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Alice von Plato
«Von Menschen und Göttern verlassene Leichname»
Totenkult im 'Musée des Monuments Français' (1791-1816)?
Abstract
Das 'Musée des Monuments Français' ging 1793 aus der Revolution hervor. Das ehemalige Kloster, in dem enteignete Kirchengüter gelagert wurden, mutierte unter Alexandre Lenoir zu einer chronologisch geordneten Ruhmesstätte der französischen Geschichte. Grabmäler und Monumente erinnern an verschiedene Personen dieser Geschichte – von Héloïse über viele Könige bis hin zu Descartes. Allerdings war das 'Musée des Monuments Français' weniger ein Ort des royalen Totenkults als vielmehr ein Museum, in dem auch die königlichen Grabmäler als Exponate innerhalb der Präsentation der französischen Geschichte fungierten. Daher führte es unter Zeitgenossen zu einer Polarisierung in Anhänger und Gegner: So waren zum Beispiel Michelet und Wilhelm von Humboldt vom 'Musée des Monuments Français' begeistert, während Chateaubriand es strikt ablehnte. Im 'Musée des Monuments Français’ waren die Grabstätten und Skulpturen permanente Zeugnisse der Niederlage des Königtums. In der Restauration wurde das Museum Ende 1816 geschlossen, die königlichen Grabmäler wurden zurück in die Kirche von Saint Denis überführt.
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Betrachtet man die überlieferten Bilder des 'Musée des Monuments Français', scheint es sich auf den ersten Blick um die Stätte eines ehrerbietigen Totenkultes gehandelt zu haben. Daher verwundert es, dass dieses Museum im Gegensatz zu den anderen noch heute existierenden Museumsgründungen der Französischen Revolution – wie etwa das 'Musée du Louvre' – nur eine kurze Lebensdauer hatte (nämlich von 1791 bis 1816), und dass es dennoch zu den berühmtesten Pariser Museen zu zählen ist. [1]
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Die Auseinandersetzungen um die Schließung des 'Musée des Monuments Français' zeigen, dass es in diesem Museum trotz der feierlichen Atmosphäre an diesem Ort mit dem Totenkult eine besondere Bewandtnis hatte. Nach einem kurzen Abriss der Geschichte des Museums und seiner Beschreibung werden daher die Reaktionen der Zeitgenossen auf das Museum im Mittelpunkt des Beitrags stehen. [2]
Abriss der Geschichte des Museums
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Das 'Musée des Monuments Français' begann seine Karriere in der Revolutionszeit als Zwischenlager. Im Verlauf der Revolution wurden Statuen und kirchliche Güter, die bei den Enteignungen der königlichen Familien, des Adels und der Kirche anfielen, im ehemaligen Kloster der Petits-Augustins gelagert, bevor von der Commission des Monuments darüber entschieden wurde, ob sie als erhaltenswert galten. Viele der als wertvoll erachteten Objekte kamen in den Louvre, andere, die als Erbe der Monarchie abgelehnt wurden, waren der Zerstörung freigegeben. Im Jahr 1791 begann der 29-jährige, bis dahin wenig erfolgreiche Künstler Alexandre Lenoir als Wächter des Lagers zu arbeiten. [3]
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Etwa ab 1793 begann Lenoir, sein provisorisches Lager in ein Museum umzuwandeln. Von nun an führte er einen unermüdlichen Kampf – mit ständigen Anpassungsleistungen an die sich wandelnden politischen Maßstäbe. Sein Ziel, das 'Musée des Monuments Français' als eigenständige Institution zu etablieren, in der anhand von Monumenten die Geschichte und Kunstgeschichte illustriert werden sollten, verlor er dabei nicht aus den Augen. Im Jahr 1795 wurde sein Lager offiziell zum Museum umgewandelt. [4]
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Rastlos beschaffte er Monumente und arrangierte sie trotz aller Provisorien geschickt nach seinen Vorstellungen. In den ersten Jahren seines Wirkens war Lenoir vor allem auf Lieferungen bzw. eigene Akquisitionen angewiesen, die aus den Kirchen von Paris zusammengetragen wurden, insbesondere aus der ehemaligen königlichen Grabeskirche Saint-Denis. Nicht zufällig stammten die mittels Kunstwerken und Grabplastiken repräsentierten Personen daher vor allem aus den Kreisen der Privilegierten – und zwar besonders der königlichen Familien – des Ancien Régime, was wiederum schwer mit dem Geist der Revolution vereinbar war.
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In Paris und Umgebung hatte sich Lenoir seit dem Ausbruch der Revolution intensiv über den Zustand der Monumente informiert, auch Bestandslisten angefertigt und Notizen sowie Zeichnungen gemacht, etwa bei der Öffnung der Särge in der Kathedrale von Saint-Denis. [5] Viele der dort abmontierten Grabmäler und Statuen wurden in seinem Depot untergebracht. Sobald es die politische Situation erlaubte, holte er auch die Überreste der schon zerstörten Gräber in sein Lager / Museum. Manchmal wandte er eine List an, ließ Gräber stückweise – angeblich des Marmors wegen – abmontieren und lagerte sie dann in einer dunklen Ecke des Klosters, bevor er sich an deren Wiederaufbau machen konnte, wie etwa im Falle des Grabes von Franz I. Während der Revolution wäre eine offene Restaurierung der zur Zerstörung freigegebenen Objekte natürlich nicht gestattet worden.
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Durch Lenoirs hartnäckigem Einsatz wuchs das 'Musée des Monuments Français' ständig, erweiterte seine Räumlichkeiten und seine Sammlungen. Immer wieder nahm er Großprojekte in Angriff, installierte ganze Fassaden und Bauteile von Schlössern oder anderen Gebäuden und begann noch vor der Jahrhundertwende mit der Umwandlung des Klostergartens in ein 'Elysée', in dem er Grab- und Denkmäler für verschiedene Personen der Geschichte errichten ließ, manche inklusive der sterblichen Überreste von Dichtern und Denkern vergangener Epochen, die ihm in den 1790er Jahren übergeben wurden.
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Im Jahr 1803 gab es erste Überlegungen zur Rückführung der königlichen Grabmäler in die Abtei von Saint-Denis, die allerdings nicht realisiert wurden. Unermüdlich schmiedete Lenoir neue Pläne, versuchte immer wieder, die unterschiedlichen Herrschenden für das 'Musée des Monuments Français' zu gewinnen. Berichte, publizierte Beschreibungen und Kataloge dienten zur Rechtfertigung der Unersättlichkeit seines Museums. Denn selbst in Zeiten, als Zerstörungen schon lange nicht mehr zu befürchten waren, rettete Lenoir noch Objekte. [6]
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Zu Beginn des Jahres 1816 – kurz nach der Rückkehr eines Bourbonen, Ludwigs XVIII., auf den Thron – musste er Aufstellungen über die Herkunft aller Objekte seines Museums verfassen, insbesondere der königlichen Grabmäler von Saint-Denis. Ende 1816 wurde die Schließung des 'Musée des Monuments Français' angeordnet und Lenoir wurde ab 1817 als Konservator, der über die Rückführung dieser Grabmäler wachen musste, eingesetzt. [7]

