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  2 (2003), Nr. 2: Inhalt
Ausgangsüberlegungen der Gründer 1996
Die Ausweitung des Herausgeberkreises und die Ablösung von der Humboldt-Universität zu Berlin
Zur Struktur des Mediums 2003
Ausblick
Autoren
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Hans-Peter Haferkamp / Massimo Meccarelli / Mathias Schmoeckel / Andreas Thier

Das 'Forum Historiae Iuris' – eine elektronische Zeitschrift zur Rechtsgeschichte

 
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Das ‘Forum Historiae Iuris’ (FHI) wurde 1996 als erste elektronische Rechtsgeschichtszeitschrift Europas an der Humboldt-Universität zu Berlin von Rainer Schröder, Christoph Paulus, Hans-Peter Benöhr, Fred Bär und Hans-Peter Haferkamp gegründet. Im Ausgangspunkt prägend für das Projekt waren drei Überlegungen, die sich in den Schlagwörtern ‘Internationalität des rechtshistorischen Diskurses’ – ‘Kostendruck’ – ‘Erstarrungstendenzen in der Landschaft der Printmedien’ verdichten lassen.
 
 

Ausgangsüberlegungen der Gründer 1996

1. Die Internationalität des rechtshistorischen Diskurses
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Die Rechtsgeschichte ist europäisch vernetzt, wie es ihren transnationalen römisch-christlichen Wurzeln entspricht. Im Römischen Recht bestehen seit langem enge Forschungsverbünde insbesondere mit Italien, den Niederlanden, Belgien, Österreich, der Schweiz, Skandinavien und Polen. Die Kanonistik steht darüber hinaus mit den amerikanischen und osteuropäischen Fachkollegen in engem Austausch. Auch die traditionell auf die Gebiete des Alten Reichs ausgerichtete Germanistik hat sich seit den siebziger Jahren, teilweise zusammenwachsend mit der Romanistik, teilweise in starker Annäherung an die Geschichtswissenschaften, zunehmend europäisch orientiert. Die durch das Internet ermöglichte Internationalität des Fachdiskurses sprach für ein online-Medium wie das ‘Forum Historiae Iuris’.
 
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Zwar sind namhafte Zeitschriften verschiedener Länder – wie etwa die ‘Tijdschrift voor rechtsgeschiedenis’ oder ‘Ius commune’, 'Quaderni Fiorentini', 'Revue historique de droit français et étranger' - auch europaweit bekannt und werden europaweit rezipiert. Trotzdem ist die rechtshistorische Debatte vielfach noch national gebunden. Eine Plattform für eine grenzüberschreitend verstandene Rechtsgeschichte, die sich um die Überwindung nationaler Radizierungen bemüht, fehlte.
 
2. Kostendruck
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Allerdings boten die 1996 bestehenden gedruckten rechtshistorischen Zeitschriften ein hohes Maß an Internationalität. Doch gerade die Entwicklungen an der Humboldt-Universität ließen nur allzu deutlich erkennen, wie sehr diese Internationalität in den Zeiten zusehends versiegender staatlicher Finanzierungen gefährdet war: Die in Berlin früh einsetzenden radikalen Sparmaßnahmen machten allen Beteiligten klar, dass die ausdifferenzierte Zeitschriftenlandschaft in ihrer überkommenen Form kaum mehr zu halten war. Viele rechtshistorische Zeitschriften waren in Berlin – trotz immerhin dreier Hochschulen und zweier Staatsbibliotheken - nur einmal, bisweilen auch gar nicht vorhanden. Viele Artikel waren nur in der Form von Sonderdrucken verfügbar und gingen als begehrte Sammlerstücke von Hand zu Hand.
 
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Schon deshalb war es natürlich nicht das Ziel der neu gegründeten Zeitschrift, in gefährdenden Wettbewerb zu anderen rechtshistorischen Periodika zu treten. Denn in einer Zeit, in der in ganz Berlin aus dem breiten europäischen Spektrum der Rechtsgeschichte nurmehr zwei Zeitschriftenabonnements zu finanzieren waren, konnte es nicht um Konkurrenz gehen. Die Nutzung des Internet als Publikations- und Vertriebsweg war in dieser Situation das geradezu natürliche Instrument der Wahl. Dass diese Situation in anderen Ländern ihre Entsprechung hatte, zeigt sich im Blick auf die Entwicklung der Abonnentenstrukturen: Denn es war sicherlich kein Zufall, dass zunächst unsere östlichen Nachbarn zu den besonders intensiven Nutzern von ‘Forum Historiae Iuris’ zählten. Mittlerweile dürfte der Druck der knappen Kassen auch und gerade im Bereich der Rechtsgeschichte freilich ein Phänomen mit europaweiter Verbreitung sein.
 
