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Abstracts

Heide Wunder: Gynäkokratie. Auf der Suche nach einem verloren gegangenen Begriff der frühneuzeitlichen politischen Sprache, in: zeitenblicke 8 (2009), Nr. 2.

Der Begriff Gynäkokratie, von griechisch "gynaikokratia" (Frauenherrschaft) soll in diesem Beitrag im Zentrum stehen. Obwohl lange so gut wie unbekannt, handelt es sich doch um einen Begriff der politischen Sprache mit einer zweitausendjährigen Geschichte. In der Frühen Neuzeit war er nachweislich in seiner griechischen und lateinischen Form sowie in den deutschen Übersetzungen "Weiberregiment" und "Weiberherrschaft" Teil der politischen Rhetorik. Angefangen mit Aristoteles' "Politeia" im 4. vorchristlichen Jahrhundert über das "Weiber-Regiment" im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wird diese facettenreiche Begriffsgeschichte an einigen Beispielen erläutert. Damit wird deren Bedeutung für die Teilhabe von Frauen an politischer Herrschaft erkennbar, wie etwa bei der Frage nach der Befähigung des weiblichen Geschlechts zur Übernahme von Herrschaft.

 

Matthias Schnettger: Weibliche Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Einige Beobachtungen aus verfassungs- und politikgeschichtlicher Sicht, in: zeitenblicke 8 (2009), Nr. 2.

Der Beitrag skizziert einige wichtige Ergebnisse der Genderforschung und würdigt deren Bedeutung für die allgemeine Politik- und Verfassungsgeschichte. Neben der Problematik der Herrscherinnenkritik, die anhand der Beispiele John Knox und Jean Bodin als reale Bedrohung weiblicher Herrschaft eingestuft wird, behandelt er die Herrschaft von Frauen kraft eigenen dynastischen Rechts, weibliche Regentschaften, die geistlichen Wahlfürstinnen im Heiligen Römischen Reich, die Rolle der Frauen in der 'großen' Politik sowie weibliche Patronage als stabilisierendes Element für den frühneuzeitlichen Staat. Der Aufsatz hebt hervor, wie sehr die Ergebnisse der Genderforschung in den genannten Bereichen das Bild des frühmodernen Staates und seiner Funktionsweise modifiziert haben. Weibliche Herrschaft sollte daher auch von der allgemeinen Politik- und Verfassungsgeschichte nicht als Randphänomen betrachtet werden. Gleichzeitig sollte die Genderforschung die Grenzen weiblicher Herrschaft im Blick behalten. Trotz erster, teils vielversprechender Versuche in dieser Richtung bleiben europäische Synthesen unter Einbeziehung der deutschen und italienischen Staatenwelt ein wichtiges Forschungsdesiderat.

 

Katrin Keller: Frauen und Politik in der höfischen Gesellschaft des Alten Reiches zwischen 1550 und 1750, in: zeitenblicke 8 (2009), Nr. 2.

Ausgehend von einigen wenigen Beispielen weist der Beitrag zunächst auf die problematische Stellung von Fürstinnen und Damen der Hofgesellschaft im Hinblick auf politische Handlungsmöglichkeiten hin. Zwar gab es rechtlich legitimierte Handlungsspielräume für Frauen, aber die juristischen Grundlagen derartiger Aktivitäten waren nie unumstritten und von Ehestand, Familie und insbesondere der Unterstützung durch männliche Familienmitglieder abhängig. Zwei Bedingungen waren damit mitentscheidend für Handlungsmöglichkeiten von Frauen: Zum einen das Verhältnis zum Ehemann oder (als Witwe) zum Sohn; zum anderen das geschickte Agieren in sozialen Netzwerken. Stärker als politisch aktive Männer waren Frauen auf derart konstruierte informelle Kontakte angewiesen, eben weil ihnen bekanntermaßen die Möglichkeit der Amtsinhabe weitgehend verschlossen blieb. Grenzen solcher Handlungsspielräume und deren Veränderung im Laufe der Frühen Neuzeit bedürfen noch weiterer Untersuchung.

 

Sabine Meine: Hofmusik als Herrschaftsraum. Das Beispiel der Isabella d'Este Gonzaga, in: zeitenblicke 8 (2009), Nr. 2.

