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Zu Beginn möchte ich einige Bemerkungen zum Thema im Allgemeinen machen. Ich werde mich hauptsächlich auf die niederländische Provinz Limburg beschränken, und dabei Bestände des Regionaal Historisch Centrum Limburg vorstellen, das im Jahre 2003 aus einer Fusion des Reichsarchivs Limburg mit dem Stadtarchiv Maastricht entstanden ist. Darüber hinaus werde ich einige einschlägige Quellen vorstellen, die sich im Ausland befinden.

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Zunächst ist es schwierig, die Quellen zur Adelsgeschichte systematisch einzuteilen. Ganz grob könnte man differenzieren zwischen den Adelsarchiven gemeinhin, wie Haus-, Familien und Herrschaftsarchiven, und Archiven von Behörden oder Institutionen, in denen der Adel stark vertreten war, wie die Landstände oder adlige Stifte und Klöster. Jede dieser Kategorien ist im Regionaal Historisch Centrum Limburg (RHCL) vorhanden. Die Archive der Landstände und der geistlichen Institutionen sind meistens über den Weg der Auflösung und Säkularisation während der Franzosenzeit über verschiedene Wege in das um 1880 gegründete Reichsarchiv Limburg gelangt. [1] Jedes Haus-, Familien und Herrschaftsarchiv hat letztlich seine eigene Geschichte. Dabei ist die Einteilung in Haus-, Familien und Herrschaftsarchive übrigens sehr vage. Wer die fast willkürliche Zuordnung der Archive betrachtet, so wie sie auf der Website des RHCL zu finden ist, wähnt sich schon bald in einem Irrgarten. [2] Das umfangreiche Archiv von Schloss Eijsden, südlich von Maastricht, ist bei den Schlossarchiven zu finden, aber mit der Anmerkung 'Familie De Geloes'. Es gibt auch Familienarchive, die man als Herrlichkeitsarchive qualifiziert hat und die etwas versteckt bei den Gerichtsarchiven untergebracht sind. [3]

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Zum Teil hat diese scheinbare Unübersichtlichkeit seine Ursache im Charakter dieser Bestände. Meistens bestehen sie aus einem festen Kern an Dokumenten, die sich um den Besitz bestimmter Güter oder die Rechte eines Hauses gruppieren. Durch Heirat und Vererbung fügte jede Generation neue Akten hinzu oder spaltete sie wieder ab. So entstanden ganze Konglomerate an Archiven, die durch die Klammer gleichen Besitzes oder auch durch familiäre Beziehungen zusammen gehalten werden. Meistens findet man eine Kombination aus beidem. Hausarchive im eigentlichen Sinn findet man ziemlich selten. Ein gutes Beispiel bietet allerdings das Archiv Schloss Well (nördlich von Venlo, westlich von Kevelaer im ehemaligen Geldrischen Oberquartier), dessen Bestände vom Spätmittelalter bis ins frühe 19. Jahrhundert reichen. Bei jedem Besitzerwechsel wurde stets auch das gesamte Archiv übernommen. Doch auf diesem Schloss lastete ein regelrechter Fluch: Es verblieb nie länger als über drei Generationen in der Hand derselben Familie.

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Die Bestände der Haus- und Familienarchive, aus persönlichen und sachlichen Dokumenten zusammengesetzt, brachte noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts führende Archivare in den Niederlanden zu der Auffassung, dass diese Adelsarchive eigentlich gar keine Archive seien, sondern Sammlungen. [4] Daraus zog man die Konsequenz, dass es - auch aus wissenschaftlicher Sicht - erlaubt wäre, diese nach dem Pertinenzprinzip aufzuteilen. Auf diese Weise hat das Reichsarchiv Familien- und Herrschaftsarchive erworben, die im Grunde genommen Abspaltungen von größeren Adelsarchiven sind. Ich habe dabei weniger abhandengekommene einzelne Dokumente im Auge, als vielmehr ganz bewusste Abspaltungen. So ist das Herrlichkeitsarchiv Blitterswijck eine Abspaltung des Hausarchivs Hemmen in der Betuwe. Durch Vermittlung von Herrn Dr. Wilhelm Kisky, dem damaligen Leiter der Archivberatungsstelle der Rheinprovinz, schenkte Kaspar Freiherr von Fürstenberg-Körtlinghausen in Wildshausen bei Öventrop (Kreis Arnsberg) dem Reichsarchiv Limburg 1936 325 Bände seines Familienarchivs mit Beständen zur Herrschaft Horst im Oberquartier und zu den niederländischen Besitzungen der Familie von Wittenhorst. [5] Er erhielt als Anerkennung für diese Schenkung einen königlich-niederländischen Orden und das Staatsarchiv Limburg freut sich noch heute über diesen Besitz, da es insbesondere für die Kulturgeschichte der Niederlande von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts äußerst wertvoll ist. [6] Weniger erfreulich ist, dass die Abspaltung damals sehr unsorgfältig geschah, und dass damit nicht nur der organische Zusammenhang des Archivs verloren ging, sondern auch, dass jetzt einer der beiden Aktenbände in Maastricht liegt, während sich der zweite im Archiv der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. auf Schloss Ehreshoven (Archiv Schloss Stammheim – Grafen von Fürstenberg) befindet.

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Als letztes, etwas merkwürdiges Beispiel möchte ich das recht kleine Herrlichkeitsarchiv Broekhuizen anführen, das 1947 vom Hauptstaatsarchiv Düsseldorf an das Reichsarchiv Limburg abgegeben wurde, diesmal nicht als Abspaltung eines Familienarchivs, sondern als Teil des Archivs des sog. Landesadministrationskollegiums für das Oberquartier Preußischen Anteils. Das Herrschaftsarchiv war bereits zuvor in das Archiv des Landesadministrationskollegiums gelangt, weil die Herrschaft Broekhuizen seit 1744 als königlich-preußisches Domänengut verwaltet wurde. [7]
Auch wenn nicht zuletzt die oft apostrophierte "Sammelleidenschaft" vieler Archivare in der Vergangenheit verhinderte, dass wertvolles Kulturgut einfach verschwand, nimmt man heute bei der Informationsbeschaffung mehr Rücksicht, gibt es doch im Zeitalter von Mikrofilm, Digitalisierung und Internet ganz andere Möglichkeiten. Vielleicht lassen sich kleine "Ungerechtigkeiten" unserer Vorgänger im Amt, so wie die völlig unlogisch verlaufene Abspaltung, durch Austausch noch einmal beheben, aber dabei sollte man es auch bewenden lassen.