3. Erstarrungstendenzen in der Landschaft der Printmedien
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Die traditionellen Fachvertreter begegneten dem neuen Medium weitgehend mit zurückhaltender Skepsis. Aus der Perspektive des Nachwuchses bot das ‘Forum Historiae Iuris’ hingegen deutliche Vorteile: 1996 befand sich die rechtshistorische Disziplin in einer Phase allmählich einsetzender personeller Umbrüche. Trotzdem war Autoren aus dem Kreis des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht selten der Zugang zu den eingeführten Periodika verwehrt. Hinzu trat der Umstand, dass viele gedruckte Zeitschriften vergleichsweise selten erschienen, so dass oft mehrjährige Wartezeiten bis zum Erscheinen eines Aufsatzes oder auch einer Rezension einzukalkulieren waren. Gerade der wissenschaftliche Nachwuchs stand deshalb im Blick der Mitherausgeber. Das ‘Forum Historiae Iuris’ sollte die schnelle, unkomplizierte, kostenlose und internationale Veröffentlichung möglich machen. Zunächst waren es deswegen vor allem Autoren aus dem Kreis der Doktoranden und Habilitanden, die in unserer Zeitschrift publizierten.
 

Die Ausweitung des Herausgeberkreises und die Ablösung von der Humboldt-Universität zu Berlin

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Die neue Zeitschrift wurde sehr schnell angenommen. In den ersten Jahren erschien eine Vielzahl von Aufsätzen, die praktisch durchweg Erstveröffentlichungen darstellten. Eher schleppend entwickelte sich dagegen das Projekt, laufende Promotionsvorhaben zu sammeln und zugleich den Austausch unter den Nachwuchswissenschaftlern zu ermöglichen. Die Zeitschrift suchte dabei die Nähe zum ‘Europäischen Forum Junger Rechtshistoriker und Rechtshistorikerinnen’, das seit 1996 jährlich an verschiedenen Orten in Europa tagt. In der Folge zeigte sich freilich, dass der Schwung des Anfangs zu erlahmen drohte.
 
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Insbesondere die hohe Arbeitsbelastung der Redaktion, die ihre Aufgaben parallel zum normalen Lehrstuhlbetrieb erfüllen musste, verursachte zunehmend Probleme. Seit 1999 wurde daher die Ausweitung des Herausgeberkreises betrieben. Damit einher ging die Ablösung des Projekts von der Humboldt-Universität zu Berlin, die 2003 durch die eigene Domain ‘forhistiur.de’ auch technisch vollzogen wurde. Mit Mathias Schmoeckel (Bonn), Andreas Thier (Münster), Albecht Cordes (Frankfurt a. M.), Hans-Georg Hermann (München), Martin Schermaier (Münster) und Hans-Peter Haferkamp (inzwischen Köln), wurde die Arbeit in Deutschland auf mehrere Lehrstühle und Universitäten verteilt. Zugleich wurde das Herausgebergremium internationalisiert. Mit Franck Roumy (Paris), Massimo Meccarelli (Macerata), Stefano Solimano (Piacenza), Francesco Di Donato (Benevento), Emilio Conte (Rom), Juan Sainz Guerra (Jaén) und Michele Luminati (Luzern) hat die Herausgeberstruktur inzwischen europäisches Niveau erreicht.
 

Zur Struktur des Mediums 2003

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Der Aufsatzteil bildet seit jeher das Herzstück des ‘Forum Historiae Iuris’. Bei der Auswahl von Manuskripten gilt der Grundsatz, dass in der Regel keine Zweitveröffentlichungen angenommen werden sollen. Die durch die Ausweitung des Herausgeberkreises erreichte fachliche Breite ermöglicht es inzwischen, durch ein strenges Vier-Augen-Prinzip den Status eines Peer Review zu gewährleisten. Um auch die Wünsche von ‘Traditionalisten’ zu befriedigen, werden seit 1999 den Autoren digitale Vorlagen für ‘Sonderausdrucke’ zur Verfügung gestellt. Die Aufsätze werden in einer Druckversion und in einer Bildschirmversion angeboten, die die digitalen Möglichkeiten etwa hinsichtlich der Bewegung im Dokument nutzen kann. Selbstverständlich sind alle veröffentlichten Beiträge auf der Website für die Volltextsuche zugänglich. Die Beiträge können in Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch erscheinen und enthalten im Regelfall ein Abstract in einer zweiten Sprache, möglichst Deutsch oder Englisch. In absehbarer Zeit soll die Zeitschrift neben der bereits existierenden deutschen und englischen Version auch in französisch und italienisch abrufbar sein.
 
 
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Zur Förderung des inner- wie interdisziplinären Austausches bieten wir die Möglichkeit, über laufende Promotionsvorhaben zu berichten. Zunehmend intensiver genutzt wird unser Veranstaltungsdienst, durch den über Tagungen und andere Veranstaltungen informiert wird. Die Sparte ‘Didaktika’ dient vor allem der rechtsgeschichtlichen Lehre, in der wir Seminararbeiten, Musterexegesen, Bibliographien und überblicksartige Darstellungen als ‘Vorlesung’ anbieten. Der Mitherausgeber Mathias Schmoeckel betreut eine exzellente Linksammlung. Unser Plan, eine breite Zeitschriften- und Monographienschau zu organisieren, ließ sich bisher noch nicht realisieren. In der Zwischenzeit bieten wir Verlagen die Möglichkeit, auf Neuerscheinungen hinzuweisen. Seit 2003 existiert eine Rezensionsabteilung, die zu einem zentralen Standbein des ‘Forum Historiae Iuris’ werden soll. Vor kurzem eröffnet wurde ein Internetforum (nicht nur) für Nachwuchsrechtshistoriker, das die direkte Debatte möglich machen und fördern soll.
 

