DiPP NRW
zeitenblicke
Direkt zum Inhalt
Sektionen

 

Abstract:

Im "kurzen" 18. Jahrhundert, zwischen dem Frieden von Utrecht und dem Ausbruch der Französischen Revolution, hat der Immerwährende Reichstag für die Reichsstädte massiv an Bedeutung verloren. Schon Walter Fürnrohr hat festgestellt, dass nahezu alle städtischen Voten von Regensburger Ratsherren und nicht mehr von eigenen Gesandten geführt worden sind. Dieser Beitrag rekapituliert zunächst noch einmal die Gründe, die für das reichsstädtische Desinteresse am Reichstag ausschlaggebend waren. Im Anschluss daran geht es um Möglichkeiten, reichsstädtische Reichspolitik jenseits des Reichstags zu betreiben. Hier werden aus Bremer Perspektive mikropolitische Handlungsweisen in Wien, Schenkpraktiken und Gesandtschaften an die Höfe wichtiger Reichsfürsten dargestellt. Wichtiger als der Reichstag war für die Reichsstädte im 18. Jahrhundert der Kaiser, zu dem sie in einem Patronageverhältnis standen, das regelmäßig gepflegt werden musste. Im Grunde kann man für die Reichsstädte im 18. Jahrhundert einen Rückfall hinter die Prinzipien ihrer korporativen, auf den Reichstag ausgerichteten Politik seit dem späten 15. Jahrhundert diagnostizieren. Abschließend wird aufgrund dieser Befunde vorgeschlagen, anstatt von 'Reichspolitik' von 'Politik im Alten Reich' zu sprechen. Damit wird man dem Umstand besser gerecht, dass auf ganz verschiedenen Ebenen (Kaiserhof, Reichstag, Reichsgerichte, bilaterale Diplomatie, Korrespondenzen) Politik gemacht wurde sowie der Tatsache, dass dabei keine konsistente policy leitend war – auch wenn der Begriff "Reichspolitik" dies insinuieren mag –, sondern situative Interessen.

<1>

Mein Beitrag beschäftigt sich mit dem allmählichen Bedeutungsverlust des Immerwährenden Reichstags für die Reichsstädte. Ich werde unter dem ersten Punkt zusammentragen, welche Erkenntnisse darüber vorliegen und noch einige neue Befunde einbringen. Unter dem zweiten Punkte, dem Hauptteil dieses Beitrags, frage ich, in welchen Formen und mit welchen Praktiken die Städte ihre reichs- und außenpolitischen Interessen jenseits des Reichstags zu lancieren versuchten. Was konnte also für die Reichsstädte den Reichstag als Forum für Reichspolitik einerseits und als Informationsbörse andererseits ersetzen? In einem dritten Punkt erörtere ich, was dies wiederum für die Reichspolitik im 18. Jahrhundert allgemein impliziert. Ich beziehe mich im Wesentlichen auf Material aus Bremen, für Einzelheiten auch auf hamburgische Schriftstücke. Diese beiden Städte sind für eine Untersuchung unter der skizzierten Fragestellung deswegen besonders geeignet, weil beide erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts (Bremen 1741, Hamburg 1768) ihren Status als Reichsstädte gänzlich unangefochten geltend machen konnten. Daher sollte man erwarten, dass der Reichstag für sie eine zentrale Rolle spielte, ihre Mitwirkung dort von den Bürgermeistern und Räten als politisches Zeichen und Ausweis der Reichsstandschaft geschätzt worden sei. Allerdings erhebe ich den Anspruch, dass es sich hier nicht um hanseatische Sonderfälle handelt, sondern dass aus den Befunden zu Bremen und Hamburg allgemeine Kennzeichen reichsstädtischer Außenpolitik erkennbar werden. [1] Mein Untersuchungszeitraum endet vor der Französischen Revolution, die eine Renaissance der reichsstädtischen Reichstagspolitik bewirkte, über die durch die Arbeiten von Karl Härter sowie aus anderen Forschungen zur Mediatisierung um 1800 das meiste bekannt ist. [2]

Zum Bedeutungsverlust des Reichstags für die Reichsstädte im späten 17. Jahrhundert

<2>

1671 wurde das Problem zum ersten Mal thematisiert: Auf dem Regensburger Reichstag stünde es, so die Frankfurter und Ulmer Obrigkeiten in einem Briefwechsel, um die Sache der Freien und Reichsstädte sehr schlecht. Ihr ganzer ehrenhafter Stand sei "in merklich Verachtung gekommen", weil sich dort kaum noch ein Vertreter der Städte befände. [3] 1707 mahnte dann sogar das Mainzer Reichstagsdirektorium die Städte, sie sollten sich daran erinnern, welche Anstrengung ihre Altvorderen einst unternommen hätten, um für die Städte Stand, Dezisiv-Stimme und Session auf dem Reichstag zu erringen. Wenn sie nicht wollten, dass sich das reichsstädtische Kollegium gleichsam selbst zersetze, dann müssten endlich wieder Gesandte anreisen. [4] Die Mahnung verhallte indes ungehört, zum Ärger der reichs- und kurfürstlichen Kollegien, die über Sanktionen nachdachten. Zur Strafe für das anhaltende Desinteresse der Reichsstädte am Reichstag wurde das städtische Kollegium im Jahr 1713 von der Feier anlässlich der Aufnahme des Herzogs von Marlborough in den Reichsfürstenrat ausgeschlossen. [5]

<3>

In den Städten wurde die Ausladung zwar als eine ziemliche Blamage eingestuft. Unmittelbare Folgen zeitigte dies alles trotzdem nicht. Weder löste sich das Städtekollegium auf, noch änderte sich etwas an der zurückhaltenden Beschickungspraxis. 1751 konstatierte Johann Jacob Moser jenen der Forschung wohlbekannten Umstand, dass es bei der städtischen Reichstagskurie zur Gewohnheit geworden sei, dass Regensburger Ratsherren "bey nahe das gantze Reichs=Stättische Collegium, zumahlen Evangelischen Theils, vertreten". [6] Walter Fürnrohr hat ermittelt, dass von den rund 50 Städten, die im 18. Jahrhundert als Reichsstände galten, nur 30 ihre Stimme in Regensburg führen ließen, allerdings meist nur "von 10 bis 15 Bevollmächtigten, von denen grundsätzlich 10 bis 12 Regensburger Bürger waren". [7] Nur Augsburg und einige andere süddeutsche Städte, darunter Nürnberg, entsandten hin und wieder auch eigene Vertreter. [8] In den 1780er Jahren wurden die reichsstädtischen Geschäfte dann aber nur noch von acht Regensburger Ratsherren betrieben. Wie schon zu Beginn des Jahrhunderts gab es auch in dieser Spätzeit ebenso Kritik daran wie die Aufforderung, eigene Gesandte nach Regensburg zu schicken – doch ohne Erfolg. [9] Die höheren Stände beklagten sich darüber indes nicht mehr allzu laut, waren doch auch sie nur noch durch zwei Dutzend Gesandte mit Kumulativvoten vertreten. [10]

