen zu diesem Gegenstand, wie etwa die des Advokaten van der Heyden: "Intorno alla natura de' Feudi posseduti dalla Serenissima Repubblica" (1792). Die Regierung der Republik und die Spinola agierten in Wien, indem sie sich die Gunst und die Unterstützung der Mitglieder der kaiserlichen Regierung zu verschaffen suchten, um Gegenschläge seitens des Reichshofrats zu verhindern, und unterstützten zugleich auf lokaler Ebene die progenuesische Partei.

[44] Die Besitzungen umfassen die Lehen Torriglia, Santo Stefano (1592 von einem anderen Familienzweig erworben), Carrega, Ottone, Garbagna (mit Grondona und Vargo), Cabella (mit Fontanarossa, das 1633 abgetreten, am Ende des 18. Jahrhunderts aber zurückgewonnen wurde), Gremiasco. Jedes Lehen umfasste einige zugehörige "terre". Einen Großteil dieser Territorien erwarb die Familie infolge der gescheiterten Verschwörung Gian Luigi Fiescos von 1547 und der darauf folgenden Konfiszierung der Güter und Lehen der Fieschi. Vgl. Sisto: I feudi imperiali (wie Anm. 19), 66f f. und Angelo Bassi: Gremiasco. Storia di un paese, uno delle nostre valli tortonesi, Gremiasco o.J. (ca. 1986). Zum Lehen Torriglia vgl. auch Mauro Casale: La Magnifica "comunità di Torriglia & c. Torriglia e l'Alta Valtrebbia nella storia, Genova 1985; ders.: Castrum Turrilie, ovvero l'unica vera storia del castello di Torriglia, Genova 1995. Der fürstliche Zweig der Doria nahm nach der Heirat zwischen Giovanni Andrea II. Doria (1570-1612) und Maria Polissena Landi (die der Familie für einige Jahrzehnte Ansprüche auf die Territorien Bardi und Compiano einbrachte) den Namen Doria-Landi an. Giovanni Andrea III. (1653-1737) heiratete dann 1671 die Römerin Anna Pamphilj. 1760 schließlich verlegte Giovanni Andrea IV. (1704-1765) den Sitz der Familie nach Rom, und sein Sohn Andrea IV. (1747-1820) nahm den Namen Doria Pamphilj an.

[45] Die Probleme resultierten daraus, in welch exzessiver Weise die Savoia die Vertragsbestimmungen zu ihren Gunsten interpretierten: Artikel 4 des Wiener Präliminarfriedens (3.10.1735), der von den Ländern und Lehen spricht, die vom Gebiet von Tortona abhängen, und der Wormser Vertrag (13.9.1743), der stattdessen die "Bezirke des Stato di Milano" anführt, "wie sie im Besitz Ihrer Kaiserlichen Majestät sind". Der Streit dauerte lange an, führte zur Produktion von Karten und Denkschriften und scheint sich erst im Zusammenhang mit der Hochzeit zwischen Andrea IV. Doria und der Prinzessin Leopoldina von Savoyen beruhigt zu haben. Vgl. Bassi: Gremiasco (wie Anm. 44), der einige dieser Denkschriften anführt (299 ff.). Die Agenten beriefen sich beständig auf die historisch-juristischen Dokumente und arbeiteten entsprechende Darlegungen aus, um die Immunität des Lehens zu sichern (vgl. z.B. Archivio Doria-Landi-Pamphilj, Roma – künftig ADP –, Sc. 76, b. 33, "Genova, Feudi imperiali [investiture] 1547-1781. Copie di investiture imperiali e scritture relative": "Gremiasco: Dissertazione storico-giuridica intorno alle investiture et giurisdizione, diritti, esenzioni, immunità, privilegi ed affrancazioni del feudo Gremiasco, Bagnara, Fabbrica, etc. conceduti alla famiglia Doria"). Aus diesem Grund wurden 1752 die Dokumente über das Lehen Gremiasco von Mailand nach Genua geschickt, weil sie die Mailänder Regierung nicht länger betrafen; sie wurden in Genua der Deputation zur Verfügung gestellt, die sich mit den Angelegenheiten des Lehens befasste (vgl. ADP, sc. 39, b.1). Die Doria erlebten u.a. die Folgen der Abtretung der Landeshoheit ("superiorità territoriale") über einige Lehen durch den Kaiser an die Savoia im Verlauf des 18. Jahrhunderts: Loano und Stellanello wurden von Reichs- zu savoyischen Lehen (wenngleich dies immer bestritten wurde).

