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Der westfälische Adel am Ende des Alten Reichs

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Bevor ich auf die Bedeutung der Adelsarchive in Westfalen und ihre Aussagekraft für die französische Zeit eingehe, möchte ich zunächst über Westfalen Adelslandschaft sprechen, denn die Bedingungen, zu denen hier der Adel existierte, bildeten die Voraussetzung für die reiche Überlieferung historisch bedeutsamer Quellen in adeliger Hand. Westfalen als Land zwischen Rhein und Weser, Friesland und Hessen, ist in besonderer Weise durch die geistlichen Staaten geprägt gewesen. Unter den Fürstbistümern ist an erster Stelle Münster als flächenmäßig größter geistlicher Staat des Alten Reiches zu nennen, es folgen Paderborn, Osnabrück und Minden, das allerdings 1648 an Brandenburg-Preußen fiel. Das Herzogtum Westfalen, das den südlichen Teil Westfalens umfasste, und das Vest Recklinghausen bildeten Teile des Erzstifts Köln. Von den Fürstabteien Herford und Corvey hat allein das letztgenannte ein nennenswertes Territorium ausbilden können. Gegenüber der Übermacht der geistlichen Staaten konnten sich nur wenige weltliche Territorien behaupten, von denen die Grafschaften Mark, Ravensberg und Lippe die wichtigsten waren.

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Von diesen Voraussetzungen her ist Westfalen überwiegend katholisch geprägt und wir werden noch sehen, dass hierin eine ganz wesentliche Grundbedingung für die heute noch sichtbare solide Stellung des katholischen westfälischen Adels enthalten ist. Sämtliche geistliche Staaten sind Wahlstaaten gewesen, in denen sich bestimmte Gremien gebildet hatten, die in der Regel aus ihren eigenen Reihen den Vorsteher und damit den Inhaber der geistlichen und weltlichen Macht bestimmten. Diese Gremien waren die Kapitel der Dom- oder Stiftskirchen, die auf diese Weise einen wirksamen Einfluss auf die Regierung des Landes ausübten und in der ständischen Struktur der Territorien den ersten Platz einnahmen. Dass unter diesen Verhältnissen der Adel als landsässiges herrschaftliches Element Einfluss auf die Besetzung dieser Kapitel und hier insbesondere der Domkapitel nehmen wollte, um so an der Wahl des Landesherrn mitwirken zu können, dürfte verständlich sein. Dass er auch Nicht-Adelige aus den Domkapiteln auszuschließen trachtete, war dann nur konsequent. 1392 bestimmte das Domkapitel von Münster durch ein Statut, dass künftig nur adelige oder wenigstens von Vater- und Mutterseite her ritterliche Abstammung nachweisende Personen zum Domkapitel zugelassen werden sollten. [1] Dieser Vorgabe folgten die übrigen westfälischen Domkapitel, bei denen die neu aufzunehmenden Domherren sich nun durch Aufschwörung zu qualifizieren hatten. Die Ahnenprobe wurde dabei immer weiter ausgedehnt, bis sie die 16er-Reihe, also die Generation der Ururgroßeltern erreicht hatte, deren Adel nachzuweisen war. [2]

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Das Domkapitel von Münster verfügte über 40 Präbenden, Osnabrück, Paderborn und Minden über je 24 Präbenden, die allesamt heiß begehrt waren. Familien, die einmal in die Domkapitel gelangt waren, achteten scharf darauf, diese Stiftsfähigkeit nicht aufs Spiel zu setzen, und verbanden sich nur mit Familien, deren Stiftsfähigkeit ebenso unumstritten war. Weniger angesehen, aber doch als Versorgungsmöglichkeiten wichtig, waren Präbenden in den adeligen Prämonstratenserklöstern Cappenberg, Varlar, Scheda und Clarholz. An adeligen Frauenstiften existierten in Westfalen circa 20, die überwiegend ebenfalls die Aufschwörung verlangten. Nur wenige Präbenden in einzelnen Stiften in Osnabrück und Minden waren dem evangelischen Adel vorbehalten. [3]

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Mit den Dompräbenden und den Kanonikaten in den adeligen Stiften verfügte insbesondere der stiftsfähige katholische Adel über eine hervorragende Möglichkeit zur Versorgung derjenigen Familienmitglieder, die nicht mit den Gütern der Familie ausgestattet werden konnten. Diese Familiengüter fielen nach Möglichkeit geschlossen dem ältesten oder fähigsten Sohn allein zu, während die übrigen Geschwister anderweitig versorgt werden mussten. Während die jüngeren Söhne des protestantischen Adels meist eine kümmerliche Versorgung in militärischen Diensten erhielten, die ein standesgemäßes Leben nur unter Entbehrungen, keinesfalls aber eine Eheschließung erlaubte, so traten die nachgeborenen Söhne des katholischen Adels in die Domkapitel und Stiftskapitel ein, die ein auskömmliches und bequemes Leben erlaubten und infolge der Erlangung der höher dotierten Dignitäten nicht selten zur Bildung von Kapitalien führten, die wiederum dem Familienvermögen zuflossen. Da diese nachgeborenen Söhne nur ganz selten die höheren Weihen empfingen, bildeten sie zudem die Familienreserve. Sollte der Stammherr ohne Nachkommen bleiben, so konnten sie in den weltlichen Stand zurücktreten und den Fortbestand der Familie sichern. Nicht wenige adelige Familien in Westfalen stammen von Domherren ab, die aus diesem Grund resignierten und ihre Präbenden für das Ehebett aufgaben.

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Ein Volltreffer war es zweifellos, wenn ein Domherr zum Bischof gewählt wurde und damit in den Fürstenstand gelangte. Bischöfe aus dem niederen Adel lassen sich in Münster, Osnabrück und Paderborn vereinzelt im 14. Jahrhundert nachweisen, eine bedeutende Rolle spielten sie erst im 17. und 18. Jahrhundert in den Fürstbistümern Münster und Paderborn. Während in Münster Bischöfe aus den Familien von Galen, von Fürstenberg, von Plettenberg und Wolff Metternich zu nennen sind, die zwischen 1650 und 1718 regierten, so lassen sich für Paderborn zwischen 1585 und 1802, allerdings mit langen Unterbrechungen durch wittelsbachische Bischöfe, solche aus den Familien von Fürstenberg, von der Recke, Wolff Metternich, von der Asseburg und von Westphalen feststellen. Diese Bischöfe, die von den meist dem Landadel entstammenden Domherren gewählt wurden, um die Fürstbistümer aus den Gefährdungen einer überregionalen Politik herauszuhalten und den eigenen Einfluss zu stärken, sammelten nicht nur beträchtliche Vermögen, die ihren Familien zuflossen, sie konnten ihren Angehörigen auch Lehnsgüter und vererbbare Posten zuschieben, für Standeserhöhungen sorgen und wertvolle Verbindungen schaffen, die sich langfristig für die Familie auszahlten.