<4>

Es gibt also zu einer Feststellung von Georg Schmidt aus dem Jahr 1994 "Alle Bemühungen, das Städtecorpus als eine Gesamtvertretung der Freien und Reichsstädte wieder in Gang zu setzen, stießen im 18. Jahrhundert auf das ungeteilte Desinteresse der Mitglieder" eigentlich nichts hinzuzufügen. Dies gilt auch für seine Kritik an Monika Neugebauer-Wölk, die anhand von Quellen ausschließlich aus den 1660er Jahren ein unzutreffendes Bild der reichsstädtischen Reichspolitik in der Epoche nach dem Westfälischen Frieden insgesamt gezeichnet habe. [11] Ihre Behauptung "Am Reichstag bündelte sich bis zum Ende des Reichs die Reichspolitik der deutschen Freistädte als ständischer Korporation" lässt sich empirisch jedenfalls nicht belegen. [12] Erst mit dem Ausbruch der Französischen Revolution erhielt der Reichstag, wie wir durch die Studie Karl Härters wissen, abrupt und vorübergehend wieder enorme Bedeutung. Nun lag es auch im Interesse der Städte, dort wieder mit eigenen und befähigten Vertretern präsent zu sein. Diese Wiederentdeckung des Regensburger Reichstags ist aber ziemlich eindeutig mit außergewöhnlichen Sorgen zu erklären: zunächst wegen der irritierenden Entwicklungen links des Rheins und spätestens ab Herbst 1794, als Aachen und Köln von den Revolutionstruppen erobert wurden, wegen der abzusehenden Mediatisierungspolitik. Offenbar ging es vor allem darum, nun enger zusammenzurücken. Diese bemerkenswerte Wendung in der Reichstagsgeschichte kann man freilich nicht als Ausweis einer ungebrochenen Bedeutung dieser Institution für das Reich deuten. Sie stellte vielmehr eine durch ein Ausnahmeereignis induzierte Sonderentwicklung dar, geradezu einen Bruch mit der immer weiter schwindenden politisch-sozialen Bedeutung des Reichstags im Laufe des 18. Jahrhunderts.

<5>

Dabei hatte die Sache im Vorfeld des Reichstags von 1663 noch ganz anders ausgesehen. [13] Im Bremer Rat fasste man 1662 die Erwartungen an die bevorstehende Reichsversammlung in einer Denkschrift mit dem Titel "Considerationes super Interesse Civitatum Imperialium ad Comitia promovenda" zusammen. [14] Diese Schrift artikulierte den Anspruch der Reichsstädte auf die Mitwirkung an der Politik des Reichs. Man sah das Reich als Garant von Frieden, Recht und Handel zum Wohle aller. Auf dem bevorstehenden Reichstag bestehe die Chance, dass sich das Reich wieder "in haupt und glieder in uno corpore" zusammenfüge, wenn die Reichsstände einander "per compassionem", mit "hülff und rettung" begegneten. Den Städten wurde dabei geradezu eine vorbildliche Rolle zugeschrieben, sie seien nichts weniger als die "Säulen" einer durch das Reich gestifteten Ordnung.

<6>

Es gab vor dem Reichstag von 1663 also eine durchaus optimistische Sicht auf die Möglichkeiten reichsstädtischer Reichspolitik. [15] Und tatsächlich ließen sich in den 1660er Jahren auf dem Reichstag einige städtische Interessen auf die Agenda setzen, so etwa eine Reichshandwerksordnung, die als Gesetzesvorhaben aber am Ende doch wieder im Sande verlief, weil Kaiser Leopold I. das entsprechende Reichsgutachten, aus welchen Gründen auch immer, nicht ratifizierte. [16] Auch der Frust über das Scheitern dieses genuin städtischen Anliegens dürfte in den Reichsstädten das aufkommende Desinteresse am Reichstag vergrößert haben. [17] Susanne Friedrich hat gezeigt, dass während des Spanischen Erbfolgekriegs ein gewisses städtisches Interesse am Reichstag zu beobachten war, vor allem in Augsburg. [18] In der Zeit danach, sozusagen für das 'kurze' 18. Jahrhundert zwischen dem Frieden von Utrecht und der Französischen Revolution, deuten die oben zitierten Einschätzungen aber auf eine Rückkehr des Desinteresses hin.

<7>

Für den Bedeutungsverlust des Reichstags aus städtischer Sicht lassen sich mindestens drei Gründe anführen: 1. Die Benachteiligung der Städte im Verfahren der Beratung und Entscheidungsfindung, 2. ihre Benachteiligung durch die Formen des Zeremoniells und 3. ihre Geringschätzung ihrer Vertreter und Gesandten auch bei geselligen Anlässen in Regensburg. Es handelt sich dabei um bereits gut erforschte Zusammenhänge (die zuletzt noch einmal von Susanne Friedrich geschildert worden sind), [19] weswegen ich mich hier auf Andeutungen beschränken kann.

<8>

1.) Benachteiligung im Verfahren der Entscheidungsfindung: Die Dezisivstimme, die den Reichsstädten im Westfälischen Frieden zugesichert worden war, erwies sich in der eingespielten Verfahrenspraxis als wertlos. Wenn sich Kurfürsten und Fürsten stets erst untereinander berieten und einigten (also re- und correlierten), dann gab es eben für die Städte in aller Regel nichts mehr mit zu entscheiden. Nur bei einer simultanen Beratung der drei Reichsräte miteinander hätte ihre Stimme eine Funktion besessen, aber eine solche Vorgehensweise hielten die beiden anderen Kollegen für eine Zumutung. [20] Das hochgeschätzte 'votum decisivum', um das sich die Städte im Grunde seit dem Wormser Reichstag von 1495 bemüht hatten, erwies sich als Form ohne politische Funktion. [21]

<9>

2.) Benachteiligung durch die Formen des Zeremoniells: Bekanntlich war der Reichstag auch eine Bühne, auf der soziale Geltungsansprüche zur Schau gestellt wurden. Dabei waren die Städte aufgrund ihres ständischen Status immer schon benachteiligt worden. Besonders eklatant kam die Geringschätzung jedoch zum Ausdruck, als sich der Immerwährende Reichstag mehr und mehr zu einem Gesandtenkongress wandelte. [22] Im Zuge dessen wurden Formen des diplomatischen Zeremoniells übernommen, die die soziale Ungleichheit zwischen den Vertretern der Städte und jenen der 'Großen Herren' noch schroffer herausstellten. [23]

<10>

3.) Benachteiligung bei der geselligen Interaktion: Diese Praxis der Geringschätzung setzte sich schließlich auch bei den zahlreichen geselligen Anlässen in Regensburg, bei Festen, Tanzveranstaltungen oder Theateraufführungen fort. Allerorts wurden die Städtevertreter nicht besser behandelt als gewöhnliche Untertanen auch. [24] Es gibt zwar, soweit ich sehe, keine konkreten Auskünfte der Stadträte darüber, warum sie ab 1670 keine eigenen Gesandten mehr in Regensburg unterhalten wollten. Doch es liegt auf der Hand, dass ihnen die Bilanz zu unausgeglichen war. Die Kosten der städtischen Stellvertretung überstiegen bei weitem den politischen und symbolischen Profit, den man auf dem Reichstag erzielen konnte. Bremen beauftragte immerhin bis zum Ende des Reichs durchgehend Regensburger Ratsherren mit der Führung seiner Stimme. Für deren Tätigkeit aber hat es sich indes kaum interessiert. Wie auch in Köln wanderte die Reichstagspost häufig ungeöffnet, mit noch intaktem Siegel, ins Ratsarchiv.

<11>

Nur in einigen Fällen drangen die Regensburger Geschäftsträger mit ihren Anliegen in den Bremer Rat vor. 1735 erinnerte ihr Regensburger Stimmführer Johann Ulrich Bösner die Bremer gar an das 'jus suffragii ferendi in comitiis imperii', also an ihr Stimmrecht. Dieses, wie Bösner sich ausdrückte, edelste reichsstädtische Kleinod sei in Regensburg durch die höheren Stände in merkliche Verachtung geraten, man ignoriere es faktisch. Bösners Brief enthielt allerdings keinen Aufruf, wieder einen eigenen Bremer Gesandten in die Oberpfalz zu schicken. Bösner bot vielmehr ein besonderes Eintreten für die reichsstädtischen Interessen in den als schwierig geschilderten Zeiten an, wenn man ihm dafür einen halben Römermonat (66 fl.) außer der Reihe zukommen ließe. [25] Die Regensburger Ratsherren und Patrizier hatten die Stimmführung als ein lukratives Geschäft zu schätzen gelernt, sie waren daher gar nicht daran interessiert, dass wieder Gesandte aus den Städten selbst kamen. Entsprechend signalisierten sie ihren Auftraggebern immer wieder, dass das städtische Kollegium zwar ständig um seine politische Bedeutung zu kämpfen habe, dass aber trotzdem alles unter Kontrolle sei.