[46] Vgl. Sisto: I feudi imperiali (wie Anm. 19). Giorgio Fiori: I tentativi Farnesiani e Borbonici di espansione verso Genova, in: Archivio Storico per le Province Parmensi Serie IV, 18 (1966), 325-350, greift die Geheimverhandlungen auf, mit denen die bourbonische Regierung den Vorsitzenden der Deputation über den Fürsten Doria in Genua rekrutierte, um sich Unterstützung und v.a. nützliche Dokumente zu sichern, um Doria die Oberhoheit über seine Besitzungen "di Montagna" zu entreißen. Diese Operation war Teil jener größeren Strategie, die Du Tillot 1764 in Wien verfolgte, um von Wien die kaiserliche Investitur mit den an das Herzogtum Parma-Piacenza angrenzenden Lehen der Doria, der Centurione und der Malaspina zu erhalten, v.a. um dem savoyischen Expansionismus zu begegnen und den Verkehr mit dem genuesischen Gebiet zu sichern. Die von Fiori entdeckten Dokumente belegen die engen Kontakte zwischen den Funktionsträgern der beiden Fürsten und wie verbreitet transversale Karrieren waren – nicht notwendigerweise, wie in diesem Fall, als Folge eines Verrats.

[47] Eine beständige Sorge: Mitten im Österreichischen Erbfolgekrieg (kein Reichskrieg, also ein Krieg, der die Reichsvasallen nicht hätte berühren dürfen) protestierte der Agent Alessandro Tamburelli wegen der den Gemeinden der Lehen abgenötigten Treueide (die darauf abzielten, sie als "mailändisch" in den Krieg hineinzuziehen). Er beanspruchte ihre unbestrittene Reichsunmittelbarkeit (wobei er wegen seiner Freiheiten auch Gremiasco einbezog) und legte die kaiserlichen Lehnbriefe bis hin zu den kaum zwei Jahre zuvor erhaltenen des nicht habsburgischen Kaisers Karl VII. vor. Vgl. ADP, sc. 39, b. 1: "1712 a 1745. Feudi Imperiali di Casa Doria in Montagna. Documenti autentici diretti a provare che Garbagna, Grondona, Vargo, Torriglia, Ottone, Gremiasco ed altri, sono imperiali et indipendenti dallo Stato di Milano".

[48] Vgl. ADP, sc.17, b. 18; sc.39, b. 1; sc. 4, b. 23. Bei dieser Gelegenheit wurden die Markgrafschaften Torriglia und Santo Stefano vereinigt, auch wenn sie in der Realität mindestens bis in die 80er Jahre in der Titulatur der Dokumente beide genannt werden.

[49] 1784 wude das Lehen Cabella zurückgewonnen, das 1633 abgetreten worden war, um eine Schuld zu begleichen. In ADP, sc. 76, b. 40 findet sich eine Reihe von Briefen Gio Luigi Solignacs, des Agenten des Fürsten in Wien aus den Jahren 1790 bis 1797, in denen Doria der Erwerb der Markgrafschaft Pregola, eines Lehens der Malaspina, vorgeschlagen wird, auf das sich seit Jahrzehnten die savoyischen Absichten richteten (1791).

[50] Vgl. z.B. G. O. Crosiglia: Torriglia. Cenni storici, tradizioni, leggende, Torriglia 1900, der die Erinnerungen des Priesters Antonio Bianchi (1728-1766) berichtet, wo die Feierlichkeiten zur Krönung Josephs II. beschrieben werden, als die Hügel der Gegend mit Feuern erleuchtet wurden: "insomma la notte parea un chiaro giorno, […] attestato veridico del fuoco di quel buon cuore, che nodriscono in seno queste buone Imperiali Commarche verso il nuovo coronato Eroe dell'Austria, e di tutta la sua augustissima casa."

