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Geschichtswissenschaft im öffentlichen Diskurs – Analyse eines Missverhältnisses
Die Leistungen der Historiographiegeschichte und ihre Lücken
Geschichtswissenschaft – eine Definition – und die mediale Dimension der Historiographie – eine Übersicht
Entörtlichung. Vom europäischen Speicher zur amerikanischen Verteilung: Handschrift, Buch, Faksimile, Mikrofilm, Kopie, Internet
Entschriftlichung. Von der frühneuzeitlichen Textwissenschaft zur Wissenschaft von der kulturellen Praxis in einer multimedial geprägten, globalen Welt
Entlinearisierung. Ordnungen des Wissens: Exzerpte, Zettelkästen, Datenbanken
Studium – Bürgerliche Bildung durch Mündlichkeit und das Lesen ausgewählter Bücher. Das 19. Jahrhundert
Fachbibliotheken, Seminarunterlagen und Quellenhefte. Die ersten zwei Drittel des langen 20. Jahrhunderts
Studium während des gesellschaftlichen Aufbruchs der langen 1960er Jahre: Taschenbuch, Fernsehen und die Gesellschaftsgeschichte
Multimediale Vielfalt und die Herausforderungen für das Studium der Geschichte in der Gegenwart
Wissenschaftliches Publizieren – Vom Hypertext auf Papier zum digitalen Hypertext
Von der Visualisierung durch Spezialisten zur Visualisierung durch die Laien
Entprofessionalisierung des Publizierens – oder – Geschichtsschreibung als Gesamtkunstwerk
Der bürgerliche Lebensstil des 19. Jahrhunderts. Das Geschichtsbuch als Ikone und der Anspruch auf die Zeit zum Lesen
Postmoderne. Informationsflut, die Medien und der Bedarf an historischer Orientierung
Statt eines Schlusses: Geschichtswissenschaftliche Schulen und die Welt ihrer technischen Medien
 

 

Geschichtswissenschaft im öffentlichen Diskurs – Analyse eines Missverhältnisses

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Geschichte hat Konjunktur. Von Geschichtsvergessenheit kann keine Rede sein. Beinahe täglich veröffentlichen Zeitungen und Zeitschriften ganzseitige Dokumentationen über vergangene Epochen. Das Fernsehen bietet Geschichtsreportagen zur besten Sendezeit an. Und wer über digitales Kabelfernsehen verfügt, hat Zugriff auf mehrere Spartenkanäle, die fast ausschließlich Vergangenes thematisieren. Zur gleichen Zeit allerdings steht die Geschichtswissenschaft in der Krise. Sie ist kaum öffentlich präsent. Lehrstühle werden eingespart, Mitarbeiter aus den Historischen Seminaren abgezogen. Als rückwärtsgewandt gilt die Geschichtswissenschaft, als zukunftsunfähig. Unproduktiv sei sie, heißt es, und vor allem viel zu spezialisiert, so dass das Fach keine lebensweltliche Orientierung mehr zu leisten vermöge. [2]

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Reagiert hat die Geschichtswissenschaft auf die Herausforderung mit einem doppelten Perspektivwechsel: Als "Globalgeschichte" verweist sie auf die Verflochtenheit der Welt, in der auch noch das Lokale in weltumspannende Prozesse eingebunden ist. [3] Als "Kulturgeschichte" thematisiert sie die durch soziale Interaktion, Sprache und Symbole vermittelte aktive Aneignung der Welt jenseits der rein funktionalen Zwänge. [4] Sie hat damit das nationale Narrativ aufgekündigt, den Strukturdeterminismus verlassen, den Menschen und den Zufall in die Geschichte wieder eingebracht. Doch damit hat sie die Zukunft noch nicht gewonnen, weil sie aus ihrem Ursprung als Textwissenschaft heraus kaum zur Kritik ihrer Medialität vorgestoßen ist. Aber nur eine Geschichtswissenschaft, die sich ihrer technisch-medialen Voraussetzungen bewusst ist, vermag sich in der durch die Vielfalt der Medien geprägten Welt der Gegenwart einzurichten, Gehör zu verschaffen und auf der Klaviatur medialer Inszenierungen selbstbewusst mitzuspielen.

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Dass Geschichtswissenschaft eingebunden ist in ein konkretes technisch-mediales Umfeld, ist tatsächlich erst in den letzten Jahren thematisiert worden, sofern mehr angestrebt wird als eine auf die Zeitgeschichte bezogene Quellenkunde. [5] "Medien machen Geschichte", könnte man die neue Perspektive beschreiben. Doch mehr als einige disparate Sammelbände, die die Macht der Medien und die Bedeutung medialer Formate für die Geschichtsdarstellung behandeln, [6] oder Aufsätze, die einen kurzen Überblick zur informationellen Wende der Geschichtswissenschaft bieten, [7] liegt bisher nicht vor.

Die Leistungen der Historiographiegeschichte und ihre Lücken

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Gewiss sind die Leistungen der Historiographiegeschichte beeindruckend. Als Ideen- und Konzeptgeschichte hat sie den Fokus auf die narrative Konstruktion des Vergangenen gelegt. [8] Als Sozialgeschichte schildert sie die gesellschaftliche Verankerung der Geschichtswissenschaft in ihrem jeweiligen Umfeld. [9] Als moderne Kulturgeschichte thematisiert sie kommunikative Vernetzungen, globale Transferprozesse, öffentliche Symboliken und kollektive Geschichtsbilder und antwortet damit auf die Krise in Form des vermeintlichen Gegensatzes von Orient und Okzident, von Amerikanismus und Europäismus sowie auf das Nebeneinander der Kulturen in den "aufgebrochenen" Nationalstaaten der Gegenwart. [10] Was freilich fehlt, ist eine Geschichte der technisch-medialen Basis der Geschichtswissenschaft, der Materialität ihrer Kultur; [11] das heißt der Exzerpte und Zettelkästen, der handschriftlich gestalteten Konzepte und der Schreibmaschinenvorlagen, der opulent gestalteten Buchrücken und billigen Taschenbücher, des Handsatzes und des Computerlayouts, der Matrizen und Fotokopien, der Eisenbahn, des Autos und des Flugzeuges, mit denen sich auch die Historiker bewegen, kurz, eine Geschichte, die die materiellen Rahmenbedingungen geschichtswissenschaftlichen Arbeitens, Lehrens und Publizierens untersucht sowie deren Auswirkungen auf die kognitiven Strukturen und die jeweilige Geschichtskultur schildert.

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Den Appell, zu reflektieren, "wie stark 'die Geschichte' noch vor jedem historiographischen Erkenntniszugriff medial geformt ist", gilt es ernst zu nehmen. [12] Mit Marshall McLuhan sind Medien Ausweitungen des menschlichen Körpers und beeinflussen von daher nicht nur den Gang der Geschichte, sondern auch die Art, wie Geschichte "geschrieben" und präsentiert wird. Das Buch als Medium hat die Nation [13] und die Geschichtswissenschaft gemacht. Das Ende der Gutenberg-Galaxis hat damit nicht nur die Nation, sondern auch die Geschichtswissenschaft in die Krise geführt. [14]

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Natürlich ist ein solch breit angelegtes Vorhaben viel zu anspruchsvoll und viel zu groß, um in einem Aufsatz thematisiert zu werden. Deshalb werde ich mich auf einige provokante Überschriften konzentrieren und sie kurz erläutern. Vor einer intensiven Auseinandersetzung mit einem Thema gilt es, erste Perspektiven zu entwickeln und Hypothesen zu formulieren, um zu zeigen, dass der Aufwand aller Mühe wert ist. Wie werde ich also argumentieren? Zunächst sei definiert, was Geschichtswissenschaft kennzeichnet, um daran aufzuzeigen, warum ihre Geschichte auch als Technik- und Mediengeschichte zu schreiben ist. Danach werde ich in drei Zugriffen den Zusammenhang von technisch-medialer Kultur und Geschichtsschreibung behandeln. Anfangs (1) gilt das Interesse den Tendenzen des Wandels (Entörtlichung,Entschriftlichung, Entlinearisierung) , danach (2) betrachte ich einzelne Felder der Veränderung (Geschichtsstudium, wissenschaftliches Publizieren), schließlich (3) untersuche ich den Kontext von Lebensstilen, Mediennutzung und Geschichtskulturen. Nach der Zusammenfassung des Erarbeiteten folgt tabellarisch eine Übersicht, die den Zusammenhang von historischer Schulbildung und technisch-medialer Kultur herstellt und die unterschiedlichen Arten des Sammelns und Publizierens von Material noch einmal vorführt. Dies alles bleibt zugestandenermaßen fragmentarisch, ist eher eine Ideenskizze denn eine geschlossene Argumentation.

Geschichtswissenschaft – eine Definition – und die mediale Dimension der Historiographie – eine Übersicht

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In einer nach wie vor durchaus lesenswerten Studie zur historischen Fachinformatik hat Peter Horvath die Strukturbedingungen der Geschichtswissenschaft beschrieben. [15] Sein Blick auf die mediale und lebensweltliche Seite der Historiographie kann meine Argumentation stützen. Demnach ist Gegenstand der Geschichte alle menschliche Vergangenheit, soweit wir sie über sinnhaft besetzte Quellen und andere Überlieferungen rekonstruieren können. Das "Vetorecht der Quellen" (Koselleck), die Offenlegung des methodischen Zugriffs und der Argumentation sowie die Rückbindung aller Veröffentlichungen an die Kritik der Gemeinschaft professioneller HistorikerInnen sichern ab vor Beliebigkeit und Fälschung. Dabei wendet Geschichtswissenschaft jeweils das Wissen der Gegenwart auf die Vergangenheit an. Geschichte wird immer neu und anders (und auch besser) geschrieben, weil die Fragen der Gegenwart, die disziplinären Zugriffe und die methodischen Instrumente sich verändern und erweitern. [16] So haben etwa quantitative Methoden unter Verwendung von Computern ganz neue Einsichten in die soziale Mobilität des 19. Jahrhunderts erlaubt [17] oder auch Aussagen zum Wandel der NSDAP-Wählerstruktur ermöglicht. [18]

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Allerdings sind solch gravierende Brüche im instrumentellen Apparat der Geschichtswissenschaft keinesfalls typisch, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass "Paradigmenwechsel" sofort sichtbar werden. [19] Und doch ist Geschichtswissenschaft Teil jener Medienrevolutionen, die im Übergang von der "Gutenberg-Galaxis" zur "digitalen Revolution" die kulturelle Ausstattung westlicher Gesellschaften, ihre Strukturen, Sichtweisen und Verhandlungsformen verändert haben. Geschichtswissenschaft muss nicht nur immer neue Quellentypen bearbeiten (serielle Daten, Zeitungen, Radio, Film, Oral History Interviews, Internetseiten), sondern sie selbst organisiert sich permanent neu.