Abb. 1

Die Ausstellung
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Die Räume des 'Musée des Monuments Français' folgten vor allem einer chronologischen Ordnung. Die einstige Klosterkapelle wandelte Lenoir in eine Eingangshalle um.
Die folgenden Säle, in denen er Artefakte vom 13. bis zum 17. Jahrhundert unterbrachte, bildeten einen Rundgang, der seinerseits den ehemaligen Kreuzgang sowie den inneren Klostergarten umrundete. Die ausgestellten Kunstwerke umfassten Gemälde, Skulpturen, Reliefs, bleigefasste Glasfenster aus alten Kirchen, Fassadenteile eines Schlosses und vor allem Grabmäler bzw. Teile von Grabstätten.

Abb. 2
Abb. 3

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Von Zeitgenossen wurde der dem 13. Jahrhundert gewidmete Saal (Abb. 1) übereinstimmend als der eindrucksvollste Raum empfunden. Er war düster und im Winter wie das gesamte Museum kalt und feucht. [8] Die Fenster wurden teilweise gegen bunte, wenig Licht spendende Kirchenfenster ausgewechselt. Lenoir setzte die spärliche Beleuchtung bewusst ein. Dominiert wurde der Raum von Grabfiguren, die an den Wänden platziert waren. Die gewölbte Decke des Raumes hatte er dunkelblau bemalen und mit goldenen Sternen versehen lassen. Die folgenden Räume wurden immer heller, je weiter man sich vom 'düsteren' Mittelalter entfernte.

Abb. 4

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Tatsächlich sind einige der heute wieder in die Kirche von Saint-Denis zurückgekehrten Grabplastiken, wie auch Wilhelm von Humboldt feststellte, aus heutiger Sicht nicht besonders romantisch; dabei sind besonders die nüchternen Darstellungen nackter Sterbender bzw. gerade Gestorbener in Augenhöhe sehr eindrucksvoll.
Erst auf der 'oberen Etage', der Betrachterebene entrückt, knieen auf einer Art Tempel bzw. Baldachin die verklärten, betenden Figuren in der Erwartung des Jüngsten Gerichts.

Abb. 5

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Neben den Königen, deren aus Saint-Denis stammende leere Grabmäler und Grabplastiken im 'Musée des Monuments Français' gezeigt wurden, weil sie im Gegensatz zu vielen der von Lenoir erwählten oder ihm gelieferten Toten die Phase der 'terreur' nicht 'überlebt' hatten, war die Auswahl der anderen historischen Toten recht willkürlich. Sich auf große Personen zu beziehen, die Geschichte gemacht hatten bzw. diese im Nachhinein repräsentierten, war natürlich nicht neu, auch nicht in der Museumsgeschichte. Doch in den Jahren seit der Revolution konnte nur ein mutiger, naiver und sendungsbewusster Mensch wie Lenoir entscheidende Personen der Geschichte Frankreichs auswählen. Zu ihnen zählten bekannte Dichter und Denker wie La Fontaine, Molière, Montaigne oder Descartes sowie verschiedene Personen, die Lenoir besonders verehrte wie Montfaucon oder Abélard und Héloïse. [8]
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Es gab in Frankreich nichts Vergleichbares. Das Pantheon stellte noch keine Konkurrenz für das 'Musée des Monuments Français' dar; denn es war seit seiner Gründung 1791 noch recht leer, zudem gab es hier keine Monumente. Im internationalen Vergleich war der Anerkennung, die Westminster in England und ganz Europa erlangt hatte, noch nichts entgegenzusetzen. Westminster hingegen scheint Lenoir besonders wegen seiner Bedeutung als nationale Weihestätte inspiriert zu haben.
In gewisser Weise war sein Museum allerdings eine spiegelverkehrte Einrichtung. In Paris bei Lenoir waren vor allem die Könige nur durch ihre Särge vertreten und viele der Geistesgrößen auch als Leichen, während in der Hauptkapelle von Westminster auf Erlass Heinrichs VII. den nicht zur königlichen Familie gehörenden Personen nur Monumente errichtet werden durften oder sie als "geputzte Wachsfiguren [...] in einigen Kapellen in Wandschränken" vertreten waren. [10]
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Die Gestaltung der Ruhestätten im 'Musée des Monuments Français' entsprach in den wenigsten Fällen den ursprünglichen Formen. Denn immer öfter gab Lenoir bei Bildhauern neue Plastiken in Auftrag. Zudem entwarf er selbst größere Restaurationsarbeiten oder Inszenierungen wie etwa eine Art kleiner Kapelle für Franz I. oder ein monumentales Grabmal des romantisch verklärten Liebespaares Abélard und Héloïse im Elysium. [11] Sicherlich demonstriert ihr von Lenoir in Auftrag gegebenes Grab – eine postume Zusammenführung – am eindrucksvollsten die romantischen Seiten seines Museums. Hier hatte Lenoir seiner Kreativität besonderen Spielraum gelassen. [12]