<12>

Nur in Ausnahmefällen wurden Reichstagsachen in Bremen zum Gegenstand von Ratspolitik. Im Jahre 1769 z. B. erregte der Umstand die Bremer Ratsherren, dass der nördliche Nachbar Hamburg seine Reichsstandschaft nach einem Vergleich mit Dänemark aktivieren wollte und im Städterat den Rang vor Bremen beanspruchte. Der daraufhin ausgebrochene Rangstreit fand im Bremer Staatsarchiv in dicken Aktenbündeln seinen Niederschlag. [26] Aufeinander getroffen sind Bremer und Hamburger in Regensburg freilich nicht. Es ging – in diesem wie auch in anderen Fällen – allein darum, die eigenen Ansprüche aufrecht zu halten. Der Reichstag wurde für die Städte zum diskursiven Objekt, zum Thema von Denkschriften und Rechtsgutachten. Der immer wieder mit viel reichspatriotischer Rhetorik beschworenen 'libertas votandi' der Reichsstädte fehlte als Entsprechung die Bereitschaft, diese Freiheit dann auch konkret zu nutzen. Offenbar handelte es sich auch in diesem Fall um die für die Spätphase des Reiches charakteristische organisierte Heuchelei. [27] Allerdings dürfte das Pochen auf das reichsstädtische 'ius suffragium', auf Sitz, Stimme und Rang, dazu beigetragen haben, die Existenz der Städtekurie als Institution zumindest fortzuschreiben, buchstäblich. Dass man sie noch brauchte, zeigte sich nach 1789.

Reichsstädtische Reichs- und Außenpolitik jenseits des Reichstags

<13>

Auch ohne den Reichstag konnten die Reichsstädte Außenpolitik betreiben, und zwar möglicherweise sogar besser als in Regensburg. Damit verbunden war freilich die endgültige Abkehr vom korporativen Prinzip der Reichsstädte, die nach 1700 auf eigene Faust und eigene Rechnung Politik machten. Ich skizziere dies im Folgenden an drei Punkten, nämlich mit Blick auf Statuspolitik (1), Mikropolitik in Wien (2) und Außenpolitik als Patronagepolitik (3).

1.) Zur Inszenierung von sozialen Statusansprüchen war der Reichstag für die Reichsstädte denkbar ungeeignet

<14>

Das galt natürlich auch für die meisten Mitglieder des Fürsten- und Kurfürstenrats sowie für den Kaiser. Für sie war der eigene Hof der Ort ihrer Repräsentationspraktiken. Innerhalb der eigenen Mauern ließ sich auch für die Städte das diplomatische Zeremoniell anlässlich des Besuchs von Fürsten, Diplomaten und anderen hohen Standespersonen in ganz anderer Weise mit den eigenen Geltungsansprüchen verrechnen, als das in Regensburg der Fall war. In dickleibigen und säuberlich geführten Zeremonienbüchern und Zeremonialakten dokumentierten Bremen, Köln, Frankfurt oder Schwäbisch Hall echte und vermeintliche Erfolge bei 'Staatsbesuchen'. [28]

<15>

Auffällig ist, dass die Städte im 18. Jahrhundert bei Besuch von Fürsten (und gerade auch von Reichsfürsten!) mit diesen vermittels Formen wechselseitiger Ehrerbietung interagierten, die in Regensburg zur gleichen Zeit undenkbar waren. Diese Diskrepanz lässt sich nach meiner Einschätzung vor allem dadurch erklären, dass die fürstlichen Reichstagsgesandten bei der abschätzigen Behandlung der Städtevertreter in Regensburg vor allem ihre persönlichen sozialen Geltungsansprüche im Auge hatten. Denn spätestens ab der Mitte des 18. Jahrhunderts war der Status eines Reichstagsgesandten kein Ausweis von Karriere mehr. Montesquieu spottete gar, dass nach Regensburg nur jene Minister gingen, die bei Hofe in Ungnade gefallen waren. [29] Die Adligen aus der zweiten oder dritten Reihe jedenfalls, die im 18. Jahrhundert den Posten eines fürstlichen Reichstagsgesandten bekleideten, lebten ihre eigenen Statusansprüche auf dem Rücken der Städter aus. [30] Im Interesse ihrer Prinzipalen lagen solche Praktiken aber keineswegs.

<16>

Dass es keineswegs zu den Grundsätzen fürstlicher Politik gehörte, den Reichsstädten bei allen Gelegenheiten ihre soziale Minderwertigkeit vor Augen zu führen, zeigt sich an einer anderen Form reichsstädtischer Außenpolitik, nämlich bei Gesandtschaften an die Höfe. Wenn Ratsherren und Syndiker nach 1715 zu Verhandlungen über die Bremer Reichsfreiheit nach Hannover reisten – und waren die Verhandlungsgegenstände auch noch so verwickelt –, so wurden sie dort doch mit gebührenden Ehren und diplomatischem Zeremoniell empfangen. [31] Solche Erfolge registrierten die Reichsstädte in ihren Zeremonienbüchern als Zuwachs von symbolischem Kapital. Vom Reichstag, wo die Städter ständig auf der Hut vor abschätziger Behandlung sein mussten, aber war in diesen Büchern nie die Rede.

2.) Mikropolitik in Wien

<17>

Das Beispiel der Bremer Steuerverhandlungen um 1700: Während des Pfälzischen Erbfolgekriegs hatte Kaiser Leopold die Bremer Beiträge zum Reichskriegskontingent auf jährlich 200 Römermonate festgelegt ('assigniert'), das waren insgesamt 64.000 fl. bei 320 fl. per annum. Der Rat hielt das für viel zu viel, zumal sich der Reichspatriotismus innerhalb der Bürgerschaft und besonders bei den Kaufleuten in Grenzen hielt. Der Rat musste also versuchen, diese Belastungen zu senken, und zwar durch eine Ermäßigung seines Matrikularanschlags. Zu diesem Zweck entsandte Bremen nach dem Rijswijker Frieden 1697 seinen neu berufenen Syndikus Johann Heinrich Schütz nach Wien. Schütz sollte dem Kaiser dort eine Supplik überreichen, damit dieser wiederum seinen Regensburger Prinzipalkommissar anwies, die Bremer Matrikelsache auf die Agenda des Reichstags zu setzen. Denn es war Reichsherkommen, dass für Fragen der Reichsmatrikel der Reichstag zuständig war. Allerdings ließ Schütz schon bald von diesem Plan ab. Es sei, schrieb er dem Rat, viel zielführender, erfolgversprechender und vor allem schneller, in dieser Sache ein kaiserliches Privileg zu erwirken. Der Rat ließ seinem Syndikus freie Hand, und schon Ende Oktober 1698 hatte Schütz das gewünschte Privileg erwirkt. Die Bremer Reichsmatrikel sank von 320 fl. auf 132 fl. [32] Trotz der geübten Praxis, dass über Matrikularsachen ein Reichstagsbeschluss fallen musste, konnte man faktisch genauso gut auch einen anderen Weg nehmen, um genau den gleichen Rechtstitel zu erlangen.