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Was dies für die Struktur des Wissens, für dessen Vermittlung in Studium und Publikation, schließlich für das Einwirken auf die jeweilige Geschichtskultur bedeutet, soll im Folgenden untersucht werden. Dazu gilt es, sich zunächst einmal die großen Medienrevolutionen vor Augen zu führen.
In grober Anlehnung an Werner Faulstich [20] lassen sich zwischen dem Ende der Frühen Neuzeit und der Gegenwart vier zeitliche Großabschnitte medialer Erneuerung unterscheiden.
(1) Die erste Phase beginnt mit einer Leserevolution, begleitet von der Expansion des Druckmarktes und der Fähigkeit, Strichzeichnungen in die Bücher, Zeitungen und Zeitschriften einzufügen. [21] Mit Jürgen Habermas lässt sich von der Ausbildung bürgerlicher Öffentlichkeitsstrukturen sprechen. [22] "Geschichtswissenschaft" vertraut zu dieser Zeit noch weitgehend den Exzerpten, dekonstruiert sie jedoch, arrangiert sie neu und verfasst mithilfe der ihrer Herkunft entkleideten Zusammenfassungen ihre Texte als Romanze, Tragödie, Komödie oder Satire, kurz als "Literatur" (Hayden White). [23]
(2) Um 1900 entsteht die Massenpresse. Schallplatten, Film, Kino, Radio faszinieren die Menschen, aber als an Vergangenheit interessierter Textwissenschaft lässt die Geschichtswissenschaft sie noch beiseite. Billigdruck, Spezialbibliotheken, Schreibmaschinen, ubiquitäre Zettelkästen verändern gleichwohl auch das Geschäft der Historiker, die sich nun als Spezialisten verstehen und deren Publikationen sich vermehrt an Experten wenden.
(3) Die dritte Phase ist jene der langen sechziger (und siebziger) Jahre im 20. Jahrhundert. Das Taschenbuch erlaubt eine ganz andere, politisch engagierte Form des Publizierens. Das auf wenige Kanäle beschränkte Fernsehen eint in Westeuropa die Nation und ist doch zugleich Plattform postmoderner Erprobungen neuer Lebens- und Diskussionsstile, an denen sich auch die Historiker beteiligen.
(4) Die vierte Phase setzt ein als digitale Revolution, die selbst wieder in fünf Phasen eingeteilt werden kann: in die Zeit der Mainframes und der Quantifizierung (Ende der 1960er bis Anfang der 1980er Jahre), in die Zeit der Nutzung des Computers vorwiegend als Textverarbeitungsmaschine (Mitte der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre), in die Jahre der Entdeckung des Internets für die Recherche in Bibliothekskatalogen (1995-1998) [24] und in die Zeit des Aufbruchs in die Internetnutzung für E-Mails, für die Selbstdarstellung von Historikern und für die Publikation von Quellen und Forschungsresultaten (1998-2005). Heute zeichnet sich ein neuer Trend ab, weil Inhalte kollektiv bereitgestellt und nicht mehr nur von Einzelnen verfasst werden, was am besten vielleicht an Wikipedia deutlich wird. [25]

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Schon dieser recht kursorische Überblick deutet an, wie sehr Geschichtswissenschaft technischen und medialen Veränderungen unterliegt, die Geschichtsschreibung instrumentelle Neuerungen aufgreift, freilich, ohne den Wandel umfassend zu reflektieren, oder genauer, ihre eigene Technik- und Mediengeschichte aufzuarbeiten und zu analysieren. Im Folgenden sollen drei zentrale Trends analysiert werden: das Phänomen der Entörtlichung der Wissensspeicher, die partielle Entschriftlichung der Geschichtsdarstellungen, schließlich die Frage der Entlinearisierung geschichtswissenschaftlicher Wissensrepräsentation.

Entörtlichung. Vom europäischen Speicher zur amerikanischen Verteilung: Handschrift, Buch, Faksimile, Mikrofilm, Kopie, Internet

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Eine Rangordnung wissenschaftlich bedeutender geschichtswissenschaftlicher Institute zeigt, dass Historiker zur Pragmatik neigen. Sie streben vielfach dorthin, wo sie ertragreiche Archive vorfinden und auf große, gewachsene, gut ausgestattete Bibliotheken zurückgreifen können. Die Zentralisierung des Wissens in der Frühen Neuzeit, die Konzentration der Wissensspeicher auf die politischen und kulturellen Hauptstädte, [26] zieht Historiker bis in die Gegenwart in ihren Bann. Allerdings machten sie sich seit den 1830er Jahren anheischig, die örtliche Bindung des Wissens aufzuheben. Sie schrieben Quellen ab und stellten sie in Buchform einem breiteren, nun nicht mehr lokal begrenzten Kreis zur Verfügung. Der damit notwendige Medienbruch förderte die Herausbildung der kritischen Edition, ließ jedoch zugleich den Wunsch fortbestehen, eine direkte Kopie der Originale in Händen zu halten.

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Faksimile-Verfahren gab es seit 1786. Sie blieben freilich aufwendig und teuer. Und deshalb galt die Hoffnung seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts photographischen Reproduktionen. Sie lohnten freilich nur für Einzelstücke, auch weil Photographien schwerlich in die Bestandslogik von Bibliotheken einzuordnen waren. Hier versprach die Erfindung der Mikroverfilmung (1906) eine grundsätzliche Lösung, indem nämlich umfangreiche Werke, ja ganze Bestände von Handschriften, Büchern, Zeitungen und Zeitschriften aufgezeichnet und in kleinen Schachteln in Regalen deponiert werden konnten. Wenn einmal ein Masterfilm vorlag, dann konnte er leicht reproduziert und auch anderen Institutionen zur Verfügung gestellt werden. Damit hatte die Technik einen Weg gewiesen, wie den weniger privilegierten Orten der Zugriff auf die Bestände der hauptstädtischen Wissensspeicher geöffnet werden konnte. Bezeichnenderweise machten sich amerikanische Forschungsbibliotheken in Kooperation mit der Fotoindustrie seit den 1930er Jahren daran, die Bibliotheken Europas zu verfilmen, Dissertationen kontinentweit verfügbar zu machen und Zeitschriftenaufsätze in Mikrofilmform zu verschicken. Nicht die Wissensspeicherung interessierte die amerikanischen Medienspezialisten, sondern – angesichts historischer Benachteiligung – die direkte Verfügbarmachung weltweiter kultureller Überlieferung. Freilich erzwang der Mikrofilm eine kostspielige apparative Ausstattung, so dass sich die Hoffnung auf einen universellen, hindernisfreien Zugriff nicht erfüllte. [27]

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Erst die Fotokopie erlaubte seit Ende der 1950er Jahre dem Forscher, sich seinen eigenen Bestand von Ausschnitten aus Quellen und Literatur zusammenzustellen, ohne eigenhändig Exzerpte anzufertigen. Mehr noch, die Fotokopien eigneten sich als Grundlage für weitere Reproduktionen und konnten Kollegen zugesandt werden. Ganze Netzwerke entstanden so. Aber noch immer blieb das Wissen an das Material (Film oder Papier) gebunden. Das Kopieren verdrängte das Um- und Abschreiben des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts, doch selbst als Kopie blieb Wissen physisch begrenzt.

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Heute fährt täglich ein Lastkraftwagen an einen unbekannten Ort der USA, wo Bücher eingescannt und in die riesige Datenbank von Google Books integriert werden. Damit stehen sie weltweit, an jedem Ort und jedem Interessenten mit Internetanbindung zur Verfügung. Die Idee einer zentralen Weltbibliothek, die der amerikanische Literaturwissenschaftler Mills Gayley um 1900 entworfen hat, scheint ihrer Verwirklichung näher gerückt. [28] Geschichte ist nicht mehr Eigentum der lokalen Wissensspeicher. Geschichte ist global geworden, im doppelten Sinne einer Verwobenheit der Ereignisse und des weltweiten Zugriffs auf die Quellen und Literatur. Das Copyright (vieler Zeitschriften und Bücher) ist nun nicht mehr gebunden an den Besitz oder die Kopie einer physischen Einheit, sondern an das Eigentum über den Inhalt selbst, an die weltweit verfügbare digitale Repräsentation des vormals in Büchern dargestellten Wissens.

Entschriftlichung. Von der frühneuzeitlichen Textwissenschaft zur Wissenschaft von der kulturellen Praxis in einer multimedial geprägten, globalen Welt

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Während der Aufklärung emanzipierte sich Geschichtswissenschaft von der Theologie, Philosophie und Rechtswissenschaft. Sie übernahm dabei deren methodischen Apparat und richtete den Blick auf eine Welt, die in Texten fixiert war. Im Historismus, mit seiner Orientierung auf die Idee und das Staatshandeln, interessierte ebenfalls nichts anderes als die Texte, weil große Gedanken vermeintlich in Buchstaben festgehalten, Entscheidungen schriftlich fixiert wurden. Selbst die Gesellschaftsgeschichte hielt an der Einheit von Text, Zahlen und der daraus zu ermittelnden Beschreibung sozialer Wirklichkeit fest, so dass erst die Erfahrung postmoderner Lebenswirklichkeit, die Ikonisierung der Welt, die Bedeutungszunahme des Mündlichen und des Visuellen, gleichsam der Eintritt in die Kultur eines zweiten Mittelalters, den Blick für die "Realität" außerhalb der Alphabete schärften. Für Prozesse statt Strukturen interessiert sich die moderne Kulturgeschichte, für Sprache statt Klasse, für Symbole statt Ideologie, für Formen statt Inhalt, und sie versucht daraus die Dynamik gesellschaftlicher Bewegung zu ermitteln, wie Simon Schama in einer brillanten Rezension zu Lynn Hunts Analyse der Französischen Revolution vermerkt hat. [29]

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Wiederum waren es neben sozialen Veränderungen (Auflösung von Milieus, Ausbildung vielfach differierender Lebensstile, offensichtliche Grenzen der Handlungsfähigkeit von Nationalstaaten) technische Innovationen wie die Allgegenwart des Fernsehens, die preiswerte Tonaufzeichnung mithilfe von Kassettenrekordern oder die multimediale Bearbeitungsmöglichkeit durch Computer, welche die Fragestellungen und methodischen Zugriffe der Geschichtswissenschaft veränderten. Geschichtswissenschaft kann längst nicht mehr als reine Textwissenschaft agieren. Sie muss neue, nichttextliche Quellen (serielle Daten, Objekte, Musik, Graphiken, Bilder, Film) auswerten [30] und über tradierte Darstellungsformen des Fließtextes neu nachdenken.