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Als 1650 das münsterische Domkapitel den damaligen Domküster Christoph Bernhard von Galen zum Bischof wählte und damit die Verbindung zu den in Kurköln herrschenden Wittelsbachern löste, wollte das Bistum nach dem Dreißigjährigen Krieg in ruhiges Fahrwasser gelangen, konnte allerdings nicht ahnen, dass der neue Bischof so intensiv in die internationale Politik eingreifen würde und mit den Kriegen gegen die Niederlande selbst neue großflächige Verwicklungen produzieren würde. [4] Bei seiner Verstrickung in die europäische Politik vergaß der Fürstbischof nicht seine eigene Familie, für die er 1663 das Amt des Erbkämmerers des Hochstifts Münster schuf, das mit Gütern und Einkünften reich dotiert war. [5] Sein Bruder und sein Neffe erwarben weiterhin eine Vielzahl von Gütern, stifteten Präbenden für männliche Familienangehörige in den Domkapiteln Münster, Osnabrück, Minden und Worms [6] und für die weiblichen in den Stiften Freckenhorst, Nottuln und Wietmarschen. [7] Das System, das einen von Galen an die Spitze des Hochstifts Münster gebracht hatte, wurde hierdurch weiter gestärkt und die Chancen für Familienangehörige zur Erlangung wichtiger Positionen deutlich verbessert. Allerdings ist kein weiterer Galen Fürstbischof geworden, die Familie jedoch war in den norddeutschen Domkapiteln fortan immer präsent.

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Die von Galen, die vor 1650 eher eine mittelmäßige Stellung im münsterischen Adel einnahmen, hatten sich erfolgreich in die erste Reihe vorgearbeitet, wo sie nun als Erbkämmerer und im Besitz beachtlicher Latifundien die folgenden Jahrhunderte blieben. Weiter brachten es die von Plettenberg, die mit Friedrich Christian 1688 bis 1706 den Fürstbischof von Münster stellten. Friedrich Christian erwarb für seinen Bruder Johann Adolf von Plettenberg 1694 die Herrlichkeit Nordkirchen, wo in der Folge die bedeutendste barocke Schlossanlage Westfalens entstand. Damit waren die Grundlagen für den weiteren Aufstieg der Familie gelegt, die 1722 die Reichsherrschaft Wittem zwischen Aachen und Maastricht erwarb, 1724 den Reichsgrafenstand erhielt und auf diese Weise Reichsstand und Mitglied des niederrheinisch-westfälischen Grafenkollegiums wurde. [8] Die von Plettenberg waren damit wie etwa die Schönborn in Franken in den hohen Adel aufgestiegen.

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Die wichtigste und einflussreichste Familie des westfälischen Adels, die in der Germania Sacra Norddeutschlands am stärksten vertreten war, waren die von Fürstenberg aus dem kurkölnischen Sauerland. [9] Sie stellten drei Bischöfe, von denen zwei wiederum jeweils zwei Fürstbistümer kumulierten. Alle drei waren Bischöfe von Paderborn, Dietrich 1585-1618, Ferdinand 1661-1683 und Franz Egon 1789-1802, Ferdinand war zusätzlich Bischof von Münster, Franz Egon bis 1825 auch noch Bischof von Hildesheim. Von Franz Egons enormem Vermögen erzählte man sich schon zu seinen Lebzeiten Wunderdinge. Immerhin konnten mit seinem Erbe etliche Fürstenberger Söhne, die nach dem Ende des Alten Reiches keine Versorgung mehr in den Domkapiteln finden konnten, standesgemäß mit Gütern ausgestattet werden.

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Für die Fürstäbte von Corvey war es schwieriger, etwas für ihre Familien zu tun, denn ihr Nachlass fiel nicht an ihre Familien, sondern an das Kloster. Aber auch hier ergaben sich Möglichkeiten, etwa beim Heimfall eines Lehens. So belehnte 1747 Kaspar von Boeselager, Fürstabt von Corvey, seinen Bruder mit dem heimgefallenen Lehngut Huntemühlen im Fürstbistum Osnabrück, [10] einer willkommenen und wertvollen Ergänzung zu den dortigen Besitzungen. Zu spät, um nachhaltige Wirkungen hervorzubringen, kam 1794 die Umwandlung des Reichsklosters in ein Bistum mit 12köpfigem Domkapitel. [11]

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Wie wichtig für den katholischen Adel im Alten Reich die Versorgung der nachgeborenen Söhne mit Dompräbenden war, sollen noch ein paar Zahlen deutlich machen: Im 17. und 18. Jahrhundert besetzten die von Fürstenberg 52 Domkanonikate, die von Galen und von Plettenberg je 39 Kanonikate. Es folgen die von Weichs mit 37 Präbenden, die von Wolff Metternich mit 33, die Korff gen. Schmising mit 32 und die von Bocholtz und von Ketteler mit je 31 Präbenden. [12] Es ist kein Zufall, dass gerade aus den drei am stärksten vertretenen Familien Fürstbischöfe erwachsen sind.

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Ähnlich reglementiert wie der Zugang zu den Domkapiteln war für die Ritterschaft auch die Zulassung zu den Landtagen in den größeren Territorien. Während im kleinen Corvey der Besitz eines der drei Rittergüter und einfacher Adelsnachweis ausreichten, um den Landtag besuchen zu können, [13] orientierte man sich in den Fürstbistümern an den rigiden Zugangsbeschränkungen der Domkapitel. In Münster spielte hier der Streit zwischen dem Domkapitel und der Ritterschaft einerseits und den Erbmännern, den stadtadeligen Geschlechtern der Stadt Münster, eine wichtige Rolle. [14] Um diese Geschlechter, die nach Vermögen, Lebensstil und Selbsteinschätzung dem Landadel gleichrangig waren, aus den politisch einflussreichen Gremien, eben dem Domkapitel und der landtagsfähigen Ritterschaft, herauszuhalten, wurde von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis Anfang des 18. Jahrhunderts ein erbitterter Prozess vor den höchsten Reichsgerichten geführt und parallel die Anforderungen für die Zulassung zum Landtag sukzessive auf das Niveau des Domkapitels hochgeschraubt. Wer als ritterbürtiger Adeliger auf den münsterischen Landtag wollte, musste seit 1640 neben dem Rittersitz den Nachweis der Abstammung von 16 adeligen Ahnen führen. Als 1695 das Reichskammergericht die Ritterbürtigkeit der Erbmänner anerkannte und ein kaiserlicher Machtspruch 1707 die Zulassung zum Landtag verfügte, wurde die Gruppe der Erbmänner zwar widerwillig rezipiert, die Tür aber gleich wieder zugemacht. Keine Chancen hatten bis auf weiteres die von Herding, die im 17. Jahrhundert geadelt worden waren, oder die von Höfflinger und von Wintgen, die sämtlich dem gehobenen Bürger- und Beamtentum entstammten. [15]

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Ebenso wie bei der münsterischen Ritterschaft wurde seit 1662 in Paderborn, seit 1668 im kurkölnischen Herzogtum Westfalen und seit 1710 in Osnabrück verfahren. Auch in den evangelischen Ländern wurde der Zugang zur Ritterschaft beschränkt. In der preußischen Grafschaft Ravensberg wurde seit 1668 für die Zulassung zu Ritterschaft und Landtag die 16er-Ahnen-Probe verlangt. [16] Ganz offenbar hatten hier die Ritterschaften der benachbarten Territorien, mit denen die Ravensberger Adelsfamilien vielfach verwandtschaftlich verbunden waren, das Vorbild gegeben, ja eher noch zu diesem Schritt genötigt.

