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Abstracts

Anja Bröchler: Sprechende Bilder – bildhafte Texte: Das Verhältnis von Bild und Text im Buch XII des Florentiner Codex (1578-80) des Fray Bernardino de Sahagún, in: zeitenblicke 7 (2008), Nr. 2.

Mit der Entdeckung und Eroberung Amerikas im 16. Jahrhundert lernten die spanischen Eroberer eine Art des Schreibens kennen, die anders als die europäische war. Das westliche alphabetische Schreiben traf auf ein System, das mit Bildern und Bildsymbolen arbeitete. Mit der Eroberung setzte ein Prozess ein, der die indigenen Sprachen und ihre Bildschriftlichkeit in die alphabetische Schrift mit lateinischen Buchstaben überträgt – eine Entwicklung, die in der Forschungsliteratur kontrovers diskutiert wird. Der Beitrag untersucht diesen medialen Wandel anhand eines einflussreichen zeitgenössischen Werkes, dem “Florentiner Codex“ (1578-80) des Franziskaners Fray Bernardino de Sahagún (1499-1590).

 

Susanna Burghartz: Mehrdeutigkeit und Superioritätsanspruch. Inszenierte Welten im kolonialen Diskurs um 1600, in: zeitenblicke 7 (2008), Nr. 2.

Mit der europäischen Expansion nach Übersee entstanden in Europa seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Sammlungen von Reiseberichten, die den wachsenden Strom von Informationen, Texten und Bildern über die ’Neuen Welten’ zu organisieren und zu kanalisieren versuchten. Diese Reisesammlungen wurden zu wichtigen Orten für die Konsolidierung kolonialer Diskurse. Das von ihnen vermittelte Bild der fremden Welten war allerdings keineswegs homogen und kohärent. Vielmehr wurde eine außereuropäische Welt imaginiert, die zwischen konträren Polen oszillierte: Die Faszination durch paradiesische Zustände paarte sich mit Abscheu vor indigener Wildheit, die Gewissheit westlicher Superiorität war begleitet von Ängsten vor dem Verschlungenwerden durch das Fremde, der abendländische Führungsanspruch stand in Konkurrenz zu nationaler Selbstbehauptung gegenüber anderen Kolonialmächten. Am Beispiel der Virginiaberichte aus der Sammlung de Bry lässt sich konkret nachvollziehen, wie solche für die Sammlungen geradezu konstitutiven Gegensätze, Widersprüche und Uneindeutigkeiten die Behauptung der europäischen Überlegenheit so erfolgreich möglich machte.

 

Monica Juneja: Das Visuelle in Sprache übersetzen? Der wissenschaftliche Diskurs und die Polyvalenz indischer Bilder, in: zeitenblicke 7 (2008), Nr. 2.

Der Beitrag untersucht die Entstehung eines wissenschaftlichen Diskurses über indische Kunstgeschichte. Unser Wissen zu Bildern entsteht oft über schriftliche Narrative – in diesem Fall über kunstwissenschaftliche Paradigmen und Begriffe, die selbst Ergebnis der kolonialen Wissensproduktion zu indischer Kultur waren und bis in die Gegenwart oft unhinterfragt geblieben sind. Hier entsteht also eine Disjunktion zwischen der kulturspezifischen und mehrdeutigen Visualität und dem akademischen Diskurs, der anhand der ’Textualisierung’ von Wissen auch zur Kanonisierung von Wissen über indische Bilder geführt hat. Die Geschichte der Bilder dagegen hat sich über mehrere Jahrhunderte in vielfältigen sozialen und kulturellen Zusammenhängen entfaltet und so immer wieder neuere Schichten von Bedeutung angeeignet. Der Beitrag erwägt eine Annäherung an die nordindische Hofmalerei über die Polyvalenz der Bilder selbst.

 

Michael Zeuske: Sklavenbilder: Visualisierungen, Texte und Vergleich im atlantischen Raum, 19. Jahrhundert (Brasilien, Kuba und USA), in: zeitenblicke 7 (2008), Nr. 2.

Der Beitrag verfolgt die ‚Verbildlichung‘ der Sklaverei im atlantischen Raum und auf dem amerikanischen Kontinent, ausgehend von den Anfängen im 16. Jahrhundert, aber mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Malerei und Zeichnungen des 19. Jahrhunderts. Dies hat seinen Grund in einem seitdem veränderten europäischen Blickwinkel auf das Phänomen der Sklaverei. Wirkliches Interesse an den Lebensumständen der in Amerika lebenden Sklaven stand nun neben der stark ausgebildeten Furcht vor den Sklaven, die wiederum stark manipuliert bzw. kultiviert wurde. Im Mittelpunkt stehen die Bilderserien von Johann Moritz Rugendas, der die große Vielfalt der Formen von Sklaverei vorstellte und erstmals neben Typisierungen auch individuelle Züge der Dargestellten erkennen ließ. Gleichwohl zollt auch Rugendas den Erwartungen des europäischen Exotismus Tribut. Überhaupt stellte kaum einer der Künstler in seinen Bildern die herrschenden Verhältnisse oder gar die Sklaverei selbst in Frage. Insgesamt wird deutlich, dass in den hier vorgestellten Bildern nur ganz bestimmte Lebensbereiche der Sklaven visualisiert wurden. Keineswegs können daher solche Bilder für eine „histoire totale“ in Anspruch genommen werden. Doch dessen ungeachtet stellen sie eine wesentliche Erweiterung des Quellenfundus zur Geschichte der Sklaverei dar.

 

Jens Jäger: „Heimat“ in Afrika. Oder: die mediale Aneignung der Kolonien um 1900, in: zeitenblicke 7 (2008), Nr. 2.

Die Zunahme von Repräsentationen der Kolonien ist eine auffälliges Phänomen im Kaiserreich um und vor allem nach 1900. Hierbei ist die formale und ästhetische Bildform signifikant. In Anlehnung an die zeitgenössische Heimatkunst und Kunstfotografie wurden Bilder produziert und medial vermittelt, die Ansichten aus den Kolonien in konsumierbare Einheiten wandelten, die deren Rezeption als „Heimat“ oder werdende Heimat im Rahmen des imperialen Kaiserreiches ermöglichten. Auf diese Weise wurden die Kolonien in die alltägliche Reproduktion des imperial-nationalen Kaiserreiches eingespeist.

 

Erstellt von: RedaktionZB
Zuletzt verändert: 2008-10-05 03:34 PM