Entlinearisierung. Ordnungen des Wissens: Exzerpte, Zettelkästen, Datenbanken

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Eine der zentralen Leistungen von Geschichtswissenschaft ist die Überführung mehrdimensionaler Räume (Zeit, Länge, Breite, Höhe, oder – ganz anders: Zeit, Wirtschaft, Politik, Kultur, Sozialsystem), in den "eindimensionalen" Raum des Erzählten. Dabei bildet Geschichtswissenschaft nicht ab, sondern rekonstruiert, lässt weg und ordnet neu. In der einfachsten Form, der örtlichen Chronik, ist die Anordnung durch das zeitliche Hintereinander vorgegeben. Nur die Auswahl der zu verzeichnenden Ereignisse stellt ein Problem dar. Doch sobald mehr angestrebt wird als die Notation der Geschehensfolge selbst, der puren Faktenkette, stellen sich zahlreiche Probleme. Jetzt nämlich fallen der Akt der Notation und der Akt der Geschichtsschreibung zeitlich auseinander, entsteht das Bedürfnis, Zwischenspeicher für das Memorieren und Ordnen anzulegen, um auf sie gezielt zurückgreifen zu können. Die Erzähllogik erfordert den Bruch mit der zeitlichen Abfolge, zwingt zum Vor- und Zurückspringen aus der Kenntnis des "Endes der Geschichte". Wie Detektive gehen Historiker den vielen Spuren nach, welche nicht immer zum Ziel führen, und machen sich Notizen, die es schließlich auszuwerten und zu einer stimmigen Geschichte zu verdichten gilt. [31]

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Auf die beschriebene methodische Herausforderung hat die Geschichtswissenschaft mit einer Vielzahl von Instrumentarien reagiert, mit jeweils unterschiedlichen medialen Möglichkeiten. Am ältesten sind sicherlich Exzerpte und Kladden, in denen die Aufzeichnungen abgelegt werden. Seneca hat die Leistungsfähigkeit dieses Systems variabler Wissensspeicherung und Zugriffsmöglichkeit in seinem Vergleich mit dem Bienenstock, der in einzelne Waben unterteilt ist, anschaulich geschildert. [32] Doch stößt das Verfahren an seine Grenzen, sobald die Informationseinheiten kleiner, dafür aber deutlich zahlreicher werden. Deshalb zerschnitt Konrad Gessner (1516-1565), da er doch alle Bücher seiner Zeit erfassen wollte, Papier zu kleinen Blättern, auf denen er lediglich die bibliographischen Angaben aufzeichnete. Allerdings ordnete er seine Zettel immer noch in Buchform an, weil die Ordnung selbst in der Perzeption der Frühen Neuzeit tatsächlich vorgegeben war. Erst mit der Ablösung der Fürstenchronik, mit der Hinwendung zur Geschichte als narrativer Konstruktion, die von einem "Sehepunkt" aus erfolgte (Chladenius), geriet die Idee der festen Einreihung an ihre Grenzen. Ordnung war nicht mehr vorgegeben, sondern musste erst gefunden werden. [33] Wie Markus Krajewski in einer höchst lesenswerten, auch sprachlich überzeugenden Studie zur Wissensstrukturierung mithilfe von Zetteln herausgearbeitet hat, war die Erfindung des Zettelkastens eine Innovation, deren Vervollkommnung vier Jahrhunderte, vom Beginn der Frühen Neuzeit bis zum Ersten Weltkrieg, in Anspruch nahm. [34]

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Im Grunde lassen sich drei Zettelkastensysteme unterscheiden:
1) Das eine ist auf Dauer eingerichtet, zielt darauf ab, die Welt zu verzeichnen, repräsentiert eine formale Ordnung, die jedem Sachverhalt des Kosmos seinen eigenen, eindeutigen Ort zuweist, sei es über das Alphabet, sei es über eine Systematik. Solche Zettelkastensysteme sind nie abgeschlossen, sind auf unbegrenztes Wachstum angelegt. Das ist sicherlich die vollkommenste Form des Zettelkastens, diejenige der Bibliotheken des ausgehenden 19. Jahrhunderts (als alphabetischer und systematischer Katalog) [35] oder die der sich vollständig organisierenden Forscher, wie Niklas Luhmann [36] oder Alexandru Zub. [37] Für die Wissenschaftler dient das Zettelsystem als permanenter Wissensspeicher, als Ideengenerator und dem Aufbau einer kohärenten Weltsicht.
2) Die zweite Form des Zettelkastens fördert viel stärker die Ordnung eines begrenzten Kosmos, unterstützt das Sammeln von Material für eine bestimmte Fragestellung, für eine bestimmte Publikation. Diese Kästen werden mit zunehmendem Wissen immer neu arrangiert, dienen – der sich verändernden Gliederung des Textes entsprechend – der Disziplinierung des Forschers, der Ordnung von Ideen entlang der Logik des nacheinander zu Erzählenden. Sie sind Übergangsräume gespeicherten Wissens, die die Reduktion des Mehrdimensionalen auf die zweidimensionale Aufsicht auf den Zettelkasten, schließlich auf die eindimensionale Linearität des Textes fördern.
3) Die dritte Form des Zettelkastens unterstützt unmittelbar den Schreibprozess. Hier werden Texte in einzelnen Zetteln verfasst, werden, wo nötig, neu geschrieben und neu zugeordnet, schließlich in eine endgültige Form gebracht. Über eine solche Schreibweise hat Johann Jacob Moser bereits 1773 berichtet, als ausgeklügelten Versuch, das Prozesshafte des Schreibens schrittweise mit dem Zwang einer endgültigen Druckfassung in Übereinstimmung zu bringen. [38]

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Freilich, was Moser noch ausführlich berichtet, mit Erfinderstolz detailliert beschreiben konnte, verfiel mit der Blüte des Geniuskultes im 19. Jahrhundert dem Verschweigen. Nicht zuletzt die Professoren der Geschichtswissenschaft hatten daran ihren Anteil. Von Ranke wissen wir aus Briefen an seinen Bruder, dass er seine Notizen in ein Foliobuch schrieb, von Jacob Burckhardt, ebenfalls aus Briefen, dass er Aufzeichnungen in einem Heft anfertigte, um sie anschließend in 700 Zettel zu zerstückeln, neu zu sortieren und aufzukleben. [39] Droysen riet zwar seinen Zuhörern, Rankes Werk zu "dekonstruieren", "seine Darstellung sich so" zu zerlegen, dass "seine einzelnen archivalischen Angaben" getrennt wurden "von der Form und dem Zusammenhang, in den er sie gestellt" hatte. [40] Aber der Rat galt der Quellenkritik, nicht der Darstellung, die Droysen erst in einer späteren Fassung der Historik aufnahm, freilich ohne selbst auf den Schreibprozess einzugehen. [41] Insofern führte das von Ernst Bernheim vorgelegte "Lehrbuch der Historischen Methode" tatsächlich weiter, wenngleich auch hier der Abschnitt zur "Darstellung" eher kurz ausfiel und im Inhaltsverzeichnis ohne weitere Unterteilung blieb. Immerhin verwies der Greifswalder Geschichtsprofessor und Hochschuldidaktiker auf die Bedeutung der "Disposition", deren Struktur er in Anlehnung an Droysen diskutierte. [42] Nur, wie der Historiker zur angemessenen Disposition findet, darüber schwieg sich auch Bernheim aus. Dass tatsächlich eine erhebliche Diskrepanz bestehen konnte zwischen exakter Notation der Quellen und erzählerischer Disposition, hat Henning Trüper am Beispiel des Zettelkastensystems von François Louis Ganshof herausgearbeitet. Die Heuristik und das Vetorecht der Quellen, die wissenschaftliche Akkuratesse der "école methodique" und der dritten Generation des deutschen Historismus schränkten die narrativen Freiheiten der Historiker doch nur begrenzt ein. [43]