<18>

Um seine Ziele zu erreichen, rekurrierte der Syndikus Schütz auf mikropolitische Praktiken. Dass heißt, er setzte auf informelle Kanäle, er versuchte 'Freunde' zu gewinnen und Netzwerke aufzubauen. [33] Dazu gehörte auch, über die Matrikelsache direkt mit Reichsvizekanzler Dominik Andreas von Kaunitz zu verhandeln. [34] Der Kaiser, so ließ Kaunitz erkennen, könne sich mit der Matrikularmoderation anfreunden, wenn Bremen hin und wieder ein 'don gratuit' überreiche, zum Beispiel jetzt und in einer Höhe von 20.000 fl. [35] Dieses geschenkte Geld konnte sich der Kaiser persönlich gutschreiben und musste es nicht, wie die Römermonate, an die armierten Stände Brandenburg und Hannover weiterleiten. Nicht nur der Kaiser ließ sich durch Geschenke beeinflussen. Auch den Zugang zu Kaunitz hatte sich Schütz erst auf diese Weise öffnen können. 3.500 fl. ließ Schütz dem Reichsvizekanzler aus der Bremer Schatulle in bar zukommen, dazu schickte der Rat auch noch sogenannte 'Lachsbriefe'. Dabei handelte es sich um erlesene Delikatessen und Wein. [36]

<19>

Durch das ganze 18. Jahrhundert hindurch hat Bremen mithilfe von Geschenken seine reichspolitischen Interessen verfolgt, sogar noch während des Siebenjährigen Krieges. [37] Das funktionierte auch deswegen, weil man in Wien mit solchen Praktiken weiterkam. Zwischen 1698 und 1800 wurden jedes Jahr kaiserliche Minister, Räte und Sekretäre, Reichsvizekanzler und Reichshofratspräsidenten mit Geld bedacht, insgesamt beliefen sich die Bestechungsgelder in diesem Jahrhundert auf 95.360 fl. [38] Dazu kam die regelmäßige Einsendung von Lachsbriefen, worunter man 1704 auch ein edles Reitpferd für Kaunitz subsumierte. Dieses Vorgehen war natürlich keine Bremer Eigenheit. Hamburg brachte Maria Theresia 1745 mit einem 'don gratuit' von 100.000 fl. dazu, der Stadt Handelsfreiheit während Reichskriegen zu gewähren. [39] Auf ähnlichen Wegen erlangten auch Bremen und Lübeck die Möglichkeit, mit offiziellen Feinden des Reichs weiter Handel zu treiben.

<20>

Bei diesem Erwerb von Handelsfreiheit bzw. der Erlaubnis zur Neutralität unterliefen die Hansestädte also die Reichskriegspolitik des Reichstags, dem ein solches Ausscheren seiner Mitglieder natürlich nicht recht war. Denn der Reichstag verhängte ja durchaus so etwas wie Wirtschaftssanktionen, etwa gegen Frankreich in den Kriegen Ludwigs XIV. [40] Daran hatten die Städte allerdings immer schon ein eher geringes Interesse. Deswegen war Regensburg auch nicht der Ort, um reichsstädtische Wirtschaftspolitik zu betreiben. Der Hamburger Deal von 1745 wirft schließlich auch noch ein anderes Licht auf den Eintritt der Elbstadt in den Reichsstädterat von 1769. Aus der Sicht der Stadt war das eher ein Nebenprodukt des Gottorper Vergleichs mit Dänemark, bei dem es im Wesentlichen um den Austausch von Gebieten und Hoheitsrechten ging. Nachdem der Hamburger Gesandte Schuback nach dem überstandenen Rangstreit mit Bremen einmal in der Ratsstube der Städte Platz genommen hatte, reiste er auch sogleich wieder ab. In den aufgeklärten Kreisen der Stadt wurde die Reichsstadt-Symbolik ohnehin eher gering geschätzt. [41]

<21>

Wie wichtig Wien – im Gegensatz zu Regensburg! – für die Bremer Reichspolitik war, kann man an dem Umstand ablesen, dass der Rat nach der erfolgreichen Matrikularmoderation von 1698 beschloss, seinen Syndikus Schütz als ständigen Gesandten am Kaiserhof zu installieren. Ein Syndikus war eigentlich der Lenker der städtischen Politik vor Ort, ein extrem gut bezahlter Jurist und in der sozialen Rangordnung der Stadt ganz oben positioniert. Wenn es die Stadt für besser hielt, auf die Anwesenheit dieses Mannes zu verzichten und lieber einen weiteren Syndikus zu berufen, anstatt Schütz zurückzurufen, dann zeigt dies nur, wie bedeutsam Reichspolitik für Bremen um 1700 war. Von Kirchturmspolitik oder 'negativem Reichsbewusstsein' [42] kann im Falle von Bremen, aber auch bei anderen Reichsstädten, keine Rede sein. Allerdings lag das Aktionsfeld für die städtische Reichspolitik primär in Wien, nicht in Regensburg.

<22>

Schließlich lässt sich mit Blick auf die zeremonielle und gesellige Behandlung des Syndikus Schütz in Wien ähnliches beobachten wie bei Fürstenbesuchen in der Stadt. Der städtische Diplomat wurde in Wien mit vielen Ehrenbezeugungen zu Audienzen beim Kaiser und seinen Ministern empfangen. Darüber hinaus wurde er sogar zu einem Teil der höfischen Gesellschaft. 1699 wurde er in den Adelsstand, 1719 sogar in den Freiherrenstand erhoben, und auch hier hatten Geschenke geholfen. Schon 1716 hatte er in den anhaltinischen Adel eingeheiratet. [43] Während sich eine Mission nach Regensburg für einen Diplomaten als berufliche und persönliche Sackgasse erweisen konnte, war Wien das Pflaster, auf dem man, mit etwas Glück, einen steilen Aufstieg erleben konnte. Sein sozialer Status brachte Schütz auch ein Netzwerk an Kontakten ein, die ihn wiederum mit Neuigkeiten und Informationen versorgten. Über diese berichtete der Syndikus dann regelmäßig nach Bremen. Seine Relationen wurden dort derart geschätzt, dass zur Korrespondenz eigens der Ratsherr Conrad Iken abgestellt wurde. Solche Berichte über wichtige Personen, Intrigen und Ränke in Wien, bei denen wirklich Entscheidendes für Bremen auf der Tagesordnung stehen konnte, wollte man natürlich lesen. Die Reichstagspost interessierte dagegen, wie oben bereits skizziert, im Grunde niemanden. Eine ähnlich hohe Aufmerksamkeit wurde auch den Berichten der für Bremen in Wien tätigen Reichshofratsagenten entgegengebracht, in denen es nicht nur um die Prozesse ging, sondern auch um andere Beobachtungen, die ein Agent bei Hof gemacht hatte. 1715 etwa berichtete der Agent Christof Kleibert über den aktuellen Stand der kaiserlich-britischen Beziehungen, was in Bremen auf größtes Interesse stieß, weil Kurhannover kurz zuvor das Herzogtum Bremen erworben hatte. [44]

3.) Außenpolitik als Patronagepolitik

<23>

So wichtig Wien und der Kaiser waren – sie stellten nicht den einzigen Fluchtpunkt der Bremer Reichs- und Außenpolitik dar. Für besonders wichtig hielt man etwa Berlin und Hannover bzw. London. Dorthin reisten immer wieder städtische Gesandtschaften. Noch wichtiger war es, einen der Stadt wohlgesinnten Mann vor Ort zu haben. Daher wurden gute Beziehungen und Patronageverhältnisse zu einflussreichen und gut informierten Personen an den Höfen aufgebaut, was wiederum nicht ohne Lachsbriefe zu machen war, in denen sich neben den Viktualien nicht selten auch Geld befand. Bremen sicherte sich auf diese Weise auch die Gunst des als Feldherr berühmt gewordenen Grafen Matthias Johann von der Schulenburg, der die Stadt sogar von Venedig aus bei ihren schwierigen Verhandlungen mit Hannover unterstützte. [45]