Ausgehend vom "Canzoniere di Isabella d'Este", einer preziösen Sammlung mit weltlichen französischen Chansons, die Herzog Ercole I. d'Este seiner Tochter wahrscheinlich als Verlobungsgeschenk 1480 mit an den Hof von Mantua gab, wird gezeigt, warum und wie die Este-Tochter als verheiratete Markgräfin von Mantua Musik zu ihrem besonderen Herrschaftsinstrument entwickelte. Dies geschah einerseits durch die musikikonographische Ausgestaltung eines studiolo und einer grotta in ihren persönlichen Räumen des Palazzo ducale in Mantua, andererseits durch die Förderung der musikalisch-literarischen Gattung der Frottola, die sie als frühe Petrarkistin bereits um 1500 durch gezielte Vertonungsaufträge zu nobilitieren suchte. Von ihrem persönlichen Hofmusiker Bartolomeo Tromboncino ist die Vertonung der letzten Canzone aus Petrarcas Canzoniere "Vergine bella, che di sol vestita" überliefert, die sich ideal in das Bild einer tugendhaften Herrscherin fügt. Am Beispiel der musikalischen Selbstinszenierung auf der Hochzeit ihrer Schwägerin und Konkurrentin Lucrezia Borgia mit Isabellas Bruder Alfonso d'Este in Ferrara 1502 zeigt sich die Überlagerung musikalischen und kulturpolitischen Handelns.

 

Elisabeth Oy-Marra: Repräsentation als Selbstbehauptung: Das dynastische Selbstverständnis der Maria de' Medici am Beispiel der Ausstattung ihres Audienzzimmers im Palais du Luxembourg, in: zeitenblicke 8 (2009), Nr. 2.

Statt des bekannten Bild-Zyklus von Rubens zu Ehren Maria de' Medicis sollen in diesem Beitrag jene zehn in der Forschung bisher weit weniger beachteten Bilder in ihrem Audienzzimmer, dem 'Cabinet doré' im Palais de Luxembourg, in ihrer Bedeutung für das Selbstverständnis der Fürstin analysiert werden. Die Bilder werfen Fragen nach dem Umgang der Königinmutter mit den Mitteln der Repräsentation auf. Gegenstand des Zyklus sind Ereignisse, die die Hochzeiten verschiedener Mitglieder des Hauses Medici sowie bedeutende Episoden aus der Geschichte des bekannten Geschlechts zum Inhalt haben. Durch dieses einzigartige Beispiel für den Rekurs einer Fürstin auf die Geschichte ihrer Herkunftsfamilie, mit der sie ihren Rang am Hof des Ehemanns offenbar zu konsolidieren suchte, wurde Maria ihrem Ruf gerecht, die mediale Repräsentation wie kaum ein Fürst ihrer Zeit betrieben zu haben. Auch wird deutlich, dass sie die Affirmation ihrer Position und ihrer Friedenspolitik mit großem Geschick zu inszenieren wusste.

 

Pauline Puppel: Der 'Traum' einer jeden Schwiegermutter. Gräfin Elisabeth Charlotte von Nassau-Dillenburg-Schaumburg und Prinz Lebrecht von Anhalt-Bernburg, in: zeitenblicke 8 (2009), Nr. 2.

Ein Streit um Herrschaft und Regierungsgewalt in Nassau-Schaumburg steht im Zentrum dieses Aufsatzes. Anhand von Gerichtsakten wird der schwelende Konflikt zwischen Gräfin Elisabeth Charlotte (1640–1707) und ihrem Schwiegersohn unter dem Aspekt der Herrschaftsausübung von Frauen neu beleuchtet. Trotz fehlender staatsrechtlicher Legitimation – in der Frühen Neuzeit galt eine Frau zur Herrschaft weder als befähigt noch als berechtigt – konnte sich Elisabeth Charlotte, Witwe Adolfs von Nassau-Dillenburg und Erbtochter des Peter Melander von Holzappel, gegen den jungen Ehemann ihrer zur Erbin erklärten Tochter behaupten. Ihr Beispiel zeigt eine adlige Frau, die ihre Position als Erbtochter und die damit verbundenen Rechte auf Herrschaftsausübung bewusst wahrnahm und diese auch gegen Ansprüche von Männern durchzusetzen wusste. Als am 12. April 1692 in Schaumburg die Hochzeitsglocken läuteten, konnte von den vielen Gästen niemand ahnen, dass ein langer und mehr als unerfreulicher Streit hier seinen Anfang nehmen würde. Der Bräutigam war als jüngerer Bruder eines Thronerben nicht in der Position, das väterliche Erbe antreten zu können. Als zukünftiger Gatte einer Erbtochter eröffnete sich ihm jedoch die Aussicht auf eine eigene Landesherrschaft. Allerdings erfreute sich seine verwitwete Schwiegermutter noch bester Gesundheit und machte daher keinerlei Anstalten, dem jungen Fürstenpaar die Herrschaft zu überlassen und sich auf ihren Witwensitz zurückzuziehen.

 

Corina Bastian: 'Diplomatie kennt kein Geschlecht'. Die Korrespondenz der Madame de Maintenon und der Princesse des Ursins im Spanischen Erbfolgekrieg (1705-1715), in: zeitenblicke 8 (2009), Nr. 2.