Abb. 6

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"Ein Elysium erschien mir dem Wesen, das ich meiner Einrichtung gegeben habe, am meisten zu entsprechen, und der Garten im Innenhof hat mir alle Mittel geboten, mein Vorhaben auszuführen. In diesem ruhigen und friedlichen Garten sieht man mehr als 40 Statuen, Gräber, die sich hier und da auf einem grünen Rasen würdevoll inmitten des Schweigens und der Ruhe erheben. Kiefern, Zypressen und Pappeln begleiten sie; Elendsgestalten und Aschenurnen auf den Mauern tragen dazu bei, diesem Ort des Glücks die sanfte Melancholie zu geben, die aus der Seele spricht." [13] Nach diesen Beschreibungen scheint es fast, als sei das Museum tatsächlich ein Ort des Totenkults gewesen, dessen sich die Restauration nicht hätte entledigen müssen.
"J'oublie ses moeurs avec sa cendre." Lenoirs Geschichtskonzeption
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Es ist evident, dass eine museale Institution, die aus der Revolution hervorgegangen war und in der enteignete Objekte gezeigt wurden, unter den folgenden Regierungen in Erklärungsnot geraten musste.

Abb. 7

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Während der Revolution versuchte Lenoir, seinen schriftlichen Aufstellungen einen Ton zu geben, der so revolutionär bzw. so rational wie möglich klingen sollte. Um dem Vorwurf entgegenzuwirken, er dokumentiere die 'Tyrannen', schrieb Lenoir zum Beispiel, dass die mittelalterlichen Skulpturen "eine Vorstellung von alten Sitten vermitteln" sollten, und dass er sie "nur wie eine Sammlung von Modepuppen" betrachte, "gekleidet nach den Epochen, denen sie angehören" (16.8.1794). Dass ihm solche Äußerungen später, in Zeiten der Restauration, übel genommen wurden, ist kaum verwunderlich.
<19>
Der revolutionäre Aspekt der Lenoirschen Museologie hängt mit der von ihm eingeführten Chronologie zusammen. Die königlichen Grabmäler bzw. Statuen wurden von ihm als Zeugen der Geschichte und Kunstgeschichte funktionalisiert. Michelet beschrieb diesen revolutionären Aspekt wie folgt:
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"Eine ganze Welt historischer Toter hatte bei dem gewaltigen Ruf der Revolution ihre Kapellen verlassen und sich in dies neue Tal Josaphat begeben. Hier waren sie seit gestern, noch ohne Sockel, oft schlecht aufgestellt, aber keineswegs ungeordnet." [14] Im Rahmen seines eigenen 'innigen' Verhältnisses zu den Toten der Geschichte spielt Michelet hier auf das Tal Josaphat an, das auch Lenoir in einem Brief beschworen hatte. Michelet macht das Museum zu einem endzeitlichen Ort: So wie das Tal Josaphat im Alten Testament eine Richtstätte für die heidnischen Völker gewesen war, richtet nun die Revolution die historischen Toten und weist ihnen ihren Platz in der Chronologie – und nicht nach ihrem Stand – zu.
<21>
Zwar gehörten viel Fantasie und ein gewisses Maß an Bildung dazu, sich die fahlen Gestalten als Kolorit der Geschichte vorzustellen. Doch gab es Besucher wie etwa Wilhelm von Humboldt, die im 'Musée des Monuments Français' Anregungen empfingen, bzw. hier "die Fortschritte der Kunst mehrere Jahrhunderte hindurch" verfolgten: "Für mich, gestehe ich, besitzt diese Reihe von Denkmälern noch einen andren und höheren Reiz. Bei der Beobachtung des Menschen kommt alles auf das anschauliche Bild des Gegenstandes an; Ist es nun unmöglich einen lebendigen Blick in die Vorzeit zu werfen, so führt uns die bildende Kunst wenigstens einzelne bedeutende Gestalten zurück. Die Einbildungskraft heftet sich an ihnen fest, und findet wenigstens so einige Anleitung, das Bild jener Jahrhunderte zu zeichnen. Es ist nicht, dass man gerade dadurch neue Angaben empfienge, vorher unbekannte Seiten kennen lernte; aber man lernt besser verstehen und vollständiger zusammenfügen, was der todte Buchstabe der Geschichte nur unvollkommen und einzeln zu liefern vermag." [15]
<22>
Die Zerstörung der königlichen Grablege während der Revolution 1793 gehörte einst zu den Todesschlägen gegen die Monarchie. Die Aufhebung der Unversehrtheit der Toten fiel mit der Enthauptung der Königin im Jahre 1793 zusammen. Lenoir muss den Exhumierungen in Saint-Denis mit gemischten Gefühlen beigewohnt haben. Davon zeugt sein folgender Bericht:
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"Ich habe von der Aushebung des Leichnams Heinrich IV. gesprochen, bei der ich zugegen war; die Frische des Leichnams war überraschend nach mehr als 180 Jahren Tod. Ich habe das Vergnügen gehabt, diese angenehmen Überreste zu berühren; sein Bart, sein rötlicher Schnurrbart war gut erhalten; ich habe seine Hände mit einem gewissen Respekt berührt, dessen ich mich nicht erwehren konnte, obwohl ich ein guter Republikaner war. Turenne, dessen Mumie man so sehr gelobt hat, war weniger gut erhalten; die Formen waren abgeflachter, die Haut trockener und faltiger, indes gelang es mir, durch diese gestaltlose Masse in meiner Eigenschaft als Künstler die Formen seines Gesichtes wieder zu erkennen; hingegen hätte der erstbeste Bauerntölpel, der in seinem Leben die Büste oder das Portrait von Heinrich auf dem Pont Neuf oder woanders erblickt hätte, diesen inmitten von 1.000 Leichen wieder erkannt, so wenig hatten sich seine Züge verändert." [16]
 