[51] Die Verhandlungen über eine Straße, die von Chiavari und Rapallo bis zu den Gipfeln der "monti Ventarola e Bozale" und den "stati" der Doria, sodann über das Nure-Tal ins Piacentino und zu den Hauptstädten des Herzogtums Parma-Piacenza führen sollte, bezogen den Bourbonenhof von Parma mit ein. Der dortige Gesprächspartner Dorias, Giuseppe Tassi, meinte, die Straße wäre der günstigste Transportweg "per tutto ciò che arriva in lidi ligustici dal Mediterraneo e Levante, e che vanno a quei Regi Stati, a Lombardia, Tirolo, Veneziano, Adriatico", und fügte hinzu, dass "colla conclusione di questo Trattato verrebbe a dare sempre più un maggior lustro ai suoi Stati, e ad assicurarsi, in ogni eventualità, dalle minacciate sorprese, di chi tende - perdoni all'espressione - di chi tende a rendersela schiva". Vgl. ADP, Sc. 77, b. 96: "Nuova strada del piacentino nel genovesato. Trattative. 1787-92".

[52] Es war immer noch der Agent Gio Luigi Solignac, der sich damit zu beschäftigen hatte (siehe oben Anm. 49).

[53] Er war für mehrere zweijährige Amtsperioden zwischen 1693 und 1724 Kommissar in Torriglia und von 1721 bis 1723 in Santo Stefano.

[54] Die Entstehungszeit dieser Schrift ist ungewiss, liegt aber sicher vor 1728. Rodolfo Savelli: Repertorio degli statuti della Liguria (secc. XII-XVIII), Genova 2003, weist auf ähnliche Schriften für andere Lehen der Region hin: "Consuetudini enfiteotico-feudali" für Savignone von 1740, für Croce - das heutige Crocefieschi - von 1733, ferner für Cabella.

[55] ADP, sc. 71, b. 88. In Sc. 71, b. 34, "Torriglia e sua giurisdizione. Beni enfiteutici. Vendite, passaggi e devoluzioni relative, 1577-1673" finden sich einige Dokumente über vorangegangene irreguläre Verkäufe.

[56] In ADP, sc. 64, b. 61, gibt es andere Quellen dazu, wobei auch Material vom Ende des 16. Jahrhunderts angeführt wird. Die Interventionen Fossas wurden auch in der Folge als Präzedenzfälle genutzt und dienten dazu, Verfahren zu entwickeln, gemäß denen die Kameralbeamten im Fall umstrittenen Besitzes vorgehen konnten (cf. ADP, sc. 71, b. 88).

[57] Siehe z.B. die "Mappa de confini della Giurisdizione di Torriglia ne' Monti di Antola, Galina e Scaletta" von 1714 (ADP, AAG, cart. 3, n. 5), welche die gleichzeitige Präsenz unterschiedlicher Jurisdiktionen an der Grenze zwischen Torriglia, der Podesteria von Montoggio (Lehen der Republik) und den Lehen Croce und Savignone (die zwei unterschiedlichen Zweigen der Fieschi gehörten) zeigt. Um dieses Problem noch deutlicher zu machen, bezeichnet die Karte zwei Dörfer (Porcile und Pareto) "di giurisdizione di Torriglia", die vollkommen vom Territorium des Lehens abgetrennt sind und nahe an anderen Orten liegen, "in cui ha partecipazione la giurisdizione di Torriglia", welche aber auch ihrerseits innerhalb der Grenzen Savignones eingeschlossen sind. Doch es ist nicht allein die Grenzfrage, die hier berührt wird. Die Karte nimmt auch auf Ortsnamen und Straßenverläufe Bezug, die in den früheren Quellen (v.a. denen des 17. Jahrhunderts) im Zusammenhang mit Hinterziehung der Zölle und Behinderung des Transits genannt werden.