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Das im Jahre 2005 erschienene Buch 'Kastelen in Limburg' liefert für die gesamte Provinz Limburg eine Liste von insgesamt 265 adligen Häusern und Schlössern aus der Zeit zwischen den Jahren 1000 und 1800. [8] Jedes Haus wird kurz beschrieben, samt Hinweisen zu weiterführender Literatur. Das Buch ist sicher nicht völlig fehlerfrei, doch bietet es einen guten Einstieg für weitere Forschungen. Zum Glück, so würde ich fast sagen, verfügt das Regionaal Historisch Centrum Limburg nun jedoch nicht über die unüberschaubare Menge von 265 großen Adelsarchiven. Eine Beschränkung auf die bedeutendsten Bestände ergäbe folgende Liste:
Schloss Eijsden
Schloss Rijckholt
Schloss Borgharen
Schloss Meerssenhoven (Itteren)
Schloss Terworm (Heerlen)
Schloss Walborg in Stevensweert
Schlösser Kessel en Aldenghoor
Schlösser in Baarlo: Baarlo(d'Erp), Scheres (d'Olne), de Berckt (D'Olne/Scherpenzeel Heusch) und De Ray
Schloss Horst
Schloss Well
Familie Michiels van Kessenich

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Der Vollständigkeit halber sollte ich noch das Adelsarchiv der Familie von Wymar/ von Geldern (Haus Arcen) erwähnen, das sich im Stadtarchiv Venlo befindet [9]. Drei weitere große Archive befinden sich noch immer in Privatbesitz (Grafen Marchant et D'Ansembourg auf Amstenrade, Freiherren von Loe auf Haus Mheer und zuletzt Schloss Neubourg in Gulpen im Privatbesitz. Letztere drei sind der Benutzung nur schwer zugänglich und es ist nicht zu erwarten, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern wird. Die Archive in öffentlichem Besitz sind ohne Einschränkungen einsehbar. Daneben gibt es eine ganze Reihe von kleineren Beständen, die, wie oben beschrieben, ziemlich willkürlich über die Kategorien Haus-, Familien und Herrschaftsarchive verteilt sind.
Die Mehrzahl der genannten Adelsarchive erwarb das Reichsarchiv in der Zeit von 1900 bis 1940 auf verschiedenen Wegen. Einige sind Dauerleihgaben, andere wurden durch Ankauf erworben. Gerade beim Aussterben eines Geschlechts oder beim Übergang an weit entfernte Verwandte droht jedoch Gefahr, dass die Bestände durch den Antiquitäten- und Dokumentenhandel weit verstreut werden. Ich möchte das Problem der zum Verkauf angebotenen Archive hier nicht weiter erörtern. Es ist mir durchaus bekannt, dass dieses Thema auch unter den deutschen Kollegen öfters diskutiert wird. Zum Glück spielt das Problem in den Niederlanden keine große Rolle mehr. Für Archivare verbieten sich eigentlich solche Ankäufe, aber es geschieht trotzdem in manchen Fällen, weil sonst die Gefahr des unwiederbringlichen Verlusts droht. So hat auch das RHCL vor kurzem eine wichtige Ergänzung zum Archiv Kessel/Keverberg durch Ankauf erwerben können.

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Bei den genannten Archiven handelt es sich, mit einigen Ausnahmen, um Archive von landsässigen Adelsfamilien. Die meisten reichen zurück bis ins Spätmittelalter und einige weisen darüber hinaus einen großen Urkundenbestand auf. Schwerpunkte liegen dabei auf Ehe- und Erbschaftsverträgen, Testamenten und dergleichen, Akten über die Besitzverwaltung und über die Ausübung herrschaftlicher Rechte. Zum Teil sind umfängliche Korrespondenzen vorhanden.
Zeitlich liegt der Schwerpunkt bei den meisten Archiven vor 1800, aber in einigen glücklichen Fällen reichen diese auch noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. In diesem Zusammenhang ist gerade auch aus deutscher Sicht das Archiv Scherpenzeel Heusch erwähnenswert, das Akten von A.J. Dorsch, commissaire du directoire exécutif und später sous-prefect in Kleve, mit Materialien zu seiner 1804 veröffentlichten 'Statistique du Departement de la Roer' aufbewahrt. [10] Dazu kommen noch vielen Akten des Freiherrn Johannes Ludovicus Theodorus van Scherpenzeel Heusch, der 1848 Limburger Abgeordneter beim Frankfurter Parlament war und Mitte des 19. Jahrhunderts für den Anschluss der Provinz Limburg beim Deutschen Bund kämpfte. Zwar hat sich die niederländische Forschung mit diesen turbulenten Jahren in der Geschichte der Provinz schon eindringlich befasst [11], aber dieses Material war bis vor kurzem noch völlig unbekannt. Das gleiche trifft auch auf das große Hausarchiv Kessel/Keverberg mit den Akten des Freiherrn Karl Ludwig von Keverberg zu. 1768 auf Haus Aldenghoor in Haelen geboren, erbte er von seinem Onkel Wilhelm Anton van Merwijck 1798 das Schloss und die Herrlichkeit Kessel. Die Erbschaft führte zur Verschmelzung zweier großer Hausarchive. [12] Seit 1790 war Karl Ludwig Mitglied der Ritterschaft im preußischen Teil von Gelderland, doch seine eigentliche Karriere machte er in der Franzosenzeit: zuerst als Mitglied des Conseil Géneral im Roerdepartement, dann von 1805 bis 1813 als Unterpräfekt in Kleve, von 1811 bis 1813 als Präfekt des Hansedepartements mit Hauptsitz in Osnabrück, 1814 als Gouverneur der Provinz Westflandern und seit 1819 schließlich als Mitglied im Staatsraad bis zu seinem Tode im Jahre 1841. [13] Er war ein sehr gebildeter Mann, der unter anderem als erster das Werk des spätmittelalterlichen Malers Hans Memling in Brügge erkannt hat.