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Zettelkästen erscheinen heute veraltet. Bei genauer Hinsicht gilt es allerdings – ob der Begeisterung für platzsparende elektronische Speicherungsformen – deren Vorteile nicht zu verlieren. Welchen Nutzen Zettelkästen der zweiten Form stiften, habe ich vor mehreren Jahren bereits beschrieben. Auf diese Überlegungen werde ich im Folgenden zurückgreifen:
1) Im Vergleich zu Datenbanken können Karteikarten, so die erste Beobachtung, Zeit sparen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn sie als Befestigungsmaterial für Fotokopien dienen. Das Abschreiben von Informationen entfällt. Man bearbeitet die Fotokopien mit Leuchtmarkern, unterstreicht die wichtigen Informationen, so dass sie später beim Überfliegen des Textes sofort auffallen.
2) Auch das Abschreiben mit der Hand hat seine Vorteile. Es erleichtert das Auszeichnen von Notaten (Unterstreichen, Randstriche, Randbemerkungen "wichtig!" ...). Es zwingt zur Konzentration auf das Wesentliche (die Karteikarte bietet nur begrenzten Raum, das handschriftliche Notieren ist relativ mühsam).
3) Das Niederschreiben hat den Nebeneffekt, dass der Inhalt sich häufig besser einprägt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn wichtige Karteikarten zusammengefasst werden, um sie an verschiedenen Stellen einzuordnen. Karteikarten müssen permanent in entsprechende Kästen eingefügt werden. Das assoziative Denken wird hierdurch gefördert (indem immer Umgebungen in den Blick geraten), die Gedächtnisleistung wird unterstützt. Karteikarten werden sequenziell aufgereiht. Damit zwingen Karteikästen der Form 2 durch ihre räumliche Disposition dazu, über die spätere Form der Darstellung nachzudenken. EDV-Programme erlauben demgegenüber viel umfassendere Ablagesysteme, sie ermöglichen, komplexe Strukturen als komplexe Einheiten abzubilden. Eine Folge davon ist, dass manche Forscher und Studierende überfordert sind, wenn sie das Gliedern und Ordnen des Materials an das Ende ihres Arbeitsprozesses stellen.
4) Andere psychologische Aspekte treten hinzu: Karteikästen vermitteln ein Gefühl der Saturiertheit. Es ist leicht festzustellen, wo bereits viel Material zur Verfügung steht und wo noch Informationen fehlen. Sie vermitteln ein Gefühl der Sicherheit, der Vertrautheit, das durch ein papierloses und damit nicht räumlich erfahrbares Medium kaum erzielt werden kann.  [44]

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Karteikarten und Karteikästen haben also ihre Berechtigung, selbst wenn Datenbanken in vieler Hinsicht effizienter und leistungsfähiger sind. Als zusätzlich hypertextfähige Verweis- und Sortierformate ermöglichen sie zweifelsohne vielfältige Verzweigungen und Neuordnungen. Damit unterstützen sie vorwiegend die Ideengenerierung und das gezielte Wiederauffinden früherer Einträge. Versucht man nun aber eine Reproduktion des Zettelkastenformats der Form 2 im hypertextuellen Datenbanksystem, so ist systematische Planung und ein zusätzlicher Zwischenschritt erforderlich: Denn ohne den zwischenzeitlichen Ausdruck der eigenen Regesten und deren temporärer Reallokation in der Logik der späteren Argumentation ist die Gefahr groß, dem Material selbst zu folgen, anstatt diesem die eigene Fragestellung aufzuzwängen. Zitaten- und Wissensdatenbanksysteme bieten denn auch die Möglichkeit, nicht nur Schlagworte zu vergeben, sondern das Material fallweise chronologisch und systematisch zu ordnen.

Studium – Bürgerliche Bildung durch Mündlichkeit und das Lesen ausgewählter Bücher. Das 19. Jahrhundert

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Während der Aufklärung blieb Geschichte ein Nebenfach, hatte sie doch nur Verweisfunktion auf das, was eigentlich wichtig war, den Fortschritt durch Vernunft. [45] So war es die Romantik, die Geschichte aufwertete, gerade weil sie auf das Gewordensein und die gleichzeitige Freiheit zur Kultur jenseits der reinen Vernunftordnung pochte. An Stelle von Theologie und Philosophie emanzipierte sich die Geschichtswissenschaft zur "leitenden Orientierungswissenschaft" (Gangolf Hübinger), und meinte nunmehr zweierlei, methodisch reflektierte Form identitätsstiftender Vergangenheitsvergewisserung und historisch orientierte Zukunftswissenschaft. Allerdings bedeutete diese Aufwertung gerade keine Professionalisierung der Geschichtswissenschaft. Die Historiographie blieb auf die bürgerliche Ordnung verwiesen, versprach zweckfreie Bildung, bot staatsbürgerliche Selbstaufklärung und vermittelte jene kognitiven und diskursiven Fähigkeiten, die bürgerlichen Habitus kennzeichneten. Vorlesung und das Privatissime sicherten Teilhabe an der Aura des Professors. Der entwarf seine Vorlesungen mithilfe seiner eigenen oder der langsam sich herausbildenden Seminarbibliotheken, und dort holte er auch die Quellenausgabe für den kleinen Kreis der "Privatstudenten". Die Lehrformen blieben damit eingebettet in die kulturelle und technische Rahmung der bürgerlichen Welt.

Fachbibliotheken, Seminarunterlagen und Quellenhefte. Die ersten zwei Drittel des langen 20. Jahrhunderts

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Als Ernst Bernheim Ende des 19. Jahrhunderts streitbar dafür eintrat, den Seminarbetrieb auszuweiten, da begründete er seinen Vorschlag damit, dass die "rasch wachsende Fülle an Überblicksdarstellungen und Kompendien, die vielfach von hervorragenden Forschern verfasst worden seien," den akademischen Kontext der Vorlesung grundlegend geändert habe. "Eine Darbietung von Fakten des 'Rohstoffes' sei nicht mehr notwendig und auch deshalb nicht sinnvoll, da die Studierenden in den Kollegs gerade die 'Daten und stofflichen Einzelheiten, die in jedem Buch zu finden sind,' nachschrieben." [46] Tatsächlich hatte die Geschichtswissenschaft inzwischen ihre Unschuld verloren. Sie hatte sich gelöst von der bürgerlichen Öffentlichkeit. Der Nachwuchs erkannte die Chancen, die Geschichtslehrern offenstanden, weil der Staat in schulische Identitätspolitik investierte. Deshalb meldeten sich jetzt auch viele zum Studium an, die aus universitätsfernen Milieus stammten. Geschichte meinte nicht mehr allein Bildung, sondern Wissensverwertung im Beruf. Professoren und Studenten stellten hinfort keine Einheit mehr dar, sprachen nicht mehr dieselbe Sprache, verfügten nicht mehr über dasselbe (bildungsbürgerliche) Vorwissen. In dieser Situation schienen intensives Lehren und Lernen erforderlich. Die Geschichtswissenschaft selbst zerfiel in immer mehr Spezialhistorien, für die Antike, für das Mittelalter oder für die Wirtschaftsgeschichte. Allein professorale Spezialisten mochten noch große Synthesen vorlegen, während für den Nachwuchs die Quellenkritik als selbständige Arbeitsleistung übrigblieb.

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Da es nun überall in den Universitäten Seminare und Institute mit umfangreichen Bibliotheken gab, hier und dort die Studierenden die preiswerter gewordenen Bücher käuflich erwerben konnten, hatte die Kritik Bernheims an der Dominanz der Vorlesungen einen nachvollziehbaren Hintergrund. Tatsächlich änderte sich gelegentlich die Lehrpraxis. In Leipzig erstellte das eigens hierfür eingestellte Schreibfräulein, später sogar der Hausmeister, mithilfe der seit einiger Zeit verfügbaren Schreibmaschine (und des Kohlepapiers) Seminarunterlagen, was der aktivierenden Unterrichtsform zusätzliche Schubkraft verlieh. [47] Doch die Hinwendung zum Seminarbetrieb hatte noch einen weiteren, ebenfalls technikinduzierten Grund. Die deutsche Geschichtswissenschaft überschritt um die Jahrhundertwende allmählich ihre nationalen Grenzen, unter anderem deshalb, weil Dampfschiffe das Reisen erleichterten, [48] die Post aus der Ferne schneller eintraf als zuvor und notfalls Telegramme rasche Kommunikation ermöglichten. Deutsche Historiker verfolgten bei ihren Besuchen in den USA unmittelbar den Unterricht an amerikanischen Universitäten und müssen ihn geradezu als Schock empfunden haben. Konkret erlebten sie, wie ihre amerikanischen Kollegen die Studierenden viel direkter ansprachen, viel unmittelbarer in den Unterricht einbezogen, als sie es aus dem europäischen Kontext heraus gewohnt waren. Die Bildungskultur der Einwanderungsgesellschaft obsiegte aus der Sicht mancher Reisender über die Lehrtraditionen einer Gesellschaft, die ihre ständischen Wurzeln nicht verleugnen konnte und den Anschluss an die Erfordernisse der "Massengesellschaft" zu verlieren drohte. [49]

Studium während des gesellschaftlichen Aufbruchs der langen 1960er Jahre: Taschenbuch, Fernsehen und die Gesellschaftsgeschichte

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Als die Historiker 1945 gefordert waren, die "deutsche Katastrophe" (Meinecke) zu erklären, da bot ihnen der Habitus des weltabgewandten Gelehrten die Chance, Distanz zum Geschehenen herzustellen und die Quellenkritik als das grundlegende methodische Rüstzeug zu verteidigen. [50] In der Tat sollte das kritische Potenzial einer quellenorientierten Geschichtswissenschaft für die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in den 1950er Jahren nicht unterschätzt werden. Aber bald genügten die geistesgeschichtlichen Darlegungen, biographischen Zugriffe und die vielen faktenorientierten Einzelstudien dem Orientierungsbedarf der Menschen nicht mehr. Die Jungen vor allem verlangten nach ganzheitlichen Erklärungen. Sie fanden sie bei den immer stärker werdenden Sozialwissenschaften und auf dem öffentlichen Markt der jetzt preiswert herzustellenden Taschenbücher, Intellektuellenzeitschriften sowie im Fernsehen mit seinen Magazinen und Diskussionssendungen. Wollte die Geschichtswissenschaft gleichziehen, so musste sie sich derselben Instrumentarien bedienen, also der öffentlich inszenierten Kontroverse, des sozialwissenschaftlichen Theorieangebots, der meinungsfreudigen Taschenbücher, der pointierten Zeitschriftenbeiträge – und auf der Ebene des Seminarbetriebs der Vervielfältigung von Thesenpapieren durch Matrizen. Jetzt schrieben auch Studierende wieder "große Geschichte".