<24>
Zur Zeit der Revolution sah sich Lenoir offenbar genötigt, sich gegenüber seinen revolutionären Vorgesetzten für einen gewissen Rest an Ehrerbietung zu entschuldigen, die er bei der Berührung Heinrichs IV. empfand. Doch schon in dieser Zeit weckten die Toten der Geschichte bei ihm mehr seinen professionellen Ehrgeiz und den Blick des Künstlers, der die Helden der Vergangenheit mit ihren überlieferten Abbildern vergleicht. Die Fortsetzung seines Berichtes über Konsistenz und Geruchsbildung bei der Öffnung der Särge klingt fast neutral, wobei er den Zustand der Leichen durch deren Tod bzw. die jeweiligen Konservierungsmaßnahmen erklärt.
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"Ludwig XIV. hatte man eher wohlbehalten vorgefunden, aber sehr ausgetrocknet und die Haut klebte an den Knochen. [...] (Bei der Öffnung des Sarges, A.v.P.) von Heinrich IV. entwich ein sehr starker und würziger Geruch. Ihre Gehirne waren entleert und durch Werg ersetzt worden.
Bei der Öffnung von Franz I. ergoss sich eine beträchtliche Menge schwarzer Flüssigkeit, und die Knochen wurden frei liegend vorgefunden. Im Sarg des heiligen Ludwig fand man nur Knochen. Das darf nicht verwundern, weil er in Afrika, wo er starb, gekocht worden war, und nur die Knochen kamen nach Frankreich." [17]
<26>
Angesichts des gekochten Königs ist vor allem die Teilnahmslosigkeit der Beobachtung bemerkenswert. Humboldt beneidete ihn offenbar um diese einzigartige Gelegenheit:
"Er sah also die Särge dieser langen Königsreihe vor sich öfnen; sah die Costüme so verschiedener Jahrhunderte, und konnte sogar noch eine und die andre Gesichtsbildung ganz oder zum Theil erkennen – ein einziger Anblick, mehr als irgend etwas andres, dazu gemacht, die Einbildungskraft in jene entfernten Zeiten zurückzuversetzen. Schade dass die Lage und die Zeitumstände ihm nicht erlaubten, die mindeste kleine Zeichnung zu entwerfen, da sich sonst unstreitig über das Costüme der frühern Zeiten interessante Entdeckungen hätten machen lassen." [18]
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Der Neid des Wissenschaftlers in Wilhelm von Humboldt ist wohl berechtigt. Das Maß an 'Authentizität' der Geschichte, das Lenoir hier genossen hat, war denkbar hoch. Die Leichen von Personen der Geschichte, die sonst nicht sichtbar sind und auf die aus anderen Quellen (Texten oder den Grabstatuen) Rückschlüsse gezogen werden müssen, hatten im Moment der Graböffnung bar jeden Schutzes oder jeglicher Distanz vor Lenoir gelegen. Sie waren tatsächlich sichtbar und sinnlich erfahrbar gewesen: Ein Fest für die Einbildungskraft und die historische Wissenschaft – und hier nicht mehr nur im Bereich der physiognomischen Erkenntnisse, sondern auch zum Zwecke von Kleidungsstudien.
<28>
Andere Zeitgenossen, die sich weniger den Zielen der Aufklärung verschrieben hatten, bedauerten mithin weniger das wissenschaftliche Versäumnis Lenoirs in Bezug auf die Kleidungsstudien, als dass sie ihm vorwarfen, was Humboldt in seiner Begeisterung für den möglichen Erkenntnisgewinn überhaupt nicht erwähnt, was aber die Voraussetzung für wissenschaftliche Studien in einer solch heiklen Situation gewesen wäre: Die Teilnahmslosigkeit bedurfte einer gewissen Respektlosigkeit gegenüber den königlichen Exhumierten, die immerhin ihrer Vernichtung (durch Kalk) bzw. der Anonymität im Massengrab entgegensahen. Dennoch: Auch in den Wirren der Revolution hatte Lenoir versucht, die Zerstörung von Grabstätten zu verhindern bzw. halb zerstörte oder schon abmontierte Teile in sein Museum aufzunehmen. Doch tatsächlich könnte seine Anwesenheit bei der Öffnung der Särge sein späteres Selbstverständnis als Gestalter der Geschichte untermauert haben. [19] Die Teilnahme am Einbruch in die königliche Ruhestätte war ein Sakrileg, dem innerhalb der symbolischen Aktionen der Revolution besondere Bedeutung beigemessen wurde. [20]
<29>
Einer der schärfsten Kritiker Lenoirs war Chateaubriand in seinem Werk über den "Geist des Christentums". [21] In den Passagen dieses Werkes, die sich mit der Kunst beschäftigen, versuchte Chateaubriand, die Schönheit und Überlegenheit der christlichen Kunst zu beweisen. Gotik und Mittelalter sowie ihre Ruinen wurden von ihm romantisiert; der Anblick und die Beschreibung aufgebahrter Toter inspirierten ihn zur romantischen Verklärung des Rittertums. Obwohl Chateaubriand selbst einen Teil seiner Inspiration den Grabstätten Lenoirs und dessen Konservierungsmaßnahmen verdankt haben muss – denn er veröffentlichte den Text kurz nach seiner Rückkehr aus dem Exil im Jahre 1802, als die meisten Pariser Kirchen und auch Saint-Denis noch der Zeichen der 'Extyrannen' und damit auch vieler Grabskulpturen beraubt waren –, schien ihm deren Musealisierung keine gute Idee zu sein:
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"Ohne Zweifel stehen wir tief in der Schuld des Künstlers, der die Überreste unserer alten Grabstätten zusammengestellt hat. Aber dennoch: Was die Wirkung dieser Denkmäler betrifft, so spürt man zu sehr, dass sie zerstört sind. Auf wenig Raum zusammengedrängt, unterteilt nach Jahrhunderten, ihrer Harmonie mit dem Altertum der Kirchen und des christlichen Kultes beraubt, dienen sie nur noch der Kunstgeschichte und nicht derjenigen der Sitten und der Religion, indem sie noch nicht einmal ihren Staub behielten, sprechen sie weder die Imagination noch das Herz an." [22]
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Entgegen seinem leutseligen Einleitungssatz empfand Chateaubriand offenbar kein bisschen Dankbarkeit gegenüber Lenoir, dessen Namen er nicht einmal erwähnte. Ihn störte die neue Ordnung, gerade weil sie die alte, gewachsene zerbrach. Allerdings ist dies ein Argument gegen jede Musealisierung: Im Widerspruch zu Lenoir steht auch Chateaubriands Haltung zur historischen Aussagekraft der Denkmäler: Sie standen für ihn, den Aristokraten, nur noch für die Kunst- und nicht mehr für die Sitten- oder Religionsgeschichte. Sieht man von den Neuschöpfungen und 'Restaurationsentgleisungen' Lenoirs einmal ab, störte – so vermute ich – Chateaubriand noch ein weiterer Aspekt: Ihre Überführung ins 'Musée des Monuments Français' machte die Grabstätten und Skulpturen zu permanenten Zeugnissen der Niederlage des Königtums. Sie waren nicht mehr die unantastbaren Zeugen des Herrschaftsanspruches untergegangener Dynastien. In der folgenden Passage steigert sich Chateaubriands Abneigung gegenüber der Musealisierung und der damit verbundenen Degradierung der königlichen Grabmäler: Letztlich hatte Chateaubriand für die Revolutionäre und ihre Zerstörungsaktionen mehr Verständnis als für die Konservierungsmaßnahmen Lenoirs. Er fährt fort:
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"Als abscheuliche Menschen die Idee hatten, das Asyl der Toten zu schänden und deren Asche zu zerstreuen, um die Erinnerung an die Vergangenheit auszulöschen, konnte diese Tatsache, so schrecklich sie ist, in den Augen der menschlichen Verrücktheit eine gewisse bösartige Größe haben; hieß es doch, die Verpflichtung einzugehen, die Welt umzustürzen, in Frankreich nicht einen Stein auf dem anderen zu lassen und über die Ruinen hinweg unbekannte Institutionen zu erreichen. Aber in diese Exzesse einzutauchen, um auf gewöhnlichen Pfaden zu bleiben und nur um Albernheit und Absurdität zu zeigen, das hieß, die Leidenschaft des Verbrechens, nicht jedoch die Fähigkeit dazu zu haben." [23]
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Offenbar wusste Chateaubriand, dass Lenoir der Öffnung einiger Särge beigewohnt hatte. [24] Dass dieser sich gleichzeitig schon früh gegen deren totale Zerstörung gewandt hatte, das sprach nach Chateaubriands wackerer Logik vollends gegen Lenoir: Denn statt nun alles zu zerstören, schreckte Lenoir als ein des großen Verbrechens nicht fähiger Zeitgenosse vor der gänzlichen Zerstörung zurück und demütigte die Überreste der königlichen Repräsentationskunst mit einer Existenz im Museum, das durch die Revolution zum Eigentum des gesamten Volkes gemacht worden war.
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Es war nur logisch im Sinne Chateaubriands oder eines Quatremère de Quincy, einer der Hauptagitatoren gegen Lenoirs Museum, dass Ludwig XVIII. im Jahre 1816 die Rückführung der königlichen Grabmäler aus dem 'Musée des Monuments Français' nach Saint Denis anordnete. Zwar konnte dadurch die einstige revolutionäre Schändung nicht rückgängig gemacht werden, aber angesichts der damaligen Preisgabe der königlichen Gebeine war die Rückführung der vorhandenen Überreste und der steinernen Platzhalter an einen heiligen Ort eine wichtige Geste. Denn nicht zuletzt Chateaubriands Wut hatte deutlich gemacht, dass die Verlegung eines königlichen Grabes ins Museum zwar zum Erhalt des künstlerischen Wertes der Grabstätten beitrug und auch zur Erinnerung an den (als Leichnam verlorenen) König, dass diese Form der Repräsentation aber in gewisser Weise zur Entweihung und Reduktion des einstigen Monarchen führte.