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Adelsarchive des späten 19. oder des 20. Jahrhunderts sind sehr selten. Zum Teil hat dies seine Ursache im Erlöschen etlicher alter Familien, andererseits spielte der Adel zu dieser Zeit in Limburg auch keine große Rolle mehr, wenigstens nicht mehr in der Öffentlichkeit. Eine Ausnahme stellt das Archiv Michiels van Kessenich dar, ursprünglich eine bürgerliche Familie aus dem Oberquartier, im 18. Jahrhundert sozial aufgestiegen und Anfang des 19. Jahrhunderts von König Wilhelm I. nobilitiert wegen großer Verdienste um das Haus Oranien. [14]

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Die Verzeichnung der Adelsarchive beim RHCL ist bis dato unterschiedlich weit fortgeschritten. In den letzten Jahren sind die Archive Bounam de Ryckholt, [15] van Scherpenzeel Heusch und Michiels van Kessenich durch Anfertigung zeitgemäßer Findbücher gut erschlossen worden. Von mittelmäßiger bis schlechter Qualität sind hingegen die Findbücher, ja manchmal nur Listen, der großen Archive Well, Kessel/Keverberg, Borgharen, Eijsden und Terworm. Fast noch völlig unverzeichnet ist das Archiv Haus Walborg in Stevensweert, ein Bestand mit zahlreiche und hochinteressanter Korrespondenzen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der damalige Besitzer Graf Hompesch war einer der höchsten Militärs der Niederlande und korrespondierte über militärische Angelegenheiten mit vielen wichtigen Persönlichkeiten seiner Zeit. Auch für den Rest des 18. Jahrhunderts scheint das Archiv vollständig erhalten zu sein, aber sein Inhalt blieb bis heute völlig unerforscht.

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Fast alle bisher erwähnten Archive stammen von landsässigen Adelsfamilien. Es ist die gleiche Gruppe von Geschlechtern, die seit je her stark in den Landständen vertreten war. Wenn hier von Ständen die Rede ist, gilt es zu bedenken, dass das Gebiet der heutigen Provinz Limburg am Ende des 18. Jahrhunderts territorial sehr stark zersplittert war, so wie man es in etwa auch aus Südwestdeutschland kennt. Insgesamt zählte dieser kleine Flickenteppich 18 Territorialherren. [16] Die bedeutenderen unter ihnen waren:
- Der König von Preußen als Herzog von Kleve und Herzog eines Teils des Geldrischen Oberquartiers
- Der Kaiser als Herr über die Österreichischen Erblande und Herzog des österreichischen Anteils des Oberquartiers und des österreichischen Teils der sog. "Landen van Overmaze"
- Die Republik der General-Staaten in der Funktion als Herzog von Geldern des staatischen Teils des Oberquartiers und des staatischen Teils der Landen van Overmaze
- Der Kurfürst von Pfalz-Neuburg als Herzog von Jülich
- Der Fürstbischof von Lüttich als Graf von Loon und Graf von Horn.
Zwischen diesen großen Territorien lagen kleine reichsunmittelbare Herrschaften wie die Grafschaften Wittem und Gronsveld, das geistliche Fürstentum oder Stift Thorn und eine ganze Reihe kleinerer Herrlichkeiten, größtenteils reichsunmittelbar, aber nicht eingekreist im Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis.

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Seit dem Ende des Mittelalters gab es in den großen Territorien Landtage, in denen auch der Adel vertreten war. Insbesondere trifft das auf das Oberquartier des Herzogtums Geldern, die Landen von Overmaze und das Herzogtum Limburg unter brabantischer Herrschaft zu. [17] Auch in kleineren Territorien wie der Grafschaft Horn (unter der Herrschaft der Fürstbischöfe von Lüttich) [18] oder dem Stift Thorn gab es Landstände. Ihre Geschichte wurde aber bis heute kaum erforscht. Der Adel spielte allerdings nicht in all diesen Gebieten eine gleich große Rolle. Am stärksten war die Ritterschaft wohl im Oberquartier des Herzogtums Geldern vertreten. Gerard Venner hat hier die Zusammensetzung der Stände im 16. und 17. Jahrhundert rekonstruiert, aus der hervorgeht, welche Bedingungen für die Landtagsfähigkeit galten. [19] Dazu gehörte seit Mitte des 17. Jahrhunderts der Nachweis adliger Geburt mittels einer Ahnen- oder Adelsprobe. Diese sollte durch zwei zuverlässige Mitglieder der Stände bestätigt werden. Diese Aufschwörungen auf Pergament sind für das gesamte Oberquartier des 17. Jahrhunderts und das Österreichische Oberquartier des 18. Jahrhunderts erhalten geblieben. [20] Außerdem war der Besitz eines landtagsfähigen Ritterguts erforderlich sowie die Angehörigkeit zur römisch-katholischen Konfession. Die Wohnsitznahme im Oberquartier wurde jedoch nicht verlangt.

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Das 1680 von König Karl II. erlassene Reglement für die Stände hat seine Gültigkeit im Prinzip bis zum Ende des Ancien Régime behalten. [21] Die Entwicklung der Stände nach der Aufteilung des Oberquartiers im Zuge des Utrechter Friedens von 1713 gestaltete sich aber sehr unterschiedlich. Im österreichischen Teil betrachteten sich die Stände als direkte Nachfolger der Stände des 17. Jahrhunderts, doch umfassten sie nicht mehr als fünf Adlige, womit ihre politische Bedeutung gering blieb. Im staatischen Oberquartier wurde kein Landtag mehr einberufen; der landsässige Adel verlor damit seinen Einfluss.
Ganz anders gestaltete sich die Situation im preußischen Teil des Oberquartiers. [22] Die Stände behielten nicht nur ihre alte Position, es gelang ihnen sogar den Einfluss auf die Verwaltung des Landes noch zu vergrößern. Dabei vermochten sie sich sogar gegen die Könige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich den Großen durchzusetzen. Am Ende dieser Entwicklung steht 1770 die Errichtung des Landesadministrationskollegiums, bestehend aus insgesamt sechs Mitgliedern, in dem sowohl Vertreter der früheren königlichen Kommissionen und Kriegs- und Domänenkammern wie auch der Stände ihren Sitz hatten. Zwar gab es nur einen Abgeordneten der Ritterschaft, doch teilte dieser sein Ressort mit zwei weiteren Adligen, womit der tatsächliche Einfluss größer war, als man zahlenmäßig vielleicht erwarten würde.