Multimediale Vielfalt und die Herausforderungen für das Studium der Geschichte in der Gegenwart

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Wenn die Häufung von Buchtiteln Krisen andeutet, steckt die Lehre der Geschichte heute tatsächlich in einem grundlegenden Dilemma. Noch nie waren so viele unterschiedliche Einführungen in die Geschichtswissenschaft erhältlich, noch nie konnten Studierende und Dozenten auf so viele Handreichungen zurückgreifen, die das richtige Lesen, die Auswertung unterschiedlicher Quellentypen, die Literatursuche, die Ordnung des Wissens, das Schreiben oder das angemessene Präsentieren erklären. [51] Offensichtlich genügt das universitäre Lehrangebot für sich allein nicht mehr, bedarf es zusätzlicher Kenntnisse und Fertigkeiten, um hochschuldidaktisch kompetent Lehre vorzubereiten und anzubieten. Die Geschichtswissenschaft hat die Grenzen der engeren Textwissenschaft verlassen. Sie benutzt für ihre Publikationen vielfach auch nichttextliche Quellen, und das gilt nicht allein für die Alte Geschichte. Auch die Art und Weise, wie sie ihr Material ordnet und präsentiert, ist höchst vielfältig geworden. Damit freilich hat sie eine Komplexität auch im Studium erreicht, für die das Erfahrungswissen der einzelnen Dozenten nicht mehr ausreicht.

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Wenn Geschichtswissenschaft ihre lebensweltliche Orientierungsleistung verbessern will, dann muss sie auch das Studium darauf ausrichten. Sie muss Antworten geben auf die Herausforderungen der Globalisierung, die methodischen Zugriffe anderer sozial- und kulturwissenschaftlicher Disziplinen einbeziehen, das Ende der Meistererzählungen produktiv bewältigen, sich der Vielfalt der Medien stellen und ihre Fähigkeit fortentwickeln, fremde Vergangenheiten für die Gegenwart und Zukunft "nutzbar" zu machen. Tatsächlich versuchen neue Lehrangebote den Aktionsradius für HistorikerInnen weiter als bisher zu fassen, indem disziplinäre Grenzen überschritten, Praxiselemente stärker als bisher integriert werden. Vor allem aber geht es darum, die Studierenden für die technisch-medialen Aspekte der Geschichte und der Geschichtsschreibung zu sensibilisieren. [52] Vielleicht ist das der Weg, den die Geschichtswissenschaft insgesamt gehen muss.

Wissenschaftliches Publizieren – Vom Hypertext auf Papier zum digitalen Hypertext

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Droysen hat in seiner Historik noch einen engen Zusammenhang hergestellt zwischen der Ereignisabfolge der Geschichte und dem Nacheinander der Buchstaben und der Argumentation. "Linearität der historischen Zeit und Linearität des Textes waren" für ihn noch "kongruent". [53] Doch eine solche Beschreibung geschichtswissenschaftlicher Druckerzeugnisse charakterisiert nur den Kernbereich eines aufgeschlagenen Geschichtsbuches, kennzeichnet angemessen nur den eigentlichen Fließtext. Tatsächlich sind geschichtswissenschaftliche Publikationen in einer Weise hypertextuell durchgeformt, die bei genauer Betrachtung erstaunen lässt. Denn was sind Inhaltsverzeichnisse, Überschriften, Register, Kopfzeilen, Marginalien und Fußnoten [54] anderes als hypertextuelle Sprungmarken, welche den Text vielfältig erschließen, semantische Verbindungen herstellen und dem Leser ganz unterschiedliche Zugriffe auf die Welt der Geschichte ermöglichen.

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Nun ist das Buch als Hypertext in hohem Maße normiert, unmittelbar Ergebnis der Materialität des Artefakts selbst wie zugleich Resultat einer mehrhundertjährigen Druck- und Lesegeschichte. Das Buch ermöglicht die rasche, inspizierende Aufsicht, erlaubt das blätternde Anlesen, gewährt das eilige Vorwärtskommen vom einen in den anderen Bereich des Textes. So sichert es in kurzer Zeit Orientierung und gestattet zugleich doch die intensive, langsam voranschreitende Lektüre. Im Vergleich dazu bieten die digitalen Hypertexte sogar noch mehr Möglichkeiten, aber gerade dies reizt die Verfasser von Webtexten zum Experiment, zum – durchaus sinnvollen Ausprobieren dessen – was realisierbar und tatsächlich sinnvoll einzusetzen ist. Noch verfügen die Autoren über kein standardisiertes Modell, wie ihre Leser den Computer wirklich nutzen, wie eine optimierte Textgestaltung und Textorganisation auszusehen hat. Erste Studien legen nahe, dass am Bildschirm nur einfache, kurze Texte aufgenommen werden und die Anforderungen an eine mediengerechte Sprache und Gestaltung besonders hoch sind. In jedem Fall verfügt die Geschichtswissenschaft bislang noch über kein stimmiges Modell, wie sie ihre Forschungsergebnisse am Bildschirm angemessen präsentieren kann. [55]

Von der Visualisierung durch Spezialisten zur Visualisierung durch die Laien

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Zu Hypertexten gehören Karten, Bilder, Graphiken, Ablaufschemata. Auch sie finden sich bereits früh in geschichtswissenschaftlichen Werken, wenn auch eher vereinzelt, da dies die Druckkosten erheblich erhöhte. Angefertigt wurden solche bildlichen Elemente von Spezialisten, Zeichnern an den Historischen Instituten, die das Handwerk gründlich gelernt hatten. Sie drückten den Publikationen ihren Stempel auf, unterstützten durch ihre Kompositionen den Text – oder konterkarierten ihn, weil jeder symbolischen Repräsentation eine zusätzliche Bedeutung jenseits der reinen Faktenaussage zu eigen ist.

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Vermutlich arbeiten heute nicht mehr viele Zeichner an Historischen Seminaren. Der Computer bietet eine solche Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten, dass auch die weniger handwerklich begabten Historiker Tabellen in Graphiken umsetzen, Karten nachzeichnen, Diagramme erstellen oder Bilder bearbeiten können. Ihnen steht damit eine Formensprache zur Verfügung, die es erlaubt, besser als mit reinen Texten Synchronitäten vorzuführen, Fraktales kenntlich zu machen oder Ästhetisierungen und Symbolisierungen nachvollziehbar herauszuarbeiten sowie neuartige visuelle Repräsentationen zu entwickeln. [56] Da auch der Drucksatz vielfach den Autoren selbst obliegt, prägt heute das implizite Wissen der Software und das explizite Wissen der Laien das Aussehen von Publikationen.

Entprofessionalisierung des Publizierens – oder – Geschichtsschreibung als Gesamtkunstwerk

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Was als Rückschritt und Entprofessionalisierung wahrgenommen werden kann, bietet andererseits die Chance, Geschichte tatsächlich ganzheitlich zu konzipieren. Wissenschaftliches Publizieren besteht dann nicht mehr allein im Verfassen von Texten, sondern in der Gesamtkonzeption eines den Verstand und die Sinne gleichermaßen ansprechenden "Kunst"-Werkes. "Es ist gewiss nicht übertrieben, zu sagen," so hat der Verleger Wolf von Lucius den Strukturwandel charakterisiert, "dass die didaktische Struktur, die Übersichtlichkeit, die Text-Bild Zuordnung in modernen Büchern in aller Regel besser sind als früher," [57] gerade weil die Autoren selbst Hand anlegen. Geschichtswissenschaftliche Argumentation beruht – das ist entscheidend – immer noch auf der Herstellung von Distanz zu ihrem Gegenstand, aber sie erreicht dies nicht zuletzt, indem sie ergänzend zur Linearität des Textes die zweidimensionale Welt der Tabellen, Graphiken und Diagramme stellt und den Mediennutzer dazu anleitet, die Sprache der Bilder zu entziffern.

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Wir wissen, dass Leser heute Druckwerke anders verarbeiten als noch in den 1960er Jahren. Damals konnte man davon ausgehen, dass die Nutzer 30 bis 40 Prozent der in den Medien enthaltenen Informationen aufnahmen. Heute, angesichts der Informationsüberflutung, liegt der Anteil bei vielleicht zwei bis fünf Prozent, und es wären noch weniger, wenn nicht die Leser gelernt hätten, über veränderte Wahrnehmungsgewohnheiten ganze Seiten nicht mehr analytisch-sequenziell durchzukämmen, sondern ganzheitlich-polychron ihre Struktur zu entziffern. Jeder Autor muss die veränderte Wahrnehmungsökonomie berücksichtigen. [58] Auch dies zwingt zu veränderten Schreibformen.

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Für den einzelnen Geschichtswissenschaftler, für die einzelne Historikerin sind durch die beschriebenen Veränderungen die Anforderungen deutlich gestiegen, denn es gilt heute, ganz unterschiedliche "Textsorten" anzufertigen und viel genauer als zuvor adressatenspezifisch auszurichten. Neben die Fähigkeit zur Analyse tritt damit die Fähigkeit zur angemessenen medialen Gestaltung. Und Medien sind nicht mehr allein wissenschaftliche Bücher und Zeitschriftenaufsätze. Geschichtswissenschaft verlangt damit heute weit mehr als früher neben dem Handwerk auch nach der Kunst der Darstellung, ist nicht nur der Literatur verpflichtet, wie noch Droysen und Bernheim es sahen, sondern Medienkunst, Gesamtkunstwerk.

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In einem Kontinuum ganz unterschiedlicher Textsorten, die multimedial vorzustellen sind, wird der Historiker heute, das ist der nächste Gesichtspunkt, zum einen sachorientierte Texte verfertigen, bei denen die Autorenschaft zurücktritt und möglichst ausgewogen zu berichten ist, wie etwa bei der Wikipedia, und auf der anderen Seite höchst persönliche Texte verfassen, die eine individuelle Sichtweise und Interpretation herausarbeiten.  [59] Während im einen Fall die Ästhetik durch die Software vorgegeben ist und gegebenenfalls die Gemeinschaft der Nutzer sprachliche und sachliche Eigenheiten ausgleicht und somit der Norm anpasst, entsteht auf der anderen Seite ein Werk, das Aufwand und Mühe, ja die Persönlichkeit des Autors auf eine direkte und unmittelbare Weise widerspiegelt, wie es im Zeitalter des Federhalters und der Schreibmaschine gerade nicht möglich war.

