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Abstracts

Monika Gussone und Hans-Werner Langbrandtner: Bibliotheken und Musikalien als Spiegel adliger Bildung. Auf Spurensuche in rheinischen Adelsbibliotheken und -archiven, in: zeitenblicke 9 (2010), Nr. 1.

An ausgewählten Beispielen wird dargestellt, mithilfe welcher Quellenarten Informationen über den Buchbesitz einzelner Personen oder ganzer Familien des rheinischen Adels in der Frühen Neuzeit zu gewinnen sind. Lassen sich die frühen Buchsammlungen vor allem über Nachlassinventare erschließen, haben sich seit Einführung der Fideikommisse auch reale Bibliotheksbestände über mehrere Generationen hinweg erhalten. Es wird diskutiert, ob die Anzahl der Bücher in einem Adelshaushalt Rückschlüsse auf den Bildungsstand der betreffenden Familie erlauben und in welchen Fällen die Bücher als Quellen für die Biographie ihrer Besitzer herangezogen werden können. Zudem werden die unterschiedlichen Funktionen der Bibliotheken in den Adelshaushalten nachgezeichnet: Oft waren nur wenige Bücher vorhanden, die im Alltag benötigt wurden, manche Bibliotheken standen in Bezug zur beruflichen Arbeit ihres Besitzers, andere dienten vor allem der Ausbildung der Kinder und nur die größeren lassen zusätzliche literarische oder wissenschaftliche Interessen erkennen. Abschließend wird auf die Rekonstruktion adliger Musikkultur anhand von erhaltenen Musikalien, Rechnungen und Inventarlisten sowie in Auktionskatalogen genanntem, mittlerweile veräußertem Bibliotheksgut eingegangen.

 

Maria Rößner-Richarz: Selbstzeugnisse als Quellen adliger Lebenswelten in der Sattelzeit. Eine Bestandsaufnahme, in: zeitenblicke 9 (2010), Nr. 1.

Anhand von Selbstzeugnissen des Adels, wie Lebensbeschreibungen, Tagebüchern, Reiseberichten, Briefen, Testamenten, philosophischen Texten, Gebeten und Gedichten, wird in diesem Beitrag das Umfeld des Adels untersucht. Die Quellen stammen ausnahmslos aus rheinischen Adelsarchiven. Schwerpunkte sind die Familie, der Adelssitz, kulturelles Leben, Religion und Frömmigkeit und schließlich der Umgang mit dem Tod. Anhand dieser Zeugnisse wird man Aufschluss darüber erwarten können, inwieweit der Adel unter dem Einfluss von Aufklärung, französischer Revolution und den darauf folgenden Kriegsereignissen und politischen Umbrüchen seine eigene Rolle stärker reflektierte.

 

Christian Reinicke: Quellen zur adligen Lebensgeschichte. Beobachtungen an Personenstandsquellen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, in: zeitenblicke 9 (2010), Nr. 1.

Die Nennung von Adligen in Kirchenbüchern und in Zivilstandsregistern des Rheinlandes zwischen 1750 und 1850 spiegelt die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche dieser Jahrzehnte. In den Kirchenbüchern vor der Revolutionszeit werden Adlige den gesellschaftlichen Konventionen entsprechend als Standespersonen genannt: Eine genaue Rekonstruktion adliger Genealogien mit Hilfe von Kirchenbüchern wird aber durch die wechselnden Residenzen und Aufenthaltsorte der Adelsfamilien erschwert. Gelegentlich wird in Kirchenbüchern eine die jeweilige Familie zusammenführende Genealogie versucht. In den Zivilstandsregistern der linksrheinischen französischen Departements verlieren die Adligen entsprechend den Revolutionsgesetzen nach 1798 ihre Titel. Wahrscheinlich schon bald nach 1800 kehrt man wieder zu den alten Standestiteln zurück, was aber nicht sogleich ein erneutes Erstarken der politischen und gesellschaftlichen Stellung adliger Familien bedeuten muss. Eher könnte sich darin eine geänderte Haltung Napoleons zum Adel und der Beginn einer eigenen Adelspolitik andeuten. Ein weithin offenes, noch zu erforschendes Problem bilden die französischen Scheidungsgesetze vor allem zwischen 1798 und 1803 in ihrem Einfluss auf die Gesellschaft des Rheinlandes und insbesondere auf adlige Familien.

 

Roelof Braad und Peter K. Weber: Das erste Adelsarchiv vollständig im Netz. Das Archiv der gräflichen Familie von und zu Hoensbroech auf Schloss Haag mit Quellen vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, in: zeitenblicke 9 (2010), Nr. 1.