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Gerard Venner hat für das gesamte Oberquartier am Ende des 17. Jahrhunderts ein starke Abnahme des landtagsfähigen Adels festgestellt. Diese Entwicklung setzt sich auch im 18. Jahrhundert weiter fort. Erst am Ende des 18. Jahrhunderts wächst die Zahl der adligen Mitglieder wieder. 1724 wurde auf königlichen Erlass eine Untersuchung über die Qualifikation der Rittersitze vorgenommen. Das Ergebnis sprach von 78 Rittergütern. Nur 11–29 adlige Besitzer dieser landtagsfähigen Rittersitze gehörten auch tatsächlich dem Landtag an. In der Regel waren 10 bis 20 Mitglieder aus der Ritterschaft anwesend. Über das ganze 18. Jahrhundert hinweg waren 27 verschiedene Adelsfamilien im Landtag vertreten, darunter sieben Grafengeschlechter und 20 freiherrliche Geschlechter. [23] Für den Landtag spielte aber dieser Unterschied keine Rolle; alle Familien galten als landsässiger Adel. Aus der Gruppe der Reichsgrafen waren jedoch nur die von Schaesberg seit 1712 mit Kerpen und Lommersum auch im Besitz eines reichsunmittelbaren Territoriums.
Der große Unterschied zwischen den 78 landtagsfähigen Rittersitzen und einer kleinen Gruppe von Adligen, die auch persönlich im Landtag erschien, hat mehrere Ursachen:
Erstens wohnte ein Teil des Adels gar nicht im Oberquartier und nahm auch nicht die Mühe auf sich, nach Geldern zum Landtag zu kommen. Zweitens gab es Häufungen von Rittergütern im Besitz eines Geschlechts. So besaß der Erbmarschall von Hoensbroech sieben und der Graf von Schaesberg sechs adlige Rittersitze.
Drittens durften seit je her auch nicht-landtagsfähige Personen Rittergüter besitzen. Für Bürgerliche war es ohnehin klar, dass sie vom Landtag ausgeschlossen blieben. Es gab daneben auch einige Adlige, die nicht der römisch-katholischen Konfession angehörten, weshalb ihnen der Zutritt zum Landtag verwehrt wurde. Da zusätzlich ein Teil der ohnehin nicht sehr zahlreichen landtagsfähigen Familien außer Landes wohnte, wurde die Gruppe von adligen Familien, die sich an der Landesregierung beteiligen wollte und konnte, immer kleiner.

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Wie unterschiedlich die Entwicklung in den verschiedenen maasländischen und rheinischen Territorien verlief, zeigen die Beispiele Kleve und Geldern. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es im Herzogtum Kleve nur noch drei landtagsberechtigte Adlige. Im preußischen Oberquartier stellt man einen völlig anderen Verlauf fest. Hier wuchs die Ritterschaft noch weiter an.
Die strengen Regeln der Adelsprobe sowie der Ausschluss des nicht-katholischen Adels - auch bei den Ständen der anderen Territorien- schufen eine Aristokratie von nahezu kastenartiger Exklusivität. In der jüngeren Forschung ist die Bedeutung der Ahnenprobe in den adligen Stiften und Klöstern stark betont und als Lackmustest für Ebenbürtigkeit und Standesgleichheit erkannt worden. Wahrscheinlich spielte die Adelsprobe für die Landstände in den verschiedenen Territorien eine vergleichbare Rolle und hat vermutlich ganz wesentlich zur Entwicklung eines exklusiven Herrschaftsstandes beigetragen. Ebenso hat sie den Aufstieg von landfremden Neuankömmlingen verhindert. Für eine eingehende Beleuchtung der Rolle des dortigen Adels ist daher die Erforschung der genannten Archive unbedingt notwendig.
Wie schon erwähnt, gab es in den verschiedenen maasländischen Territorien Landtage, in denen der Adel vertreten war. Eine detailliertere Darstellung der Landstände kann in diesem Rahmen gewiss nicht erbracht werden, doch einige Aspekte verdienen auch an dieser Stelle besondere Aufmerksamkeit.

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Erstens lässt sich feststellen, dass im territorial so stark zersplitterten Maasgebiet bestimmte Familien gleich in mehreren Territorien zu den Landständen gehörten. So waren die Hoensbroech nicht nur in Preußisch Gelderland, sondern auch im Österreichischen Teil des Oberquartiers und in den Landen van Overmaze entsprechend vertreten. Ähnliches lässt sich für die Schaesberg oder auch für die Keverberg (für Preußisch Gelderland und die Grafschaft Horn) konstatieren. Sichtbar wird auf diese Weise eine Adelslandschaft die territorienübergreifend angelegt war; die adligen Geschlechter waren auf diese Weise in mehreren Territorien vertreten. Zur Erforschung solcher Netzwerke ist es unabdingbar, verschiedene Adelsarchive eines weiteren Umfelds heranzuziehen. Dazu gehören sicher auch die Adelsarchive im RHCL so wie auch die Archive der Stände. Für das Oberquartier als Ganzes gibt es für das 17. Jahrhundert ein gut verzeichnetes Archiv, speziell für den österreichischen Teil existiert ein solches auch für das 18. Jahrhundert. Das Archiv der Landstände in Preußisch Gelderland befindet sich etwas versteckt im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Bestand Geldern, Administrationskolleg. [24],. Die Archive der anderen größeren wie auch der kleineren Territorien sind nur zum Teil erhalten geblieben und bis jetzt auch noch kaum erforscht.

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Eine zweite Frage stellt sich in Bezug auf die sehr unterschiedliche Entwicklung in den Territorien. In Kleve schrumpfte, wie schon erwähnt, die Zahl der landtagsfähigen Adligen auf drei Familien, im benachbarten Geldern hingegen wuchs die Zahl am Ende des 18. Jahrhunderts, obwohl beide Territorien den gleichen Landesherrn hatten!
Der dritte Punkt dreht sich um die Rolle des Adels als intermediäre politische Instanz. Im Oberquartier waren im Landtag lediglich drei kleinere Städte und die Ritterschaft, als Repräsentant des eigenen Standes, vertreten. In anderen Landtagen fehlten die Städte, doch bildeten dort auch geistliche Institutionen sowie Vertreter einzelner Dorfgemeinden den Landtag. Führte diese divergierende Zusammensetzung der Stände nun auch zu einem anderen Verhalten des Adels, der hier ja vornehmlich die Interessen des eigenen Standes vertrat?
Viertens wäre das Verhältnis des Adels zu seinem Grundbesitz, zur hohen Gerichtsbarkeit und natürlich seine Privilegien gegenüber der ländlichen Bevölkerung selbst in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Ahmten diese adligen Herren gar ihre "aufgeklärten" Landesherren nach oder bildeten sie vielmehr ein konservatives Element? Im Preußischen Oberquartier scheint mir das letztere der Fall gewesen zu sein. Man bedenke allein, wie vehement sich die Adligen gegen die Justizreformen Friedrichs des Großen wehrten. Aber eine sichere Aussage ließe sich selbstredend erst dann machen, wenn man Forschungsergebnisse basierend auf den vielen noch vorhandenen Schöffengerichtsarchiven mit solchen aus Untersuchungen auf Grundlage der Adelsarchive kombinieren würde. Es bieten sich dort sehr interessante Perspektiven, wobei wohl das kleine Dorf Baarlo mit einem gut erhaltenen, allerdings leider noch unverzeichneten, Schöffenarchiv und wohlgemerkt vier Adelsarchiven am besten dokumentiert ist.