[58] Die Einzelpersonen werden in einem separaten Kapitel aufgelistet. Die Familien sind "la Guana, la Badaraccha, la Malatesta, e la Colla [Cella?] della giurisdizione di Santo Stefano"; die Orte "Montebruno, Propata, Canale, Fontanigorda, Casingheno che sono tutti cinque luoghi della giurisdizione di Torriglia, Montoglio [Montoggio?], Savignone e ville annesse, la Croce e ville annesse, eccettuati però quelli luoghi che restano al di là del monte Salata non ostante che siino de sig.ri Fieschi". Die Begründungen sind unterschiedlich. Die Guana z.B. beanspruchen das "iblieto"-Privileg; andere beziehen sich auf Zugeständnisse Gio Luigi Fiescos, als die Fieschi im 16. Jahrhundert Feudalherren von Torriglia waren, "sia per uso che per negozio" (doch die Exemtion "per negozio" ist umstritten und zieht einen noch offenen Streit nach sich). Propata beansprucht die Exemtion gemäß "privileggio concesso da cardinale Fiesco e Carlo Fiesco nel 1416".

[59] Vgl. insbes. ADP, sc. 63, b. 106: "Per la contraventione dei dazi nei Feudi imperiali"; ebd., sc. 71, b. 54. Ebd., AAG, cartella 3, n. 9: "Mappa originale della strade de' Feudi di S. E., comprese le proibite, fatta dal Signor Dottor Fossa fatta in settembre del 1726". Zu einer benachbarten Gegend (doch in Wirklichkeit handelt es sich um das Fontanabuona-Tal und damit um dieselbe Region, in der sich die Protagonisten dieser Ereignisse bewegen) vgl. die Beobachtungen von Osvaldo Raggio: Faide e parentele. Lo stato genovese visto dalla Fontanabuona, Torino 1989; ders.: Costruzione delle fonti e prova: testimoniali, possesso e giurisdizione, in: Quaderni Storici 91 (1996), 135-156; Moreno: Dal documento al terreno (wie Anm. 11).

[60] Vgl. Diego Moreno: Une source pour l'histoire et l'archéologie des ressources végétales (les cartes topographiques de la montagne ligure (Italie), in: Catherine Bousquet-Bressolier (Hg.): L'œil du cartographe et la représentation géographique du Moyen Age à nos jours. Colloque européen La cartographie topographique (Paris, 29-30 octobre 1992), Paris 1995, 175-197.

[61] Soweit ich sehe, gibt es keine Gesamtstudie zur Einverleibung der ehemaligen Lehen durch die piemontesische Regierung. Allerdings gibt es zahlreiche Hinweise in einigen lokalgeschichtlichen Monographien, v.a. aber in den Archiven (zumal in denen der genuesischen Herren, in denen ich die Konsistenz der Bestände besser prüfen konnte; aber auch in den Gemeindearchiven als Gegenpart der Expatrizier). Diese lassen verschiedenartige und anpassungsfähige Strategien erkennen, zumal wenn die signorilen Familien sich bewusst wurden, dass es ausichtslos und unvorteilhaft war, ihre eigenen Besitzungen als Lehen zurückzufordern, und daraufhin "Genealogien" von Dokumenten rekonstruierten, die den Allodialcharakter dieser Besitzungen belegen sollten. Der Fall der Doria-Pamphilj wird illustriert bei Alessandra Sisto: Dei feudi imperiali della famiglia Doria Pamphilj Landi durante il periodo napoleonico e la Restaurazione, in: Bollettino storico bibliografico subalpino 42 (1940), 190-220.

[62] Die "Nozioni […]" sind ein Manuskript von 42 Blättern, das im ASG, Prefettura Sarda, n. 384 erhalten ist; eine Kopie findet sich in AST, Corte, Paesi, Genova, Riviera (nicht inventarisiert), Feudi Imperiali già liguri; eine weitere Kopie ist im Archivio dell'Istituto Geografico Militare (IGM), cartella 36, doc.261 (Liguria, 22), zusammen mit der "Carta corografica", die Giuseppe Casalegno zugeschrieben wird. Vgl. einige Beobachtungen bei Roberta Cevasco: La copertura vegetale dell'Alta Val Trebbia nelle ricognizioni topografiche del Corpo di Stato Maggiore Sardo (1816-1852). Approccio storico all'ecologia dei siti, in: Archeologia Postmedievale 6 (2002), 195-214.