<24>

Eine schon ältere Vernetzungspraxis stellten wiederum Patenschaften dar, die die Reichsstädte sowohl für die Kinder von Reichsfürsten als auch von höfischen Beamten übernahmen. Bremen wurde 1670 zum Gevatter der Tochter Ottos von Guericke junior, der Brandenburg beim Niedersächsischen Kreis vertrat. [46] Eine noch bessere Partie machte Aachen, das 1742 zum Paten des Christian Ernst von Hohenlohe-Bartenstein geworden war. Zwar musste dem reichsstädtischen Patenkind nun ein teures Taufgeschenk gemacht werden, doch als Christians Vater 1746 zum Kammerrichter erhoben worden war, hoffte man aufgrund des quasi verwandtschaftlichen Verhältnisses zur Familie Bartenstein auch auf eine gute Beförderung der Aachener Prozesse. [47]

<25>

Auch die Bremer Beziehungen zum Kaiser und zu seinen Ministern lassen sich als Patronageverhältnisse beschreiben – denn hier zeigt sich mehr als nur 'Reichspolitik' mit einigen merkwürdigen Handlungsformen. In guter Erinnerung hielten sich die Bremer in Wien durch kleine Geschenke ebenso wie durch Zeremonialbriefe anlässlich von Geburtstagen, Taufen und anderen Anlässen. Auch diese Praxis hatte Tradition. Schon 1639 erhielt Reichsvizekanzler Jacob Kurz Freiherr von Senftenau bei einem Besuch in Bremen einen vergoldeten Pokal mit 500 Dukaten darin, sein Leibarzt bekam immerhin 16 Dukaten, sein Sekretär und sein Page strichen vier Dukaten ein. Besondere Aufmerksamkeit widmete Bremen um 1720 Johann Adolf Graf von Metsch, der wie von Guericke Gesandter beim Niedersächsischen Kreis war und dort den Kaiser vertrat. 1719 wurde Metsch besonders aufwändig in der Stadt empfangen, was auch für sein symbolisches Kapital wichtig war. [48] Im Folgejahr übernahm die Stadt die Patenschaft für seine Tochter und schickte einen Vertreter zur Taufe. [49]

<26>

Solche Praktiken müssten noch genauer, als dies hier geschehen kann, als Bestandteile frühneuzeitlicher Patronagekultur untersucht werden. [50] Auch die zum Teil großangelegten Feierlichkeiten, die man in Bremen für den Kaiser immer wieder veranstaltete, bei Regierungsantritten und Hochzeiten ebenso wie bei Todesfällen, sind jedenfalls kein Ausweis von reinem Reichspatriotismus. [51] Allerdings ist es gut möglich, dass solche Feste bei Einwohnern und Bürgern das Bewusstsein dafür gestärkt haben, dass ihre Stadt ein Teil des Reiches ist. [52] Zumindest kann man die in den Reichsstädten, in unterschiedlicher Intensität, gepflegten Kaiserzeremonien als ein funktionales Äquivalent von Reichstagspräsenz deuten. In Hamburg veranstaltete man ganz selbstverständlich auch schon vor 1769 solche Feierlichkeiten. Die Städte symbolisierten ihre Reichsfreiheit mit in eigener Regie durchgeführten Ritualen, die allemal mehr Glanz abwarfen als die Mitwirkung am Reichstagszeremoniell, zumal Druckmedien, etwa Zeitungen, es möglich machten, den lokalen Kaiserritualen überregionale Publizität zu verleihen.

<27>

Allerdings sollte man nicht übersehen, dass der politische Zeichengebrauch der Reichsstädte keineswegs allein darauf zielte, Reichsstandschaft und Reichsunmittelbarkeit zu inszenieren. Die Geschichte der Lokalhuldigungen nach dem Westfälischen Frieden steht beispielhaft für diese Tendenz. Die meisten Städte legten diese Huldigung in nicht öffentlicher Weise vor dem Reichshofrat ab, einige aus politischen Gründen, wie Bremen, das sich durch Schweden bedroht sah, andere, wie zum Beispiel Schwäbisch Hall, aber auch aus finanziellen Motiven. Die in den Ritualen dargestellte Unterordnung der Reichsstädte unter den Kaiser wurde nicht selten als Problem empfunden, gaben sie doch der Redensart, Reichsstädte seien im Grunde nichts anderes als kaiserliche Patrimonialgüter, sichtbaren Ausdruck. [53] Daher wurden auch reichsstädtische Kaiserzeremonien im 18. Jahrhundert immer mehr als eine Praxis gedeutet, mit der die Zugehörigkeit zur europäischen Fürstengesellschaft und nicht etwa der Status als besonders privilegierter Untertanenverband herausgestellt werden sollte. [54]

Folgerungen für die Erforschung von Reichspolitik im 18. Jahrhundert

<28>

Was besagen solche Befunde nun hinsichtlich der Geschichte von Reichspolitik und Reichstagspolitik? Klar ist zunächst einmal, dass zentrale Fragen der reichsstädtischen Außenpolitik nicht in Regensburg behandelt wurden, von der Statuspolitik ganz zu schweigen. Jede Stadt suchte, entsprechend ihrer finanziellen Mittel, ihrer Netzwerke und dem Geschick ihrer Diplomaten, den größten Vorteil für sich zu erlangen. Damit wurde nicht allein das korporative Prinzip der reichsstädtischen Politik aufgegeben. Im Grunde fiel man zur Politik von vor 1495 zurück. So wie sich im 15. Jahrhundert jede Stadt für sich an den Kaiser gewandt hatte, so praktizierte man dies auch wieder in der Zeit nach 1700. Verbindlichkeit war nur dort zu erwarten, wo der Kaiser persönlich anwesend war. Deswegen verwundert es auch nicht, dass Bremen 1742 seinen Wiener (nicht Regensburger!) Gesandten Johann Caspar Dörffel nach Frankfurt beorderte und sich in der ersten Zeit auch für den dorthin verlegten Reichstag interessierte. Karl VII. hatte nämlich in seinem Einladungsschreiben seine "persöhnliche anwesenheit" bei der Eröffnung zugesichert. [55] Bekanntlich sollte der Wittelsbacher Kaiser den Reichstag aber nicht nur persönlich eröffnen. Die österreichische Besetzung Bayerns zwang ihn darüber hinaus, in Frankfurt und auf dem Reichstag zu bleiben, wo dann einige Reformvorhaben durchgespielt wurden. Diesen widmete auch der Bremer Rat vorübergehend sein Interesse, bevor man schließlich die Zeichen der Zeit erkannte und sich wieder anderen Dingen zuwandte als dem Reichstag eines Kaisers ohne Reich.

<29>

Anhand der Forschungen von Johannes Burkhardt, Karl Härter und Susanne Friedrich ist deutlich geworden, dass am Immerwährenden Reichstag Politik gemacht und 'große Themen' erörtert wurden: Reichskriege, Geld- und Münzpolitik, Wirtschaftspolitik. Ich finde es völlig einleuchtend, dem Reichstag aufgrund seiner politischen Betriebsamkeit und seiner Rolle als Informationsdistributor eine wichtige Funktion für die Ordnung des Reichs im 18. Jahrhundert zuzuschreiben. Aber vielleicht waren etliche der Reichstagsthemen auch schlichtweg 'zu groß', vielleicht sogar zu sehr symbolische Politik, [56] jedenfalls zu wenig anschlussfähig an bestimmte Interessen der Reichsstädte. Bremen interessierte im 18. Jahrhundert ganz konkret, wie man den leidigen Oldenburger Zoll an der Unterweser loswerden könne, und in diesem Zusammenhang erachtete man bilaterale Verhandlungen als passgenauer und vor allem als schneller und effizienter als das langwierige Reichstagsverfahren, in das sich der Elsflether Zoll im Grunde auch gar nicht einspeisen ließ.