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War bis jetzt nur die Rede von landsässigem Adel, so war doch auch der höhere Reichsadel im Maasgebiet vertreten. Nicht nur aus Gründen der Präzedenz verdient hier das kaiserlich freiweltliche Damenstift Thorn den Vorrang. Seit 1717 war die Fürstäbtissin in Thorn auch Fürstäbtissin in Essen; zugleich bestanden enge Verbindungen zwischen beiden Stiften. Auch mehrere Damen, allesamt Mitglieder des Hochadels, besaßen in beiden Stiften Pfründe. Auf die Bedeutung dieses Stiftes, wie auch anderer adliger Stifte, für die Erhaltung der Exklusivität des Hochadels brauche ich hier nicht weiter einzugehen. Die Adelsprobe war hier äußerst präzise, auch bei bekannteren Damen von hoher Geburt. [25] Das empfand auch die Königstochter Maria Kunigunde von Sachsen, die im ähnlich exklusiven Stift Munsterbilzen eine bittere Lektion erteilt bekam. Die Aufnahme wurde ihr dort verweigert, weil sie nur eine gezeichnete, aber keine farbige Ahnentafel vorweisen konnte. [26] Das sprach sich herum, und als sie sich 1775 auf das Amt der Äbtissin coadiutrix mit Nachfolgerecht in Thorn bewarb, vermied sie, den gleichen Fehler noch einmal zu begehen, indem sie diesmal eine den Anforderungen penibel entsprechende Adelsprobe einreichte.
Das gut erhaltene Archiv von Thorn befindet sich im RHCL und wird gerade neu verzeichnet. Anhand dieses Archivs lässt sich gut nachvollziehen, wie die zwei letzten Äbtissinnen Franziska Christina von Pfalz-Sulzbach und Maria Kunigonde von Sachsen über eine Zeitspanne von mehr als 70 Jahren ihre Stifte quasi als "aufgeklärte Landesmütter" regiert haben. [27] Aber vielleicht noch wichtiger ist, dass Stifte wie Thorn oder Essen als Knotenpunkte in einem Netz diplomatischer Beziehungen innerhalb Europas fungierten. Die Äbtissin führte eine rege, manchmal auch persönliche Korrespondenz mit diversen Kurfürsten, Bischöfen und auch mit dem kaiserlichen Hof in Wien.

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Von den übrigen reichsunmittelbaren Territorien im Gebiet der heutigen Provinz Limburg möchte ich zwei an dieser Stelle besonders hervorheben, und zwar die Grafschaften Gronsveld und Wittem. Die kleine Grafschaft Gronsveld südlich von Maastricht war politisch und wirtschaftlich unbedeutend, aber die Grafen spielten seit dem 17. Jahrhundert eine wichtige Rolle auf Reichsebene. Graf Justus Maximilian von Bronckhorst war Feldmarschall im Dreißigjährigen Krieg und später Diplomat in kaiserlichen und bayerischen Diensten [28], sein Sohn Johan Franz war ebenfalls Feldmarschall und später Gouverneur der Festung Luxemburg. Durch Erbschaft gelangte die Grafschaft Mitte des 18. Jahrhunderts in den Besitz der bayerischen Reichsgrafen zu Toerring-Jettenbach. Der Graf hatte zwar den Titel eines Reichsgrafen, bekam aber erst durch diese Erbschaft auch eine reichsunmittelbare Herrlichkeit. [29] Die Verwaltung der Grafschaft überließ er einem bevollmächtigten bayerischen Kommissar. Das führte zu einer regen Korrespondenz zwischen München und Gronsveld, wobei der Kommissar seinen Herrn über alles informierte, was er für wissenswert hielt. Und das war viel. Er berichtete fast so weitschweifig wie die späteren Missionare aus fernen Ländern. Selbstverständlich handelt es sich dabei in erster Linie um die reguläre Verwaltungskorrespondenz, aber der Kommissar entpuppt sich zudem als ein guter Beobachter der politischen Entwicklungen der Region. So berichtet er ausführlich über die Lütticher und Brabanter Revolution im Jahre 1789, allerdings findet die Revolution in Frankreich kaum Erwähnung.
Diese ausführliche Gronsveldische Korrespondenz ist als Teil des Archivs Toerring-Jettenbach im Staatsarchiv München gut erhalten geblieben. Sie bietet eine einmalige Quelle, nicht nur zur Lokalgeschichte, sondern auch zur Sicht eines relativ weit Außenstehenden auf die ganze Region. Glücklicherweise verfügt das RHCL seit einigen Jahren über Mikrofilme dieses Archivs. Zurzeit wird ein Teil dieses Bestands bearbeitet, weitere Unterstützung wäre aber sehr willkommen.