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Denn dieser galt nun zum Exponat einer Ausstellung degradiert, nicht mehr als ein Bruchstück und erlangte auf diese Art eine neue Bedeutung in der "[...] kulturelle(n) Bereicherung des Nationalerbes in einer neuen Institution, dem Museum, wo Objekte nicht länger auf eine himmlische Person hinweisen sollten wie zumeist in der religiösen Kunst, sondern einen Platz in der chronologischen und fortschreitenden Vorstellung der französischen Kulturgeschichte (wie zum Beispiel im 'Musée des Monuments Français')." [25] Es muss kaum betont werden, dass auf dieser Ebene der Konflikt mit der Restauration vorprogrammiert war. Die Grabmäler hatten ihre ursprüngliche Funktion verloren.
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Ende 1816 begann Lenoir einen letzten großen Rettungsversuch seines Lebenswerkes und schrieb an den König: "Sire, ich habe erfahren, dass man die Absicht hat, in der Abtei Saint-Denis die Grabmäler der Könige wieder aufzubauen und den bestehenden Kirchen die Monumente wiederzugeben, die sie besaßen und die noch im Museum sind. Wer würde nicht einer solch gerechten Wiedergabe Beifall zollen? (...) Ich denke daher, dass man in Paris ein Museum der französischen Kunst beibehalten kann, indem man in den Petits-Augustins die heimatlosen Monumente erhält und indem man von allen Statuen der Könige, die nach Saint-Denis zurückkehren, einen Abdruck oder einen Abguss anfertigen ließe, ebenso wie von den anderen Stücken, die zur Rückgabe bestimmt sind und die zugleich für die Chronologie der Geschichte Frankreichs oder seiner Künste wesentlich sind." [26]
<37>
Noch immer hatte Lenoir 'seine' Geschichte nicht aufgegeben. Auch für Saint-Denis hielt er eine chronologische Ordnung bereit. Er bat am Ende des Briefes sogar um "die Gesamtleitung der Verwaltung der Monumente, die ich vor der Zerstörung gerettet habe, wo immer es Ihr[er Majestät, A.v.P.] gefällt, sie unterzubringen, weil es unmöglich ist, mich von ihnen zu lösen". Dieser Wunsch wurde ihm auch gewährt. [27] Interessanter ist allerdings sein Vorschlag, sein Museum, das inzwischen 'Musée royal des monuments français' (Königliches Denkmalmuseum) hieß, in eine Weihestätte umzuwandeln:
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"[...] unter der Voraussetzung, dass man das Museum so erhielte, wie es jetzt ist, könnte man es nicht heiligen, indem man in seinem Inneren eine Kapelle einrichtete und indem man ihr einen Kaplan gäbe, der jeden Tag eine Messe lesen würde zum Gedächtnis der Personen, deren Mausoleum sich in den Petits-Augustins befinden? Die Öffentlichkeit dürfte an diesem religiösen Akt teilnehmen." [28]
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In Lenoirs nicht realisierten Plänen wird das Museum zu einem Gedächtnisort besonderer Art, zu einer Verbindung aus Museum und religiöser Weihestätte. Aber Lenoirs Vorschlag konnte nicht akzeptiert werden, denn sein Museum war – dies sollte inzwischen deutlich geworden sein – alles andere als ein königlicher Gedächtnisort. Und trotz der vielen aufgebahrten versteinerten Könige hätte auch ein Priester, der hier täglich die leeren Särge gesegnet hätte, nichts daran geändert, dass dieses Museum nicht nur von der Vernichtung der königlichen Gebeine und der Aufnahme der damit herrenlos gewordenen Grabmäler profitiert hatte. Nein, diese Zweckentfremdung ehedem geweihter und herrschaftlicher Ruhestätten oder ihrer Teile war die Verkörperung des Triumphs der revolutionären Geschichtsbetrachtung. Bei seiner vorsichtigen ersten Bitte, das Grabmal Franz I. restaurieren zu dürfen, hatte Lenoir einst geschrieben:
<40>
"Glauben Sie mir bitte, Mitbürger, dass es nicht zum Gedächtnis Franz' I. geschieht, wenn ich darum ersuche, das Monument, von dem ich Sie unterrichten werde, wieder aufbauen zu dürfen; ich vergesse seine Sitten mit seiner Asche. Nur der Fortschritt der Künste und die Bildung beschäftigen mich." [29]
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Die königlichen Sitten aber waren nun vergessen, verfallen, sogar vernichtet, zusammen mit den Gebeinen. In diesem Sinne war Lenoirs Museum ein Ort, an dem nicht zuletzt durch die Musealisierung die Zerstörung des königlichen Totenkults gefeiert wurde.
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Abschließend möchte ich noch einmal auf meinen Titel zu sprechen kommen. Das Zitat "Von Menschen und Göttern verlassene Leichname" stammt von Humboldt und ich habe es nicht nur der schönen Formulierung wegen gewählt, sondern es hatte – zumindest in Lenoirs Museum – eine doppelte Bedeutung: Nicht zufällig hatte Lenoir nur den Garten als Elysium (also als Stätte für Heroen) bezeichnet. Die Toten in den chronologischen und eher düsteren Sälen, die einstigen Könige, waren dagegen eher im Hades gelandet – sie waren wirklich von Menschen und Göttern verlassen worden.