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Unterschieden werden muss daher zwischen dem stiftsfähigen und dem ritterbürtigen Adel einerseits und dem übrigen Adel andererseits, der frühestens fünf Generationen nach der Adelserhebung und damit nach einem langen Prozess der Assimilierung und Annäherung an den alten Adel wenigstens äußerlich gleichziehen konnte, wenn ihm auch noch der Erwerb eines landtagsfähigen Sitzes geglückt war. Die von Herding schafften die Aufschwörung zum münsterischen Landtag aufgrund eines Urteils des Reichshofrats im Jahr 1781. [17]

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Für den nicht oder noch nicht ritterbürtigen Adel blieb, ähnlich wie in den protestantischen Territorien, der Militärdienst oder der Hof- und Verwaltungsdienst. Für diese Familien war es sehr viel schwieriger, den adeligen Stand zu halten und insbesondere die finanziellen Bedingungen so zu gestalten, dass genügend Mittel vorhanden waren, um eine angemessene Erziehung und standesgemäßes Auftreten zu gewährleisten. Über diese Familien, die zwischen gehobenem Bürgertum und landständischer Ritterschaft standen, wissen wir noch viel zu wenig. [18]

Adel im Umbruch

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Die Aufhebung der exklusiven, nur durch Adelsprobe erreichbaren geistlichen Einrichtungen, der Stifte und Domkapitel, und die Abschaffung der landständischen Verfassungen in den säkularisierten geistlichen Staaten hätte nun ein Zusammengehen des Adels insgesamt hervorrufen können, führte aber nur oberflächlich und erst sehr langfristig zu einer Annäherung des vordem ritterbürtigen und stiftsfähigen Adels an den übrigen nicht qualifizierten Adel. [19] Die alte Ritterschaft blieb durch generationenlanges Konnubium zusammen geschweißt und nährte noch bis weit in das 19. Jahrhundert hinein die Hoffnung, ihre alte ständische Stellung wieder zu erlangen, obwohl im Reichsdeputationshauptschluss (§ 3) klar festgelegt worden war, dass zumindest beim Fürstbistum Münster aufgrund der Aufteilung "die bisherige ständische Verfassung nicht mehr statt finden kann". [20] Als vorläufigen Ersatz schuf man sich im Jahr 1800 in Münster mit dem "Adeligen Damen-Club" eine Einrichtung, in der man weiterhin unter sich war. [21]

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Als nach der verheerenden preußischen Niederlage bei Jena und Auerstädt der König von Holland, Napoleons Bruder Louis, im Oktober 1806 das damals preußische Erbfürstentum Münster besetzte und die Wiederherstellung der alten ständischen Verfassung verfügte, eilte Max Friedrich Graf von Plettenberg-Mietingen als münsterischer Erblandmarschall dies seinen Standesgenossen am 1. November in gedruckter Form bekannt zu machen und lud zum 8. November zu einer Versammlung im adeligen Club ein. Auch der münsterische Domdechant Spiegel zu Desenberg informierte schleunigst die Domkapitulare über diese erfreuliche Entwicklung, womit die von Preußen im September 1806 verfügte Aufhebung des Domkapitels beseitigt war. Die Stände, auch die Städte, sind in der Folge tatsächlich zusammen getreten, [22] konnten ihren alten Einfluss gegenüber der neuen Verwaltung aber nicht zur Geltung bringen und sind 1808 endgültig aufgelöst worden. Die Aufhebung des Domkapitels 1811 beseitigte schließlich jede Aussicht zum Wiederaufleben der vormals münsterischen Landstände. [23]

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Eher kurios ist, dass auch das Burgmannskollegium zu Vechta, eine ritterschaftliche Vereinigung im Niederstift Münster, den Herzog von Oldenburg 1803 als neuen Landesherrn mit der Erwartung willkommen hieß, seine alt hergebrachten und immer zum Guten gebrauchten Rechte und Privilegien von ihm bestätigt zu erhalten, was natürlich nicht in dessen Interesse lag und folglich auch nicht geschah. [24]

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Im Unterschied zu den Ritterschaften, die sehr darauf bedacht waren, ihre Privilegien zu wahren und auch in den neuen Staatsgebilden, denen sie zugewiesen wurden, ihre ständisch herausgehobene Position zu behaupten oder wieder zu erlangen, haben sich die Insassen der adeligen Domkapitel und Stifte der Aufhebung nicht nur nicht widersetzt, sondern sie ohne große Gegenwehr oder Reaktion über sich ergehen lassen. Hier zeigte sich eben doch, dass diese Institutionen ihre Funktion als religiöse Anstalten schon lange verloren hatten und nur noch bequeme Versorgungsmöglichkeiten der nachgeborenen Kinder des stiftsfähigen Adels waren. Dass viele Stifte auch in den Augen der adeligen Familien an Attraktivität eingebüßt hatten, zeigt sich an den Zusammensetzungen der Kapitel am Ende des 18. Jahrhunderts. Während Frauenstifte wie Freckenhorst konsequent an der Aufschwörung festhielten und hier westfälische Damen dominierten, bei den Domkapiteln am Ende des 18. Jahrhunderts zwar Landfremde eindrangen, die Westfalen aber weiterhin noch deutlich überwogen und diese Stifte auch weiterhin heiß begehrt waren, war der Verfall in den adeligen Prämonstratenserstiften nicht zu übersehen. Damit von den zwölf Präbenden im Stift Cappenberg wenigstens die Hälfte besetzt werden konnte, hatte sich das Klosterkapitel genötigt gesehen, "zu Geschlechtern von kürzerer Ahnenprobe und auch leider von sehr mangelhafter Geistesprobe überzugehen, wie der Überrest von 1803 bewies, der sich wie der Rhein im Sande verlor, indem er das gemächliche fruchtlose Leben mit der Flasche, Jagd und Kegelspiel nach beliebiger Abwechslung oder in tödtender Langeweile verbrachte" [25]. Von den letzten sechs Kapitularen, die überwiegend aus Süddeutschland stammten, war einer gemütskrank, ein anderer tobsüchtig. [26] Nur zu gern ließen sich diese und die Angehörigen anderer Stifte von ihren Pflichten entbinden und in Pension schicken.

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Die von den neuen und alten Landesherren eingezogenen Kloster- und Stiftsgüter blieben zunächst in deren Besitz und bildeten vielfach das Fundament für ihren Wohlstand. Für diejenigen Landesherren, die ihre Länder westlich des Rheins verloren hatten und in Westfalen entschädigt worden waren, waren die in Besitz genommenen Klöster und Stifter unverzichtbar, denn sie fassten damit Fuß in ihren neuen Territorien und nutzten nicht selten die Gebäude eines aufgehobenen Stiftes als Residenz und Sitz der neu eingerichteten landesherrlichen Verwaltung. Mit den Gebäuden, Ländereien und Rechten wurden auch die Urkunden und Akten übernommen, die mehr oder minder pfleglich behandelt wurden, sich in der Regel aber auch heute noch in den standesherrlichen Archiven Westfalens befinden. [27]

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Die von den Franzosen vertriebenen, in Westfalen mit Landesherrschaften abgefundenen Dynastien, Rheina-Wolbeck im Besitz des Herzogs von Looz-Corswarem, Emsland und Recklinghausen im Besitz des Herzogs von Arenberg, Dülmen im Besitz des Herzogs von Croy, Salm-Horstmar und Salm-Anholt im Besitz der Fürsten von Salm bzw. Wild- und Rheingrafen, vermochten sich, auch wenn die Souveränität schnell wieder verloren ging, dauerhaft in ihren Ländern zu etablieren, ja sie spielen, bis auf Looz-Corswarem, heute noch eine beachtliche Rolle in Westfalen als Großgrundbesitzer. Diese standesherrlichen Familien könnte man als die eigentlichen Gewinner dieser stürmischen Zeit ansehen.