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Ähnlich war die Lage in der Grafschaft Wittem. Seit 1732 befand sich diese Grafschaft im Besitz der Grafen von Plettenberg. Auch hier gab es wie in Gronsveld einen gräflichen Kommissar. Die entsprechende Korrespondenz findet sich heute im Archiv Nordkirchen und wird von der Archivberatungsstelle des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe betreut.
Thorn, Gronsveld und Wittem hatten Sitz und Stimme im Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis, die Fürstäbtissin von Thorn hatte zusammen mit 18 weiteren Äbten, Äbtissinnen und Prälaten eine gemeinsame Kuriatstimme auf dem Reichstag, die Grafen von Gronsveld und Wittem waren Mitglieder des Niederrheinisch-Westfälischen Grafenkollegiums, das auch eine Kuriatstimme auf dem Reichstag innehatte. Führten diese Verbindungen zum Reich nun auch zu direkten Verbindungen dieser Adelsgruppen untereinander? Wie soll man das Verhalten des noch unerfahrenen gronsfeldischen Kommissars beurteilen, der kaum nach seiner Einstellung in Gronsveld 1754 die benachbarten reichsunmittelbaren Herren offiziell zu einer Trauerfeier anlässlich des Todes des Grafen Toerring einlud, dies 20 Jahre später aber nicht mehr für nötig hielt? Gab es so etwas wie standesbezogene Solidarität untereinander oder vielleicht sogar ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Reichsunmittelbaren?
Diese Frage ist im Hinblick auf die limburgische Geschichte des 19. Jahrhunderts mit ihren separatistischen Tendenzen nicht uninteressant.
Und wenn es Kommunikation gab, welchen Weg nahm diese? Es gibt Hinweise auf ein Korrespondentensystem samt Agenten beim Kreisdirektorium, beim Direktorium des Grafenkollegiums, beim Reichskammergericht, beim Wiener Hof und bei den Reichstagsgesandtschaften, aber wie die Verbindungen genau ausgestaltet waren und welche Rolle die Agenten dabei spielten, ist bisher weitgehend unbekannt.

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Die Ereignisse in Frankreich, auf die der Gronsveldische Kommissar 1789 in seinen Berichten nach München kaum zu sprechen kam, konnte der Adel fünf Jahre später nicht mehr ignorieren. Im November 1794 besetzte die französische Armee das Maasgebiet und am 1. Oktober 1795 folgte die Einverleibung der "Neun Vereinigten Departements". Diese umfassten die Österreichischen Niederlande, das Fürstbistum Lüttich, die Gebiete der niederländischen Generalstaaten im Maasgebiet sowie die kleinen reichsunmittelbaren Herrlichkeiten und Grafschaften. So entstand im Maasgebiet das neue "Departement der Niedermaas", dessen Archiv sich heute in Maastricht befindet. [30] Einige Jahre später folgte die Einverleibung der vier rheinischen Departements, von denen das Roerdepartement das nördlichste war.
Was die Französische Revolution für den Adel bedeutete, brauche ich hier nicht weiter zu erörtern. Die Privilegien wurden weitestgehend kassiert, die landesherrlichen Rechte und die Gerichtsbarkeit gingen auf den französischen Staat über, aber der landsässige Adel behielt weitgehend seine Schlösser und seinen Grundbesitz. [31] Stifte und Klöster wurden aufgelöst und ihr früherer Besitz durch den Staat veräußert. Die früheren Landesherren verloren zwar ihren Besitz, wurden aber mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 teilweise mit säkularisiertem kirchlichem Besitz in Süddeutschland und Westfalen entschädigt. Diese Landesherren verschwanden damit sozusagen aus der weiteren Limburger Regionalgeschichte.

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Welche Quellen enthält aber nun das große Archiv des Departements der Niedermaas, das sich für die Zeit von 1794 bis 1814 beim RHCL befindet, zur Adelsgeschichte dieser Zeit? Offen gestanden, wir wissen es nicht genau. Das Archiv ist zwar passabel verzeichnet, enthält aber keine spezifischen Hinweise zum Thema Adel. Es gibt mit Sicherheit entsprechende Dokumente, aber diese sind vermutlich in Briefwechseln oder in Akten zur Säkularisation oder zum Verkauf von staatlichen Domänen enthalten. Als gesonderte Gruppe findet man den Adel nicht. Wahrscheinlich gab es im Departement Niedermaas auch nicht mehr viele Adlige. Als dann später, 1810, unter napoleonischer Herrschaft in jedem französischen Departement eine sog. "Société Maternelle" gegründet wurde, eine Art Wohltätigkeitsverein für Mütter, an der sich 30 Damen der vornehmsten Kreise beteiligen sollten, fand man im ganzen Departement erst nach zwei Jahren eine ausreichende Zahl von Mitgliedern. [32] Meinem Eindruck nach stellte sich die Situation im benachbarten Roerdepartement, wozu auch das Preußische Oberquartier gehörte, ganz anders dar; der Adel dort war offenkundig viel stärker vertreten. Aber diese Annahme lässt sich nur vergleichsweise für diese beiden Departements, nicht im weiteren Umfeld feststellen.
Dies alles soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch im Departement der Niedermaas Adlige gab, die sich den neuen Verhältnissen gut anzupassen vermochten und durchaus Karriere machten. Der anfangs schon erwähnte Freiherr Karl Ludwig de Keverberg ist dafür das beste Beispiel, aber es gibt auch andere Fälle von sicher kaum mehr als bescheiden zu bezeichnenden Karrieren. Die wenigen Adelsarchive, die bis ins 19. Jahrhundert reichen, enthalten auch dazu einschlägige Quellen.

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Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt es eigentlich nur vier oder fünf ältere Adelsarchive, die auch Akten aus dieser Zeit enthalten. Meistens sind es, wie üblich, Geschäftspapiere, aber in Einzelfällen auch darüber hinaus sehr bedeutsame Dokumente, wie zum Beispiel im Archiv Scherpenzeel Heusch zu den Ereignissen des Jahres 1848 und im Archiv Keverberg zu Karl Ludwig de Keverberg als Gouverneur von Westflandern. Das einzige typische Adelsarchiv des 19. Jahrhunderts ist das Archiv der Familie Michiels von Kessenich.
Der Adel Limburgs, wie auch der der übrigen Niederlande, hatte nach 1815 viel von seiner früheren Bedeutung verloren. Man beschränkte sich auf seinen Grundbesitz und zehrte von ihm, adelige Unternehmer gab es kaum. Über den Grundbesitz des Adels im 19. Jahrhundert geben Kataster und Grundbuch Auskünfte, für einen Einblick in die Vermögensverhältnisse im Allgemeinen sind Erbschaftssteuererklärungen eine sehr wichtige Quelle. Dazu kommt, dass die meisten alten Adelsgeschlechter im Laufe des 19. Jahrhunderts erloschen. Neue Nobilitierungen gab es immer weniger. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam diese Praxis faktisch zum Erliegen. [33] Heute sind Nobilitierungen in den Niederlanden überhaupt nicht mehr möglich.