Abb. 8

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Die hier repräsentierte Geschichte stand dem einstigen Totenkult und dem der Restauration entgegen. Doch war das Museum zwischenzeitlich zum nationalen Weiheort geworden, der bei den Gegnern der Restauration und im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts hohe Berühmtheit erlangte. So wurden zum Beispiel gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Unterlagen zu seiner Geschichte als Einleitungsbände des Großprojekts "Inventaire Général des Richesses d'Art de la France" veröffentlicht. [30]
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Trotz seiner relativ kurzen Existenz von 1795 bis 1816 gehört das 'Musée des Monuments Français' zu den einflussreichsten Imaginationsorten der Geschichte und blieb den französischen Intellektuellen noch über Jahrzehnte im Gedächtnis. Spätere Museumsgründungen beriefen sich auf diesen Vorfahren, und noch heute gibt es ein Nachfolgemuseum [31], das dem Lenoirschen Erbe verpflichtet ist.
Anmerkungen
[1] Vgl. zur Forschungslage: Dominique Poulot: Musée, nation, patrimoine, 1789-1815, Paris 1997, und ders.: Alexandre Lenoir et les musées des monuments français, in: Pierre Nora (Hg.): Les lieux de mémoire II, La Nation 2, Paris 1986, 497-531; Elke Harten: Museen und Museumsprojekte der Französischen Revolution: ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte einer Institution, Münster 1989; Stephen Bann: The Clothing of Clio. A study of the representation of history in nineteenth-century Britain and France, Cambridge, London 1984, und ders.: The inventions of history. Essays on the representation of the past, Manchester / New York 1990; Alice von Plato: Präsentierte Geschichte. Ausstellungskultur und Massenpublikum im Frankreich des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2001, hier 16ff.
[2] Die Geschichte des 'Musée des Monuments Français' ist sehr gut dokumentiert: Inventaire général des Richesses d'Art de la France. Archives du 'Musée des Monuments Français'. Papiers de M. Albert Lenoir et Documents tirés des Archives de l'Administration des Beaux-Arts, Bd. I, Paris 1883; Archives du 'Musée des Monuments Français'. Documents déposés aux Archives Nationales et provenant du 'Musée des Monuments Français', Bd. II, 1886; Archives du 'Musée des Monuments Français'. Inventaires, correspondance, pièces administratives, etc., tirés des Archives du Musée et déposés aux Archives Nationales, Bd. III, 1897. Im Folgenden zitiert als: AMMF, I – III. In den Archives nationales werden die Akten der Archives du 'Musée des Monuments Français' unter F 21 aufbewahrt. Zu den weiteren Quellen sowie zu einer ausführlicheren Analyse des 'Musée des Monuments Français' vgl. v. Plato: Präsentierte Geschichte, 7ff.
Außerdem gibt es eine Fülle von bildlichen Darstellungen des Museums und seiner Räume. Vgl. Vues pittoresques et perspectives des Salles du Musée des Monuments françois, et des principaux ouvrages d’architecture, de sculpture et de peinture sur verre qu’elles referment, gravées au Burin, en vingt estampes, par MM. Réville et Lavallée, d’après les dessins de M. Vauzelle: avec un texte explicatif par B. de Roquefort. Ouv­rage dédié et présenté au Roi, Paris (P. Didot, l’ainé) 1816.
[3] Am 4.11.1793, dem "4 brumaire an II", schreibt Alexandre Lenoir an die Stadtverwaltung, dass er etwa 180 Bilder (Portraits) an die "commissaires de la section de l'unité" geliefert habe, die bei einem Volksfest verbrannt werden sollten. AMMF I, 12. Im September 1794 wurde die "Commission des monuments" – eine von Lenoirs vorgesetzten Stellen – vom Innenminister dazu aufgefordert, alle Metallteile von "Gräbern und anderen unterdrückten Denkmälern", die sich schon in den Petits-Augustins befänden, der Münzstelle zukommen zu lassen; Bericht Lenoirs vom 18.7.1795, AMMF I, 20ff.
[4] AMMF II, 78-79.
[5] Eine dieser Offenlegungen und Vernichtungen der Gebeine der Könige wurde später in den Diskussionen um die ‚Abwicklung' seines Museums von seinen Gegnern als besonderes Beispiel Lenoirschen Vandalismus' angeführt. In der Presse gab es eine heftige Debatte nach der Schließung des Museums. Vgl. die Artikel aus dem Moniteur und dem Indépendant vom Juni 1819, AMMF III, 277ff.
[6] So fertigte Lenoir unter der Aufsicht und mit Unterstützung des Denkmalschutzbeauftragten M. Lafolie im Januar/Februar 1816 drei ausführliche Listen an (AMMF III, 155). Die erste umfasste 575 Denkmäler, Statuen, Reliefs und Büsten, die zweite eine Serie von 124 kleinen Ölportraits und die dritte Gipsmodelle von antiken Objekten sowie Gemälde der ehemaligen Akademie der Künste. Zu den Registern und zur Auflösung des Museums vgl. AMMF III, 163ff.
[7] Leopoldo Cigognara, zitiert bei Francis Haskell: Die Geschichte und ihre Bilder. Die Kunst und die Deutung der Vergan¬genheit, Mün¬chen 1995, 267f.
[8] Zur musealen Entwicklung des "Kults der großen Männer" vgl. Rainer Kahsnitz: Museum und Denkmal. Überlegungen zu Gräbern, historischen Fresken¬zyklen und Ehrenhallen in Museen, in: Bernward Deneke / Rainer Kahsnitz (Hg.): Das kunst- und kulturgeschichtliche Mu¬seum im 19. Jahrhundert. Vorträge des Symposions im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg/München 1977, 152-175, hier 163f. Die meisten Toten wurden nach der Auflösung des Museums samt ihren Kapellen bzw. Grabstätten auf den Friedhof Père-Lachaise umgebettet.
[9] Poulot weist auf die Bezüge hin, die die englischen Besucher zum 'Musée des Monuments Français' herstellten: Poulot: Alexandre Lenoir, 516.