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Dagegen war die Stellung des landsässigen Adels in jeder Hinsicht unsicher und bedroht. Gefährdet war die materielle Existenz durch Wegfall der vordem zahlreichen Privilegien und Bevorzugungen. Der revolutionäre Gleichheitsgedanke muss als absolute Horrorvorstellung empfunden worden sein. Einen nicht zu unterschätzenden Vorzug hatte der Adel jedoch noch immer: die in der Erziehung und auf Auslandsreisen erworbenen guten Kenntnisse der französischen Sprache, die er vorteilhaft für sich einzusetzen verstand. Man fühlte sich geradezu als Dolmetscher des Volkes und Graf von Galen, der einen französischen Offizier begleitet hatte, der in Münster mit dem Verleger Hüffer Drucksachen zu besprechen hatte, war bass erstaunt, dass Hüffer der französischen Sprache mächtig war, äußerte sich auch entsprechend, was Hüffer wiederum als anmaßend und taktlos empfand. [28]

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Überhaupt wurde der Adel vom Bürgertum genau beobachtet und jede Anbiederung an die französischen Herren aufmerksam registriert. Hüffer selbst sah, dass der Obermarschall von Korff gen. Schmising 1807 dem französischen Generalgouverneur von Münster Loison bei dessen Theaterbesuch "vorleuchtete und mit seinem Marschallstab aufstieß, damit der Tusch geblasen wurde", und bemerkt dazu, dass "unser Adel" schon damals den Kopf verloren habe. [29] Der Vorfall zeigt allerdings nicht nur, dass sich einzelne Adelige der neuen Herrschaft andienten, sondern auch, dass man am Hofleben festhalten wollte und mancher an seinen lieb gewordenen und gut dotierten Funktionen hing.

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Insgesamt war die Verunsicherung wie in jeder Umbruchszeit groß, die alten Strategien der Selbstbehauptung griffen nicht mehr und für jeden stellte sich die Frage, wie weit er sich anpassen wollte und musste, um oben bleiben zu können. Das Spektrum, das sich beim westfälischen Adel in der Beziehung zu den neuen Herren zeigte, umfasste alle Facetten: von vollkommener Ablehnung und Rückzug ins Privatleben bis zur bereitwilligsten Unterwürfigkeit und dem Buhlen um die Gunst der neuen Machthaber.

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Gerade für die Übergangszeit zwischen 1790 und 1820 verfügen wir über eine Reihe von wichtigen Nachlässen, Korrespondenzen und Ego-Dokumenten, die uns ein gutes Bild dieser Epoche und der in ihnen handelnden Personen vermitteln. [30] Bei vielen Nachlässen hat man geradezu den Eindruck, dass die Nachlassbildner bewusst Dokumente gesammelt und überliefert haben, weil sie die Bedeutung ihrer Zeit erkannt hatten und der Nachwelt ihr Schicksal und Handeln in einer Zeit des Wandels verständlich machen wollten. Caspar Heinrich von Sierstorpff, auf den noch näher einzugehen sein wird, vermerkte des Öfteren auf den blauen Aktendeckeln, in denen er seine Papiere einschlug, dass die enthaltenen Dokumente eigentlich vernichtet werden könnten, doch aus historischem Interesse aufbewahrt werden möchten. Ähnlich sind auch in anderen Adelsarchiven aus dieser Einstellung heraus Dokumente überliefert, die spätestens mit der Errichtung der preußischen Provinz Westfalen überholt waren, die aber wegen ihres erkannten Charakters als Zeugnisse einer denkwürdigen Zeit aufgehoben wurden.

Adelige im Zeitalter des Übergangs – Fallbeispiele

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So auch im Archiv Tatenhausen, das der Familie von Korff gen. Schmising gehörte. Aus den Personalakten und dem Nachlass des Clemens August von Korff gen. Schmising, der in seiner Funktion als Obermarschall des Hofes in Münster dem Verleger Hüffer so unangenehm aufgefallen war, ergibt sich ein aufschlussreiches Lebensbild. [31] 1749 geboren, erhielt er seinen Vornamen nach dem Kurfürst Clemens August von Köln, der sein Pate wurde. 1765 erhielt er die erste Tonsur und leistete 1772/73 in Dijon das Biennium ab, womit die Voraussetzungen zur Erlangung einer Dompräbende erbracht waren. Zwar zerschlugen sich die Pläne, Domherr in Osnabrück oder Münster zu werden, doch wurde Korff auf Bitten seines Vaters 1768 kurkölnischer Kämmerer und entging damit der unangenehmen Pflicht, als Landadeliger der Grafschaft Ravensberg und damit preußischer Untertan, in preußische Kriegsdienste treten zu müssen. 1770 erhielt er die Bestallung als münsterischer adeliger Hof- und Regierungsrat, wurde 1775 Obristküchenmeister zu Münster mit einem Gehalt von 1.000 Gulden und 1780 Obermarschall und Geheimer Rat, womit Gehaltsaufbesserungen von 1.000 Gulden verbunden waren. 1782 wurde er obendrein Geheimer Kriegsrat. Mit dem Verlust seiner Funktionen infolge des Einmarsches der Preußen vermochte er sich nicht abzufinden und bemühte sich bei den Franzosen seit 1807 um Ämter und Ehren. Nachdem er schon 1808 als Mitglied einer ständischen Delegation nach Paris gereist war, wurde er 1809 Präfekturrat des Ems-Departements und bewarb sich in den folgenden Jahren um die Aufnahme in die französische Ehrenlegion und Bestätigung seines Adels. Letzteres erfolgte durch den König Jerome von Westphalen. Bei der preußischen Erbhuldigung in Münster 1815, bei der ihm eine leitende Rolle zugedacht war, hielt er sich wegen Altersschwäche zurück, bat aber um eine Standeserhöhung, die ihm 1816 durch ein Grafendiplom des Königs von Preußen gewährt wurde. Das Diplom nennt als Begründung zwar seine familiäre Herkunft und seine persönlichen Verdienste, doch ergibt sich aus den zugehörigen Akten, dass die Ehrung eigentlich seinem Sohn Max galt, der sich in den Befreiungskriegen wesentliche Verdienste um die Versorgung der preußischen Armee erworben hatte, und seinen drei Söhnen Caspar, Clemens und Xaver, die den Feldzug von 1815 mitgemacht hatten. [32] Der Obermarschall ging mit 1.937 Rtl. 8 Groschen in Pension und starb 1821.

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Clemens August von Korff gen. Schmising hat die Gefährdungen seiner Zeit unbeschadet umschiffen können und für sich und seine Familie das Beste herausgeholt. Dass er bei den Franzosen nicht so reüssieren konnte, wie er das gewünscht hatte, lag an seiner konservativen Art, die es ihm nicht erlaubte, die althergebrachten Bahnen zu verlassen. Genau diese Hemmungen sollten ihm bei der Restauration letztlich zum Vorteil gereichen.