<30>

Darüber hinaus boten die Reichsgerichte Chancen zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Denn es war häufig gar nicht so eindeutig zu bestimmen, ob es sich bei einem Konflikt um eine politische oder um eine juristische Frage handelte, ob der Reichstag oder der Reichshofrat zuständig war – oder ob nicht einfach auch der Kaiser ein Machtwort sprechen oder ein Privileg gewähren konnte. Die Frage ist, ob diese am Beispiel der Städte zu beobachtende Praxis, Reichspolitik ohne den Reichstag zu machen, auch auf andere kleine Reichsstände zutrifft, auf die Reichsgrafen etwa. Die kleineren Reichsstände im Reichsfürstenrat sind diejenigen, denen die Historiker gewöhnlich eine besondere Reichsaffinität zuschreiben. Aber dokumentierte sich dies auch in Form von Reichstagspräsenz? Oder nicht doch eher in den Kaisersälen barocker Reichsabteien? War der Reichstag im 18. Jahrhundert vielleicht in erster Linie ein Informations- und Kontaktsystem für die größeren, armierten Reichsstände – und damit eher Teil einer sich ausbildenden Staatenwelt und gerade keine Institution für das Reich im engeren Sinne?

<31>

Mit Bezug auf aktuelle Forschungen von Thomas Lau und David Petry stellen sich noch andere Fragen: Ist es tatsächlich so, dass die Nutzung des Reichshofrats durch die Städte und andere kleine Reichsstände stets 'Reichspolitik' darstellte und damit die Bedeutung des Reiches als dominantes und funktionsfähiges Ordnungssystem perpetuierte? [57] Kann man den Reichshofrat umstandslos als eine 'Reichsinstitution' bezeichnen, wenn zugleich immer wieder festgestellt worden ist, dass er in einem besonders engen Verhältnis zum Kaiser stand, zuletzt sogar als "das wichtigste kaiserliche Machtinstrument" bezeichnet wurde? [58] Möglicherweise wurde der Reichshofrat gerade deshalb angerufen, weil er als eine kaiserliche – und damit machtvolle – und nicht als eine Institution des Reiches wahrgenommen wurde. Darüber hinaus ist die Interaktion des Kaisers mit den Reichsständen keineswegs immer gleich schon Reichspolitik. [59] Dass man besser zwischen Reichspolitik und Außenpolitik innerhalb des Reiches unterscheiden sollte, darauf hin deutet zum Beispiel der Umstand, dass die Interaktion zwischen den Reichsständen und dem Kaiser (sowie der Reichsstände untereinander) zunehmend in den Formen des diplomatischen Zeremoniells geführt wurde. Diese Zeremonien aber symbolisierten ein gewisses Maß an wechselseitiger Autonomie, jedenfalls konnten sie kaum als Zurschaustellung der beiderseitigen Zugehörigkeit zu ein und demselben 'Reichskörper' gelesen werden.

<32>

Für die Geschichte der Reichspolitik der Reichsstädte ist daher die Zeit für einen Perspektivwechsel reif. Reichsstädtische Reichspolitik sollte auf verschiedenen Feldern beobachtet werden. Der Reichstag war nur eines davon, bilaterale Interaktionen waren ein anderes. [60] Das heißt aber nicht, dass man den Reichstag deswegen nun ignorieren soll oder gar dass er bedeutungslos war. Es geht darum, ihn als nur einen von mehreren möglichen Räumen für politisches Handeln zu betrachten. Stärker in den Blick genommen werden sollte der flexibel gehaltene und situativ gewählte Zugang zu unterschiedlichen Institutionen (Reichstag, Reichsgerichte) und Personen. Vermutlich wird man dann aber auch nicht mehr einfach von 'Reichspolitik', sondern eher von 'Politik im Reich' sprechen können. Ist damit aber nicht am Ende die Rückkehr zur klassischen Diplomatiegeschichte verbunden? Eine Renaissance der Geschichtsschreibung in der Manier eines Max Braubach? Zumindest teilweise schon, allerdings erweitert um eine kulturgeschichtliche Perspektive, nämlich die Akteursorientierung in der Geschichte der Außenbeziehungen. [61] Es geht diesem Ansatz um die Dekonstruktion überkommener 'großer' Begriffe ('Reich') und der damit typischerweise verbundenen Praktiken ('Reichspolitik') und Institutionen ('Reichstag') wie auch um eine Hinwendung zu alternativen Vorgehensweisen in der auswärtigen Politik innerhalb des Alten Reiches. [62]

<33>

Damit sind gewiss auch Mikropraktiken wie der Einsatz von Schmiergeldern und die Pflege von Patronageverhältnissen gemeint. Doch ist das nicht am Ende eine Bestätigung für Hans Ulrich Wehlers Kritik an den unsäglichen Zuständen im Alten Reich und der Schamlosigkeit seiner Eliten? [63] Denn was da an Transferleistungen zwischen Bremen und Wien floss, das hatte durchaus mit Korruption zu tun. [64] Die Beteiligten wussten sehr wahrscheinlich schon, was sie da taten. Sie litten keineswegs an einem nur "symbolischen Normenverständnis" im Sinne von Peter Burke, [65] auch wenn sie es vielfach nicht einmal für nötig hielten, ihren Gabentausch zu verschleiern. Insofern tut man als Historiker gut daran, solche Praktiken nicht durch kulturalistische Modelle sozusagen zu "entschärfen". Die Frage ist jedoch, ob Wehlers Glaube an die heilsamen Wirkungen von Modernisierungsprozessen gerechtfertigt ist, ob solche Praktiken wirklich ein Spezifikum des von ihm so verachteten Alten Reichs waren, oder ob sie nicht auch noch im 19. Jahrhundert andauerten, wenn auch immer mehr kaschiert oder in der Sprache der Soziologen "informalisiert". Ein kursorischer Blick in die archivierten Akten der Freien Stadt Bremen nährt diesen Verdacht, und insofern kann man aus dem Studium reichsstädtischer Außenpolitik auch noch etwas über die politische Praxis der beginnenden Moderne lernen. Erforscht werden sollte dies ohnehin genauer.

Autor:

Jun.-Prof. Dr. André Krischer
Universität Münster
Historisches Seminar – Geschichte Großbritanniens und des Commonwealth
Hittorfstraße 17
48143 Münster
krischer@uni-muenster.de



[1] Für weiteres Vergleichsmaterial und Generalisierungsmöglichkeiten vgl. André Krischer: Reichsstädte in der Fürstengesellschaft. Politischer Zeichengebrauch in der Frühen Neuzeit (= Symbolische Kommunikation in der Vormoderne), Darmstadt 2006.

[2] Die Anmerkungen in diesem Beitrag beschränken sich auf unmittelbare Belege und einige bibliographische Nachträge; zur Reichstagspolitik im Zeitalter der Französischen Revolution vgl. grundlegend Karl Härter: Reichstag und Revolution 1789-1806. Die Auseinandersetzung des Immerwährenden Reichstags zu Regensburg mit den Auswirkungen der Französischen Revolution auf das Alte Reich (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 46), Göttingen 1992; zuletzt Peter Blickle / Andreas Schmauder (Hg.): Die Mediatisierung der oberschwäbischen Reichsstädte im europäischen Kontext (= Oberschwaben – Geschichte und Kultur 11), Epfendorf 2003.