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Politisch hatte der Adel nach der Gründung des Königreichs der Vereinigten Niederlande 1815 nur noch wenig Bedeutung. Von den alten Ständen blieb ein ganz kleiner Rest in dem Sinne übrig, als dass der sog. Ritterschaft bis 1854 das Recht zustand, zwei Abgeordnete für die Provinzialstände zu wählen. Es gab eine ganze Reihe im Gesetz und in den Provinzialverordnungen festgelegter Kriterien für die Mitgliedschaft in dieser Ritterschaft, die letztlich fast eine Art Adelsverein darstellte. Die wichtigsten waren der Nachweis adliger Geburt und die Aufnahme ins nationale Adelsregister, das vom "Hoge Raad van Adel" geführt wurde, weiterhin ein gewisses Vermögen an Geld oder Grundbesitz und die niederländische Staatsangehörigkeit. Nationalitätsfragen führten manchmal auch zu Problemen, vor allem bei den Familien, die weitverzweigte Verbindungen ins Ausland besaßen, was gerade in dieser Region häufig der Fall war. [34]

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Die Limburger Ritterschaft hat ein kleines, gut verzeichnetes Archiv hinterlassen, das heute ein Bestandteil des Archivs der Provinzialverwaltung ist. [35] Dennoch ist es der Forschung bisher fast völlig unbekannt geblieben. Es enthält nicht zuletzt Listen mit Namen und Vermögen sämtlicher Adliger der Provinz Limburg.

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Ich habe mit diesem Beitrag versucht, einen allgemeinen Überblick über limburgische Quellen zur Adelsgeschichte zu geben. Eine vollständige Übersicht dieser Quellen gibt es bis dato nicht, denn die existierenden gedruckten und digitalen Verzeichnisse reichen dafür schlichtweg nicht aus. Ihre Vervollständigung wäre eine äußerst arbeitsintensive Aufgabe. Doch unabhängig davon ist klar, dass zur Erforschung der maas- und rheinländischen Adelsgeschichte Quellen benötigt werden, die sich beiderseits der heutigen Staatsgrenzen befinden. Das gilt sowohl für die mittlerweile häufig aufgeteilten Familienarchive wie auch für die Archive der Institutionen, in denen der Adel stark vertreten war, wie Landstände und adlige Stifte. Diese bieten zugleich interessante Perspektiven für eine vergleichende Forschung, bezogen auf das 18. Jahrhundert, aber auch auf die Franzosenzeit und darüber hinaus bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Welche Übereinstimmungen, welche Unterschiede existierten zwischen den Departements der Roer und der Niedermaas innerhalb des zentralstaatlich organisierten französischen Empire? Wie verliefen die Karrierewege einzelner Adliger? Welche Wirkung hatten die Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts auf die adelige Familie, adelige Karrieren oder auch die finanziellen Möglichkeiten des lokalen Adels? Dies sind nur einige Fragen aus einer ganzen Reihe von möglichen Forschungsfeldern. Ich würde mir wünschen, mit den obigen Ausführungen den Anreiz, sich diesen Themen zu widmen, ein wenig vergrößert zu haben.

Autor:

Mr. Jacques van Rensch
Regionaal Historisch Centrum Limburg
Sint Pieterstraat 7
6211 JM Maastricht
vanrensch@rhcl.nl



[1] Zur Entstehungsgeschichte des Reichsarchivs Limburg: Carel Bloemen: De wordingsgeschiedenis van het Rijksarchief in Limburg (1794-1866-1881), Maastricht 1966; ders.: De Roermondse archiefkwestie, Maastricht 1966. Zu den einzelnen Archiven siehe auch die Jahresberichte der niederländischen Staatsarchive in: Verslagen omtrent 's Rijks Oude Archieven (im Folgenden: VROA).

[2] http://www.rhcl.nl/ <1.9. 2008>

[3] Es gibt auch ältere gedruckte Verzeichnisse dieser Archive, die allerdings zum Thema Adel noch immer sehr nützlich sind: G.W.A. Panhuysen: Overzicht van de archivalische bronnen voor de geschiedenis van Limburg, bewaard in het Rijksarchief Limburg te Maastricht, in: Limburgs Verleden II, Maastricht 1967, 707-780; R.M. Delahaye,(Hg.): De archieven in Limburg, Alphen aan den Rijn 1986.

[4] G.M.W. Ruitenberg: Inventarisatie van familiearchieven, in: Nederlands Archievenblad 87 (1983), 165-168.

[5] VROA 1936, 113.

[6] Siehe dazu mehrere Aufsätze in der Schriftenreihe 'Horster Historien', Horst 1986-2005.U.a. Y.A.W. Cuppen: De inventaris der schilderijencollectie van Willem Vincent van Wittenhorst, deel I, Horst 1986, 96-105; H.G. ter Voert:Verhalen rond Frans Clemens von Fürstenberg, laatste kasteelheer van Ter Horst, deel I, Horst 1986, 106-114; M. Flokstra / Th. J. van Rensch: Geschiedenis van de heerlijkheid Horst tot het begin van de zestiende eeuw, deel 2, Horst 1988, 31-94; G.F. Verheijen: Muziek op het Huis ter Horst, deel 7, Horst 2005, 149-160.

[7] VROA 1948, 121-122; Inventar in: http://www.rhcl.nl/

[8] W.Hupperetz / B. Olde Meierink / R. Rommes (Hg.): Kastelen in Limburg, Utrecht 2005.

[9] Eine Dokumentation zu den verschiedenen Archivbeständen befindet sich bei der Rheinischen Archivberatung in der Abtei Brauweiler. Ein Bestand der Freiherrn von Geldern zu Arcen (u.a. 87 Urkunden 1303–1782, davon 67 Urkunden vor 1500) befindet sich im Archiv der Freiherren von Dalwigk-Lichtenfels-Sand im hessischen Staatsarchiv Marburg und ein weiterer Bestand zu den Freiherren von Geldern zu Arcen im Schlossarchiv Thurnstein (Bayern) im Besitz der Grafen Basselet de La Rosée: Handbuch der bayerischen Archive, hrsg. vom Bayerischen Archivtag, München 2001, 386.

[10] G.H.A. Venner: Inventaris van het archief van de familie De Heusch, later van Scherpenzeel Heusch 1386-1895 (= Inventarisreeks Rijksarchief Limburg 44), Maastricht 1989.