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Gänzlich anderer Natur war der rund zwei Jahrzehnte jüngere Wilhelm von Bocholtz. Er wurde 1768 geboren und lebte bis zum Tod des Vaters Theodor Werner 1822 in dessen übermächtigem Schatten. Frühzeitig Witwer geworden, hatte Theodor Werner Dompräbenden in Münster und Paderborn erwerben können, war 1790 Dompropst in Paderborn und Regierungspräsident geworden. Er gehörte zu den Persönlichkeiten, die 1803 von den Preußen als herausragende Vertreter der neu erworbenen Länder den Grafenstand erhielten. Sein Sohn Wilhelm, der 1790 kurmainzischer Kämmerer geworden war, wurde 1803 Landrat des Kreises Brakel im Erbfürstentum Paderborn, wo mit der Hinnenburg ein Hauptgut der Familie lag. Diese Funktion konnte seinen Ehrgeiz in keiner Weise befriedigen und als das Königreich Westphalen eingerichtet wurde, war er einer der ersten westfälischen Adeligen, der seine Dienste anbot und an den Hof zu Kassel ging. Schon im Dezember 1807 wurde er hier Staatsrat. Im April 1810 schrieb er an seinen Bruder Hermann Werner: "Endlich habe ich meinen Zweck erreicht und meine Wünsche sind erfüllt, eine angesehene administrative Stelle zu bekleiden. Der König hat mich zum Großkanzler des Ordens (der westphälischen Krone) benennt und bezeigt mir überhaupt mehr wie je sein gnädiges Wohlwollen. Der Himmel schenke uns einen guten Frieden, so werde ich mich gewiss noch mehrerer Beweise desselben zu erfreuen haben. An meinem Streben, sie zu verdienen, wird es nie fehlen." Im November 1810 berichtete er seinem Bruder, "dass des Königs Majestät aus hoher Huld und Gnade mich zum Commandeur des Ordens der westphälischen Krone zu benennen geruhet haben. Wenn es mir nur nicht ergehet wie dem Commandeur im Don Juan, den bekanndtlich der Teufel holte." [33] 1811 überließ ihm König Jerome ein Haus in Kassel, auch dies ein königlicher Gunstbeweis, bei dem gemunkelt wurde, dass der Begünstigte ihn der hingebungsvollen Tätigkeit seiner Gemahlin Caroline nicht nur als Oberhofmeisterin der Königin zu verdanken habe. [34] Seine Geisteshaltung wird in einem Brief vom November 1812 an seinen Bruder Hermann Werner deutlich, der angesichts des zunehmenden Widerstands gegen die Franzosen samt seiner Familie in die Hauptstadt befohlen worden war: "Für den Augenblick ist nichts, durchaus nichts zu thun, als sich gehorsamblich zu fügen, da denen Ungehorsamen mit Confiskation der Güter gedrohet wird. Du kannst dir wohl vorstellen, dass alles, was von mir abhing, ich getan habe, um dich mit der Reise nach Cassel verschont zu sehen. Alles war aber umsonst. Die Beharrlichkeit des Königs auf seinen Willen verdanken wir vorzüglich dem klugen Herrn Grafen von Westphalen und Herrn Baron von Mengersen, die recht dumme Dinger gemacht haben. [35] (...) So gehet es aber immer mit den superklugen Leuthen, die nicht einsehen wollen, dass man ohne große Gefahr nicht gegen einen reißenden Strom schwimmen kann." [36]

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Die Sache von Wilhelm von Bocholtz, der mittlerweile auch noch Großzeremonienmeister [37] geworden war, war es zweifellos nicht, sich gegen den Strom zu wenden, der ihn emporgespült hatte. Er blieb einer der wenigen Getreuen, die bis zum Ende des Königreichs bei König Jerome ausharrten. Nachdem schon vom 1. bis 7. Oktober 1813 die Russen Kassel besetzt hatten und Jerome, begleitet von französischen Truppen, am 16. Oktober seine Residenz wieder einnehmen konnte, erhielt Bocholtz noch am 17. Oktober 1813 die Ernennung zum Staatsminister und er nahm sie an, [38] während die meisten anderen, über die bis zum endgültigen Verlassen Kassels durch die Franzosen Ordensverleihungen und Ernennungen herabregneten, diese verschmähten. [39] Als Jerome am 26. Oktober endgültig Kassel verließ, befand sich Bocholtz in seiner Begleitung, ebenso wie einige Monate zuvor schon seine Frau Caroline die Königin begleitet hatte. [40] Pikanterweise befand sich ihr ältester Sohn Dietrich seit Oktober 1813 sechszehnjährig als Freiwilliger in preußischen Diensten und folgte mit dem preußischen Heer seinen Eltern, die mit den westphälischen Majestäten nach Frankreich geflüchtet waren. Im Frühsommer 1814 wieder zurück in Westfalen, zogen sich Wilhelm und Caroline auf ihre Güter zurück, wo sie in der Folge als Privatleute lebten. Als Caroline im Januar 1816 mit ihren Töchtern nach Münster reiste, wehte ihr zunächst ein frostiger patriotischer Wind entgegen, der nur langsam einem freundschaftlichen lauen Lüftchen wich. [41]

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Wilhelm von Bocholtz hatte sich zu sehr und zu lange mit den Franzosen eingelassen, um im preußischen Staatsdienst wieder Verwendung finden zu können. Ehrgeiz und Geltungssucht hatten ihn verleitet, das Kasseler Hofleben zu suchen, und das Unvermögen, die Strömungen seiner Zeit richtig einzuschätzen, hatten ihn zum Ausharren bis zum bitteren Ende veranlasst. [42]

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Kritischer und weitsichtiger war Caspar Heinrich von Sierstorpff, der einem rheinischen, im Jahre 1700 geadelten Geschlecht entstammte, das sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit einem Zweig im Fürstbistum Hildesheim ansässig gemacht hatte. Caspar Heinrich wurde 1750 als Sohn des fürstbischöflich Hildesheimischen Kanzlers Peter Josef Albert von Sierstorpff geboren, der vor der Mündigkeit des Sohnes starb. Nach Studium und Italienreise heiratete er 1776 und suchte nun nach einer angemessenen Beschäftigung. 1782 nahm er die Driburger Heilquellen vom Fürstbischof von Paderborn in Erbpacht und begann mit der Einrichtung des dortigen Bades, womit er ein untypisches, standesfremdes Unternehmertum zeigte. Nur wenig später allerdings trat er als Hofjägermeister in die Dienste des Herzogs von Braunschweig und widmete sich hinfort im Sommer dem Ausbau des Bades in Driburg und in den anderen Jahreszeiten dem Braunschweiger Jagd- und Forstwesen. 1802 reiste er nach Paris und verfasste hierüber eine Reisebeschreibung, die 1804, allerdings ohne Nennung des Verfassers, unter dem Titel "Bemerkungen auf einer Reise durch die Niederlande nach Paris im eilften Jahre der großen Republik" im Druck erschien. Bis auf die Beschreibungen der zu dieser Zeit in Paris zusammen gerafften Kunstschätze ist das Werk auch heute noch amüsamt zu lesen, weil es die Pariser Verhältnisse teils ironisch, teils satirisch schildert. Napoleon bescheinigt er die Physiognomie "eines bis zum Pater Rector gebrachten Jesuiten", die Frau des Ersten Konsuls wird stets als "die regierende Frau Bürgermeisterinn" bezeichnet. [43]

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Die hier feststellbare ironische Distanz zu den französischen Verhältnissen hat Sierstorpff auch beibehalten, als das Herzogtum Braunschweig 1807 im Königreich Westphalen aufging und er in diesem seine bisherigen Tätigkeiten nun als Capitain des chasses und Conservateur des eaux et forets auszuüben hatte. [44] In seinem Nachlass befinden sich neben verschiedenen Drucksachen satirische Schriften, die er in dieser Zeit und später über sie zum Teil selbst verfasste und in denen er die Zustände am Hof in Kassel geißelte. Darunter befindet sich "Graf Mauschelheim von Mauschelstein", ein Lustspiel in drei Aufzügen aus der Zeit der königlich westfälischen Regierung [45], oder auch ein satirisches Gedicht "Le Depart de Cassel", in dem die bisherigen Großwürdenträger und Minister das Ende des Königreichs beklagen.