Der bürgerliche Lebensstil des 19. Jahrhunderts. Das Geschichtsbuch als Ikone und der Anspruch auf die Zeit zum Lesen

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Die klassische Wahrnehmung, wonach den Inhalten historiographischer Werke für das Alltagsverständnis des 19. Jahrhunderts große Bedeutung zugemessen werden muss, trügt, wie Martin Nissen jüngst überzeugend herausgearbeitet hat. Die "Medien selbst", so das Ergebnis der Studie, "waren die Botschaft" (McLuhan), der Inhalt nur zum Teil. [60] Die Buchrücken, das wertvolle Papier, die elegante Sprache, die Signalfunktion erfüllenden goldfarbenen Titeleien der Geschichtsdarstellungen zählten, weniger, was über historische Persönlichkeiten und Epochen tatsächlich geschrieben war. Das Bürgertum investierte mit dem Kauf anspruchsvoller, auffällig gestalteter Geschichtswerke in seine kulturelle Selbstinszenierung, eignete sich durch das sichtbare Arrangement der Geschichten von Landschaften, Religionsgemeinschaften und Fürstenhäusern Identität an, demonstrierte mit den vielbändigen, elegant formulierten Darstellungen, dass es sich Zeit zum Lesen nahm, ohne freilich alles gründlich durchzuarbeiten. Längst war das intensive Lesen dem extensiven gewichen. Kultureller Habitus zählte, die Fähigkeit, solch teure Investitionen in das eigene Prestige zu tätigen und produktiv zu verwerten. Die sich ausbildende Geschichtswissenschaft produzierte von Beginn an für den Markt, durchaus erfolgreich und im Bewusstsein eines Mehr an erzeugtem Wissen, als tatsächlich gesellschaftlich verwendet wurde.

Postmoderne. Informationsflut, die Medien und der Bedarf an historischer Orientierung

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Mitte des 19. Jahrhunderts stiftete das Projekt der Nation bürgerliche Gemeinsamkeit und geriet damit zum Leitthema, das der Geschichtswissenschaft Sinn und soziale Anerkennung zuwies. Die Geschichtswissenschaft formte, was sie beschrieb: die Nation. Und die Nation formte, was ihre Geschichte ins Bewusstsein hob: die Geschichtswissenschaft.

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Das Projekt der Staatsnation und der sie konstituierenden Milieus ist spätestens seit den langen sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zum Abschluss gekommen. Die Vielzahl differierender Biographien, das Neben- und Miteinander unterschiedlicher Gemeinschaftsformen, die selbstgewählten sozialen Netzwerke haben Geschichtswissenschaft ihrer klassischen Themen beraubt. Die auf wenige Perspektiven begrenzten Meistererzählungen (Nation, Klasse, Religion) haben ihre Orientierungsfunktion weitgehend eingebüßt. Tatsächlich sind die Themenfelder der Geschichtswissenschaft heute vielfältiger und umfassender als früher. [61] Gleichzeitig aber besitzen die öffentlichen Adressaten geschichtswissenschaftlicher Forschung kaum noch klare Konturen. Gewiss, in einer Welt, in der unterschiedliche Milieus und Kulturen unmittelbar aufeinandertreffen, hat Geschichtswissenschaft viel zu erzählen. Aber die professionelle Geschichtswissenschaft weiß nicht, wie sie ihre Botschaft, mit welchen Medien, für welchen Adressaten und in welchen Formen vermitteln kann. Geschichte ist hybrid geworden, nicht mehr Expertenkultur. Auf ihrem Feld tummeln sich die Wissenschaftler, die Journalisten, die Intellektuellen, die Laien (man muss nur einmal das World Wide Web durchstöbern), jeder mit seiner Sprache und seinen Ausdrucksmöglichkeiten und jeweils in dem Medium, das Aufmerksamkeit sicherstellt und angemessene Ausdrucksformen ermöglicht. Kein "Aufstand der Laien" ist zu konstatieren, sondern eine Hybridisierung von Geschichtswissenschaft, mit der sie lernen muss umzugehen. Die mediale Vielfalt hat Bindestrich-Historiker heranwachsen lassen, die geschichtswissenschaftliche und mediale Kompetenz verbinden: Unterrichtsspezialisten, Unternehmenshistoriker, Medienrechercheure, Fachinformatiker, Museumspädagogen, Geschichts-Journalisten, usw. Das hybrid gewordene Feld der Geschichte muss tatsächlich von beiden Seiten her bestellt werden, einerseits von der Fachhistorie und deren medialen Spezialisten, andererseits von der Gesellschaft und deren engagierten Vertretern. Beide Geschichtsproduzenten (Fachleute und Laien) müssen sich gegenseitig befruchten und kontrollieren, wenn Geschichtswissenschaft als Profession ihrer ureigensten Aufgabe nachkommen soll, lebensweltliche Orientierung zu leisten, indem sie gesellschaftliche Fragen an die Vergangenheit aufgreift, sie methodisch und jederzeit überprüfbar unter Heranziehung von Zeitzeugnissen erörtert und ihre Ergebnisse in einem offenen Dialog in angemessener medialer Form an die Gesellschaft zurückvermittelt. [62]

Statt eines Schlusses: Geschichtswissenschaftliche Schulen und die Welt ihrer technischen Medien

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Bislang war von einzelnen geschichtswissenschaftlichen Schulen noch nicht die Rede. Dabei handelt die Historiographiegeschichte gerade von ihnen, also von der Geschichtsschreibung während der Aufklärung, vom Historismus, den Annales, der Gesellschaftsgeschichte, der Historischen Sozialwissenschaft, dem Neohistorismus, der Historischen Kulturforschung und von vielen anderen Schulen noch. Tatsächlich sind ja eine Vielzahl historiographischer Grundentscheidungen eng miteinander verbunden. Allein schon die Fragen, die Forscher stellen, unterscheiden sie voneinander, die Quellen, die sie benutzen, die Referenzwissenschaften und Theorien, auf die sie sich beziehen, schließlich die Darstellungsformen, die sie für ihre Publikationen wählen.

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Es wäre höchst sinnvoll, eine Geschichte historiographischer Schulbildung vorzulegen, die die technischen Voraussetzungen und Medien der Geschichtsschreibung und -vermittlung in die Erzählung einbezöge. Doch eine solche Darlegung würde ein Wissen voraussetzen, das wir noch nicht besitzen. Lediglich einige Tendenzen sind klar erkennbar, die von mir als Entörtlichung, als Entschriftlichung und als Entlinealisierung beschrieben wurden. Das Studium hat seinen Charakter in den letzten 200 Jahren mehrfach gewandelt, und das Publizieren erfolgt heute unter ganz anderen Voraussetzungen als früher. Wo bis in die 1970er Jahre Spezialisten als Redakteure, Setzer, Korrektoren usw. den Druck gestalteten, sind Historiker heute selbst gefordert. Das meint zusätzliche Belastung, bietet aber auch die Chance, "Publikationen" als "Kunst"-Werke zu konzipieren, sich bewusst für unterschiedliche Ausdrucksformen und Medien (Schrift, Fotos, Graphiken, Web, Ton usw.) zu entscheiden.

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Die Geschichtswissenschaft hat sich Anfang des 19. Jahrhunderts von der Philosophie emanzipiert, als das Bürgertum der reinen Vernunft nicht mehr vertrauen konnte und wollte. Sie bestellte ihr Feld mithilfe der Medien des Bürgertums. Und sie versprach ihm gleichermaßen Sicherheit und Fortschritt in der Einheit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Durch die Auflösung des bürgerlichen Milieus, durch die Krise nationalstaatlicher Verfassung ist die Geschichtswissenschaft in dreifacher Weise herausgefordert, hinsichtlich der Wahl ihrer Themen, des verwendeten methodischen Apparates zur Erschließung und Ordnung des Materials und hinsichtlich der medialen Präsentation ihrer Forschungsergebnisse.

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Ganz am Schluss möchte ich – zu heuristischen Zwecken und noch durchaus unvollständig – meine Erläuterungen in eine Tabelle einfließen lassen, die die zeitgenössische technische Kultur mit dem jeweiligen geschichtswissenschaftlichen Zugang, den benutzten Quellen, der Ordnung des Materials und den Darstellungsformen in Beziehung setzt.

Zeitgenössische Technikkultur

Geschichtswissenschaftlicher Zugang

Quellen

Ordnung des Materials

Darstellungsformen

Druck; Bibliotheken; Postkutschen

Aufklärungsgeschichtsschreibung (Menschheitsgeschichte als Zivilisierungsprozess)

Traditionsquellen; Sekundärdarstellung

Bücherkunden; Zusammenfassungen; Ablagen; Verzettelung als Schreibhilfe

Gesamtdarstellungen zur Menschheitsgeschichte; Vorlesungen

Fortschritte beim Buchdruck (schnellerer und billigerer Druck); Beschleunigung des Reisens

Historismus: Interesse am Singulären; Geistesgeschichte als Kulturgeschichte; Nationalstaatsgeschichte; Verstehen der Intentionalität
Entwicklung: Von der romantischen "Theologie" zur nationalen Zukunftswissenschaft

Texte aus (wenigen) Archiven; Quelleneditionen; Traditionsquellen

Bibliographien; kommentierte Exzerpte in Kladden; Ablagen; Reorganisation durch Ausschneiden von Notaten

Trennung von Text und Fußnoten für Nachweise und Kommentare; Aufsätze in Fachzeitschriften; Gesamtdarstellungen in Textform zu einzelnen Epochen; Biographien; Staatengeschichte; Ideengeschichte; Verkauf in Einzellieferungen mit hoher Auflage; Volksausgaben; Geschichte als "Literatur"; private Übungen

Zweite industrielle Revolution; Massengesellschaft; Rechenmaschinen; neue Formen der Informationsverarbeitung; erweiterte Druckmöglichkeiten

Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Anfänge der historischen Kulturwissenschaft;
"Annales"; Volksgeschichte
"Histoire totale"; Zeitschichten; Struktur – Prozess – Intention

Texte aus Archiven (zum Teil Mikrofilme); andere Überrestquellen; Quelleneditionen; Statistiken; Zeitungen; Studienausgaben

Zettelkasten; Kurzschrift; einfache Quantifizierung mithilfe von Rechenmaschinen; Schreibmaschinen für Seminarunterlagen

Seminare; Übungen; preiswerte Gesamtdarstellungen; "hypertextuelle Strukturierung" der Bücher (Gliederung, Indices, Fußnoten)