[10] August Hermann Niemeyer: Beobachtungen auf Reisen in und außer Deutschlands. Nebst Erinnerungen an denkwürdige Lebenserfahrungen und Zeitgenossen in den letzten fünfzig Jahren, Bd. I, Halle / Berlin 1820, 182.
[11] Lenoir erhielt sie nach zähen Verhandlungen aus der Kirche von Nogent-sur-Seine im Jahre 1800 gegen den Widerstand der dortigen Behörden. AMMF I, 159-170.
[12] Auf die Originalität der Gartengestaltung weist hin Roland Recht: L'Elysée d'Alexandre Lenoir: nature, art et histoire, in: Revue Germanique internationale 7 (1997), 47-57.
[13] Alexandre Lenoir: Description historique et chronologique des Monumens de Sculpture réunis au Musée des Monumens Français; par Alexandre Lenoir, fondateur et administrateur de ce musée; Augmentée d'une Dissertation sur la Barbe et les Costumes de chaque siècle, du procès-verbal des exhumations de Saint-Denis (...), Paris An X de la République (=1802), 17.
[14] Jules Michelet: Histoire de la Révolution Française, Paris 1952, Bd. 2, 538f. Die Übersetzung stammt aus: Geschichte der Französischen Revolution. Buch 8. Die Anarchie der Schreckensherrschaft, übersetzt von Richard Kühn, Bd. 4, Frankfurt a. M. 1988, 266.
[15] Wilhelm von Humboldt: Musée des Petits-Augustins, in: Schriften zur Anthropologie und Geschichte, Werke in 5 Bänden, Bd. 1, hg. von Andreas Flitner und Klaus Giel, Darm¬stadt 1960, 519-552, hier: 519.
[16] AMMF II, 16. Bericht vom 30 frimaire an II (20.12.1793).
[17] Ebd., 17.
[18] Humboldt: Musée, 549.
[19] Vom 12. bis zum 15. Oktober 1793 fand die größte offizielle Zerstörungsaktion der königlichen Gräber statt. Lenoir selbst hat seine Eindrücke in verschiedener Form und zu unterschiedlichen Zeiten festgehalten. Dabei weichen seine Angaben zum Zustand der verschiedenen Toten teilweise erheblich voneinander ab. Vgl. die 'Notes historiques sur les exhumations faites en 1793 dans l'abbaye de Saint-Denis' als Anhang zu seinem Museumsführer, in: Lenoir, Description historique, 338-356, hier 338. Diese offizielle Entweihung und Zerstörung wurde zu einem wichtigen Element in der Argumentation Chateaubriands gegen die Revolution – und in der Ablehnung ihrer Folgeinstitutionen, also auch des 'Musée des Monuments Français'.
[20] Übrigens scheint Lenoir weit mehr die Errichtung eines obskuren Denkmals gestört zu haben, das vor dem Eingang der 'Franciade', der ehemaligen Grabkapelle (Saint Denis) stand, wo neben Marmor und anderen Bestandteilen der geschändeten Gräber auch Statuen von Königen als Giebel benutzt wurden: "Die schönsten Stoffe dieser Art wurden dort ohne Kunst durch freie Hände benutzt." AMMF II, 16.
[21] (François René de) Chateaubriand: Le Génie du Christianisme ou Beautés de la religion chrétienne, Paris 1802. Dieser Erstveröffentlichung folgten zahlreiche weitere Ausgaben, unter anderem eine Édition abgrégée à l'usage de la jeunesse, die erstmals zwei Jahre später auf den Markt kam. Die hier wiedergegebenen Zitate entstammen einer Wiederauflage dieser Ausgabe, die drei Jahre nach der Schließung des Museums erschien (Lyon / Paris 1819). Sie sind in der modernen Pléïade-Ausgabe ebenfalls enthalten. Vgl. Chateaubriand: Essai sur les révolutions. Génie du Christianisme, texte établi, présenté et annoté par Maurice Regard, Paris 1978, 936ff. und 1195ff.
[22] Ebd.
[23] Ebd.
[24] Lenoir hatte aus dieser Tatsache in den ersten Jahren ja auch keinen Hehl gemacht, wie aus dem zitierten Bericht schon hervorgegangen ist. Vgl. oben Anm. 16. Chateaubriand wiederum zitiert einen anonymen geistlichen Augenzeugen, der ebenfalls über die Öffnung der königlichen Grabstätten im Herbst 1793 Buch geführt hat. Chateaubriand: Le Génie (1819), Bd. II, 297-317.
[25] Emmet Kennedy: The King's two Bodies. Mo¬numents, Mausoleums, and Museums of the French Revo¬lution, in: David G. Troy¬ansky / Afred Cismaru / Norwood Andrews jr. (Hg.): The French Revolution in cul¬ture and society, Westport 1991, 3-12, hier 10.
[26] Undatierte Bittschrift Lenoirs an den König, Ende 1816, AMMF I, 437f.
[27] Ebd., 439 und AMMF III, 149. Er wurde "Administrateur des Monuments de l'église royale de Saint Denis" (I, 440). Den Verlust ‚seines' Museums konnte diese neue Stelle nicht wettmachen, sie war allerdings angesichts der Bedeutung, die nun der Restaurierung dieses Ortes königlichen Totenkultes beigemessen wurde, keine Schande. Lenoir war sowohl national als auch international inzwischen anerkannt und Mitglied der "Société royale des Antiquaires de France et de celle de Londres". Mémoires détachés des œuvres de M. Alexandre Lenoir, Paris (o.J.), 4 Bde., Bd. 4, 1. Bibliothèque nationale de France, Cabinet des Estampes.
[28] AMMF III, 438.
[29] AMMF I, 26. Bericht Alexandre Lenoirs an das Comité de l'Instruction publique mit dem Ziel, sein Depot in ein Museum umzuwandeln, aus dem Jahre 1795.
[30] Vgl. AMMF I-III. Dagegen sind die von Lenoir zusammengetragenen Museumsbestände nicht als Sammlung erhalten, sondern nach der Schließung seines Museums verstreut worden.
[31] Musée national des Monuments français.

Autorin:
Dr. Alice von Plato
Liebigstr. 11
58511 Lüdenscheid
alice.vonplato@gmx.de

Empfohlene Zitierweise:

Alice von Plato: «Von Menschen und Göttern verlassene Leichname». Totenkult im 'Musée des Monuments Français' (1791-1816)?, in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 1 [09.06.2004], URL: <http://zeitenblicke.historicum.net/2004/01/plato/index.html>

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