"Die teutschen Pallastdamen"

Allem, was der König will,
halten wir so gerne still:
doch hier ist nichts zu gewinnen,
denn Jerome hört auf zu zahlen
und das Königreich Westphalen
holt der Teufel ganz und gar.
Jeder wird, was er einst war.-
Ach! Was sollen wir beginnen ?
Mögen unsre Männer brummen,
wir verdienten große Summen.
Unsre Männer sind nicht dumm.
Geld, bringt alle doch herum.

Der Großceremonienmeister mit dem Ceremonienstab in der Hand

Diesen Stab hab ich behalten,
den ich wie ein Tanzbär trug.
Doch mein Amt hier zu verwalten,
finden heute sich genug.
Schlechter passt zum Lautenschlagen
Wohl der dummste Esel nie,
als ich an den Galatagen
zu der Hofceremonie.
Jetzt, da man den Hof vergisst,
setz ich mich auf meinen Mist,
wehre mit dem Bienenstab
mir die Creditoren ab." [46]

<32>

Hier ist der uns schon bekannte Graf Wilhelm von Bocholtz karikiert, der nach 1813 in der Tat auf großen Schulden saß, insbesondere weil er 1810 das aufgehobene Kloster Gehrden gekauft hatte, [47] das er übrigens 1826 an Caspar Heinrich von Sierstorpff wieder veräußern musste.

<33>

Sierstorpff hat während der Zeit des Königreichs Westphalen alles vermieden, was ihn in zu enge Berührung mit dem Hof in Kassel bringen konnte, er lehnte es ab, seinen Haushalt von Braunschweig nach Kassel zu verlegen [48] und wusste es auch zu verhindern, mit westphälischen Titeln und Orden dekoriert zu werden. Er hielt auch stets Kontakt mit den Gegnern des westphälischen Regimes und heiratete 1810 in zweiter Ehe Charlotte von Vincke, die Schwester des späteren Oberpräsidenten Ludwig von Vincke, der gerade den preußischen Staatsdienst verlassen hatte, mit den Franzosen nichts zu tun haben wollte und zu dieser Zeit als einfacher Gutsherr auf Haus Ickern bei Castrop lebte. [49] Nach der Restauration trat Sierstorpff erneut das Amt als Oberjägermeister am Hof zu Braunschweig an und erhielt für seine Verdienste um Driburg 1840 den preußischen Grafentitel. Er dürfte das Königreich Westphalen als seltsames Possenspiel in Erinnerung behalten haben.

<34>

Nur hingewiesen sei noch auf Max Anton von Boeselager, der 1811 im Kaiserreich Frankreich den Posten des Bürgermeisters der Stadt Münster übernahm und diesen auch nach 1813 bis zu seinem Tod 1821 bekleidete. Auch er einer, der die vorgezeichneten Bahnen seines Standes zu verlassen fähig war. [50]

<35>

Die Reihe solcher Charakterschilderungen von Adeligen in dieser schwierigen Zeit ließe sich problemlos weiterführen, [51] und in der Tat wäre es durchaus interessant eine Untersuchung anzustellen, in der die Gründe für Resistenz und Kollaboration aufgedeckt würden, hier reicht der Hinweis, dass die Adelsarchive hierfür reiches Material liefern können.

Fazit – Verlust der Vorrangstellung

<36>

Gerade für den Adel in Westfalen ist die französische Zeit ein Abschied von der alten Vorrang- und Vormachtstellung gewesen: [52]
- die Auflösung der Domkapitel, Stifter und Klöster beseitigte das bisher funktionierende Familiensystem, bei dem überflüssige Familienmitglieder in den geistlichen Stand gedrängt wurden,
- die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Patrimonialgerichte zerstörte die patriarchalische Abhängigkeit der ländlichen Bevölkerung vom adeligen Gutsherrn,
- die Unterdrückung der Fideikommisse gefährdete den Familienbesitz, auf den nun alle Kinder und ihre Nachkommen Ansprüche erheben konnten, [53]
- der Verlust der ständischen Vorrechte beseitigte den Einfluss auf die Staatsverwaltung und die Bevorzugung bei der Besetzung der hohen Verwaltungsposten,
- der Wegfall des Hofes brachte den Verlust der Hofämter und der damit verbundenen hohen Einkommen,
- die Beseitigung der Steuerfreiheit und anderer Vorrechte führte schließlich zu bisher unbekannten und hohen Belastungen.

<37>

Es gab allerdings auch Vorteile, die diese Verluste aber nicht im Entferntesten auszugleichen vermochten. So wurden zwar 1809 wie schon in Frankreich im Großherzogtum Berg und im Königreich Westphalen die Lehnsbindungen aufgehoben und die Lehnstücke damit freies Eigentum, doch bestand nun die Gefahr der Zersplitterung durch den ungeschützten Zugriff der Gläubiger auf die häufig überschuldeten Güter. Schon 1811 hat man deswegen im Königreich Westphalen entgegen den Bestimmungen des Code Napoleon [54] die Errichtung von Majoraten erlaubt [55] und die Fideikommisse sollten gerade im 19. Jahrhundert ungeheuer zunehmen. [56]

<38>

Einen weiteren Vorteil kann man in der freieren Gattenwahl und vielleicht auch in der Ehescheidung sehen, die aufgrund der Zivilehe möglich wurde. Nach der Aufhebung der Domkapitel und Stifter war auch die Aufschwörung überflüssig geworden, die den Heiratskreis auf wenige ebenbürtige, stiftsfähige Familien eingeschränkt hatte. Die in vielen Familien bestehenden und vertraglich festgelegten Heiratsverbote, insbesondere für die Erbfolger mit nicht standesgemäßen Ehepartnerinnen, waren hinfällig. [57] Im Großherzogtum Berg hob Napoleon im März 1809 den Artikel des preußischen Landrechts auf, der Heiraten zwischen Männern des Adels und Frauen des niederen Bürgerstands verbot. [58] In Hessen-Darmstadt wurde im April 1809 eine Verordnung erlassen, in der jede Beschränkung in der Auswahl der Ehegattinnen - insbesondere durch Stand oder Religion, die Auswirkungen auf den Erwerb oder Besitz der Familiengüter haben konnte, "als nicht geschrieben angesehen" wurde. [59]

<39>

Die Entmachtung des Adels war radikal und vollzog sich in allen wesentlichen Bereichen. Und sie kam recht plötzlich, nämlich in einem Zeitraum von nicht einmal zehn Jahren. Wie der Adel in Westfalen mit diesem Umbruch fertig wurde bzw. nicht fertig wurde, ist an einigen Beispielen verdeutlicht worden. Dies grundlegend zu untersuchen und auch die Kämpfe zur Rückgewinnung der alten Positionen in den Blick zu nehmen, bleibt eine wichtige Aufgabe, für die die westfälischen Adelsarchive reiches Material bieten und entsprechenden Forschungen offen stehen.