Konsumgesellschaft; Taschenbuch; Fernsehen

Gesellschaftsgeschichte
Ideologiekritik und Konfliktanalyse als argumentative Basis für pluralistische Gesellschaften

Texte aus mehreren Archiven (Fotokopien); Quelleneditionen; Statistiken; Zeitungen; Studienausgaben

Fotokopien; Zettelkasten; Stenographie; einfache Quantifizierung mithilfe von Rechenmaschinen; Erstellen der Endfassung eines Skripts mit der Schreibmaschine

Wissenschaftlicher Essay; Selbstreflexion; kritische Gesamtdarstellungen (noch immer vorwiegend in Textform); Kommentare in den Medien; Ausweitung des Seminarunterrichts mit stärkerer Beteiligung der Studierenden (Matrizenabzüge, Fotokopien); anstelle "literarischer" sozialwissenschaftlicher Duktus

Taschenrechner, Computer

Historische Sozialforschung
rationale Steuerung der Gesellschaft durch empirisch gesättigte Theoriebildung

Serielle Quellen

SPSS

Quantifizierende Darstellungen; Aufsätze anstelle von Gesamtdarstellungen

Zweite Moderne; multimediale Wissensgesellschaft

Historische Kulturforschung: Beobachtung von Kommunikation; Beschreibung der Herstellung von Bedeutung
Verständigung in einer kulturell höchst unterschiedlich geprägten, globalisierten Welt

Text; Bild; Ton; teilweise Entörtlichung der Quellen und Literatur; Oral History

Internet; Datenbanken; Textverarbeitung; Tabellenkalkulation; EDV-unterstützte Gliederung; Diagramm- und Bildverarbeitung

vermehrt adressaten- und medienspezifisches Schreiben; dezidiert hypermediale Gestaltung von Lehrbüchern; Rückkehr zur Geschichtsschreibung als "Kunst"; Kommunikation in Bildern; multimediale Formen populärer Geschichtsdarstellung als eigenständige Form der Darstellung außerhalb des engeren Kontextes der Geschichtswissenschaft; Web-Publikationen (Quellen, Nachschlagewerke, Rezensionen, Zeitschriften, Lehrangebote, Aufsätze; seltener: ganze Bücher)

Autor:

Prof. Dr. Armin Heinen
Historisches Institut der RWTH Aachen
Theaterplatz 14
52056 Aachen
Tel.: +49 (0) 241-80-2-6036
E-Mail: Armin.Heinen@post.rwth-aachen.de



[1] Der vorliegende Aufsatz erschien in anderer Fassung zuerst in einer rumänischen Festschrift für Alexandru Zub. Kollegen baten mich, ihn einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen: Armin Heinen: Fragmente einer Geschichte der Historiographie als Exploration ihrer technisch-medialen Kultur, in: Victor Spinei / Gheorghe Cliveti (Hg.): Historia sub specie aeternitatis. In honorem magistri Alexandru Zub, Bukarest / Brăila 2009, 96-116.

[2] Bernd Roeck: "Applied History" – "Angewandte Geschichte". Ein Weiterbildungsstudiengang der Universität Zürich, in: GWU 60 (2009), H. 2, 76-82, hier: 76.

[3] Zu den theoretischen Ansätzen der Globalgeschichte siehe Sebastian Conrad / Andreas Eckert / Ulrike Freitag (Hg.): Globalgeschichte. Theorien, Ansätze, Themen, Frankfurt a. M. 2007; Jürgen Osterhammel (Hg.): Weltgeschichte, Stuttgart 2008. Als Beispiele globalgeschichtlicher Analyse seien genannt: Chris Bayly: The Birth of the Modern World, 1780-1914. Global Connections and Comparisons, Oxford 2004; Hans-Heinrich Nolte: Weltgeschichte. Imperien, Religionen und Systeme, 15.-19. Jahrhundert, Köln 2005; Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009.

[4] Die Zahl der Einführungen in die moderne Kulturgeschichte ist beinahe kaum noch zu überschauen. Genannt seien: Ute Daniel: Kompendium Kulturgeschichte. Theorie, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt a. M. 2001; Richard van Dülmen: Historische Anthropologie. Entwicklung, Probleme, Aufgaben, Köln 2001; Peter Burke: Was ist Kulturgeschichte?, Frankfurt a. M. 2005; Achim Landwehr / Stefanie Stockhorst: Einführung in die europäische Kulturgeschichte, Paderborn 2004; Michael Maurer: Kulturgeschichte, Köln 2008; Silvia Serena Tschopp / Wolfgang Weber: Grundfragen der Kulturgeschichte, Darmstadt 2007. Einen Epochenüberblick bietet zum Beispiel: Richard van Dülmen: Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit, 3 Bde., München 1990-1994. Für einen sachsystematischen Zugriff stehen etwa die Arbeiten von Philippe Ariès und Georges Duby, so zum Beispiel: Philippe Ariès: Geschichte des Todes, München 1990; Georges Duby / Michelle Perrot (Hg.): Geschichte der Frauen, 5 Bde., Frankfurt a. M. 1994.

[5] Noch in einem 1992 erstmals erschienenen Arbeitsbuch zu den Quellenbeständen der Neuzeit fehlen Hinweise auf elektronische Medien (Schallplatte, Radio, …): Bernd A. Rusinek / Volker Ackermann / Jörg Engelbrecht (Hg.): Einführung in die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Neuzeit, Paderborn 1992. Siehe demgegenüber nun: Bernhard Grau: Die Gattungen der Quellen, in: Andreas Wirsching (Hg.): Neueste Zeit, München 2006, 363-378.

[6] Vgl. beispielsweise: Fabio Crivellari / Kay Kirchmann / Marcus Sandl / Rudolf Schlögl (Hg.): Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive, Konstanz 2004; Sven Grampp / Kay Kirchmann / Marcus Sandl / Rudolf Schlögl / Eva Wiebel (Hg.): Revolutionsmedien – Medienrevolutionen, Konstanz 2008.

[7] So etwa: Rüdiger Hohls: Geschichte – Computer – Internet. Die latente Informatisierung einer Disziplin, in: Matthias Middell (Hg.): Dimensionen der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte. Festschrift für Hannes Siegrist zum 60. Geburtstag, Leipzig 2007, 354-391; Stefan Haas: Vom Schreiben in Bildern. Visualität, Narrativität und digitale Medien in den historischen Wissenschaften, in: Zeitenblicke 5, 2006, Nr. 3 ( http://www.zeitenblicke.de/2006/3/Haas <31.5.2009>. Ein wenig ausführlicher: Peter Horvath: Geschichte Online. Neue Möglichkeiten für die historische Fachinformation, Köln 1997.

[8] Die folgenden Literaturangaben sind lediglich als erste Hinweise zu verstehen: Guy Bourdé / Hervé Martin: Les écoles historiques, Paris 1983; Christian Delacroix / François Dosse / Patrick Garcia: Les courants historiques en France (19e-20e siècles), Paris 1999; Georg G. Iggers: Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtswissenschaft von Herder bis zur Gegenwart, München 1971; ders.: Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein kritischer Überblick im internationalen Zusammenhang, Göttingen 2007; Horst Walter Blanke: Historiographiegeschichte als Historik. Stuttgart 1991; Friedrich Jäger / Jörn Rüsen: Geschichte des Historismus, München 1992; Wolfgang Küttler / Jörn Rüsen / Ernst Schulin (Hg.): Geschichtsdiskurs, 5 Bde., Frankfurt a. M. 1993-1997; Christian Simon: Historiographie, Stuttgart 1996. Da Simon nicht nur zur Geistesgeschichte publiziert, sondern auch technikgeschichtlich interessiert ist, bietet seine Einführung – im Unterschied zu allen anderen genannten Arbeiten – auch einen kurzen Überblick zu medialen und technikgeschichtlichen Aspekten der Geschichtsschreibung.

[9] Wolfgang Weber: Die deutschen Ordinarien für Geschichte und ihre Wissenschaft. Ein historisch- wissenschaftssoziologischer Beitrag zur Erforschung des Historismus, in: Wilhelm Heinz Schröder (Hg.): Lebenslauf und Gesellschaft. Zum Einsatz von kollektiven Biographien in der historischen Sozialforschung, Stuttgart 1985, 114-146; ders.: Priester der Klio. Historisch-sozialwissenschaftliche Studien zur Herkunft und Karriere deutscher Historiker und zur Geschichte der Geschichtswissenschaft, 1899-1970, Frankfurt a. M. 1984; Olaf Blaschke / Lutz Raphael: Im Kampf um Positionen. Änderungen im Feld der französischen und deutschen Geschichtswissenschaft nach 1945, in: Jan Eckel / Thomas Etzemüller (Hg.): Neue Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft, Göttingen 2006, 69-109.

[10] Vgl. zum Beispiel: Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, München 2003.

[11] Wolfgang Ernst: Materialität der Kultur, http://www.medienwissenschaft.hu-berlin.de/theorien/skripte/kultmat1.2002.pdf <31.5.2009>.

[12] Fabio Crivellari / Kay Kichmann / Marcus Sandl/ Rudolf Schlögl: Einleitung. Die Medialität der Geschichte und die Historizität der Medien, in: dies.: Die Medien der Geschichte (wie Anm. 6), 16.

[13] Marshall McLuhan: Die magischen Kanäle. Understanding Media, 2. Aufl., Dresden 1995, 261-274.

[14] Marshall McLuhan: Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters, Bonn 1995; Norbert Bolz: Am Ende der Gutenberg-Galaxis, München 2008.

[15] Horvath: Geschichte Online (wie Anm. 7), 42.

[16] Siehe hierzu auch Jörn Rüsen: Historik, Bd. 1-3, Göttingen 1983-1989.

[17] Siehe etwa Peter Lundgreen / Margret Kraul / Karl Ditt: Bildungschancen und soziale Mobilität in der städtischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, Göttingen 1988.

[18] Jürgen W. Falter: Hitlers Wähler, München 1991.

[19] Peter Horvath hat Thomas Kuhns Konzept des Paradigmenwechsels meines Erachtens für die Geschichtswissenschaft zu Recht aufgegriffen. Horvath: Geschichte Online (wie Anm. 7), 41-51.