[63] "[…] comprendono questi feudi trent'uno Comunità, divise in nove mandamenti, che formano in tutto novantasette parrocchie, ed una popolazione di 63089 anime". Die Angabe unterscheidet sich nur geringfügig von der bei Sisto: I feudi imperiali (wie Anm. 19), 176: 1.248 km2 mit 65.473 Einwohnern.

[64] "Li feudi così detti Imperiali, perché dipendenti già per l'Alto Dominio dall'Imperiale casa d'Austria, da cui li Feudatarj ricevevano direttamente l'investitura […], formavano nelli antichi tempi […] una provincia aggregata al Dominio Genovese, godente però d'un infinità di privilegi, e franchiggie, e rigolandosi ciascun paese secondo le leggi sue municipali".

[65] In Tigrino: Istituzioni imperiali (wie Anm. 1) habe ich versucht, diesen Prozess der Beseitigung und des Vergessens eines politischen Systems – dasjenige Reichsitaliens – zu rekonstruieren, der eng mit der Geschichte des Hauses Savoia und der des künftigen italienischen Nationalstaats zusammenhängt.

[66] Vgl. ASG, Prefettura sarda, n. 384, wo sich Korrespondenzen und verschiedene statistische Aufstellungen von 1815 bis in die frühen 1820er Jahre finden, insbesondere über die Gemeinden des genuesischen Oltregiogo und der ehemaligen Reichslehen.

[67] "[...] autori, che parlino particolarmente del territorio del già feudo di Savignone forse non vi saranno, a meno che gli autori Tedeschi che, parlando dei Feudi d'Italia in genere, vengano a parlare in particolare di quello di Savignone. Nel codice diplomatico di Lunig al t. 4 esistono le investiture tutte a feudatari d'Italia […]. Esistono pure memorie manoscritte oltre la tradizione de' Locali, che asseriscono che i Territorj de Feudi d'Italia ne' secoli remoti , ed antichissimi fossero monti alpestri selvatici, ed incolti, e che antichi individui delle Famiglie Spinola, Doria, Malaspina, Fieschi ed altri si presero il pensiero, e la premura di farli coltivare con chiamare de' coloni a quali diedero in enfiteusi a ciascheduno porzione di terreno incolto, e così a poco a poco […] queste diverse popolazioni non riconoscevano altro superiore che i rispettivi Padroni diretti, da cui avevano i terreni per cui vivevano, ed a questi ricorrevano nelle loro quistioni e dispute". Ebd., "Notizie topografiche e metereologiche rapporto al territorio del mandamento di Savignone ed altre istoriche, ed amministrative scritte in agosto 1824", vom Bürgermeister der Gemeinde der Intendanz in Genua zugesandt.

[68] Vgl. ebd. auch die statistische Übersicht, die in dem Schreiben des königlichen Bürgermeisters von Torriglia vom 13. September 1824 an die Intendanz zu Genua enthalten ist: "anteriormente all'aggregazione non si conoscevano altre imposizioni che un tenue canone in Generi che si pagava dalli padroni utili al padrone diretto".

[69] Aus den Dokumenten geht z.B. die Sorge der Funktionäre savoyischer Herkunft hervor, dass die Handelsbilanz zwischen dem piemontesischen und dem neu erworbenen Territorium nicht zuungunsten des ersteren ausfiel.