Autor

Dr. Wolfgang Bockhorst
LWL-Archivamt für Westfalen
Jahnstr. 26
48147 Münster
wolfgang.bockhorst@lwl.org



[1] Wilhem Kohl: Das Domstift St. Paulus zu Münster, Bd. 1 Berlin / New York 1987 (= Germania Sacra NF 17,1), 263.

[2] Kohl: Domstift (wie Anm. 1), 264.

[3] Hierzu: Peter Hersche: Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, 3 Bde., Bern 1984; Karl Hengst (Hg.): Westfälisches Klosterbuch, 2 Bde, Münster 1992, 1994.

[4] Wilhelm Kohl: Christoph Bernhard von Galen, Münster 1964.

[5] A. Assen (LWL-Archivamt für Westfalen), Urk. 2347.

[6] A. Assen (LWL-Archivamt für Westfalen, Urk. 2342 (Münster), 2389 (Worms), 2399 (Osnabrück).

[7] A. Assen (LWL-Archivamt für Westfalen), Urk. 2367 (Nottuln), 2369 (Freckenhorst), 2417 (Wietmarschen).

[8] Julius Schwieters: Geschichtliche Nachrichten über den östlichen Teil des Kreises Lüdinghausen, Münster 1886, 117-125.

[9] Friedrich von Klocke u.a. (Berab.):Fürstenbergsche Geschichte, 4 Bde, Münster 1971-1979.

[10] A. Eggermühlen, IV D 2; Friedrich von Klocke: Die Familie von Boeselager, Münster 1977, 93.

[11] Georg Föllinger: Corvey – Von der Reichsabtei zum Fürstbistum, München / Paderborn / Wien 1978, 139ff.

[12] Hersche: (wie Anm. 3), II, 139ff.

[13] Wolfgang Leesch / P. Schubert: Heimatchronik des Kreises Höxter, Köln 1966, 181.

[14] Wolfgang Weikert: Erbmänner und Erbmännerprozesse, Münster 1990.

[15] Die von Höffllinger sind nach dem Erwerb des Gutes Brückhausen und infolge des Konnubiums mit dem Landadel in den Adel hineingewachsen. Die von Wintgen erhielten 1706 den Reichsadel. A. Ermelinghof, Urk. F 2.

[16] Karl Spannagel: Minden und Ravensberg unter brandenburgisch-preußischer Herrschaft von 1648 bis 1719, Hannover und Leipzig 1894, 98.

[17] Clemens von Olfers: Beiträge zur Geschichte der Verfassung und Zerstückelung des Oberstiftes Münster, Münster 1848, 61.

[18] Mit einer speziellen Gruppe, den Werler Erbsälzern, die 1708 Adelsbriefe erhielten, hat sich befasst: Friedrich von Klocke: Das Patriziatsproblem und die Werler Erbsälzer, Münster 1965.

[19] Vgl. dazu: Katechismus der Münsterländer, Arnsberg 1835 (Nachdruck hrsg. v. Rainer Schepper, Leer 1977). In dieser Satire wird der Unterschied zwischen den Neugeadelten und den Familien mit 16 adeligen Ahnen mehrfach betont, 16, 18.

[20] Ernst Rudolf Huber (Hg.): Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 3 Aufl. Stuttgart u.a. 1978, 3. "Aus der getroffenen Vertheilung von Münster folgt von selbst, daß die ständische Verfassung nicht mehr statt finden kann."

[21] Rudolfine Freiin von Oer und Carlfried Graf von Westerholt-Alst: Der Adelige Damenclub zu Münster 1800-2000, Münster 2000. Stimmberechtigte Mitglieder konnten nur ritterbürtige Adelige, Hofchargen und Stabsoffiziere werden, 163. Die ältesten Mitgliederlisten, 151-155, zeigen bis auf ganz geringe Ausnahmen den stiftsfähigen und ritterbürtigen Adel des Münsterlandes. Unter den 81 männlichen Erstmitgliedern sind 28 Domherren und 26 Hofchargen. Aufnahme haben allerdings auch schon einige preußische Offiziere gefunden.

[22] A. Höllinghofen: F 665. Die seit dem 29. November 1806 stattfindenden Versammlungen, an denen auch Vincke und andere bisher preußische Beamte teilnahmen, befassten sich mit der Aufbringung der von den Franzosen auferlegten Kontribution von 2.500.000 Francs.

[23] Olfers: (wie Anm. 17), 60-69; A. Nordkirchen: Akten Nr. 7270, 13653.- 1857 errichteten Karl Franz von Boeselager und sein Sohn Karl Maximilian eine Familienstiftung von 6000 Talern mit der Begründung, dass die Lebensanforderungen gestiegen seien und die nachgeborenen Kinder durch die Aufhebung der Dom- und Damenstifter in eine missliche Lage geraten seien. A. Höllinghofen: F Urk. 1857 Mai 10.

[24] Wolfgang Bockhorst: Das Burgmannskollegium zu Vechta, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Vechta, Band II, Vechta 1974, 72f.

[25] Caspar Geisberg: Das Leben des Grafen Gottfried von Kappenberg und seine Klosterstiftung, in: Westfälische Zeitschrift 12 (1851), 309-373, hier: 356.

[26] Wolfgang Bockhorst: Vom ruhmlosen Ende einer 700-jährigen Tradition. Die Aufhebung des Klosters Cappenberg 1802/03, in: Jahrbuch des Kreises Unna 2003, 14-22.

[27] Vgl. Adelsarchive in Westfalen, 2. Aufl. Münster 2004, 17ff. (Anholt), 56ff. (Burgsteinfurt), 71ff. (Coesfeld), 103ff. (Dülmen), 243ff (Rheda), 365ff. (Recklinghausen).

[28] Johann Hermann Hüffer: Lebenserinnerungen, Briefe und Aktenstücke, bearb. v. E. Hövel, Münster 1952, 62f.

[29] Hüffer: (wie Anm. 28), 60.

[30] Zu den Nachlässen im Staatsarchiv Münster: Manfred Wolf (Bearb.): Nachlässe aus Politik und Verwaltung, Münster 1982 (= Das nordrhein-westfälische Staatsarchiv Münster und seine Bestände 3).

[31] Vgl. A. Tatenhausen Archivregister: I. Teil Familiensachen, 265ff.

[32] Ihre Kriegsbriefe und Erinnerungen: A. Tatenhausen: Akte 259-261.

[33] Alfred Bruns: Die Jugend des Dietrich Graf von Bocholtz 1812-1825, in: Westfälische Zeitschrift 138 (1988), 283-342, hier: 286.

[34] Arthur Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs Westfalen, Gotha 1893, 71f.

[35] Zumindest Friedrich Wilhelm Bruno von Mengersen scheint sich 1812 in Kassel verdächtig gemacht zu haben, weil er sich weigerte an den Hof zu kommen. A. Rheder: A 993.

[36] Bruns: (wie Anm. 33), 287f.

[37] A. Hinnenburg: P Urk. 75.

[38] A. Hinnenburg: P Urk. 77.

[39] So Wilhelm Grimm bei Rudolf Goecke / Theodor Ilgen: Das Königreich Westphalen, Düsseldorf 1888, 268.