Nach Jahren intensiver Vorbereitung tritt ein grenzüberschreitendes Archivprojekt in seine Endphase. Das Archiv der gräflichen Familie von und zu Hoensbroech auf Schloss Haag bei der niederrheinischen Stadt Geldern (D) ist von großer Bedeutung für die Adelsgeschichte, aber auch die Regional- und Lokalgeschichte in Deutschland, den Niederlanden und Belgien. In Zusammenarbeit mit dem in der Abtei Brauweiler bei Köln beheimateten Rheinischen Archiv- und Museumsamts (RAMA) des Landschaftsverbandes Rheinland, jetzt LVR - Archivberatungs- und Fortbildungszentrum (LVR-AFZ) und dem Museum Kasteel Hoensbroek ließ die Heerlener Kultureinrichtung Rijckheyt, centrum voor regionale geschiedenis hunderttausende Seiten des Archivs der gräflichen Familie von und zu Hoensbroech digitalisieren. Sie werden alsbald der Forschung, aber auch der historisch interessierten Öffentlichkeit zunächst im Intranet, später dann auch im Internet weltweit zur Verfügung stehen. Das Projekt ist ein Meilenstein der internationalen archivischen Zusammenarbeit, weil diese grenzüberschreitende Kooperation es erst ermöglichte, wohl erstmals ein in Privatbesitz befindliche Adelsarchiv in Gänze digital im Internet nutzbar zu machen.

 

Wolfgang Bockhorst: Westfälische Adelsgeschichte in der französischen Zeit, in: zeitenblicke 9 (2010), Nr. 1.

Westfalen ist im Alten Reich mit seinen Fürstbistümern und Reichsstiften und relativ wenigen weltlichen Grafschaften überwiegend katholisch geprägt gewesen. In den geistlichen Wahlstaaten dominierte der alteingesessene Adel, der die Dom- und Stiftskapitel stellte und als Ritterschaft auf den Landtagen vertreten war. Die Säkularisation und der Einfluss Frankreichs zerstörten die Grundlagen, auf denen die Macht des stiftsfähigen Adels basierte. Der Adel musste sich neu orientieren. An verschiedenen Beispielen wird gezeigt, wie sich einzelne Adelige in dieser Umbruchzeit arrangierten. Die Palette reicht von Anbiederung über vorsichtige Annäherung und abwartender Haltung zu strikter Ablehnung. Allgemein war die Erkenntnis vorhanden, dass die alte Stellung unwiederbringlich verloren war. Dem widerspricht nicht, dass man sich nach 1815 nach Kräften bemühte, die Stellung als Leitstand wieder zu erwerben.

 

Ingeborg Schnelling-Reinicke: Westfälischer Adel im Königreich Westphalen. Quellen zur Erforschung des westfälischen Adels im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Die westphälische Titelkommission und der Orden der westphälischen Krone, in: zeitenblicke 9 (2010), Nr. 1.

Am Beispiel des Königreichs Westphalen (1807-1813) stellt der Beitrag Möglichkeiten vor, staatliche Überlieferungen zur Erforschung von Adelsgeschichte heranzuziehen. Im Mittelpunkt stehen zwei bislang wenig beachtete Teilbestände der im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz aufbewahrten Überlieferung der obersten westphälischen Landesbehörden: die der westphälischen Titelkommission (Commission du Sceau des Titres) sowie die des Ordens der westphälischen Krone (Ordre de la Couronne de Westphalie). Beide Einrichtungen waren direkte Nachahmungen französischer Vorbilder. Neben biografischen Aspekten und der Untersuchung einer westphälischen Adelspolitik nach französischem Muster können diese Quellen möglicherweise auch Aufschluss über eine gezielte Bildung eines Gemeinschaftsgefühls in diesem aus einer Vielzahl ehemaliger Herrschaften gebildeten, heterogenen Staat bieten.

 

Oliver Schulz: Zwischen revolutionärer Herausforderung, unternehmerischem Interesse und Loyalität zu Preußen: Annäherungen an den Adel in der Grafschaft Mark um 1800 am Beispiel der Familie von Elverfeldt, in: zeitenblicke 9 (2010), Nr. 1.

Der Adel der Grafschaft Mark um 1800 stellt einen bemerkenswerten "weißen Fleck" innerhalb der südwestfälischen Landesgeschichte dar. Übergreifende Studien sind noch nicht vorgelegt worden, die stark wirtschaftsgeschichtlich orientierte Landesgeschichtsschreibung hat sich zumeist auf das metallverarbeitende Gewerbe des märkischen Sauerlandes und die Gruppen der Reidemeister und Kaufleute konzentriert. Studien zur Geschichte des westfälischen Adels legten den Schwerpunkt oft auf das Münsterland, so dass bisher fast ausschließlich der katholische Adel in den Blick geraten ist. Charakteristika, die wie das adelige Unternehmertum in Bergbau und protoindustriellem Metallgewerbe für die Grafschaft Mark typisch sind und gleichsam quer zum in Deutschland weit verbreiteten Bild vom Adeligen als Großgrundbesitzer und Agrarunternehmer liegen, bedürfen ebenfalls weiterer Forschungen, insbesondere im Hinblick auf die Ziele und Motive des unternehmerischen Handelns. Das Archiv der regional bedeutsamen Adelsfamilie von Elverfeldt ist angesichts seines Umfangs und der Vielfalt der in ihm enthaltenen Quellen dazu prädestiniert, eine Grundlage für diese Forschungsfelder und die Entwicklung neuer Perspektiven für zukünftige Untersuchungen zu bilden.

 

Erstellt von: RedaktionZB
Zuletzt verändert: 2010-06-10 06:09 PM