[20] Werner Faulstich: Mediengeschichte von 1700 bis ins 3. Jahrtausend, Göttingen 2006.

[21] Zur Geschichte der Drucktechnik siehe Konrad Dussel: Deutsche Tagespresse im 19. und 20. Jahrhundert, Münster 2004, 59-67.

[22] Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied 1962.

[23] Droysen verweist in seiner Historik auf die Technik des Auseinanderreißens und neu Komponierens, verwendet aber den Begriff des Zettels oder des Zettelkastens nicht. Wolfgang Ernst: Gedächtnis. Ein Plattenbau, http://wwww.annett-zinsmeister.de/download/Ernst:gedaechtnis_einPlattenbau.pdf <31.5.2009>.

[24] Uwe Grund / Armin Heinen: Wie benutze ich eine Bibliothek?, 2. Aufl., München 1996.

[25] Hohls: Geschichte – Computer – Internet (wie Anm. 7).

[26] Peter Burke: Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2001, 69-80.

[27] Vgl. hierzu: Monika Dommann: Papierstau und Informationsfluss. Die Normierung der Bibliothekskopie, in: Historische Anthropologie 16 (2008), 31-54; ebenso Wolfgang Ernst: Das Gesetz des Gedächtnisses. Medien und Archive am Ende (des 20. Jahrhunderts), Berlin 2007, 19f.

[28] Dommann: Papierstau (wie Anm. 27), 53f.

[29] Simon Schama: Rezension zu Lynn Hunt, Politics, culture, and class in the French Revolution, in: AHR 93 (1988), 427-429.

[30] Zahlreiche neu erschienene Einführungen in die Geschichtswissenschaft zeugen von diesem veränderten Quellenverständnis. Als Beispiel siehe etwa: Martin Lengwiler: Praxisbuch Geschichte. Einführung in die historischen Methoden, Zürich 2011.

[31] Marc Bloch hat den Historiker mit einem Untersuchungsrichter verglichen.

[33] Helmut Zedelmaier: Buch, Exzerpt, Zettelschrank, Zettelkasten, in: Hedwig Pompe / Leander Scholz (Hg.): Archivprozesse. Die Kommunikation der Aufbewahrung, Köln 2002, 38-53.

[34] Markus Krajewski: Zettelwirtschaft. Die Geburt der Kartei aus dem Geiste der Bibliothek, Berlin 2002; siehe auch Ina Dietzsch / Sabine Imeri: Zettels Alltag oder die Geheimnisse des wissenschaftlichen Handwerks, in: Jahrbuch für Universitätsgeschichte 10 (2007), 105-122.

[35] Der erste große Bibliothekar, Konrad Gessner (1516-1665), hat seine Biblioteca Universalis bereits in dieser Form angeordnet. Allerdings erschien das Ergebnis als abgeschlossene Bibliographie in Buchform. Krajewski: Zettelwirtschaft (wie Anm. 34), 16-25.

[36] Niklas Luhmanns "Zettelkastenaufsatz" hat geradezu Furore gemacht. Niklas Luhmann: Kommunikation mit Zettelkästen, in: Horst Baier (Hg.): Öffentlicher und sozialer Wandel, Opladen 1981, 222-228; Niklas Luhmann erklärt den Zettelkasten, http://www.youtube.com/watch?v=tu3t_zzHJJs <2.6.2009>.

[37] Gelegentlich bittet Alexandru Zub, längere Zeit Vorsitzender der Abteilung Geschichtswissenschaften in der rumänischen Akademie, seine Besucher in die Schatzkammer seines Jassyer Instituts. Da finden sich dann ganze Räume, Tische, Regale, die nichts anderes bereithalten als vollgefüllte Kästen mit kleingeschnittenen Zetteln, in die der Forscher mit einem eigenen System, das die Welt des Denkens im 19. Jahrhundert repräsentiert, seine Notizen einordnet und aufbewahrt.

[38] Krajewski: Zettelwirtschaft (wie Anm. 34), 71-74.

[39] Anthony Grafton: Die tragischen Ursprünge der deutschen Fußnote, München 1998, 62.

[40] Johann Gustav Droysen: Historik, Bd. 1, Stuttgart 1977, 155.

[41] Droysen: Historik (wie Anm. 40), Inhaltsverzeichnis.

[42] Ernst Bernheim: Lehrbuch der Historischen Methode. Mit Nachweis der wichtigsten Quellen und Hülfsmittel zum Studium der Geschichte, 2. Aufl., Leipzig 1894, 579-598.

[43] Henning Trüper: Das Klein-Klein der Arbeit. Die Notizführung des Historikers François Louis Ganshof, in: ÖZG 18 (2007), 82-104.

[44] Armin Heinen: Wissensvermittlung und Informationstechnologie. Einige Anmerkungen zu den Ausbildungskonzepten für Studierende der Geschichtswissenschaft, in: Arbeitsgemeinschaft Geschichte und EDV (Hg.): Geschichte und EDV. Probleme und Fortschritte – Probleme mit dem Fortschritt, Bochum 1997, 142-150, hier: 148f.

[45] Zum Folgenden: Wolfgang Weber: Geschichtsstudium im 19. und 20. Jahrhundert, in: Wolfgang Schmale / Michael Beacker (Hg.): Studienreform Geschichte – kreativ, Bochum 1997, 21-44.

[46] Andreas Gestrich: "Ist vielleicht der Universitätsunterricht selber verbesserungsbedürftig?". Ernst Bernheim und die Diskussion um die Reform des universitären Geschichtsunterrichts um 1900, in: Gabriele Lingelbach (Hg.): Vorlesung, Seminar, Repetitorium. Universitäre geschichtswissenschaftliche Lehre im historischen Vergleich, München 2006, 129-154, hier: 137f.

[47] Matthias Middell: Historischer Unterricht in Deutschland. Expansionskrisen und universitäre Reformen im diachronen Vergleich. Kaiserreich, DDR und aktuelle Reformdebatte in der Bundesrepublik, in: Lingelbach: Vorlesung (wie Anm. 46), 155-192, hier: 170. Zur Geschichte der informationellen Revolution um 1900: Delphine Gardey: Écrire, calculer, classer. Comment une révolution de papier à transformé les sociétés contemporaines, 1800-1940, Paris 2008, hier insbesondere: 113-128; sowie François Caron: Les deux révolutions industrielles du XXe siècle, Paris 1997, 119-123.

[48] Caron: Les deux révolutions industrielles (wie Anm. 47), 102.

[49] Gestrich: "Ist vielleicht" (wie Anm. 46), 145-149.

[50] Hans Mommsen: Haupttendenzen nach 1945 und in der Ära des Kalten Kriegs, in: Bernd Faulenbach (Hg.): Geschichtswissenschaft in Deutschland. Traditionelle Positionen und gegenwärtige Aufgaben, München 1974, 112-120; Ernst Schulin: "Hungrvaka". Die Erweckung des Hungers durch Vorlesungen, in: Lingelbach: Vorlesung (wie Anm. 46), 325-340, hier: 331f.

[51] Das Blättern in einschlägigen Buchkatalogen lohnt auf jeden Fall, zum Beispiel: http://www.utb.de , http://www.wbg-wissenverbindet.de oder http://www.oldenbourg-wissenschaftsverlag.de , http://www.boehlau.de .

[52] So etwa die folgenden Studienprogramme: Public History (FU Berlin), Applied History (Zürich), Fachjournalistik Geschichte (Gießen), Historisch-kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung (Köln), Historisch orientierte Kulturwissenschaft (Saarbrücken).

[53] Stefan Haas: Designing Knowledge. Theoretische und pragmatische Perspektiven der medialen Bedingungen der Erkenntnisformulierung und -vermittlung in den Kultur- und Sozialwissenschaften, in: Crivellari / Kirchmann / Sandl / Schlögl (Hg.): Die Medien der Geschichte (wie Anm. 6), 211-236, hier: 221.

[54] Grafton: Die tragischen Ursprünge (wie Anm. 39).

[55] Jörg Dieter: Webliteralität. Lesen und Schreiben im World Wide Web, Frankfurt a. M. (Diss.) 2007. Nach meiner Wahrnehmung ist die inhaltlich höchst lesenswerte Konstanzer Einführung in die Geschichtswissenschaft eher unübersichtlich strukturiert: Online Tutorium Geschichte Konstanz: http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/Geschichte/Tutorium <3.6.2009>, während die Münsteraner Einführung in die Frühe Neuzeit die LeserInnen vorbildlich durch die recht komplexe Materie leitet: http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online <3.6.2009>.

[56] Haas: Designing knowledge (wie Anm. 53) 227f..; ders.: Vom Schreiben in Bildern (wie Anm. 7), 24-26.

[57] Wolf D. von Lucius: Strukturwandel im wissenschaftlichen Verlag, in: Soziale Systeme. Zeitschrift für soziologische Theorie 11 (2005), 32-52, hier: 41 ( http://iasl.uni-muenchen.de/discuss/lisforen/Lucius_Strukturwandel.pdf <9.6.2009>).

[58] Jürgen Bolten: Werbewandel – Wertewandel. Werbegeschichte als Kommunikationsgeschichte, in: Universitas 51 (1996), 127-142, hier: 130.

[59] Wolfgang Schmale: Digitale Geschichtswissenschaft, Wien 2010.

[60] Martin Nissen: Populäre Geschichtsschreibung. Historiker, Verleger und die deutsche Öffentlichkeit, 1848-1900, Köln 2009.

[61] Politik, Wirtschaft, Kultur, Sozialsystem, Mikro-, Meso-, Makrogeschichte, Global-, Kontinental-, National-, Regional-, Lokalhistorie, Epochenzugriffe, usw.

[62] Helmut König: Politik und Gedächtnis, Velbrück 2008, 125-140.

Empfohlene Zitierweise:

Armin Heinen : Mediaspektion der Historiographie. Zur Geschichte der Geschichtswissenschaft aus medien- und technikgeschichtlicher Perspektive , in: zeitenblicke 10, Nr. 1, [09.08.2011], URL: https://www.zeitenblicke.de/2011/1/Heinen/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-30184

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