[40] Kleinschmidt: (wie Anm. 34), 556, 648.

[41] Bruns: (wie Anm. 33), 310.

[42] Ein vernichtendes Urteil über ihn fällt Georg von Schele in seinen Erinnerungen: Hans-Joachim Behr: Erinnerungen Georgs von Schele an den Westphälischen Hof 1807-1808, in: Westfälische Zeitschrift138 (1988), 103-147, hier: 123. Zu korrigieren ist dort S. 121 Anm. 58, wo, ebenso wie bei Kleinschmidt (wie Anm. 34), der Graf von Bocholtz fälschlich mit Theodor Werner von Bocholtz identifiziert wird.

[43] Bemerkungen auf einer Reise durch die Niederlande nach Paris im eilften Jahre der großen Republik, 2 Bde. 1804, hier: Teil 1, 477, 491.

[44] Jochen Lengemann, Parlamente in Hessen 1808-1813, Frankfurt a. M. 1991, 191f.

[45] Gräfl. Archiv Driburg, Akte 155.

[46] Gräfl. Archiv Driburg, Akte 1056.

[47] Der Kaufvertrag: Wilhelm Richter: Der Übergang des Hochstifts Paderborn an Preußen, in: Westfälische Zeitschrift 65 II (1907), 1-112, hier: S. 39-43.

[48] Adolf Zawrzel: Aus dem Leben des Oberjägermeisters Caspar Heinrich Freiherrn (seit 1840 Grafen) von Sierstorpff, des Gründers von Bad Driburg, in: Westfälisches Adelsblatt 4 (1927), 236-256, hier: 254.

[49] Peter Veddeler: Vincke zwischen "Kollaboration" und Widerstand während der französischen Fremdherrschaft, in: Hans-Joachim Behr / Jürgen Kloosterhuis (Hg.):Ludwig Freiherr Vincke: Ein westfälisches Profil zwischen Reform und Restauration in Preußen, Münster 1994, 35-62.

[50] Monika Lahrkamp: Münster in napoleonischer Zeit 1800-1815, Münster 1976, 315f.- Über ihn: v. Klocke: von Boeselager (wie Anm. 10), 206-213. Sein Onkel Graf Anton von Heyden gen. Belderbusch war seit langer Zeit schon Maire von Bonn, ebd. 211. Zum Stadtrat gehörten auch Maximilian von Droste zu Hülshoff und Franz Otto von Wintgen, Lahrkamp: Münster (wie Anm. 50), 320.

[51] Vgl. auch Friedrich Keinemann: Vom Krummstab zur Republik. Westfälischer Adel unter preußischer Herrschaft 1802-1945, Bochum 1997, 81-92.

[52] Vgl. Heinz Reif: Westfälischer Adel 1770-1860. Vom Herrschaftsstand zur Regionalen Elite, Göttingen 1979, 184f.

[53] So ein Gutachten über die Fideikommisse von circa 1807/08 im Archiv Höllinghofen, F 665.

[54] Napoleons Gesetzbuch, offizielle Ausgabe für das Königreich Westphalen, Straßburg 1808 (Nachdruck Frankfurt 2001), § 896 378f.: "Die fideikommissarischen Substitutionen sind verboten. Eine jede Verfügung also, wodurch dem Beschenkten, dem eingesetzten Erben oder dem Legatar auferlegt wird, Etwas für einen Dritten aufzubewahren und an ihn abzugeben, ist ungültig, selbst in Ansehung des Beschenkten, des eingesetzten Erben oder des Legatars. Indeß können die freyen Güter, welche die Ausstattung einer, vom Könige zu Gunsten eines Prinzen oder Familienhauptes gestifteten, erblichen Würde ausmachen, nach den Bestimmungen der kaiserlichen Verordnung vom 30sten März und dem Senatsbeschlusse vom 14ten August 1806 erblich übertragen werden."- Mit der kaiserlichen Verordnung vom 30. März 1806 wurden Reichs- bzw. Thronlehen geschaffen, die nach dem Recht der Erstgeburt in männlicher Linie vererbbar waren und nach Aussterben der männlichen Linie heimfallen sollten, ebd. 1022f. Durch Senatskonsult vom 14. August 1806 erhielt der Kaiser das Recht, zur Belohnung ihm erwiesener Dienste einem Familienoberhaupt zu erlauben, seine freien Güter in eine Familienstiftung umzuwandeln, die jeweils an den ältesten Sohn gehen sollte, ebd. 1024f. Die offizielle deutsche Übersetzung verwendet hierfür den Begriff "Fideikommiss".

[55] Im Großherzogtum Berg wurden 1809 durch Napoleon alle Lehen aufgehoben. Klaus Rob (Bearb.): Regierungsakten des Großherzogtums Berg 1806-1813, München 1992, 161-163. Hier gelang aber nicht die Sicherung der adeligen Güter durch Majorate. Jörn Eckert: Der Kampf um die Familienfideikommisse in Deutschland, Frankfurt 1992, 325-329. - Im Königreich Westphalen erfolgte 1809 ein Dekret, das zwar die Allodifikation der Lehen verfügte, aber noch eine Lehnsfolge zuließ und Ablösungen festlegte. 1811 wurde die Stiftung von Majoraten erlaubt. Klaus Rob (Bearb.): Regierungsakten des Königreichs Westphalen 1807-1813, München 1992, 248-278. Dazu: Eckert: Familienfideikommisse (wie Anm. 55), 318-324. Die Zulassung des Instituts des Majorats hing zweifellos auch damit zusammen, dass die im Königreich Westphalen vorhandenen Güter, die von Napoleon als Dotationen an Franzosen vergeben worden waren, schon 1808 als Majorate bevorrechtigt worden waren. Helmut Berding: Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolítik im Königreich Westfalen 1807-1813, Göttingen 1973, 81.

[56] Vgl. Eckert: Familienfideikommisse (wie Anm. 55), 112f.

[57] In einem Gutachten über die Beibehaltung der Fideikommisse von circa 1807/08 aus dem Archiv Höllinghofen, F 665, heißt es: "Wenn sich die Beybehaltung der vorhandenen Fideikomisse allgemein bewirken läßt, so rathe ich nicht, daß man auf die Beybehaltung einiger besonderen Clausuln derselben, wenn dieselbe nicht zugegeben werden will, wie z.B. auf die Clausel des vollbürtigen Heirathens etc. besonders Gewicht legt. Ich glaube nemlich nicht, daß man die Beybehaltung dieser, den jetz vorhandenen Grundsätzen entgegen laufenden Clausuln gestatten wird, und eine Beschwerniß, die man von der Seite machte, könnte daher leicht nachtheilige Folgen haben."

[58] Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in den ehemaligen Herzogtümern Jülich, Cleve und Berg und in dem vormaligen Großherzogtum Berg (..) ergangen sind, hg. v. Johann Josef Scotti, 3. Teil Düsseldorf 1822, Nr. 3060 S. 1187.

[59] Uta Ziegler (Berab.): Regierungsakten des Großherzogtums Hessen-Darmstadt 1802-1820, München 2002, 415f.

Empfohlene Zitierweise:

Wolfgang Bockhorst : Westfälische Adelsgeschichte in der französischen Zeit , in: zeitenblicke 9, Nr. 1, [10.06.2010], URL: https://www.zeitenblicke.de/2010/1/bockhorst/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-17234

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