[3] Nach Ingomar Bog: Betrachtungen zur korporativen Politik der Reichsstädte, in: ders. (Hg.): Oberdeutschland. Das Heilige Römische Reich des 16. bis 18. Jahrhunderts in Funktion (= Wissenschaftliche Schriften), Idstein 1986, 125-137, hier: 133.

[4] Bog: Korporative Politik (wie Anm. 3).

[5] Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main: Reichssachen, Nr. 1955.

[6] Johann Jacob Moser: Teutsches Staats-Recht. Vier und Vierzigster Teil (…), Nürnberg 1751, 480, § 9; ähnlich auch die Bemerkung in den Memoiren des kurbraunschweiger Gesandten Ompteda, vgl. Barbara Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches, München 2008, 258.

[7] Walter Fürnrohr: Das Patriziat der Freien Reichsstadt Regensburg zur Zeit des immerwährenden Reichstags. Eine sozialgeschichtliche Studie über das Bürgertum der Barockzeit, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Regensburg und Oberpfalz 93 (1952), 153-308, hier: 283.

[8] Susanne Friedrich: Drehscheibe Regensburg. Das Informations- und Kommunikationssystem des Immerwährenden Reichstags um 1700 (= Colloquia Augustana 23), Berlin 2007, 86ff.

[9] Vgl. etwa Otto Hübner: Vergeblicher Versuch, den vorigen Glanz der Reichsstadt durch Beschickung des Reichstags mit einem eigenen Gesandten wieder zu beleben, in: Mühlhäuser Geschichtsblätter 25/26 (1924/26), 345-347, hier: 345.

[10] Nach Klaus-Peter Schröder: Das Alte Reich und seine Städte. Untergang und Neubeginn: Die Mediatisierung der oberdeutschen Reichsstädte im Gefolge des Reichsdeputationshauptschlusses 1802/03, München 1991, 107.

[11] Georg Schmidt: Die Städte auf dem frühneuzeitlichen Reichstag, in: Bernhard Kirchgässner / Hans-Peter Becht: Vom Städtebund zum Zweckverband (= Stadt in der Geschichte 20), Sigmaringen 1994, 29-43, hier: 40.

[12] Monika Neugebauer-Wölk: Reichsstädtische Reichspolitik nach dem Westfälischen Frieden, in: Zeitschrift für Historische Forschung 17 (1990), 27-48, hier: 29; ähnlich apodiktisch urteilt auch Karl Otmar von Aretin: Das Alte Reich 1648-1806, Bd. 1: Föderalistische oder hierarchische Ordnung (1648-1684), Stuttgart 1993, 111: "die politische Mitwirkung der Reichsstädte an der Reichspolitik [lief] allein über den Reichstag".

[13] Allgemein dazu Anton Schindling: Die Anfänge des Immerwährenden Reichstags zu Regensburg. Ständevertretung und Staatskunst nach dem Westfälischen Frieden (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte 143. Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches 11), Mainz 1991.

[14] Staatsarchiv Bremen: 2-H.2.w.3.

[15] Vgl. die entsprechende Beschickungspraxis bis 1672 bei Kristina Winzen: Handwerk – Städte – Reich. Die städtische Kurie des immerwährenden Reichstags und die Anfänge der Reichshandwerksordnung (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 160), Stuttgart 2002, 28-41.

[16] Winzen: Handwerk (wie Anm. 15), 176.

[17] Als die Reichshandwerksordnung 1731 dann doch noch von Kaiser Karl VI. ratifiziert wurde, ging die Wiederbelebung dieses Projekts bezeichnenderweise nicht auf die Initiative der Städte zurück, sondern auf die des Kaisers selbst, der darin ein Mittel gegen die immer wieder aufflammenden Gesellenaufstände sah. Reichstag und Reichsstädtekurie mussten von Karl VI. fast schon genötigt werden, sich damit erneut zu befassen. Die Städte hatten offenbar gar nicht mehr vor Augen, dass es dieses Gesetzesvorhaben überhaupt gab. Vgl. Winzen: Handwerk (wie Anm. 15), 177-183.

[18] Friedrich: Drehscheibe Regensburg (wie Anm. 8), 303-310.

[19] Friedrich: Drehscheibe Regensburg (wie Anm. 8), 165f.

[20] Eberhard Isenmann: Zur Frage der Reichsstandschaft der Frei- und Reichsstädte, in: Franz Quarthal / Wilfried Setzler (Hg.): Stadtverfassung – Verfassungsstaat – Pressepolitik. Festschrift für Eberhard Naujoks, Sigmaringen 1980, 91-110.

[21] Adolf Laufs: Die Reichsstädte auf dem Regensburger Reichstag 1653/54, in: Die alte Stadt. Zeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Denkmalpflege 1 (1974), 23-48.

[22] Friedrich: Drehscheibe Regensburg (wie Anm. 8), 25ff., 111ff.

[23] André Krischer: Politische Repräsentation und Rhetorik der Reichsstädte auf dem Reichstag nach 1648, in: Jörg Feuchter / Johannes Helmrath (Hg.): Politische Redekultur in der Vormoderne. Die Oratorik europäischer Parlamente in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (= Eigene und fremde Welten 9. Studies presented to the International Commission for the History of Representative and Parliamentary Institutions 86), Frankfurt a. M. / New York 2008, 135-148.

[24] Dazu schon Rudolf Reiser: Adeliges Stadtleben im Barockzeitalter. Internationales Gesandtenleben auf dem Immerwährenden Reichstag zu Regensburg (= Miscellanea Bavarica Monacensia 17), München 1969.

[25] Staatsarchiv Bremen, 2-H.2.w.5, Schreiben vom 24. November 1735.

[26] Staatsarchiv Bremen, 2-H.2.aa.

[27] Im Sinne von Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider (wie Anm. 6), 274-281.

[28] Reichsstädte in der Fürstengesellschaft (wie Anm. 1), 106ff.

[29] Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider (wie Anm. 6), 256

[30] Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider (wie Anm. 6), 266.

[31] Dies dokumentieren die Gesandtschaftsdiarien des Ratsherrn Liborius von Line aus den 1720er Jahren. Staatsarchiv Bremen, 2.Z.18.b.

[32] Nach Karl Heinz Schwebel: Bremens Beziehungen zu Kaiser und Reich, vornehmlich im 18. Jahrhundert, Göttingen 1937, 85-93.

[33] Nach Wolfgang Reinhard: Einleitung, in: ders. (Hg.): Römische Mikropolitik unter Paul V. Borghese (1605-1621) zwischen Spanien, Neapel, Mailand und Genua (= Bibliothek des Historischen Instituts in Rom 107), Tübingen 2004, 1-20, hier: 3f.

[34] Schwebel: Bremens Beziehungen (wie Anm. 32), 60ff.

[35] Schwebel: Bremens Beziehungen (wie Anm. 32), 90f.

[36] Die entsprechenden Akten zu diesem Gabentransfer befinden sich Staatsarchiv Bremen, 2-Dd.4.c.

[37] Schwebel: Bremens Beziehungen (wie Anm. 32), 110.

[38] Schwebel: Bremens Beziehungen (wie Anm. 32), 187.

[39] Schwebel: Bremens Beziehungen (wie Anm. 32), 147.

[40] Johannes Burkhardt: Verfassungsprofil und Leistungsbilanz des Immerwährenden Reichstags. Zur Evaluierung einer frühmodernen Institution, in: Heinz Duchhardt / Matthias Schnettger (Hg.): Reichsständische Libertät und habsburgisches Kaisertum (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte, Beiheft 48), Mainz 1999, 151-183, hier: 173.

[41] Franklin Kopitzsch: Grundzüge einer Sozialgeschichte der Aufklärung in Hamburg und Altona (= Beiträge zur Geschichte Hamburgs 21), Hamburg 1982, 2. Aufl., Hamburg 1990.