Die diplomatischen Beziehungen frühneuzeitlicher Höfe waren durch ein Nebeneinander verschiedener Kanäle gekennzeichnet – zwischen Amtsträgern und 'informellen' Akteuren, Männern und Frauen gleichermaßen. Durch ihre Korrespondenz sicherten Madame de Maintenon und die Princesse des Ursins eine Verbindung zwischen dem französischen und dem spanischen Hof. Da beide Frauen über einen exklusiven Zugang zum Herrscher verfügten, war ihre Korrespondenz ein Machtinstrument, das den eigenen und den Handlungsspielraum der Herrscher erweiterte. Im Zuge der immer stärker divergierenden Interessen beider Höfe wurden die Briefe selbst zu einem Ort der Verhandlung. Selbst- und Fremddarstellung der Frauen in den Quellen lassen erkennen, dass für die Praxis ihrer Einflussnahme ihre Geschlechtszugehörigkeit nur bedingt eine Rolle spielte. In stereotypen Diskursen diskreditierten sie allerdings weibliche sowie 'nicht-amtliche' Einflussnahme – eine Strategie, die dazu diente, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Die Diskurse antizipieren demnach Entwicklungen des 18. Jahrhunderts. Die Korrespondenz der beiden Frauen spiegelt die Gleichzeitigkeit gebräuchlicher Praktiken und sich in zunehmendem Maße durchsetzender Normvorstellungen.

 

Britta Kägler: Weibliche Regentschaft in Krisenzeiten. Zur Interimsregierung der bayerischen Kurfürstin Therese Kunigunde (1704/05), in: zeitenblicke 8 (2009), Nr. 2.

Weibliche Herrschaft war an frühneuzeitlichen Fürstenhöfen des Alten Reichs zumeist an die Übernahme einer Vormundschaftsregierung gebunden. Eine Ausnahme stellt die Interimsregierung der Kurfürstin Therese Kunigunde in Bayern dar. Ihr fiel 1704/05, mitten im Spanischen Erbfolgekrieg, die schwierige Aufgabe zu, das Kurfürstentum nach der Niederlage der französisch-bayerischen Truppen zu verwalten. Dabei schien Therese Kunigunde als junge Fürstin keineswegs dafür prädestiniert, die Regierungsgeschäfte zu leiten. Grund hierfür war weniger politisches Desinteresse, als vielmehr ihr Rückzug aus der Münchner Hofgesellschaft. Sie entzog sich in ihren ersten Ehejahren systematisch den höfischen Netzwerken, wodurch sie in eine Außenseiterposition gedrängt wurde, selbst wenn ihr als Kurfürstin eigentlich die Rolle der 'ersten Dame' des Hofes zustand. Erst die außenpolitische Krise des Kurfürstentums erschloss Therese Kunigunde als Regentin politische Handlungsfelder jenseits eingespielter Netzwerkstrukturen. Als Erfolgsmodell kann die einzige Episode weiblicher Herrschaft im Kurfürstentum Bayern, die nicht auf einer Vormundschaftsregierung basierte, trotz ihrer weitgehend positiven Beurteilung jedoch nicht betrachtet werden.

 

Eva K. Dade: Die Marquise de Pompadour und die auswärtigen Diplomaten am Hof in Versailles, in: zeitenblicke 8 (2009), Nr. 2.

Madame de Pompadour, Mätresse Ludwigs XV., konnte über ihre Kontakte zu den diplomatischen Vertretern fremder Höfe Einfluss auf die Gestaltung der Außenbeziehungen der französischen Krone nehmen. Für die Hoffremden war sie von großem Interesse: Sie verschaffte ihnen den Zugang zum Herrscher, leitete ihre Anliegen weiter und ermöglichte in ihren Räumen Zusammenkünfte, die für die Diplomaten vielfach von größerem Nutzen waren als ihre streng nach Zeremoniell verlaufenden Audienzen beim König. Auf Geheiß Ludwigs XV. wurden alle Diplomaten bereits zu Beginn ihres Aufenthalts der Mätresse vorgestellt. Anschließend suchten sie sie regelmäßig auf, um ihrer Schmink- und Ankleidezeremonie beizuwohnen. Wie viel Einfluss Madame de Pompadour tatsächlich auf den Herrscher habe, darüber gingen die Meinungen auseinander: Einig waren sich die Diplomaten jedoch in der Überzeugung, dass der Kontakt zur Mätresse von politischem Vorteil sein könne und dass es ihn deshalb zu pflegen gelte. Die praktischen Bedingungen dieses Kontakts und die geschlechtsspezifischen Handlungsspielräume der Mätresse werden im Folgenden untersucht.

 

Erstellt von: RedaktionZB
Zuletzt verändert: 2009-06-30 04:15 PM