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Als vor einigen Jahren die linguistische Wende in den Kulturwissenschaften eingeläutet wurde, reagierten viele Historiker mit Skepsis und Ablehnung. Solche ablehnenden Reflexe hat die Forderung nach einem "pictorial" oder "iconic turn" nicht hervorgerufen. Vielmehr haben Geschichtsforscher bereitwillig konzediert, was ohnehin nie umstritten war: dass visuelle Repräsentationen der Vergangenheit gleichwertig mit schriftlichen Quellen zu behandeln sind und einzigartige Informationen vermitteln können. Parallel zu diesen Grundsatzbekenntnissen setzte aber auch seit Anfang der 1990er Jahre ein Aufschwung der historischen Bildforschung ein. Unübersehbar finden in aktuellen Publikationen bildliche Quellen verstärkt Berücksichtigung und, befördert durch das Internet und multimediale Präsentationstechniken, auch in der universitären Lehre.

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Diese Ausgabe der zeitenblicke folgt der Forschungspraxis. Nicht die theoretischen Begründungen und Anleitungen für den Umgang mit visuellen Quellen stehen im Vordergrund, schon gar nicht die Polemik gegen andere Ansätze. Acht Fallstudien aus dem Bereich der neueren osteuropäischen Geschichte zeigen, welchen heuristischen Wert Bildquellen für ganz unterschiedliche Fragestellungen besitzen. So breit der geographische und zeitliche Rahmen ist, den die Aufsätze spannen – im Mittelpunkt stehen jeweils die Analyse und Interpretation einzelner oder serieller Bilder und ihre Bedeutung für laufende Forschungsprojekte. Alle Beiträge sind Werkstattberichte und durch die beispielhaften Bildvorstellungen zugleich auch Werkschauen. Es geht um das 'sichtbar Machen' von Geschichte in der historischen Praxis. Die meisten Aufsätze sind aus einem Workshop über "Historische Bildforschung und osteuropäische Geschichte" an der Universität zu Köln im November 2010 hervorgegangen.

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Vorangestellt ist den Bildanalysen ein Interview, in dem Bodo von Dewitz Einblicke in ein anderes, aber doch verwandtes visuelles Tätigkeitsfeld gewährt. Als Kurator für Fotografie im Museum Ludwig hat von Dewitz unter anderem 2009/2010 die Ausstellung "Sowjetische Fotografien. Politische Bilder 1918-1941" betreut. Im Gespräch erklärt er, warum von Historikern gemachte Ausstellungen oftmals "ganz schön langweilig" sind, und nach welchen Kriterien der Ausstellungsmacher seine Motive auswählt, um eine Geschichte zu erzählen.

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Für seine Bereitschaft zu diesem Interview gilt Bodo von Dewitz unser Dank. Ebenso sei an dieser Stelle auch noch einmal den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops gedankt, der uns nicht zuletzt aufgrund seiner ebenso lebhaften wie inspirierenden Diskussionen in guter Erinnerung geblieben ist. Verpflichtet fühlen wir uns darüber hinaus natürlich den Autorinnen und Autoren dieses Themenheftes, die uns eine Herausgebertätigkeit ohne quälende Terminsorgen beschert haben. Schließlich danken wir der Redaktion der zeitenblicke für ihre so wunderbar unkomplizierte Kooperation.

Münster und Tübingen, im November 2011

Alexander Kraus & Andreas Renner

Empfohlene Zitierweise:

Alexander Kraus / Andreas Renner : Geschichte sehen. Editorial , in: zeitenblicke 10, Nr. 2, [22.12.2011], URL: https://www.zeitenblicke.de/2011/2/Einfuehrung/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-31863

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