Ausblick

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Die Ausweitung des Herausgeberkreises hat das ‘Forum Historiae Iuris’ – wie schon angedeutet - zu einem europäischen Gesprächskreis werden lassen. Es wurde eine kleine Redaktion gegründet, die, bestehend aus fünf Mitherausgebern, die Tagesarbeit übernimmt. Künftig sollen eventuell Landesredaktionen hinzukommen. Der Wachstumsprozess erfordert in Zukunft eine eigene finanzielle Grundlage: Zumindest ein festes Redaktionsmitglied sollte eingestellt, Herausgebertreffen müssen organisiert werden, um nur einige der unmittelbar drängendsten Herausforderungen anzusprechen.
 
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Neben der Rezensionsabteilung wird auch im Aufsatzteil die klassische ‘Archivfunktion’ einer Zeitschrift weiterhin einen zentralen Bestandteil des Projekts bilden. Trotzdem versteht sich das ‘Forum Historiae Iuris’ nicht als Alternative, sondern als Ergänzung der gedruckten Zeitschriftenlandschaft unter Nutzung der spezifischen Fähigkeiten des mittlerweile nicht mehr ganz neuen, aber doch innovativen Mediums Internet. Künftig soll verstärkt versucht werden, das Internet zur Entwicklung einer neuen Methode des vernetzten Diskurses zu nutzen, der schnell, interdisziplinär, international und vor allem offen im Zugang sein soll. Diese Zielsetzung ist Teil des kulturellen Programms, dem sich das ‘Forum Historiae Iuris’ verpflichtet sieht. Die ‘kurzen Wege’ des Internet dienen dem Ziel, die gerade entstehende europäische Rechtseinheit in historischer Perspektive zu begleiten.
 
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Wir streben deshalb auch den Ausbau transnationaler Projektgruppen an. Der Aufbau derartiger Gesprächskreise soll zunächst in der Sektion ‘Debatte’ versucht werden, wo Streitschriften dazu anregen sollen, einzelne Sachthemen aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Auch wenn die Herausgeber inzwischen weitgehend auf Lehrstühle berufen sind, soll unbedingt die Nähe des Mediums zum wissenschaftlichen Nachwuchs erhalten bleiben. Das verbindet sich mit unserem Ziel, das ‘Forum Historiae Iuris’ als Medium für einen europäischen Marktplatz der rechtshistorischen Meinungen zu etablieren, für dessen Sinnhaftigkeit unsere Zeitschrift auch zukünftig stehen wird.
 

Autoren

Prof. Dr. Hans-Peter Haferkamp
Institut für Neuere Privatrechtsgeschichte, Deutsche und Rheinische Rechtsgeschichte
der Universität zu Köln
Albert-Magnus- Platz
50923 Köln
hans-peter.haferkamp@uni-koeln.de
www.uni-koeln.de/jur-fak/inp/
 
Prof. Dr. Mathias Schmoeckel
Institut für Deutsche und Rheinische Rechtsgeschichte
der Rheinischen Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn
Adenauerallee 24-42
53113 Bonn
mschmoeckel@jura.uni-bonn.de
www.jura.uni-bonn.de/institute/rgesch/
 
Prof. Dr. Massimo Meccarelli
Università di Macerata,
Facoltà di Giurisprudenza, Università di Macerata, Instituto di studi storici, via Garibaldi 20
I-62100 Macerata, Italien
meccarelli@unimc.it
www.unimc.it/web_9900/prov_dip/studi_st/Ist_stud.htm
 

Prof. Dr. Andreas Thier
Universität Münster
Institut für Rechtsgeschichte
Germanistische und Kanonistische Abteilung
Universitätsstraße 14-16
48143 Münster
anthier@uni-muenster.de
www.uni-muenster.de//Jura.history/GermKan/welcome.htm

 

Anmerkung der Redaktion:

Wenn nicht anders vermerkt, gilt als Referenz-Datum für Inhalt und Funktionalität aller im Text genannter Links der 17.10.2003.

Empfohlene Zitierweise:

Hans-Peter Haferkamp / Massimo Meccarelli / Mathias Schmoeckel / Andreas Thier: Das 'Forum Historiae Iuris' – eine elektronische Zeitschrift zur Rechtsgeschichte, in: zeitenblicke 2 (2003), Nr. 2 [22.10.2003], URL: <http://www.zeitenblicke.historicum.net/2003/02/haferkamp.html>

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ZEITENBLICKE ISSN: 1619-0459