[11] Schon etwas älter, aber noch immer grundlegend: J. Boogman: Limburg en de Duitse Bond 1815-1851, Groningen/Djakarta 1955.

[12] J.H. Hanssen: De lotgevallen van het familiearchief van Keverberg, in: Nederlands Archievenblad 89 (1985), 125-138.

[13] G. Mücke: Die geschichtliche Stellung des Arrondissements und seines Verwalters zur Zeit der napoleonischen Herrschaft, dargestellt an dem Leben und Wirken Karl Ludwigs von Keverberg als Unterpräfekt in Cleve, Inaugural-Dissertation, Bonn 1935.

[14] M.C. van Leeuwen-Canneman: Inventaris van het archief van de familie Michiels van Kessenich; G.H.A. Venner: Inventaris van archieven van overheidsfunctionarissen in het ambt Montfort, Publikaties Rijksarchief Limburg nr. 2, Maastricht 1995. Siehe auch Lou Spronck: Alexander Michiels van Kessenich 1800-1863, in: PSHAL 136/137 (2000/2001), 5-84.

[15] W.E.S.L. Keyser-Schuurman: Inventaris van het archief van de familie De Bounam de Ryckholt 1545-1957, Inventarisreeks Rijksarchief in Limburg 48, Maastricht 1992.

[16] Geschichtlicher Überblick bei J.J. de Wit / A.J.A. Flament: De vorming der heerschappijen op het grondgebied in Limburg of die zich daarover hebben uitgestrekt, van de Romeinsche overheersing tot 1814-1817, in: PSHAL 47 (1911), 1-260.

[17] Ältere Literatur: G. Goossens: Étude sur les états de Limbourg et du Pays d'Outremeuse pendant le premier quart du XVIIIe siècle, Kerkrade 1910. Das Archiv der Landstände in Overmaas ist zerstreut, Teilbestände befinden sich u.a. im RHCL, Archieven Landen van Overmaze. Siehe auch: J.A.K. Haas: Inventaris van de archieven en handschriften der abdij Kloosterrade, Maastricht 1986, Inv. Nr. 1387-1607.

[18] RHCL, Archieven Graafschap Horne, Inv. Nr. 9-71 und teilsweise auch 'versteckt' in K. Schutgens, Inventaris der archieven van het klooster Sint-Elisabethsdal te Nunhem 1240-1797, Maastricht 1979, Inv.Nr. 453-487.

[19] G.H.A. Venner, De ridderschap van het Overkwartier van Gelder 1590-1702, in: PSHAL 134/135 (98/99) 267-426

[20] RHCL, Archief van de Staten van het Overkwartier van Gelder 1404-1794, Inv.Nr. 305.

[21] A.M.J.A. Berkvens: Plakkatenlijst Overkwartier 1665-1794, Erster Teil (1580-) 1665-1702, Nimwegen 1990, 324-326.

[22] Eine Zusammenfassung des jetzigen Forschungsstands bei Stefan Frankewitz: Landtag und Rittersitze, in: Stefan Frankewitz (Hg.): Preußen an Peel, Maas und Niers, Kleve 2003, 245-258.

[23] M. Flokstra: Rittermässige Güter und ihre adligen Eigentümer im Preussisch-Geldrischen Oberquartier 1713-1794, in: Geldrischer Heimatkalender 1998, 243-259.

[24] Inv. Nr. 76, Landtagshandlungen

[25] Ausgabe der Thorner Aufschwörungen mit nachgezeichneten Wappen: A.J.A. Flament: Opgezworen kwartierstaten van 36 kanonikessen der vorstelijke Rijksabdij Thorn etc., 's-Gravenhage 1899.

[26] Johan en Michel van der Eycken: 'Wachten op de prins…' Negen eeuwen adellijk damesstift Munsterbilzen (= Bijdragen tot de geschiedenis van de Duitse Orde in de balije Biesen 7), Bilzen 2000, 76-78.

[27] Über diese zwei Äbtissinnen, die auch Äbtissinnen in Essen waren siehe Ute Küppers-Braun: Frauen des hohen Adels im kaiserlich-freiweltlichen Damenstift Essen (1605-1803), Münster 1997, 152-178.

[28] Helmut Lahrkamp: Die Kriegserinnerungen des Grafen Gronsfeld, [Jost Maximilian von Bronkhorst], in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 71 (1959), 77-104.

[29] Jolanda Englbrecht: Drei Rosen für Bayern. Die Grafen zu Toerring von den Anfängen bis heute, München 1993, 305-306.

[30] H. Hardenberg: Inventaris der archieven van het arrondissement Maastricht en van het departement van de Nedermaas (1794-1814), s-Gravenhage 1946.

[31] Zur Gesetzgebung: H.A. Kamphuis: De invoering van wetgeving in het Franse departement Nedermaas gedurende het eerste Directoire, 1 oktober 1795-19 maart 1797 (= Publikaties Rijksarchief Limburg 1), Maastricht 1995.

[32] P.J.H. Ubachs: Kraamzorg in Maastricht en Nedermaas. De Société Maternelle (1810-1845). Het Genootschap voor Moederlijke Weldadigheid (1829-1845), in: PSHAL 133 (1997), 191-213.

[33] C.J. Bruin: Een verloren zaak. Adel als beloning voor persoonlijke verdiensten in het Koninkrijk der Nederlanden, in: J. Aalders / M. Prak (Hg.): De bloem der natie, Adel en patriciaat in de noordelijke Nederlanden, Amsterdam 1987, 141-164.

[34] J.T.J. Jamar: Franz Egon von und zu Hoensbroech, zijn opname in de Ridderschap van Limburg, 1841-1843, in: J. Offermans u.a. (Hg.): Ontgonnen Verleden, Opstellen over de geschiedenis van oostelijk Zuid-Limburg aangeboden aan Louis Augustus (= Werken uitgegeven door Limburgs Geschied- en Oudheidkundig Genootschap 15), Maastricht 1996.

[35] E.M.Th.W. Nuyens: Inventaris der archieven van het Provinciaal bestuur van Limburg 1814-1913, Maastricht 1982, Inv. Nr. 12351-12371.

Empfohlene Zitierweise:

Jacques van Rensch : Archivalische Quellen zur Adelsgeschichte im Maasgebiet , in: zeitenblicke 9, Nr. 1, [10.06.2010], URL: https://www.zeitenblicke.de/2010/1/van-rensch/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-17262

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