[42] Im Sinne von Karl Siegfried Bader: Die Reichsstädte des Schwäbischen Kreises am Ende des Alten Reiches, in: Ulm und Oberschwaben 32 (1951), 47-70, hier: 68.

[43] Schwebel: Bremens Beziehungen (wie Anm. 32), 60ff.

[44] Staatsarchiv Bremen: 2-L.3.b.5.a, ohne Paginierung.

[45] Schwebel: Bremens Beziehungen (wie Anm. 32), 43.

[46] Staatsarchiv Bremen: 2-Dd.4.

[47] Wilhelm Mummenhoff: Eine Taufgabe der Stadt Aachen für ihr Patenkind Christian Ernst von Hohenlohe-Bartenstein, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 39 (1917), 218-228.

[48] Staatsarchiv Bremen: 2-Dd.6.c.

[49] Staatsarchiv Bremen: 2-Dd.4.d.

[50] Vgl. Heiko Droste: Patronage in der Frühen Neuzeit – Institution und Kulturform, in: Zeitschrift für Historische Forschung 30 (2003), 555-590; vgl. dazu aber auch die Antwort von Birgit Emich u.a.: Stand und Perspektiven der Patronageforschung, in: Zeitschrift für Historische Forschung 32 (2005), 233-266.

[51] Zu dieser Deutung vgl. Hans Joachim Berbig: Kaisertum und Reichsstadt. Eine Studie zum dynastischen Patriotismus der Reichsstädte nach dem Westfälischen Frieden, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 58 (1971), 211-264.

[52] Schwebel: Bremens Beziehungen (wie Anm. 32), 51; dazu jetzt auch Harriet Rudolph: Das Reich als Ereignis: Formen und Funktionen der Herrschaftsinszenierung bei Kaisereinzügen (1558-1618) (= Norm und Struktur 38), Köln / Weimar / Wien 2011.

[53] Krischer: Reichsstädte in der Fürstengesellschaft (wie Anm. 1), 327.

[54] Dazu Krischer: Reichsstädte in der Fürstengesellschaft (wie Anm. 1), 326-368.

[55] Staatsarchiv Bremen: 2.H.2.h, Schreiben Karls VII. in Copia.

[56] Im kritischen Sinne etwa von Murray Edelman: Politik als Ritual. Die symbolische Funktion staatlicher Institutionen und politischen Handelns (= Campus-Studium 512: Kritische Sozialwissenschaft), Frankfurt a. M. / New York 1976; Ulrich Sarcinelli: Symbolische Politik. Zur Bedeutung symbolischer Politik in der Wahlkampfkommunikation der Bundesrepublik Deutschland (= Studien zur Sozialwissenschaft 72), Opladen 1987.

[57] So jüngst am Beispiel der reichsstädtischen Reichshofratsnutzung Thomas Lau: Unruhige Städte. Die Stadt, das Reich und die Reichsstadt (1648-1806) (= Bibliothek Altes Reich 10), München 2012, 128: "Die Reichsstädte provozierten das Reich zum Handeln und gaben ihm zugleich ein Gesicht".

[58] David Petry: Konfliktbewältigung als Medienereignis. Reichsstadt und Reichshofrat in der Frühen Neuzeit (= Colloquia Augustana 29), Berlin 2011, 65. Petry erinnert auch auf Seite 39 an Johann Jacob Mosers Diktum vom Reichshofrat als des "Kaysers rechter Arm"; vgl. ferner die umsichtige Darstellung von Gabriele Haug-Moritz: Des Kaisers rechter Arm. Der Reichshofrat und die kaiserliche Reichspolitik, in: Harm Klueting / Wolfgang Schmale (Hg.): Das Reich und seine Territorien. Aspekte des Mit-, Neben- und Gegeneinander (= Historia profana et ecclesiastica. Geschichte und Kirchengeschichte zwischen Mittelalter und Moderne 10), Münster 2004, 23-42.

[59] Diese Frage stellt in einer hellsichtigen Rezension auch Thomas Ott: Rezension zu: Dietmar Heil: Die Reichspolitik Bayerns unter der Regierung Herzog Albrechts V. (1550-1579), Göttingen 1998, in: H-Soz-u-Kult, 27.01.2000, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=106.<20.04.2012>.

[60] Das haben Historiker älterer Generationen schon genauso gesehen, etwa der frühere Direktor des Bremer Staatsarchivs Karl Heinz Schwebel, der 1937 eine Dissertation zu "Bremens Beziehungen zu Kaiser und Reich" vorgelegt hat (wie Anm. 32).

[61] Dazu Christian Windler / Hillard von Thiessen: Einleitung: Außenbeziehungen in akteurszentrierter Perspektive, in: dies. (Hg.): Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel (= Externa 1), Köln / Weimar / Wien 2010, 1-12; exemplarisch zuletzt Hillard von Thiessen: Diplomatie und Patronage. Die spanisch-römischen Beziehungen 1605-1621 in akteurszentrierter Perspektive (= Frühneuzeit-Forschungen 16), Epfendorf 2010.

[62] Diesen Vorschlag machte auch schon Christine Roll: Rezension von: Axel Gotthard: Das Alte Reich 1495-1806, Darmstadt 2003, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 9 [15.09.2003], http://www.sehepunkte.de/2003/09/3010.html <20.04.2012>.

[63] Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Band 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur defensiven Modernisierung der Reformära,1700-1815, München 1987, 44-52.

[64] Für das frühe 16. Jahrhundert hat Georg Schmidt den überzeugenden Vorschlag gemacht, bei städtischen Geschenken an den Kaiser, mit denen man die Ausstellung von Privilegien beschleunigen wollte, nicht von Korruption zu sprechen, weil eine solche moralische Kategorie "wenig zur Analyse vorbürokratischer Verwaltungsstrukturen" beitrage. Vgl. Georg Schmidt: Der Städtetag in der Reichsverfassung. Eine Untersuchung zur korporativen Politik der Freien und Reichsstädte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte 113. Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches 5), Stuttgart 1984, 179; vgl. zu den aktuellen Zugängen zu Korruption in der Frühneuzeit die Beiträge in Hillard von Thiessen / Arne Karsten (Hg.): Nützliche Netzwerke und korrupte Seilschaften, Göttingen 2006; Niels Grüne / Simona Slanička (Hg.): Korruption. Historische Annäherungen an eine Grundfigur politischer Kommunikation, Göttingen 2010; Ronald G. Asch / Birgit Emich / Jens Ivo Engels (Hg.): Integration – Legitimation – Korruption. Politische Patronage in Früher Neuzeit und Moderne, Bern u.a. 2011.

[65] Peter Burke: Der Aufstieg des buchstabengetreuen Denkens, in: Freibeuter 57 (1993), 19-36.

Empfohlene Zitierweise:

André Krischer : Reichsstädte und Reichstag im 18. Jahrhundert. Überlegungen zu Reichspolitik und Politik im Alten Reich anhand Bremer und Hamburger Praktiken , in: zeitenblicke 11, Nr. 2, [30.01.2013], URL: https://www.zeitenblicke.de/2012/2/Krischer/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-34727

Bitte setzen Sie beim Zitieren dieses Beitrags hinter der URL-Angabe in runden Klammern das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse. Zum Zitieren einzelner Passagen nutzen Sie bitte die angegebene Absatznummerierung.

Lizenz

Jedermann darf dieses Werk unter den Bedingungen der Digital Peer Publishing Lizenz elektronisch über­mitteln und zum Download bereit­stellen. Der Lizenztext ist im Internet abrufbar unter der Adresse http://www.dipp.nrw.de/lizenzen/dppl/dppl/DPPL_v2_de_06-2004.html