[70] In den "Nozioni" hat praktisch jeder Ort eine besondere Verbindung mit dieser Tätigkeit, wodurch eine echte "Berufung der Gegend" enthüllt wird: Ottone (mit Transithandel zwischen Genua und Piacenza, Vieh-und Futtermärkte, "cui accorrono in molti"); Pregola ("punto medio per il commercio" zwischen den Tälern der Trebbia und der Staffora und Zollstelle); Rondanina ("la maggior sua risorsa è nel commercio passando per essa la strada di comunicazione tra la valle di Borbera, e quelle di Trebia e Scrivia: il commercio di contrabando faceva ne' tempi addietro un oggetto di speculazione per questo paese"); Ronco (geprägt von kleinem Transithandel); Busalla ("si fa molto commercio di granaglie e bestie bovine principalmente, […] fannosi moltissime fiere"); Savignone (dessen Einwohner "amanti del commercio, più che dell'agricoltura" sind); Rocchetta ("facevasi anticamente molto commercio, di granaglie principalmente, bovine e polvere da schioppo, che era in molta riputazione"); Cantalupo (umfangreicher Viehhandel und zwei wichtige Märkte); Cabella (wo "facevasi molte fiere durante l'anno"); Arquata (wo es eine beachtliche landwirtschaftliche Produktion gibt, das aber auch vom Handel belebt wird: "trovansi molti carri di trasporto per Serravalle, Novi e Gavi"); Garbagna ("la rissorsa maggiore di questi abitanti era nelli antichi tempi il commercio di contrabando; la sua vicinanza con li stati esteri le era favorevolissima; ha popolazione robusta, e molto esperta nel commercio").

[71] Ähnliche Beobachtungen finden sich in der Historiographie des 19. Jahrhunderts und betreffen auch die den Lehen benachbarten Zonen, die ebenfalls an dieser Jahrhunderte lang verbreiteten Kultur des Transits beteiligt waren. Vgl. Raggio: Faide e parentele (wie Anm. 59), 141 ff. Crosiglia: Torriglia (wie Anm. 60) berichtet die mündlichen Familienerinnerungen über den Handel zwischen Torriglia und dem Tal der Fontanabuona und erinnert an eine "informelle" Transitabgabe, die von bewaffneten lokalen Gruppen eingefordert wurde.

[72] Siehe die bereits zitierte Aufstellung des Bürgermeisters von Torriglia. Die Frage, die allen statistischen Aufstellungen, die an die Bürgermeister geschickt wurden, gemeinsam ist, ist die, "di quali privileggi particolari godesse il paese, e quali tasse fossero imposte".

[73] "[…] nessun particolare privileggio avevano gli abitanti del Paese, se tale non voglia dirsi la libertà assoluta che ognuno avea di comerciare come più le piaceva a proporzione della di lui possibilità, lo che poi consisteva in granaglie, e merceria ordinaria generi di più facile smercio in Paese per cui molta corrispondenza si avea con Genova, e col Piacentino da dove venivano allora molte granaglie, e dal Parmiggiano". Die Beobachtungen zur Bedeutung des Handels sind in den Untersuchungen zu allen von dieser Übergangsphase betroffenen Gemeinden zu finden. Vgl. z.B. die Antworten des Bürgermeisters von di S. Quirico für das Polcevera-Tal ("ne borghi vi sono ancora molti osti, bottegaj, artisti, carrattieri, e mulattieri, essendovi molto passaggio, e commercio, per le comunicazioni di Genova con la Lombardia") und desjenigen von Novi (bezüglich des "commercio di spedizione": "la causa per cui questo commercio era si florido in Novi dipendeva dalla necessità del cangiamento de' trasporti per tutte le merci che dalla Lombardia e dal Piemonte passavano nel Genovesato e viceversa. Traevano da simil ramo di commerci la sussistenza quasi cinquecento famiglie tra facchini, e spedizionieri componenti il terzo della popolazione"). Auch die komplexe Siedlungsstruktur dieser Region wird in diesen Berichten erwähnt (für das Polcevera-Tal werden z.B. "39 parrochie, divise in 8 pievi, o comunità" genannt).

Empfohlene Zitierweise:

Vittorio Tigrino : Das Reich an seinen Grenzen. Die Reichslehen zwischen dem savoyischen Königreich und der Republik Genua am Ende der Frühen Neuzeit , in: zeitenblicke 6 (2007), Nr. 1, [10.05.2007], URL: https://www.zeitenblicke.de/2007/1/tigrino/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-8246

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